INHALTSÜBERSICHT
Charakter des zu schaffenden Bundes
Dokumente und Verhandlung sprechen nicht für Schaffung eines eigentlichen Bundes
Zeitliches Provisorium
Räumliches Provisorium
Beschränkte völkerrechtliche Handlungsfreiheit
Folglich nur Staatsfragment kein Staat
Trotzdem vollständige Organisation erforderlich
Quelle der konstituierenden Gewalt
Minderheitsansicht: Das gesamtdeutsche Reich besteht fort, ist aber
desorganisiert.
Besatzungsmächte gleicher Ansicht
Minderheitsstandpunkt: Es besteht kein deutscher Staat mehr, sondern nur die (neugeschaffenen)
deutschen Länder.
Zur geschichtlichen Situation
Einordnung der Grundrechte in den Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung
Eigene Bundesgrundrechte, nicht nur Direktiven für die Landesverfassungen
Beschränkung in der Zahl der Bundesgrundrechte
Reihenfolge der Grundrechte
Würde des Menschen
Grundrechte der Freiheit
Persönliche Freiheit
Freiheit der Wohnung
Pressefreiheit
Vereinigungsfreiheit
Gleichheit vor dem Gesetz
Denazifizierung
Gerechter Arbeitsertrag,
Schulz vor Not
Freie Arbeit
Freizügigkeit
Sozialisierung
Widerstandsrecht
Schranken der Grundrechte
Notstandsrecht
Internationale Gewährleistung der Grundrechte
II. Völkerrechtliche Verhältnisse des Bundes:
Völkerrecht ist Bundesrecht
Eintritt des Bundes in ein Staatensystem
Kriegsächtung
Abtretung von Teilen des Bundesgebietes
Die Hoheitssymbole
Mehrheitsvorschlag: Bundesflagge schon jetzt, einzuführen.
Minderheitsvorschlag: Flaggenfrage vertagen.
Vermittlungsvorschlag: Vorläufige Regelung für Behörden, Auslandsvertretungen,
Schiffahrt.
Das vorläufige Bundesgebiet
Einbeziehung von Groß-Berlin
Innerdeutsche Umgliederung
Einmalige endgültige Umgliederung ?
Künftig nur Zusammenschlüsse von Ländern möglich ?
Künftige Umgliederung zulässig ?
Umgliederung Bundes- oder Landessache ?
Anforderungen an die Länderverfassungen
Freiheit und Gleichheit
Volksvertretung
Kein Einparteiensystem
Kein Blocksystem
Parteienkontrolle
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Sicherung der Grundrechte
Teilung der Gewalten
Bundeskontrolle erstreckt sich auf Verfassungswirklichkeit
Kein Genehmigungsvorbehalt für Länderverfassungen
Zuständigkeit zur Gesetzgebung
Die Gruppen der Bundesgesetzgebung
Zwei Hauptgruppen:
Ausschließliche und Vorranggesetzgebung
Zulässige Landesgesetze
Enge Auslegung des Zuständigkeitskatalogs
Tragweite des Zuständigkeitskatalogs
Grundsatzgesetzgebung
Zuständigkeit zur Behördeneinrichtung
Innerdeutsche Vereinbarungen der Länder
Amts- und Rechtshilfe
Staatsverträge mit auswärtigen Staaten
Die einzelnen Ziffern des Katalogs
Weimarer Katalog teils vermehrt, teils vermindert
Wehrrecht
Bundes- und Landesangehörigkeit
Funkwesen
Strafrecht; diese Kompetenz kein Lückenbüßer
Gerichtsverfassung
Binnenschiffahrt
Bevölkerungspolitik gestrichen
Wirtschaftslenkung
Sozialisierung
Bodenreform
Keine Bundeszuständigkeit für Landwirtschaft
Berufsvertretungen
Arbeitsrecht
Sozialversicherung
Grundsätze der Formulierung
Gesonderte Finanzwirtschaft in Bund und Ländern
Selbstverantwortliche Haushaltführung auch der Gemeinden und Gemeindeverbände
Bestimmung der Höhe der Ausgaben des Bundes durch den Umfang des
Aufgabenbereichs
Beschränkung des Bundes auf bestimmte, aber ausreichende Einkünfte.
Gewährleistung der erforderlichen Einnahmequellen für die Länder und Gemeinden
Länder nicht Kostgänger des Bundes.
Bund nicht Kostgänger der Länder
Keine starre Aufteilung der Deckungsmittel zwischen Bund und Ländern
Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Finanzmaßnahmen der Länder
Ausschließliche Bundesgesetzgebung über die Zölle
Vorranggesetzgebung des Bundes für Steuern
Auseinandergehende Meinungen über den Umfang der Gesetzgebungsbefugnis des
Bundes:
a) hinsichtlich der Biersteuer;
b) hinsichtlich der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grunderwerbs- und
Wertzuwachssteuer;
c) hinsichtlich der Steuern vom Einkommen und Vermögen
Einstimmigkeit über Vorranggesetzgebung des Bundes hinsichtlich bestimmter
Gebiete.
