Friedens-Vertrag zwischen Preußen und Hessen

vom 3. September 1866

Seine Majestät der König von Preußen und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein, souveräner Landgraf zu Hessen, von dem Wunsche geleitet, Ihren Völkern die Segnungen des Friedens zu sichern, haben beschlossen, Sich über die Bestimmungen eines zwischen Ihnen abzuschließenden Friedensvertrages zu verständigen und zu Ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich:

Seine Majestät der König von Preußen:
Seinen Minister-Präsidenten und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Otto von Bismarck-Schönhausen, Ritter des Schwarzen Adler-Ordens ect.
und
Seinen Wirklichen Geheimen Rath, Kammerherrn und Gesandten, Carl Friedrich von Savigny, Ritter des Rothen Adler-Ordens I. Klasse;

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein ect.:
den Präsidenten des Großherzoglichen Gesammt-Ministeriums und Minister des Großherzoglichen Hauses und des Äußeren, so wie des Innern, Wirklciehn geheimen Rath Freiherrn Reinhard v. Dalwigk zu Lichtenfels, und
den vortragenden Rath in dem Großherzoglichen Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, Geheimen Legationsrath Carl Hofmann,

welche nach erfolgtem Austausch ihrer in guter Ordnung befundenen Vollmachten über nachfolgende Vertragsbestimmungen übereingekommen sind:

Artikel 1. Zwischen Seiner Majestät dem König von Preußen und Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Hessen und bei Rhein, deren Erben und Nachfolgern, deren Staaten und Unterthanen, soll fortan Friede und Freundschaft auf ewige Zeiten bestehen.

Artikel II. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein verpflichtet sich, Behufs Deckung eines Theils der für Preußen aus dem Kriege erwachsenen Kosten an Seine Majestät den König von Preußen die Summe von Drei  Millionen Gulden binnen zwei Monaten zu bezahlen. Durch Bezahlung dieser Summe entledigt sich Seine Königliche Hoheit der im § 8 des Waffenstillstands-Vertrages d. d. Eisingen bei Würzburg den 1. August 1866 übernommenen Entschädigungs-Verbindlichkeiten.

Artikel III. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein ect. leistet für die Bezahlung dieser Summe Garantie durch Hinterlegung von Obligationen Großherzoglich Hessischer Staatsanleihen, wobei die 4procentigen Obligationen zum Course von 80 und die 3 1/2procentigen zum Course von 70 angenommen werden.

Artikel IV. Seiner Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein ect. steht das Recht zu, obige Entschädigung ganz oder theilweise unter Abzug eines Disconto von 5 pCt. per Jahr früher zu bezahlen.

Artikel V. Unmittelbar nach geleisteter Garantie in Gemässheit des Art. III., oder nach erfolgter Zahlung der Kriegsentschädigung, wird Seine Majestät der König von Preußen Seine Truppen aus dem Großherzoglich Hessischen Gebiete zurückziehen.

Die Verpflegung der Truppen bei ihrem Rückmarsch erfolgt nach dem bisherigen Bundes-Verpflegungs-Reglement.

Artikel VI. Die Auseinandersetzung der durch den früheren Deutschen Bund begründeten Eigenthumsverhältnisse bleibt besonderer Vereinbarung vorbehalten.

Artikel VII. Die hohen Contrahenten werden unmittelbar nach Abschluss des Friedens wegen Regelung der Zollvereins-Verhältnisse in Verhandlung treten. Einstweilen sollen der Zollvereinigungsvertrag vom 16. Mai 1865 und die mit ihm in Verbindung stehenden Vereinbarungen, welche durch den Ausbruch des Krieges außer Wirksamkeit gesetzt sind, vom Tage des Austausches der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrages an, mit der Maßgabe wieder in Kraft treten, daß jedem der hohen Contrahenten vorbehalten bleibt, dieselben nach einer Ankündigung von sechs Monaten außer Wirksamkeit treten zu lassen.

Artikel VIII. Alle übrigen zwischen den hohen Contrahenten vor dem Kriege abgeschlossenen Verträge und Übereinkünfte werden hiermit wieder in Kraft gesetzt.

