Reichsgesetz über die Verfassung und Verwaltung der Hansestadt Hamburg

vom 9. Dezember 1937

formal außer Kraft getreten am 15. Mai 1946

Die Reichsregierung hat in Durchführung des Gesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl. I. S. 91) das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Artikel I.
Grundlagen der Verfassung und Verwaltung

§ 1. (1) Die Hansestadt Hamburg bildet einen staatlichen Verwaltungsbezirk und eine Selbstverwaltungskörperschaft. Diese ist eine Einheitsgemeinde und hat auch die Aufgaben der Gemeindeverbände höherer Ordnung.

(2) Die Verwaltung der Hansestadt Hamburg gliedert sich in die staatliche Verwaltung und in die Gemeindeverwaltung.

(3) An der Spitze der Hansestadt Hamburg steht der Reichsstatthalter.

Artikel II.
Staatsverwaltung

§ 2. (1) Von den bisher durch die hamburgische Verwaltung für Land und Stadt einheitlich wahrgenommenen Aufgaben werden der staatlichen Verwaltung folgende Aufgaben zugeteilt:
a) die Polizei in dem vom Reichsminister des Innern zu bezeichnenden Umfange;
b) die staatlichen Aufgaben für See- und Binnenschiffahrt sowie für die Personen- und Güterbeförderung zu Lande einschließlich der Kleinbahnen,
c) die staatlichen Aufgaben auf dem Gebiete der Landwirtschaft (einschließlich Kulturbau, Deichwesen und Fischerei),
d) Die Aufgaben der Spruchbehörden (Oberverwaltungsgericht, Oberversicherungsamt, Versorgungsgericht, Seeamt, Schätzungskommission für Enteignungen),
e) das Hochschulwesen,
f) die Aufsicht über die öffentlichen und privaten Schulen,
g) die Gewerbeaufsicht,
h) die Aufsicht über das Bank- und Sparkassenwesen,
i) die Aufsicht über das Gesundheitswesen,
k) die Aufsicht über das Veterinärwesen,
l) die Aufgaben des Seemannsamts.

(2) Aufgaben, die durch Gesetz den Reichsstatthaltern zugewiesen sind, werden im Bereich der staatlichen Verwaltung wahrgenommen. Das gleiche gilt für die auf Reichsrecht oder Landesrecht beruhenden Aufgaben und Befugnisse der Landesregierung, der Landeszentralbehörde, der obersten Landesbehörde und der höheren Verwaltungsbehörde.

(3) Der Reichsminister des Innern überträgt im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern Aufgaben und Befugnisse von bisherigen Reichssonderverwaltungen auf die staatliche Verwaltung.

(4) Der Reichsminister des Innern kann im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern Aufgaben aus dem Bereich der staatlichen Verwaltung der Gemeindeverwaltung als Auftragsangelegenheiten übertragen; dies kann auch der Reichsstatthalter mit Zustimmung des Reichsminister des Innern und der beteiligten Reichsminister.

§ 3. (1) Die staatliche Verwaltung wird durch das Reich wahrgenommen. Die in der staatlichen Verwaltung tätigen Beamten sind unmittelbare Reichsbeamte.

(2) Der Reichsstatthalter führt die staatliche Verwaltung nach den fachlichen Weisungen der Reichsminister und unter der Dienstaufsicht des Reichsministers des Innern, soweit die Geschäfte der staatlichen Verwaltung nicht durch untere Verwaltungsbehörden wahrgenommen werden.

(3) Dem Reichsstatthalter werden ein allgemeiner Vertreter mit der Amtsbezeichnung Präsident und die erforderlichen Beamten und Hilfsarbeiter beigegeben.

(4) Der Reichsstatthalter bestimmt mit Zustimmung des Reichsministers des Innern die innere Gliederung seiner Behörde.

§ 4. (1) Die Befugnis zur Landesgesetzgebung entfällt. Der Reichsstatthalter kann durch Verordnung mit Zustimmung des Reichsministers des Innern und der beteiligten Fachminister Recht setzen, soweit Reichsrecht nicht entgegensteht.

(2) Die Befugnisse des Reichsstatthalters nach dem Reichsstatthaltergesetz vom 30. Januar 1935 (RGBl. I. S. 65) bleiben im übrigen unberührt.