Echtes Parlament
Sicherungen gegen arbeitsunfähige Parlamente
Wahlreform
Parteiengesetz
Notverordnungen
Zeitliche Begrenzung des Rechts zur Regierungsbildung
Nur konstruktive, keine obstruktiven Mißtrauensvoten
Verstärkter Einfluß des Parlaments auf die Bildung der Regierung, verringerter
Einfluß auf den Sturz der Regierung, verglichen mit der Weimarer Verfassung
Beschränkung des Auflösungsrechts
Rechtskontrolle über die Untersuchungsausschüsse.
Zweikammersystem. Die beiden Lösungen.
A. Für die Lösung Bundesrat:
Einbeziehung der Länder in die Willensbildung des Bundes
Bundesrat im Unterschied zum Senat keine bloße parteigespaltene Parallele zum
Parlament
Bundesrat als Sachverständigengremium
Bundesrat als Organ der föderativen Vermittlung
Abkömmlichkeit und Ausstattung von Senatoren nicht gewährleistet
Demokratische Legitimation des Bundesrats
Politischer nichtbürokratischer Charakter des Bundesrats
Wahrung der Vorzüge des senatorischen Prinzips im Bundesrat
Geschichtliche Bewährung des Bundesratsprinzips
B. Für die Lösung Senat:
Demokratischer oder bürokratischer Stil
Qualifikation des Senators
Bundesrat parteipolitisch mehr gebunden als Senat
Senat vertritt nicht Länder, sondern das Element Land
Der senatoriale Typ
Bloßes Veto als Übergangslösung
Ewiger Senat
Einzelfragen zur Bundesratslösung
Stimmenzahl der Länder
Nur Mitglieder von Landesregierungen als Bundesratsmitglieder
Bundesratspräsident
Mitwirkung bei der Gesetzgebung
Notverordnungen
Ausführung der Bundesgesetze
Mitwirkung bei der Regierungsbildung
Mitwirkung bei der Wahl des Bundespräsidenten.
VI. Bundespräsident oder Bundespräsidium:
Die Erwägungen des Ausschusses
Die Vorschläge
Kein plebiszitärer, aber auch kein rein repräsentativer Unterschied gegenüber
der Weimarer Verfassung
Typische Funktionen des Staatsoberhauptes
Möglichst unabhängige Stellung des Bundespräsidenten
Ernennung des Bundeskanzlers
Mitwirkung bei der Regierungsbildung
Recht zur Auflösung des Bundestages
Ausfertigung der Gesetze
Mitwirkung bei der Gesetzgebung
Recht zur Einberufung des Bundestages
Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler
Anklage vor dem Bundesverfassungsgericht
Vertretung
Gegenvorschlag: Dreierkollegium statt Bundespräsident.
Bundeskanzler und Bundesregierung
Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag
Keine Regierung auf Zeit
Korrekturen des parlamentarischen Systems
Sicherung der Regierungsbildung
Sicherung der Regierungsexistenz
Bisherige Versuche in den Länderverfassungen
Kritik dieser Versuche
Keine geschäftsführende Regierung mehr
Charakterisierung der Bundesregierung des Entwurfs
Rücktritt von Bundeskanzler und Bundesministern
Entlassung von Bundesministern
Keine Ministeranklage.
VIII. Das Bundesverfassungsgericht
Bundesverfassungsgericht als Teil der dritten Gewalt
Besonderes Verfassungsgericht oder einheitliches oberstes Gericht ?
Erweiterung der Zuständigkeiten gegenüber der Weimarer Verfassung
Zuständigkeitskatalog
Bindung der Gerichte und sonstigen Behörden an die Entscheidungen und
Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts. Gesetzeskraft.
Regelung nur der wichtigsten Einzelheiten im Grundgesetz.
Der Vorbehalt des Gesetzes
Keine Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis
Träger der Bundesgesetzgebung
Gesetzesinitiative
Der Gang der Gesetzgebung
Ausnahmen von der normalen Gesetzgebung
Systemverschiebende Gesetze
Gesetze, die das Grundgesetz ändern
Vorherige Änderung des Textes des Grundgesetzes
Änderung der bundesstaatlichen Grundordnung
Keine legale Abänderung der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung
Entscheidung über das dem Grundgesetz gemäße Zustandekommen von Gesetzen
Gesamtwürdigung
Ausfertigung von Gesetzen
Notstandsrecht
Voraussetzungen
Zuständigkeit für Notverordnungen
Suspension der Grundrechte nur befristet
Die fünf suspendierbaren Grundrechte
Notstandsrecht in den Ländern
Verlautbarung der Notstandsmaßnahmen
Keine Wahlen während der Grundrechtssuspension.