Artikel IX. Die hohen Contrahenten werden unmittelbar nach Herstellung des Friedens in Deutschland der Zusammentritt von Commissarien zu dem Zwecke veranstalten lassen, um Normen zu vereinbaren, welche geeignet sind, den Personen- und Güterverkehr auf den Eisenbahnen möglichst zu fördern, namentlich die Concurrenz-Verhältnisse in angemessener Weise zu regeln und den allgemeinen Verkehrs-Interessen nachtheiligen Bestrebungen der einzelnen Verwaltungen entgegenzutreten. Indem die hohen Contrahenten darüber einverstanden sind, daß die Herstellung jeder im allgemeinen Interesse begründeten neuen Eisenbahn-Verbindung zuzulassen und so viel als thunlich zu fördern ist, werden Sie durch die vorbezeichneten Commissarien auch in dieser Beziehung die durch die allgemeinen Verkehrs-Interessen gebotenen Grundsätze aufstellen lassen.

Artikel X. Die Großherzoglich Hessische Regierung erklärt sich im Voraus mit den Abreden einverstanden, welche Preußen mit dem fürstlichen Hause Taxis wegen Beseitigung des Rhurn- und Taxis'schen Postwesen trifft.

In Folge dessen wird das gesammte Postwesen im Großherzogthum Hessen an Preußen übergehen.

Artikel XI. Die Großherzoglich Hessische Regierung verpflichtet sich, in Mainz keine andere als eine Preußische Telegraphenstation zu gestatten.

In gleicher Weise räumt die Großherzogliche Regierung der Preußischen auch in den übrigen Gebietstheilen des Großherzogthums das Recht zur unbeschränkten Anlegung und Benutzung von Telegraphenlinien und Telegraphenstationen ein.

Artikel XII. Die Großherzoglich hessische Regierung wird die Erhebung der Schifffahrts-Abgaben auf dem Rhein, und zwar sowohl der Schifffahrtsgebühr - Tarif B. zur Übereinkunft vom 31. März 1831 - als auch des Zolles von der Ladung - Zusatzartikel XVI. und XVII. zu der Übereinkunft vom 31. März 1831 - von dem Tage ab völlig einstellen, an welchem in den übrigen Deutschen Uferstaaten des Rheins die gleiche Maßregel zur Ausführung gebracht werden wird.

Die hohen Contrahenten übernehmen dieselbe Verpflichtung bezüglich der noch bestehenden Schifffahrtsabgaben auf dem Main.

Artikel XIII. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein ect. erkennt die Bestimmungen des zwischen Preußen und Österreich zu Nikolsburg am 26. Juli 1866 abgeschlossenen Präliminar-Vertrages an und tritt denselben, soweit sie die Zukunft Deutschlands betreffen, auch Seinerseits bei.

Artikel XIV. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein ectl. tritt an Seine Majestät den König von Preußen mit allen Souveränitäts- und Dominialrechten ab:
I. Die Landgrafschaft Hessen-Homburg, einschließlich des Oberamtsbezirks Meisenheim, jedoch ausschließlich der beiden in der Königlich Preußischen Provinz Sachsen belegenen Hessen-Homburgischen Dominialgüter Hötensleben und Oebisfelde;
II. Folgende bisher zur Provinz Oberhessen gehörige Gebietstheile, nämlich:
    1) den Kreis Biedenkopf;
    2) den Kreis Vöhl, einschließlich der Enclaven Eimelrod und Heringhausen;
    3) den nordwestlichen Theil des Kreises Gießen, welcher die Orte Frankenbach, Krumbach, Königsberg, Fellingshausen, Bieber, Haina, Rodheim, Waldgirmes, Naunheim und Hermanstein mit ihren Gemarkungen umfaßt;
    4) den Ortsbezirk Rödelheim;
    5) den unter Großherzoglich Hessischer Souveränetät stehenden Theil des Ortsbezirkes Nieder-Ursel.

Mit Seinen sämmtlichen nördlich des Mains liegenden Gebietstheilen tritt Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. auf der Basis der in den Reformvorschlägen vom 10. Juni d. J. aufgestellten Grundsätze in den Norddeutschen Bund ein, indem Er Sich verpflichtet, die geeignete Einleitung für die Parlamentswahlen, dem Bevölkerungs-Verhältnisse entsprechend, zu treffen.

