Demokratische Gemeinde-Verfassung für die sowjetische Besatzungszone Deutschlands

vom  September/Oktober 1946
in Brandenburg: vom 14. September 1946
in Mecklenburg: vom 20. September 1946
in Sachsen vom: 11. (?) September 1946
in Sachsen-Anhalt: vom 5. Oktober 1946
in Thüringen: vom 22. September 1946

in Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen aufgehoben durch
das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 (GBl. I S. 72)

in Sachsen aufgehoben durch
die Demokratische Gemeindeordnung für das Land Sachsen vom 6. Februar 1947 (GVBl. S. 54)

 

1. Allgemeines.

§ 1. Die sich selbst verwaltende Gemeinde ist die Grundlage der demokratischen Ordnung. Ihr Wirken muß mit den Gesetzen des einigen und unteilbaren demokratischen Deutschlands und des Landes übereinstimmen.

§ 2. Die Gemeinden sind Teile des Kreiskommunalverbandes. Kreisfrei sind die durch Landesgesetz bestimmten Gemeinden. Diese bilden je einen Stadtkreis. Gemeinden, die bisher die Bezeichnung Stadt führten, behalten dieses Recht.

§ 3. Die Gemeinden haben in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben zu erfüllen, die nicht anderen Stellen obliegen oder durch Gesetz oder Anordnung der Landesverwaltung anderen Stellen zugewiesen sind, und zwar als Selbstverwaltungsangelegenheiten oder Auftragsangelegenheiten.

§ 4. Als Selbstverwaltungsangelegenheiten können und sollen die Gemeinden auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet alle Aufgaben übernehmen, die geeignet sind, das Wohl der Einwohner zu fördern.

Zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehört auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gemeindegebiet (Ortspolizei), soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Die zuständige übergeordnete Behörde hat das Recht, die Durchführung der ortspolizeilichen Aufgaben zu überwachen und hierfür Richtlinien und Weisungen zu geben. Die Gemeinde erläßt ortspolizeiliche Vorschriften nach den für Ortssatzungen geltenden Bestimmungen. Im übrigen führt der Bürgermeister die Geschäfte der Ortspolizei. Er kann sie unter Fortbestand seiner Verantwortung einem Vertreter übertragen.

§ 5. Auftragsangelegenheiten werden den Gemeinden durch Gesetz oder durch Anordnung der Landesverwaltung zugewiesen. Zu ihrer Erledigung ernennen und stellen die Gemeinden alle erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen zur Verfügung. Das Nähere hierüber sowie über die Aufbringung der Mittel wird durch Gesetz bestimmt.

2. Gemeindeangehörige.

§ 6. Gemeindeangehörige sind alle Personen, die im Gemeindegebiet ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben. Alle stimmberechtigten Gemeindeangehörigen sind verpflichtet, bei der Selbstverwaltung der Gemeinden ehren-. amtlich mitzuarbeiten. Wer zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit berufen wird, soll sich durch verantwortungsbewußte und uneigennützige Arbeit des in ihn gesetzten Vertrauens würdig erweisen.

§ 7. Alle Gemeindeangehörigen - Männer und Frauen - haben in bezug auf die Benutzung von Gemeindeeinrichtungen grundsätzlich gleiche Rechte und Pflichten. Die Staffelung von Gebühren und sonstigen Abgaben nach der Leistungsfähigkeit ist zulässig.

§ 8. Ehrenamtlich tätige Gemeindeangehörige einschließlich der Gemeindevertreter und der unbesoldeten Mitglieder des Gemeinderats haben Anspruch auf Ersatz barer Auslagen und entgangenen Arbeitsverdienstes in angemessenen Grenzen. Es können Durchschnitts- oder Pauschalsätze festgesetzt werden. Die Ansprüche auf diese Bezüge sind nicht übertragbar und nicht pfändbar, Das Nähere wird durch Satzung geregelt.

3. Vertretung und Verwaltung der Gemeinde.

§ 9. Die Vertretung der Gemeindeangehörigen und oberstes Willens- und Beschlußorgan der Gemeinde ist die Gemeindevertretung, die in geheimer, gleicher und direkter Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts nach den Bestimmungen der Wahlordnung für die Dauer von zwei Jahren gewählt wird.

Die Gemeindevertretung beschließt über die örtliche Gesetzgebung den Haushaltsplan und alle sonstigen Gemeindeangelegenheiten. Sie gibt die Richtlinien für die Gemeindeverwaltung und überwacht deren ordnungsgemäße Durchführung.