X. Die Ausführung der Bundesgesetze
Die vier Formen der Ausführung der Bundesgesetze Ausführung
sonstigen Bundesrechts
Landeseigene Verwaltung
Landesverwaltung nach Weisung
Bundeseigene Verwaltung
Bundesunmittelbare Selbstverwaltung
Bundeszwang
Ergänzende Bundesaufsicht durch die Bundesrechtspflege
Schadensersatz bei Amtspflichtverletzungen.
Frage der Tragung der Verwaltungskosten
Finanzierungsaufgaben des Bundes
Abweichende Auffassungen:
Bedenken gegen Beschränkung des Ersatzes der Verwaltungskosten der Länder durch
den Bund auf den Fall der Auftragsverwaltung
Bedenken gegen volle Tragung der Besatzungskosten durch den Bund; nur
Spitzenausgleich
Vorschlag des Ausschusses auf Grund einer Sachverständigenschätzung der dem Bund
zufallenden Lasten
Bedenken gegen diese Schätzung
Einbeziehung der laufenden kriegsbedingten Fürsorgeausgaben in den
Lastenausgleich oder Lastenausgleich als einmaliger Vermögensausgleich ?
Verminderung der Besatzungskosten erforderlich
Getrennte Einnahmequellen für Bund und Länder
Unbestrittene Einnahmequellen des Bundes
Einnahmen aus dem Lastenausgleich für den Bund, falls ihm hier die Gesetzgebung
und die Aufbringung von Mitteln zukommt.
Drei Auffassungen über die Zuweisung der Einnahmen aus der Umsatz-, Einkommen-,
Körperschafts- und Vermögenssteuer
Landeseigene Finanzverwaltung, auf die Länder übertragene Finanzverwaltung,
bundeseigene Finanzverwaltung
Vier verschiedene Auffassungen:
a) Erhebung und Verwaltung der Zölle und der dem Bund zustehenden Steuern eigene
Angelegenheit der Länder; insoweit besonderes Überwachungsrecht des Bundes;
b) Erhebung und Verwaltung durch die Länder für den Bund nach Weisungen des
Bundes;
c) Getrennte Verwaltungsführung von Bund und Ländern für ihre Abgaben;
d) Einheitliche Bundesfinanzverwaltung für Bundes- und Länderaufgaben
Haushaltswesen
Rechnungslegung und Rechnungsprüfung
Schuldenwesen
Schutz der Wirtschaft gegen willkürliche Preis- und Tarifpolitik vom Bund
geführter oder kontrollierter Betriebe und gegen willkürliche
Beitragsfestsetzung der unter Bundesaufsicht stehenden Selbstverwaltungen.
Eigener Abschnitt für die Rechtspflege
Wiederaufbau der Rechtspflege
Gerichtshoheit der Länder und des Bundes.
Grundsätzlich nur Oberste Bundesgerichte und nur für Fragen des Bundesrechts
Einheitliches oberstes Bundesgericht oder mehrere oberste Bundesgerichte ?
Einigkeit über Herbeiführung der Rechtseinheit
Regelung durch die Bundesgesetzgebung
Oberste Bundesgerichte nur als Spruchstellen
Untere Bundesgerichte.
Zuweisung von Entscheidungen
Über Landesrecht an oberste Bundesgerichte
Einschaltung von Bundesbehörden in Verfahren vor Ländergerichten
Vorlagepflicht des Richters statt richterlichem Prüfungsrecht
Generalklausel für Verwaltungsrechtsstreitigkeiten
Todesstrafe.
XIII. Übergangs- und Schlußbestimmungen
Rechtsbereinigung
Fortgeltung als Bundesrecht
Fortgeltung als Landesrecht
Streit über Fortgeltung als Bundes- oder Landesrecht
Nachfolge für weggefallene Organe
Überleitung gemeinsamer Nachkriegseinrichtungen
Recht undemokratischen Ursprungs
Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus
Abänderung des Grundgesetzes nach Herstellung der außenpolitischen Freiheit.