Das in Folge dessen auszusondernde, zum Norddeutschen Bunde gehörige Großherzoglich Hessische Contingent tritt unter Oberbefehl des Königs von Preußen nach Maßgabe der auf der Basis der Bundesreform-Vorschläge vom 10. Juni d. J. zu vereinbarenden Bestimmungen.

Artikel XV. Seine Majestät der König von Preußen tritt an Seine Königliche Hoheit den Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. Behufs Herstellung territorialer Einheit in der Provinz Oberhessen folgende Gebietstheile mit allen Souveränetäts- und Domainialrechten ab:
1) den vormals Kurhessischen District Katzenberg mit den Ortschaften Ohmes, Vockenrode, Ruhlkirchen, Seibelsdorf;
2) das vormals Kurhessische Amt Nauheim, mit den sämmtlichen landesherrlichen Eigenthumsrechten und den in Nauheim befindlichen Bade-Anstalten und Salinen, sowie den Ortschaften Dorheim, Nauheim, Schwalheim, Rödgen;
3) das östlich davon belegene vormals Nassauische Amt Reichelsheim mit den Ortschaften Reichelsheim und Dornassenheim;
4) die vormals Kurhessische Enclave Treis an der Lumda;
5) den vormals Kurhessischen, zwischen den Großherzoglich HessischenOrtschaften Altenstadt und Bünstadt belegenenen Domanialwalddistrict;
6) die vormals Frankfurtischen Ortsbezirke Dortelweil und Nieder-Erlenbach;
7) den vormals Kurhessischen Ortsbezirk Massenheim;
8) den vormals Kurhessischen Ortsbezirk Haarheim;
9) den vormals Kurhessischen, etwa 1700 Morgen umfassenden Gebietstheil des Ortsbezirks Mittel-Gründau.

Diese Gebietstheile (zu 1-9) treten in der Provinz Oberhessen und in die für dieselbe geltenden staatsrechtlichen Verhältnisse (Artikel XIII.) ein.

Nächstdem wird der auf dem linken Main-Ufer gelegene, vormals Kurhessische Gebietstheil mit dem Ort Rumpenheim ebenfalls an Seine Königliche Hoheit mit allen Souveränetäts- und Domanialrechten abgetreten.

Die betreffenden Gebietsbeschreibungen liegen bei.

Artikel XVI. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden hohen Contrahenten bezüglich der gegenseitig abgetretenen Gebietstheile, der Archive, der Beamten, Militairs etc. bleibt besonderer Verständigung durch beiderseitige Commissarien vorbehalten.

Artikel XVII. Die vor dem Jahre 1794 in der Kölnischen Dombibliothek befindlich gewesenen, zur Zeit in dem Großherzoglichen Museum und der Großherzoglichen Bibliothek aufbewahrten Bücher, Handschriften und andere Inventarienstücke werden der Regierung Seiner Majestät des Königs von Preußen für das Kölner Domcapitel zur Verfügung gestellt werden.

Die Entscheidung über die Zubehörigkeit der einzelnen Stücke wird durch einen Commissarius Seiner Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein ect.  in Gemeinschaft mit einem Commissarius Seiner Majestät des Königs von Preußen, in streitigen Fällen durch einen von beiden zu wählenden unparteiischen Obmann, endgiltig getroffen werden.

Artikel XVIII. Die Großherzogliche Regierung verpflichtet sich, den zwischen einer Anzahl Badehausbesitzern in Kreuznach und der Großherzoglichen Saline Carls-Theodors-Halle abgeschlossenen, bis zum Jahre 1872 laufenden Contract wegen Lieferung von Soole und Mutterlauge bis auf Weiteres, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkte, zu welchem die Preußische Regierung sich zu dem Erwerb der gedachten Saline veranlaßt finden sollte, mit der sofort eintretenden Maßgabe verlängern, daß die Stadt Kreuznach in Stelle der bisherigen Contrahenten den nöthigen Bedarf an Soole und Mutterlauge erhält. Auch wird Großherzoglich Hessischerseits die Legung einer Röhrenleitung für den bezug der Soole aus den Salinenbrunnen nach der Stadt Kreuznach gestattet.

Artikel XIX. Die Ratification des gegenwärtigen Vertrages erfolgt bis spätestens zum 15. September d. J.

    Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten diesen Vertrag in doppelten Exemplaren unterzeichnet und ihre Siegel beigedruckt.