§ 10. Bei Gemeinden mit weniger als 200 Einwohnern können die Stimmberechtigten mit Stimmenmehrheit beschließen, daß an die Stelle der Gemeindevertretung die Gemeindeversammlung tritt. Diese besteht aus sämtlichen Stimmberechtigten. Den Vorsitz führt der Bürgermeister.

§ 11. Die Gemeindevertretung gibt sich ihre Geschäftsordnung selbst. Das Geschäftsjahr entspricht dem Kalenderjahr.

§ 12. Die Gemeindevertretung tritt spätestens einen Monat nach erfolgter Neuwahl zusammen. Die erstmalige Einberufung erfolgt durch den Bürgermeister, der auch die Sitzung eröffnet. Er hat festzustellen, daß alle Gemeindevertreter die Wahl angenommen und auf einer Annahmeerklärung sich schriftlich zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet haben. Die Gemeindevertretung wählt alsdann unter Vorsitz und Leitung des an Lebensjahren ältesten Mitgliedes aus ihrer Mitte mit einfacher Stimmenmehrheit für die Dauer des Geschäftsjahres einen Vorsitzenden und einen Schriftführer sowie für diese je einen oder mehrere Stellvertreter. Der Schriftführer braucht nicht Mitglied der Gemeindevertretung zu sein. Näheres bestimmt die Geschäftsordnung. Die Gewählten bilden den Vorstand der Gemeindevertretung. Gehört der Schriftführer nicht zur Gemeindevertretung, so gehört er nicht zum Vorstand. Die Zusammensetzung des Vorstandes soll nach Möglichkeit dem Stärkeverhältnis der Parteien in der Gemeindevertretung entsprechen. Für jedes Geschäftsjahr wird der Vorstand neu gewählt. Der alte Vorstand bleibt im Amt, bis die Neuwahl durchgeführt ist.

§ 13. Der Vorsitzende beruft die Gemeindevertretung; sooft es die Geschäfte erfordern, mindestens im Monat einmal. Er muß sie innerhalb einer Woche berufen, wenn dies von einem Viertel der Mitglieder oder vom Gemeinderat beantragt wird.

§ 14. Die Einladung ist unter Mitteilung der Tagesordnung mindestens drei volle Tage, vor der Sitzung jedem Gemeindevertreter zu übersenden, In besonders dringenden Fällen kann von der Einhaltung der Dreitagefrist abgesehen werden.

§ 15. Die Gemeindevertretung ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder. anwesend ist. Ergibt sich die Beschlußunfähigkeit der Versammlung, so ist eine neue Sitzung einzuberufen, die dann ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig ist. In der Einladung ist hierauf besonders hinzuweisen.

§ 16. Falls ein Mitglied der Gemeindevertretung die Voraussetzungen für die Wählbarkeit nicht erfüllt, so verliert es seine Mitgliedschaft. Darüber, ob dieser Fall vorliegt, beschließt die Gemeindevertretung. Gegen den Beschluß ist die Beschwerde bei dem übergeordneten Organ zulässig, Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

§ 17. Wenn die Wahl eines Mitgliedes für ungültig erklärt worden ist oder ein Mitglied ausscheidet, so tritt an seine Stelle der Bewerber desselben Wahlvorschlages, den das vertretungsberechtigte Organ der betreffenden Partei oder Organisation bestimmt. Ist eine Beschwerde in demselben Wahlvorschlage nicht mehr vorhanden, so bleibt der Sitz unbesetzt.

§ 18. Die Sitzungen der Gemeindevertretung sind öffentlich. _Die Geschäftsordnung setzt fest, unter welchen bestimmten Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann.

§ 19. Über die Sitzungen der Gemeindevertretung sind Niederschriften anzufertigen, die vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterzeichnen und von der Gemeindevertretung zu bestätigen sind.

§ 20. Zur Unterstützung der Gemeindeverwaltung sowie zur Vorbereitung der Beschlüsse der Gemeindevertretung wählt die Gemeindevertretung unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der Parteien ständige Ausschüsse für einzelne Sachgebiete. In die Ausschüsse können auch Gemeindeangehörige, die nicht Gemeindevertreter sind, insbesondere Sachverständige oder Vertreter beteiligter Berufsgruppen, gewählt werden. Vorschläge der antifaschistischen Organisationen sind hierbei zu berücksichtigen.

Den Ausschüssen kann durch Beschluß der Gemeindevertretung die Erledigung bestimmter Aufgaben zur Entlastung der Gemeindevertretung übertragen werden. Auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Ausschusses ist vor der endgültigen Beschlußfassung über den Beratungsgegenstand eine Entscheidung der Gemeindevertretung herbeizuführen.

In Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern muß ein Verwaltungs- und Finanzausschuß gebildet werden, dem die laufende Überwachung der Gemeindeverwaltung, insbesondere in bezug auf die Finanzgebarung, obliegt und der in dringenden Fällen Entscheidungen zu treffen hat.

Die Geschäftsordnung der Ausschüsse wird durch die Geschäftsordnung der Gemeindevertretung geregelt.

§ 21. Ein Gemeindevertreter darf nicht mitwirken an der Beratung und Entscheidung über einen Gegenstand, dar für ihn selbst oder einen seiner Angehörigen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung Ist. Darüber, ob diese Voraussetzung zutrifft, entscheidet im Zweifelsfalle endgültig die Gemeindevertretung oder, falls es sich um Ausschußberatung handelt, der Ausschuß, in beiden Fällen ohne Mitwirkung des betreffenden Mitgliedes. Diese Bestimmung findet sinngemäß Anwendung auf die Mitglieder des Gemeinderats und auf die Beratungen in dieser Körperschaft, ebenso auch auf alle Gemeindeangehörigen, die an Beratungen ehrenamtlich mitwirken.

§ 22. Die Gemeindevertretung kann aufgelöst werden
a) durch eigenen Beschluß,
b) durch Gemeindeentscheid nach vorangegangenem Gemeindebegehren.

Ein Antrag auf Selbstauflösung muß von mindestens einem Drittel der Mitglieder gestellt und mindestens zwei Wochen vor der Sitzung, auf deren Tagesordnung er gebracht wird, allen Mitgliedern bekanntgegeben werden. Der Auflösungsbeschluß ist nur gültig, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind und von diesen mindestens zwei Drittel der Auflösung zustimmen. Durch Gemeindeentscheid wird die Gemeindevertretung aufgelöst, wenn hierfür mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Gemeindemitglieder gestimmt haben.

Das Nähere über die Durchführung des Gemeindeentscheides wird, durch besonderes Gesetz geregelt.

§ 23. Wird die Gemeindevertretung aufgelöst oder ihre Wahl endgültig für ungültig erklärt, so hat der Gemeinderat unverzüglich eine Neuwahl anzuordnen. Diese muß spätestens binnen zwei Monaten nach dem Auflösungsbeschluß oder dem Gemeindeentscheid stattfinden.

§ 24. Soweit in Gemeinden an Stelle der Gemeindevertretung eine Gemeindeversammlung besteht, gelten für diese die Bestimmungen über die Gemeindevertretung sinngemäß.

§ 25. Der Gemeinderat ist das ausführende Organ der Gemeindevertretung, ihr in vollem Umfange verantwortlich und an ihre Beschlüsse gebunden, Er vertritt die Gemeinde nach außen.

§ 26. Der Gemeinderat besteht aus dem Bürgermeister (in kreisfreien Städten Oberbürgermeister) und zwei bis vierzehn besoldeten oder unbesoldeten Ratsmitgliedern.

§ 27. Die Mitglieder des Gemeinderats werden von der Gemeindevertretung in getrennten Wahlgängen durch Abgabe von Stimmzetteln mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Sind mehrere unbesoldete Ratsmitglieder zu wählen, so sind die Grundsätze der Verhältniswahl anzuwenden.

§ 28. Wählbar zum Mitglied des Gemeinderats sind alle Gemeindeangehörigen, die zur Gemeindevertretung - wählbar sind. Bürgermeister und besoldete Ratsmitglieder sind auch wählbar, wenn sie nicht im Gemeindebezirk wohnen.

§ 29. Ein Mitglied des Gemeinderats kann zugleich Mitglied der Gemeindevertretung sein.

§ 30. Die Wahl der besoldeten und unbesoldeten Mitglieder des Gemeinderats erfolgt für die Dauer der Wahlzeit. der Gemeindevertretung. Wiederwahl ist zulässig.

§ 31. Die Gemeindevertretung beschließt über die Besoldung und über die Anstellungsbedingungen der besoldeten Mitglieder des Gemeinderats. Sie bestimmt auch den ständigen Stellvertreter des Bürgermeisters und regelt dir. Fragen der weiteren Vertretung. Sie kann diese Regelung dem Gemeinderat überlassen.

§ 32. Der. Bürgermeister und die Ratsmitglieder können - unter Fortbestand ihrer Verantwortung - Angestellte der Gemeinde mit ihrer Vertretung in bestimmten Angelegenheiten  beauftragen.