Charakter des zu schaffenden Bundes |
Der Begriff „Grundgesetz" ist vieldeutig. Er kann nach dem Sprachgebrauch eine Verfassung bezeichnen, also das rechtliche Gefüge und die Grundnormen eines Staates. Es ist aber ebenso möglich, daß mit der besonderen Wahl dieser Bezeichnung - anstatt des präziseren Wortes „Verfassung" - von den Ministerpräsidenten zum Ausdruck gebracht werden wollte, daß die Aufgabe des Parlamentarischen Rates nicht darin bestehen solle, die rechtliche Ordnung für einen Staat im vollen und strengen Sinn des Wortes zu schaffen, sondern für ein hoheitliches Gebilde, dem gewisse Merkmale fehlen, die nur Staaten im vollen Sinne des Wortes eigentümlich sind. Bei der Klärung dieser Frage war der Ausschuß auf die
Auslegung gewisser Dokumente und Vorgänge angewiesen. |
Dokumente und Verhandlungen sprechen nicht für die Schaffung eines eigenen Staates |
Die Verhandlungen der Ministerpräsidenten mit den Militärgouverneuren endeten damit, daß erstere die Vollmachten annahmen, die ihnen in dem von den Militärgouverneuren überreichten Dokument Nr. I angeboten worden sind. Sie bestehen in der Befugnis, eine im Gebiet der drei Westzonen gewählte parlamentarische Körperschaft einzuberufen, die als „Verfassunggebende Versammlung" die Aufgabe haben solle, eine „Verfassung" für das von den drei Westzonen umschriebene Gebiet zu schaffen. Diese „Verfassung" solle u. a. eine „Regierung" und eine „Volksvertretung" vorsehen. Von einem „Staate" spricht Dokument Nr. I nirgends. Nun haben aber die Ministerpräsidenten bis zuletzt
darauf bestanden. die von ihnen einzuberufende parlamentarische Körperschaft
nicht mit der Bezeichnung „Verfassunggebende Versammlung", sondern mit dem
Namen „Parlamentarischer Rat" zu bedenken; außerdem haben sie den
Militärgouverneuren gegenüber darauf Wert gelegt, daß das von diesem
Parlamentarischen Rat zu beschließende Gesetz nicht „Verfassung", auch nicht
„Vorläufige Verfassung", sondern lediglich "Grundgesetz" heißen solle.
Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß die Ministerpräsidenten mit der
Wahl der Bezeichnung „Grundgesetz" zum Ausdruck bringen wollten, daß in dem
Gebiet der drei Westzonen zum mindesten kein Staat im vollen Sinne des
Wortes zur Entstehung kommen solle. Anders wäre ihre beharrliche Bemühung um
die Wahl anderer Begriffe als der in dem
Dokument Nr. I vorgesehenen nicht
zu verstehen. |
Zeitliches Provisorium |
Das durch das Grundgesetz ins Leben zu rufende Gebilde
soll nach dem ausdrücklichen Willen der Ministerpräsidenten ein Provisorium
sein, das nur so lange dauern soll, bis die endgültige Konstituierung der
Deutschen Bundesrepublik aus freiem Willen des deutschen Volkes erfolgen
kann. Aus diesem Charakter einer Notlösung, die lediglich den Übergang zu
einer gesamtdeutschen Verfassung vorbereiten und erleichtern soll, ergibt
sich, daß das Grundgesetz eine Klausel enthalten muß, wonach es seine
Geltung an dem Tage verliert, „an dem eine von dem deutschen Volke in freier
Selbstbestimmung beschlossene Verfassung in Kraft tritt." (Art. 149). |
Räumliches Provisorium |
Es soll aber weiter ein Provisorium auch insoweit geschaffen werden; als nach dem Willen aller das Grundgesetz nicht endgültig auf das Gebiet der elf Länder der drei Westzonen beschränkt bleiben soll Grundsätzlich soll jeder Teil Deutschlands auf seinen Wunsch aufgenommen werden können; Groß-Berlin aber dessen Gebiet nach dem Willen der Militärgouverneure vorläufig nicht unmittelbar einbezogen werden soll, soll nach dem Willen der Ministerpräsidenten schon jetzt eine besondere Berücksichtigung erfahren. Durch das Grundgesetz sollen die deutschen
Hoheitsbefugnisse auf dem durch die elf Länder der drei Westzonen umgrenzten
Teilgebiet Deutschlands auf föderalistischer Grundlage in einer
Zentralgewalt vereinigt und bis zur vollen Autonomie in allen inneren
Angelegenheiten ausgeweitet werden. Zur Schaffung eines Staates im Vollsinn
des Wortes würde aber auch die Anerkennung des Rechtes der Deutschen durch
die Besatzungsmächte gehören, auswärtige Beziehungen aufzunehmen und eine
auswärtige Politik zu führen sowie die Fülle der Gewalt ohne Einschränkung
durch den hoheitlichen Willen fremder Mächte auszuüben. Diese Rechte werden
aber, wie sich aus den Dokumenten Nr. I
und Nr. III ergibt, von den Besatzungsmächten noch verweigert; offenbar
sollen sie, zum Teile wenigstens, bis zum Friedensschluß ausgeschlossen
bleiben. Wenngleich also das durch das Grundgesetz zu organisierende Gebilde
weithin die üblichen Merkmale eines Staates aufzuweisen haben wird, wenn es
ein geeignetes Mittel für die Bewältigung der nunmehr gegebenen
Möglichkeiten sein und werden soll, so bleiben ihm doch wesentliche Merkmale
echter Staatlichkeit schon bei der Entstehung vorenthalten. Es kann nicht
mehr sein als ein Staatsfragment. Über diese Grenze hinauszugehen, würde
einen revolutionären Akt gegenüber den Besatzungsmächten voraussetzen. |