    So geschehen zu Berlin, den 3. September 1866.

v. Bismarck.            Dalwigk.
Savigny.                 Hofmann.
 

Beschreibung
der
Grenzen der von Seiner Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein, souverainem Landgrafen zu Hessen, an Seine Majestät den König von Preußen abzutretenden Gebiete und gebietstheile.

I. Die Landgrafschaft Hessen-Homburg, bestehend aus:
a. dem Amte Homburg mit 1 1/2 QMeilen und 13,622 Einwohnern,
b. dem Amte Meisenheim mit 3 1/2 QMeilen und 13,752 Einwohnern,
    Zusammen: 5 QMeilen mit 27,374 Einwohnern
wird in ihrem ganzen Gebietsumfange abgetreten.

Die Grenze des abzutretenden Gebiets fällt daher hier, überall mit der bisherigen Hoheitsgrenze des Landgrafthums Hessen zusammen. Diese kam erst mit dem Erlöschen des Hauses Hessen-Homburg durch den Tod des Letzten im Mannstamm, Ferdinand am 24. März 1866 durch Erbfall an Hessen-Darmstadt.

II. Die bisher zur Provinz Oberhessen gehörigen an Seine Majestät den König von Preußen abzutretenden Gebietstheile sind folgende:
1) der Kreis Biedenkopf mit 11 QMeilen und 33,325 Einwohnern. Die Grenzen dieses Kreises fallen nach Nord, Ost und West mit der bisherigen Landesgrenze des Großherzoglich Hessischen Gebiets zusammen, welches hier im Norden von der Königlich Preußischen Provinz Westphalen, im Osten von der vormals Kurfürstlichen Provinz Oberhessen, im Westen von der Königlich Preußischen Provinz Westphalen, so wie von vormals Nassauischen gebiete umschlossen wird.
    Nach Süden wird der Kreis Biedenkopf theils durch den Königlich Preußischen Kreis Wetzlar, theils durch die Gemarkung des bisher zum Großherzoglich Hessischen Kreise Gießen gehörigen Ortes Frankenbach und zwar an der letzteren Stelle in der Weise begrenzt, daß der Lauf der Gemarkungsgrenze zwischen den Orten Wilsbach auf der einen und Frankenbach auf der andern Seite zugleich die Grenze des Kreises Biedenkopf bilden.
2) Der Kreis Vöhl mit 2 1/2 QMeilen und 5810 Einwohnern besteht aus drei, von dem übrigen Gebiete der Provinz Oberhessen getrennt liegenden Theilen, von welchen der größere mit der Kreisstadt Vöhl im Norden, Osten und Westen durch Waldeckisches, im Süden durch vormals Kurhessisches Gebiet begrenzt wird, die beiden andern Enclaven Höringshausen und Eimelrod sind von Waldeckischem Gebiete ganz umschlossen. Die bisherige Hoheitsgrenze des Großherzogthums bildet daher in Bezug auf den Kreis Vöhl zugleich die Grenze des abzutretenden Gebiets.
3) Der nordwestliche Theil des Kreises Gießen mit den Orten Frankenbach, Krumbach, Königsberg, Fellingshausen, Bieber, Heina, Rodheim, Waldgirmes, Naunheim und Hermannstein, zusammen ungefähr 1 1/3 QMeilen und 5357 Einwohner, wird begrenzt: im Norden durch den bisher Großherzoglich Hessischen Kreis Biedenkopf und durch die vormals Kurfürstlich Hessische Provinz Oberhessen, im Osten und Westen durch Königlich Preußischen Gebiet (Kreises Wetzlar), im Süden ebenfalls durch dieses Gebiet und ferner durch dei nördliche Grenze der zum Großherzoglich Hessischen Kreise Gießen gehörigen Gemarkung Heuchelheim, so daß der Lauf der Gemarkungsgrenze zwischen den Orten Rodheim an der Bieber einerseits und Heuchelheim andererseits, etwas nördlich von dem so genannten Windhof, hier die zukünftige Landesgrenze zwischen dem Königreich Preußen und dem Großherzogthum Hessen bestimmt.
4) Der bisher zum Großherzoglichen Kreise Vilbel zählende Ort Rödelheim (2762 Einwohner) nebst dem dazu gehörigen Bezirke liegt von dem übrigen Gebiete der Provinz Oberhessen getrennt und wird durch das ihn umgebende vormals Nassauische, Frankfurtische und Kurhessische Gebiet begrenzt, so daß auch hier die Grenze des abzutretenden Gebiets mit der bisherigen Hoheitsgrenze zusammenfällt. Ein Gleiches ist
5) mit dem bisher unter Großherzoglich Hessischer Souverainetät stehenden Theile von Nieder-Ursel (475 Einwohner) der Fall.
 