§ 33. Die Mitglieder des Gemeinderats werden vor ihrem Amtsantritt durch den Vorsitzenden, der Gemeindevertretung in einer öffentlichen Sitzung auf gewissenhafte und unparteiische Erfüllung ihrer Obliegenheiten und Befolgung der Gesetze durch Handschlag verpflichtet. und in ihr Amt eingeführt.

Das gleiche gilt sinngemäß für einen nach § 38 (letzter Absatz) eingesetzten kommissarischen Gemeinderat.

§ 34. Der Gemeinderat beschließt über die ihm übertragenen Angelegenheiten kollegial. Zur Beschlußfähigkeit ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder erforderlich. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

§ 35. Die Mitglieder des Gemeinderates sind zu den Sitzungen der Gemeindevertretung und ihrer Ausschüsse ebenso wie die Gemeindevertreter einzuladen. Sie haben die Pflicht, an den Sitzungen teilzunehmen und auf Verlangen. Auskunft zu erteilen. Die Mitglieder des Gemeinderates müssen auch außerhalb der Reihe der gemeldeten Redner gehört werden.

§ 36. Der Bürgermeister ist der Vorsitzende des Gemeinderats. Er leitet die Sitzungen, regelt den Geschäftsgang und verteilt die Geschäfte auf die übrigen Mitglieder des Gemeinderats, soweit nicht hierüber Beschlüsse der Gemeindevertretung- vorliegen. Der Bürgermeister ist Dienstvorgesetzter der übrigen Mitglieder des Gemeinderats.

Der Bürgermeister ist der erste Dienstvorgesetzte der Gemeindeangestellten und -arbeiter und für deren Einstellung, Versetzung und Entlassung im Einverständnis mit der Gemeindevertretung zuständig.

Die Gemeindevertretung übt ihre Mitwirkung durch einen hierfür einzusetzenden Ausschuß aus.

§ 37. Der Bürgermeister hat das Recht und die Pflicht, den Gemeinderat zu vertreten, soweit es die Geschäfte erfordern. Er hat alle notwendigen Maßnahmen, die keinen Aufschub zulassen, durchzuführen. Die Zustimmung des Gemeinderats oder der Gemeindevertretung ist in solchen Fällen nachträglich einzuholen.

§ 38. Der Bürgermeister und der Gemeinderat bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens der Gemeindevertretung. Diese kann jederzeit durch Beschluß dem Gemeinderat oder einem seiner Mitglieder das Vertrauen entziehen. Hierauf gerichtete Anträge sind auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Dieser Beschluß erfordert die Mehrheit der Mitglieder der Gemeindevertretung. Der Beschluß hat .Rücktritt der betroffenen Person zur Folge. Falls hierdurch der gesamte Gemeinderat zurücktritt, so ist in der nächsten Sitzung der Gemeindevertretung, die spätestens nach zwei Wochen stattfinden muß die Neuwahl vorzunehmen. Bis zum Dienstantritt des neu zu wählenden Gemeinderats bleiben die bisherigen Mitglieder in ihren Ämtern, falls nicht in dem Beschluß der Gemeindevertretung. die sofortige Amtsniederlegung verlangt wird. Im letztgenannten Falle muß noch in der gleichen Sitzung ein kommissarischer Gemeinderat, bestehend aus einer oder mehreren Personen, eingesetzt werden.

§ 39. Bei Auflösung oder Beendigung der Wahlzeit der Gemeindevertretung bleiben die Mitglieder des Gemeinderats bis zum Zustandekommen einer gültigen Neuwahl in ihren Ämtern. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, so ist eine Neuwahl für den Rest der Wahlzeit vorzunehmen.

§ 40. Faßt die Gemeindevertretung oder ein Ausschuß Beschlüsse, die das bestehende Recht verletzen, kann der Bürgermeister die Angelegenheit dem übergeordneten Organ zur Beschlußfassung vorlegen.

4. Ortsgesetzgebung.

§ 41. Die Gemeinden regeln ihre eigenen Angelegenheiten durch Ortssatzungen, die von der Gemeindevertretung mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden. Ortssatzungen können aufgestellt werden zur Regelung der Verwaltung der Gemeinde, zur Durchführung gemeinnütziger oder gesetzlich vorgeschriebener Maßnahmen, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Polizeiverordnungen) sowie zur Aufbringung von Mitteln zur Durchführung der gemeindlichen Aufgaben. Die Ortssatzungen sind öffentlich bekanntzugeben.