Folglich nur ein Staatsfragment
kein Staat |
Es gehört nicht zu den Aufgaben des Konventes, die politische Frage zu klären, aus welchem Grunde sich die Errichtung eines westdeutschen Staates oder die Ausrufung des gesamtdeutschen Staates im Westen Deutschlands empfehlen oder verbieten könnte. Er hat sich lediglich mit der Klärung der vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten zu befassen. Ein Staat im vollen demokratischen Sinne des Wortes - d. h. ein Herrschaftsverband, der auf seinem Gebiet die Fülle der Gewalt in eigener Selbstbestimmung in Anspruch nimmt und Einschränkungen zugunsten Dritter nur auf Grund freiwilliger Selbstbeschränkung, also durch Vertrag, auf sich nimmt - kann nur entstehen, wenn ein Volk in voller Freiheit der Willensbestimmung die Formen und Inhalte seiner politischen Existenz gestalten kann; zum mindesten gilt dies für ein Zeitalter und für Völker, die sich der Grundnorm der Demokratie unterstellt haben. Nun ist zwar die Volkssouveränität das unverzichtbare Recht eines jeden Volkes und kann darum der Substanz nach durch fremde Gewaltausübung nicht vernichtet werden. Ein Volk kann jedoch für Zeit durch äußere Gewalt daran gehindert werden, von diesem Grundrecht Gebrauch zu machen. Dieser Zustand ist durch die auf Grund der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft und durch die im Gefolge der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht eingetretenen Ereignisse geschaffen worden. Zwar haben die Besatzungsmächte schichtenweise die Betätigung der konstitutiven Elemente der deutschen Volkssouveränität freigegeben, zuerst in der Schicht des Gemeindelebens, dann in der Schicht der Gliederung des deutschen Volkes und der Ausübung deutscher Hoheitsbefugnisse in Ländern und nunmehr auf einer überzonalen territorialen Stufe; die von ihnen dabei gemachten Vorbehalte - Auflagen für das Grundgesetz; Aussschluß gewisser Zuständigkeiten; Recht, die Fülle der Gewalt wieder an sich zu nehmen - zeigen aber, daß sie auch heute noch nicht allen Elementen der Volkssouveränität in Deutschland die freie Auswirkung gestatten wollen. Die in Betätigung dieser auch heute nur teilweise
entbundenen Volkssouveränität zu schaffende politische Wirklichkeit muß der
Substanz nach notwendig von voller Staatlichkeit so weit entfernt bleiben,
als die von den Besatzungsmächten zur freien Betätigung freigegebene Schicht
der Volkssouveränität von deren ganzen Fülle entfernt bleibt. Es ist zwar
auch möglich; daß ein Staat, der in der Freiheit entstanden ist, in
Abhängigkeit von fremdem staatlichem Willen gerät (suzeräner Staat,
Protektorat), entstehen kann aber ein „Staat" nur in der Fülle aller
hoheitlichen Gewalt. |
Trotzdem vollständige Organisation erforderlich |
Der Konvent ist einmütig der Auffassung, daß ein
solches Staatsfragment dennoch mit allen Einrichtungen versehen werden könne
und solle, die eine volle Legislative, eine volle Exekutive nach innen und
die umfassende Ausübung der Gerichtsbarkeit. erlauben. Der fragmentarische
Charakter kommt weniger in der Gestaltung der einzelnen Institutionen zum
Ausdruck als in deren inneren Begrenzung auf die durch den äußeren Zwang
heute noch eingeschränkten Möglichkeiten. Die zu schaffende Ordnung als
solche kann und soll so ausgestaltet werden, daß bei Ausweitung der heute
gewährten Freiheitssphäre die geschaffene Organisation fähig ist, sie voll
auszufüllen und gegebenenfalls diese Ausweitung in Fluß zu bringen und
durchzusetzen. |
Quelle der konstituierenden Gewalt |
Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten haben sich im
Konvent: bei der Beantwortung der Frage ergeben, ob die Quelle der
konstitutiven Gewalt beim Volke liegt oder bei den Ländern. Mit dieser Frage
ist eng verknüpft die andere, ob Deutschland als staatliches Gebilde
weiterbesteht oder im Gefolge der Kriegsereignisse untergegangen ist. |
Mehrheitsansicht: Das gesamtdeutsche Reich besteht fort, ist aber desorganisiert |
1. Mehrheitsstandpunkt: Damit liegt aber offenbar die konstitutive Gewalt
originär bei dem Volke dieses Gebietes, das in seiner Gesamtheit sein
„Staatsvolk" ist. Dieses Volk ist aber in Deutschland keine ungegliederte
Masse, sondern ist in Ländern gegliedert, so daß die Neuorganisation durch
das Volk von dem in Ländern gegliederten Volk des neu zu organisierenden
Gebietes auszugehen hat. |
Besatzungsmächte gleicher Ansicht |