Erläuterungen

In Bezug auf die in den Artikeln 14 und 15 des Friedens-Vertrags vom heutigen Tage verabredeten Abtretungen und Grenzregulirungen sind die unterzeichneten Bevollmächtigten über folgende Punkte übereingekommen:
1) In den abgetretenen Bezirken tritt der Preußische Staat in alle Rechte und Verbindlichkeiten des Hessischen Staates ein und hat daher auch die Zahlung der Pensionen und Besoldungen in der bisherigen Weise zu leisten. Den in den gedachten Bezirken zu übernehmenden Beamten und Bediensteten wird der Betrag ihrer seitherigen Gesammtbezüge garantirt, wenn sie in Königlich Preußischen Diensten bleiben. Treten sie aber nach Hessen zurück, was ihnen innerhalb der nächsten drei Monate nach Ratification dieses Vertrages freisteht, so werden sie bis zu ihrer Wiederverwendung nach den hier einschlagenden Großherzoglich Hessischen Bestimmungen behandelt.
In analoger Weise regeln sich die Verhältnisse der aus den vormals Nassauischen und Kurhessischen jetzt abgetretenen Landestheilen zu übernehmenden Beamten.
Diejenigen aus den obengedachten Bezirken gebürtigen Militärpersonen, welche nicht Officiersrang haben, werden aus der Großherzoglich Hessischen Armee in ihre Heimath entlassen. Die Dienstzeit im Großherzoglich Hessischen Heere wird ihnen auf die Preußische Dienstpflicht angerechnet. Den Officieren, so wie den Militärpersonen, welche Officiersrang haben, steht der Wahl zu, in den Diensten welchen Landes sie ferner stehen wollen.
2) Die nach Artikel 15 des Friedens-Vertrages erwähnten Commissarien werden sich mit allen denjenigen gegenständen beschäftigen, welche mit der gegenseitigen Auseinandersetzung im Zusammenhange stehen, wie z. B. den Rückständen öffentlicher Abgaben und anderen Gegenständen dieser Art.
3) Sämmtlichen Einwohnern der anbzutretenden Gebietstheile bleibt innerhalb eines Jahres vom Tage des Austauschens der Ratificationen dieses Vertrages an die volle Freizügigkeit vorbehalten.
4) In der Abtretung der Landgrafschaft Hessen-Homburg sind die in dem Residenzschlosse zu Homburg v. d. H. befindlichen Gemälde, Bibliothek und sonstigen Sammlungen, sowie die Orangerie, nicht begriffen. Diese Gegenstände bleiben vielmehr Eigenthum des Großherzoglichen Hauses.
5) Gleichzeitig mit der Zurückziehung der Königlich Preußischen Truppen von dem Großherzoglich Hessischen Gebiete werden auch die in Bezug auf die Civilverwaltung der occupirten Landestheile von Königlich Preußischer Seite ergriffenen Maßnregeln wegfallen und die Großherzoglichen Behörden und beamten in der Ausübung ihren regelmäßigen Dienstfunctionen nicht weiter gehindert werden.
6) Man ist beiderseits damit einverstanden, daß bei den bezüglich des Post- und Telegraphenwesens zu treffenden besondern Vereinbarungen der gesichtspunkt maßgebend sein soll, daß die beiden südlich des Mains gelegenen Großherzoglich Hessischen Provinzen Starkenburg und Rheinhessen hinsichtlich der Verwaltung des Post- und Telegraphenwesens in dasselbe Verhältniß treten werden, welches für die Provinz Oberhessen auf Grund der in dem Norddeutschen Bunde geltenden Einrichtungen stattfinden wird. Mit Beseitigung des Fürstlich Thurn- und Taxis'schen Postwesens tritt die Königlich Preußische Regierung, in Bezug auf bestehende Verbindlichkeiten, namentlich was die Einrichtung des Kanons betrifft, an die Stelle des Fürstlich Thurn- und Taxis'schen Hauses.
    Auch sollen wegen technischer Ausführung der im Absatz 2 des Artikels X. des Hauptvertrages enthaltenen Abrede alsbald Verhandlungen zwischen beiderseiigen Commissarien stattfinden.