Artikel III.
Gemeindeverwaltung

§ 5. Die Aufgaben der hamburgischen Verwaltung, die nicht auf die staatliche Verwaltung übergehen (§ 2), werden der Gemeindeverwaltung zugeteilt. Der Reichsminister des Innern bestimmt im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern, welche dieser Aufgaben als Auftragsangelegenheiten zu erfüllen sind; dies kann auch der Reichsstatthalter mit Zustimmung des Reichsministers des Innern und der beteiligten Reichsminister.

§ 6. (1) Die Gemeindeverwaltung der Hansestadt Hamburg führt der Reichsstatthalter.

(2) Allgemeiner Vertreter des Reichsstatthalters in Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung ist der Erste Beigeordnete mit der Amtsbezeichnung Bürgermeister.

§ 7. Für die Hansestadt Hamburg gilt die Deutsche Gemeindeordnung (DGO) vom 30. Januar 1935 (RGBl. I. S. 49), soweit nicht dieses Gesetz und seine Durchführungsbestimmungen Abweichungen vorsehen.

§ 8. Die Zahl der Ratsherren beträgt 45.

§ 9. Die Hauptsatzung kann eine Gliederung des Stadtgebiets in Verwaltungsbezirke vorsehen und deren Verwaltung regeln.

§ 10. (1) Die Aufsicht über die Gemeindeangelegenheiten der Hansestadt Hamburg führt der Reichsminister des Innern, soweit es sich um Angelegenheiten von finanzieller Bedeutung handelt, im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen. Dem Reichsminister des Innern stehen auch die Aufgaben des Reichsstatthalters nach §§ 9, 10, 11 und 41 Abs. 2 Ziffer 2 DGO zu.

(2) Ist in Gesetzen oder Verordnungen gegen eine Entscheidung des Bürgermeisters die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zugelassen, so tritt an die Stelle der Beschwerde der Einspruch, soweit der Reichsminister des Innern für die Hansestadt Hamburg durch Verordnung nichts anderes bestimmt.

§ 11. Die überörtliche Prüfung der Haushaltsrechnung und der Verwaltung nimmt das beim Reichsminister des Innern gebildete Gemeindeprüfungsamt nach den Vorschriften vor, die für die Reichshauptstadt Berlin gelten.

Artikel IV.
Finanzielle Fragen

§ 12. (1) Träger des gesamten Vermögens und aller Verbindlichkeiten des bisherigen Landes und der bisherigen Gemeinde Hamburg sowie der bisherigen hamburgischen oder der auf Hamburg übergegangenen Gemeinden (Gemeindeverbände) ist die Hansestadt Hamburg. Das gilt auch für Vermögenswerte, die unter § 12 Abs. 2 des Groß-Hamburg-Gesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl. I. S. 91) fallen.

(2) Auf dem Gebiete des Finanzausgleichs zwischen dem Reich und den Ländern tritt an Stelle des bisherigen Landes Hamburg die Hansestadt Hamburg.

(3) Die Hansestadt Hamburg erstattet dem Reich die Kosten, die dem Reich aus der Wahrnehmung der im § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 bezeichneten Aufgaben erwachsen. Der Reichsminister der Finanzen setzt im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern den zu erstattenden Betrag jährlich fest.

Artikel V.
Schlußvorschriften

§ 13. Auf die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen hamburgischen Beamten sind die Vorschriften des Kapitels V. des Gesetzes vom 30. Juni 1933 (RGBl. I. S. 433) Anwendung.

§ 14. Die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erläßt der Reichsminister des Innern und der beteiligten Reichsminister; auch der Reichsstatthalter kann mit Zustimmung des Reichsministers des Innern und der beteiligten Reichsminister solche Vorschriften erlassen.

siehe hierzu die Durchführungsverordnungen vom 13. Februar 1938 (RGBl. I. S. 194), vom 12. September 1938 (RGBl. I. S. 1167) und vom 10. Januar 1944 (RGBl. I. S. 21).

§ 15. § 2 Abs. 3 und 4 und § 14 dieses Gesetzes treten mit seiner Verkündung in Kraft; im übrigen tritt dieses Gesetz am 1. April 1938 in Kraft.

    Berlin, den 9. Dezember 1937

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichminister des Innern
Frick

Der Stellvertreter des Führers
R. Heß
Reichsminister ohne Geschäftsbereich

Der Reichminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk

Der Beauftragte für den Vierjahresplan
Göhring
Preußischer Ministerpräsident

Mit diesem Gesetz wurde das Land Hamburg formal zu einem Reichsgau bzw. einer reichsunmittelbaren Stadt.
 


Quelle: Reichsgesetzblatt Teil I 1937 S. 1327ff.
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
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