b) Hievon gehen, nach Auffassung der Mehrheit, offenbar auch die Besatzungsmächte aus. Diese haben die Ministerpräsidenten nicht als Vertreter individueller Länderinteressen, sondern zur Wahrnehmung gesamtdeutscher treuhänderischer Funktionen mit Vorbereitungen der Neuorganisation Deutschlands auf dem Gebiet der drei Westzonen beauftragt; zu denen sie die Länderverfassungen nicht ermächtigen. Es wäre sonst schlechterdings nicht zu verstehen, wie die Ministerpräsidenten berechtigt sein könnten, sich in Ausführung der in Dokument Nr. II enthaltenen Befugnisse verantwortlich und gestaltend an Beschlüssen zu beteiligen, die das Gebiet anderer Länder betreffen als des Landes, für das allein sie verfassungsmäßig verantwortlich sind. Andererseits ist der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz zu beschließen hat, ganz offenbar keine Vertretung der Länder, sondern ein gesamtdeutsches Organ für den westlichen Teil Deutschlands. Daß das deutsche Volk in seiner Gliederung in Ländern tätig wird, kommt darin zum Ausdruck, daß das vom Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz in den einzelnen Ländern ratifiziert werden muß. Daß es sich aber auch hierbei um einen Gesamtakt handelt und nicht um die Äußerung separaten Länderwillens, erweist der Umstand, daß das Grundgesetz auch für die Minderheit der Länder gelten soll, die es nicht ratifiziert haben sollten. Bestimmungen einzelner Länderverfassungen, die von der Annahme ausgehen, daß Deutschland als staatliches Gebilde nicht mehr besteht. können dem nicht entgegenstehen. Abgesehen davon, daß die meisten der bisher ergangenen Länderverfassungen von dem entgegengesetzten Standpunkt ausgehen, vermag eine landesrechtliche Bestimmung - da eine bewußte separatorische Absicht nicht unterstellt werden kann - niemals den rechtlichen Bestand und die Einheit, des übergeordneten Ganzen in Frage zu stellen. Diese Auffassungen der Mehrheit haben ihren Ausdruck in
folgendem Vorschlag zu einer Präambel gefunden: Vereinzelt sind Einwendungen gegen den Namen „Bund
deutscher Länder" erhoben und die Bezeichnungen "Union deutscher Länder" und
"Deutsche Staatsgemeinschaft" vorgeschlagen worden. |
Minderheitsstandpunkt: Es besteht kein deutscher Staat mehr, sondern nur die (neugeschaffenen) deutschen Länder |
2. Minderheitsstandpunkt: Da in der Zwischenzeit die Länder neu entstanden und in Verfassung gebracht worden sind, kann Deutschland mangels eines organisierten Staatsvolkes nicht durch ein „Deutsches Volk", sondern nur durch die Länder als in sich geschlossene Rechtssubjekte geschaffen werden. Die Quelle der durch das Grundgesetz zu schaffenden rechtlichen Ordnung sind also ausschließlich die Länder, die insoweit als einzelne und vorher nicht verbundene Rechtspersönlichkeiten zusammenwirken, Dieser Rechtszustand ist auch in einigen Länderverfassungen, z. B. der bayerischen, zum Ausdruck gekommen. Diese Auffassung fand ihren Niederschlag in folgendem
Minderheitsentwurf zu einer Präambel: Für diese Fassung der Präambel haben auch Mitglieder gestimmt, die grundsätzlich die Auffassung vertreten, daß Deutschland als politisches Staatswesen nicht untergegangen ist. Sie haben sich aber für diese Art der Fassung entschieden, teils weil sie der Meinung waren; daß die Minderheitsfassung alles Notwendige zum Ausdruck bringe, ohne eine Entscheidung der oben dargestellten Streitfrage erforderlich zu machen, teils weil sie glaubten, daß die Mehrheitsfassung dem föderativen Charakter des Bundes nicht genügend gerecht werde. Hiermit wurde allerdings zum Teil der Wunsch verbunden, es möge die Aufgabe des Bundes nicht dahin bestimmt werden, er habe „die Bundesgewalt", sondern er habe „auf dem Bundesgebiet die gesamtdeutsche Staatsgewalt vorläufig auszuüben".
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Zur geschichtlichen Situation |
(1) Die Grundrechte waren ursprünglich gegen den Staat als solchen gerichtet und waren daher vom Staat her unabänderlich. In langen Kämpfen wurde erreicht, daß sie in die Staatsverfassungen aufgenommen wurden. Damit wurden sie aber zu einem Teil der staatlichen Rechtsordnung mit der Folge, daß sie nun durch die Verfassung und schließlich auch durch beliebige Gesetze einschränkbar wurden. Da bei der Gesetzgebung die Volksvertretung mitmirkte, sah man im Gesetz die eigentliche Garantie der Freiheit und hielt lediglich eine Bindung der Verwaltung an das Gesetz für erforderlich. So erschien es auch auf dem Gebiet der Grundrechte als ausreichend, daß sie in Gesetzesform ausgesprochen und damit für die Verwaltung verbindlich waren. Der berechtigte Gesetzesglaube der Frühzeit wich auf
Grund der Erfahrungen, die man mit einer steuerlosen oder sogar in den
Dienst des Verbrechens gestellten Gesetzgebungsmaschine gemacht hat, dem
heutigen tiefen Mißtrauen gegen einen bloßen Gesetzespositivismus. So
entwickelte sich dir Tendenz, die ursprüngliche Bedeutung der Grundrechte
schrittweise wiederherzustellen. Zunächst wünschte man die Ausnahmen von den
Grundrechten in der Weise zu beschränken, daß nicht ein beliebiges Gesetz,
sondern lediglich die allgemeine Rechtsordnung einem Grundrecht
entgegengestellt werden könne. Zur allgemeinen Rechtsordnung in diesem Sinn
rechnete man das allgemeine bürgerliche Recht, das allgemeine Strafrecht,
das allgemeine Polizeirecht; allenfalls noch das allgemeine Steuerrecht.