7) Alle Kriegsgefangenen werden innerhalb 8 Tagen nach Ratification des heutigen Friedensvertrages freigegeben und an Seiten der betreffenden Militärbehörden näher zu vereinbarenden Orten übernommen werden.
8) In Beziehung auf das Preußen zustehende und ihm ausschließlich verbleibende Besatzungsrecht in Mainz werden die, bisher zwischen dem Bunde und der Territorialregierung maßgebend gewesenen Bestimmungen auf das Verhältniß zwischen Preußen und der Territorialregierung Anwendung finden.
9) In Bezug auf den Absatz 1 des Art. XI. des Hauptvertrages wird Großherzoglich Hessischerseits anerkannt, daß mit Rücksicht auf die Besatzungsverhältnisse von Mainz der telegraphische Verkehr dasselbst ausschließlich der Preußischen Regierung zustehen muß.
    Die Verwaltung und der Betrieb der zu dem Dienste der Eisenbahnen bestimmten Bahntelegraphen wird durch Art. XI. des Hauptvertrages nicht berührt, wohlverstanden, soweit dieß nach Umständen mit der unbedingten Sicherung der Festung vereinbar ist.
10) Die Großherzoglich Hessische Regierung erklärt sich bereit, mit der Königlich Preußischen Regierung wegen Abtretung der Verwaltung und des Betriebes der im Großherzoglichen Gebiet belegenen Strecke der Main-Weser-Bahn in Verhandlung zu treten, wobei von dem Grundsatz ausgegangen werden soll, daß der gesammte Reinertrag der gedachten Strecke an die Großherzogliche Regierung unverkürzt jährlich abgeführt werden wird.
    Auf jeden Fall verpflichtet sich die Großherzogliche Regierung, die Verwaltung und den Betrieb der im Großherzoglichen Gebiet belegenen Strecke der Main-Weser-Bahn von der Kurhessischen Grenze bis Gießen nach obigem Grundsatz an Preußen abzutreten.
11) Wenn die Königlich Preußische Regierung es angemessen finden sollte, ihre aus Böhmen resp. Bayern auf der Linie Schwadorf-Nürnberg-Würzburg-Aschaffenburg zurückkehrenden Truppen durch Großherzoglich Hessisches Gebiet zu dirigiren, so ertheilt die Großherzogliche Regierung hiermit ihre Zustimmung dazu und wird den Königlich Preußischen Militärbehörden für diesen Zweck auch die durch das Großherzogliche Gebiet führende Eisenbahn zum Transport der Truppen zur Verfügung zu stellen, wogegen die Königlich Preußische Regierung sich verpflichtet, die Vergütung nach den Großherzoglich Hessischen Sätzen für Truppentransporte zu zahlen.
12) Kein Unterthan Seiner Majestät des Königs von Preußen und Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Hessen und bei Rhein wird wegen seines Verhaltens während des Krieges verfolgt, beunruhigt oder in seiner Person oder seinem Eigenthume beanstandet werden.
13) In Bezug auf den Art. XVIII. des Hauptvertrages behält man sich beiderseits für den Fall, daß bis zum Jahre 1892 die gedachte Saline von der Krone Preußen nicht erworben sein sollte, eine anderweite Verhandlung vor.
14) Die Ratification der vorstehenden Übereinkunft soll als mit der Ratification des Friedensvertrages vom heutigen Tage erfolgt angesehen werden.

    Berlin, den 3. September 1866.

v. Bismarck.            Dalwigk.
Savigny.                 Hofmann.
 


Quellen: Archiv des Norddeutschen Bundes; Sammlung aller Gesetze, Verträge und Actenstücke, die Verhältnisse des Norddeutschen Bundes betreffend, I. Band, Berlin 1867, S. 61
Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Jahrgang 1866 S. 403
© 31. Juli 2011 - 2. August 2011
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