§ 42. Alle Gemeindeangelegenheiten, die der Regelung durch Satzung bedürfen, müssen bis zur Erledigung dieser Angelegenheit durch die Gemeindevertretung zum Gegenstand eines Gemeindeentscheides gemacht werden, wenn mindestens ein Drittel der in der Wählerliste der letzten Wahl der Gemeindevertretung eingetragenen Wähler es schriftlich beantragt.

5. Wirtschaft und Finanzen.

§ 43. Das Gemeindevermögen ist pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten. Es soll mit möglichst geringem Kostenaufwand den bestmöglichen Ertrag bringen.

§ 44. Die Gemeinde soll im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit wirtschaftliche Einrichtungen und Unternehmungen errichten oder bestehende in Gemeindebesitz überführen oder sich an solchen Einrichtungen und Unternehmungen beteiligen, wenn diese Maßnahmen geeignet erscheinen, den Wohlstand oder die Interessen der Einwohnerschaft zu fördern.

Eine privatwirtschaftliche Beteiligung an gemeindeeigenen Betrieben ist nicht zulässig.

§ 45. Die Gemeinde darf mit Genehmigung der übergeordneten Organe Darlehen (Anleihen, Schuldscheindarlehen oder sonstige Kredite, mit Ausnahme der Kassenkredite) nur im Rahmen des außerordentlichen Haushaltsplanes aufnehmen, wenn eine anderweitige Deckung des Geldbedarfes nicht möglich ist. Verzinsungen und Tilgungsverpflichtungen dürfen nur insoweit eingegangen werden, als diese mit der daue rnden Leistungsfähigkeit der Gemeinde im Einklang stehen.

§ 46. Das Rechnungsjahr der Gemeinde ist das Kalenderjahr.

§ 47. Für jedes Rechnungsjahr hat die Gemeinde einen Haushaltsplan aufzustellen und eine Haushaltssatzung zu erlassen. Der Haushaltsplan hat alle voraussehbaren Einnahmen und Ausgaben des Rechnungsjahres zu enthalten. Die Ausgaben sind unter Einbeziehung von Fehlbeträgen aus Vorjahren mit den Einnahmen auszugleichen.

§ 48. Die Entwürfe für den Haushaltsplan und die Haushaltssatzung sind vom Gemeinderat so rechtzeitig aufzustellen und der Gemeindevertretung zuzuleiten, daß für die Beratungen genügend Zeit bis zum Beginn des neuen Rechnungsjahres zur, Verfügung steht, Der endgültige Beschluß der Gemeindevertretung über den Haushalt soll spätestens 10 Tage vor Beginn des Rechnungsjahres gefaßt sein.

§ 49. Die Haushaltssatzung ist öffentlich bekanntzumachen. Gleichzeitig ist der Haushaltsplan eine Woche lang zur Einsicht aller Gemeindeeinwohner öffentlich auszulegen.

§ 50. Die Gemeinde kann Steuern und Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften erheben, soweit die sonstigen Einnahmen zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen.

6. Übergeordnete Organe.

§ 51. Übergeordnete Organe sind für kreisangehörige Gemeinden der Kreistag, für die kreisfreien Gemeinden der Landtag.

§ 52. Die übergeordneten Organe dürfen die Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit der Gemeindeverwaltung in keiner Weise beeinträchtigen; sie sollen -sie vielmehr in jeder Weise fördern.

§ 53. Auf Grund vorgebrachter Beschwerden können die übergeordneten Organe Entschließungen und Maßnahmen der Gemeinde, die dem Gesetz zuwiderlaufen, aufheben und verlangen, daß bereits getroffene Maßnahmen rückgängig gemacht werden. Die Gemeinden sind verpflichtet, jede gewünschte Auskunft zu erteilen und Akten und sonstige Unterlagen vorzulegen.

Satzungen und Steuerordnungen sind auch ahne Beschwerde dem übergeordneten Organ vorzulegen.

§ 54. Die Gemeinde kann gegen Anordnungen übergeordneter Behörden innerhalb eines Monats nach Erlaß Beschwerde erheben. über die Beschwerde entscheidet der Landtag. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

 § 55. Andere Behörden und Stellen außer dem zuständigen übergeordneten Organ sind zu irgendwelchen Eingriffen in die Gemeindeverwaltung nicht befugt.

§ 56. Die Änderung des Gemeindebezirks ist ein Hoheitsrecht des Landes. Sie erfolgt durch" Gesetz nach Anhörung der Beteiligten.

7. Schlußbestimmung.

§ 57. Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft. Die hierzu erforderlichen Durchführungsbestimmungen erläßt die zuständige Landesverwaltung mit Zustimmung des Landtags.


Quelle: Amtsblatt der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern 1946 S. 113
© 16. Januar 2005
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