Ausgeschlossen sollte dagegen sein, Sondergesetze gegen die Substanz
einzelner Grundrechte zu erlassen. Die nächste Forderung ging dahin, daß
überhaupt kein einfaches Gesetz mehr über ein Grundrecht sollte hinweggehen
können, daß vielmehr nur noch die Verfassung selbst den Grundrechten
Schranken setzen könne. Mit dem letzten Schritt schließlich kehrte man zu
der Auffassung zurück, daß die Grundrechte auch durch Verfassungsgesetze
nicht könnten eingeschränkt werden. |
Einordnung der Grundrechte in den Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung. |
Dieses letzte Stadium der Entwicklung ist allerdings
heute noch nicht durchgängig erreicht. Überwiegend gilt heute die
Auffassung, daß die Grundrechte zwar nicht vollkommen unabänderlich seien,
daß sie aber als Institution nicht aufgehoben werden können. Eine
befriedigende Umschreibung des Rahmens, in den sich auch die Geltendmachung
der Grundrechte einzuordnen hat, ist dabei allerdings noch nicht geglückt.
Die Formel, daß die Grundrechte "im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung zu
verstehen" sind, muß einstweilen aushelfen. Sie wird in Art. 21 Abs. 3
ausdrücklich verwendet. Die besonderen Einschränkungen, die den einzelnen
Grundrechten beigefügt sind, sind an dieser Grundformel orientiert. |
Eigene Bundesgrundrechte, nicht nur Direktiven für die Landesverfassungen |
(2) Da es sich um die Planung des Grundgesetzes für eine bundesstaatliche Gemeinschaft handelte, sah sich der Konvent vor die Frage gestellt, ob das Grundgesetz unmittelbar alle staatlichen Organe des Bewohner an bestimmte, im Grundgesetz zu verkündende oder ob das Grundgesetz sich damit begnügen könne, die Länder zu verpflichten, diese Grundrechte in ihre Verfassungen aufzunehmen. Der Konvent entschied durch sich dafür, das Grundgesetz solle selbst Grundrechte und nicht nur Grundrechtsanforderungen an die Landesverfassungen enthalten. Abgesehen davon, daß die Mehrzahl der Länder der
britischen Zone noch keine Landesverfassungen haben, war der Gedanke
entscheidend, daß das Grundgesetz des Bundes in einem Zeitpunkt geschaffen
wird, in dem die allgemeinen Menschenrechte immer noch schweren Bedrohungen
ausgesetzt sind und daß deshalb ein gesamtdeutsches Bekenntnis zu diesen
Rechten als der Grundlage des Gemeinschaftslebens notwendig erscheint. |
Beschränkung in die Zahl der Bundesgrundrechte |
Dagegen erschien es nicht notwendig, neben den
grundlegenden Rechten der menschlichen Freiheiten alle irgendwie als
Grundrechte bezeichneten Institutionen n in einen umfassenden Katalog von
Bundesgrundrechten aufzunehmen. Vielmehr muß es genügen und wird es zugleich
eindrucksvoller sein, wenn die Zahl der Grundrechte im Grundgesetz
beschränkt wird auf die wichtigsten Menschen- und Freiheitsrechte der
einzelnen. Erwogen wurde, ob daneben auch Grundrechte der korporativen
Ordnungen aufzunehmen seien. Dies wurde im Ergebnis verneint, insbesondere
mit Rücksicht auf die vorläufige Natur des Grundgesetzes. Andere
Institutionen eines freiheitlichen staatlichen Lebens, die in der
Rechtslehre und in den Verfassungen gelegentlich gleichfalls als Grundrechte
bezeichnet sind, wie der Schutz des Bürgers durch unabhängige Gerichte, das
Recht auf Gehör im gerichtlichen Verfahren, das Verbot rückwirkender
Strafgesetze, sind in anderen Abschnitten des Grundgesetzes, insbesondere in
dem Abschnitt Rechtspflege, behandelt. |
-Reihenfolge der Grundrechte |
(3) An die Spitze der Aufstellung der Grundrechte hat der Konvent den Gedanken gestellt, daß der Staat dem Menschen zu dienen hat und daß die Würde des Menschen überall zu wahren ist. Dem folgen der Reihe nach die einzelnen Freiheitsrechte, die politischen Grundrechte, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Grundrecht des Eigentums und schließlich einig; weitere wichtige Individualrechte. Die letzten drei Artikel (19 bis 21) enthalten die Grenzen, die auch den Grundrechten gesetzt sind, nämlich die Pflicht zur Verfassungstreue, die Verwirkung der politischen Grundrechte durch den, der sie zum Kampf gegen die politische Freiheit mißbraucht und die oben behandelte Einordnung der Grundrechte in den Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung. Im einzelnen ist zu den vorgeschlagenen Artikeln des
Abschnittes „Grundrechte" folgendes zu sagen: |
Würde des Menschen |
Artikel 1 soll auch Privatpersonen verpflichten. Zu
denken ist etwa daran, daß ein privater Unternehmer sich an der
Arbeitsversklavung beteiligt. Die Verletzung der menschlichen
Würde kann zwar als solche noch unter keine Sanktion gestellt werden, sie
wird aber da, wo es auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens ankommt, nunmehr
einen solchen Vorwurf begründen. |
Grundrecht der Freiheit |
Artikel 2 hatte in der Weimarer Verfassung kein Vorbild. Es ist hierzu auf die allgemeine Umgrenzung der Freiheitsrechte durch die Artikel 19 bis 21 zu verweisen. Zu Absatz 1 ("Alle Menschen sind frei") wurde die Auffassung vertreten, die eigentliche Bedeutung einer solchen Bestimmung sei, es sollten alle Menschen frei gemacht werden. Deshalb sei es für uns zur Zeit nicht angemessen, einen solchen Satz auszusprechen, der nur in das Verfassungsprogramm eines mächtigen und zum Einsatz seiner Macht für die Befreiung der Menschen entschlossenen Staates passe.
Zu Abs. 2 wurde
darauf hingewiesen daß der Relativsatz wegbleiben müsse, da ohnedies die
Freiheit bestehe, innerhalb der Schranken der Rechtsordnung und der guten
Sitten beliebig zu handeln, auch wenn man anderen dadurch schade. Man gehe
daher mit der gewählten Formulierung hinter das Selbstverständliche zurück. |
Persönliche Freiheit |
Artikel 3 gewährleistet die persönliche
Bewegungsfreiheit im engeren Sinn Er enthält die übliche Umgrenzung des
Verhaftungsrechts der staatlichen Behörden. Er gewährt darüber hinaus auch
Schutz vor außerstrafrechtlicher Beschränkung der persönlichen Freiheit,
indem er beispielsweise die zwangweise Unterbringung in einem Irrenhaus,
die Schutzhalt, die Zwangsgestellung von Geschlechtskranken, die
Unterbringung von gefährdeten Jugendlichen einer richterlichen Kontrolle
unterwirft. |
Freiheit der Wohnung |
Artikel 5 gewährt zusätzlich zu den bisher üblichen Formulierungen Schutz gegen ungesetzliche Beschlagnahmen von Wohnräumen. Im Konvent wurde hierzu der Vorschlag gemacht, dem
Artikel noch Bestimmungen hinzuzufügen, wie sie in Artikel 3 der
amerikanischen Bill of Rights getroffen sind. Dieser Artikel lautet: Dem Vorschlag wurde entgegengehalten, daß sich im
Grundgesetz nirgends die Möglichkeit einer deutschen Wehrmacht abzeichne und
daß gegen die Einquartierung von Soldaten einer fremden Wehrmacht ein
deutsches Grundrecht keinen Schutz gewährt. |
Pressefreiheit |
Artikel 7 Abs. 2 gewährt der Presse einerseits das
Recht, ohne Beschränkung über das öffentliche Leben zu berichten; bindet sie
aber andererseits an die Pflicht zur Wahrheit. |
Vereinigungsfreiheit |
Zu Artikel 9 wurde der Vorschlag abgelehnt. daß niemand
solle gezwungen werden dürfen, sich einer Vereinigung anzuschließen. Die
Ablehnung gründet sich auf die möglicherweise bestehende Notwendigkeit, auch
künftig Angehörige bestimmter Berufe in öffentlich-rechtlichen
Organisationen verpflichtend zusammenzufassen. Ein Koalitionszwang im
üblichen Sinn des Wortes sollte damit nicht anerkannt werden. |
Gleichheit vor dem Gesetz |
Artikel 14 schlichtet die alte Streitfrage, ob die
Gleichheitsforderung auch den Gesetzgeber binde, in bejahendem Sinn. |
Denazifizierung |
Die einstweiligen Einschränkungen des Gleichheitssatzes, die zur vollständigen Befreiung vom Nationalsozialismus unerläßlich sind, werden in der Übergangsbestimmung des Artikels 146 geregelt. Im Zusammenhang mit Absatz 3, der jedermann einen
Anspruch auf gleiche wirtschaftliche Entwicklung zuspricht, wurde die Frage
erörtert, ob eine Bestimmung aufgenommen werden solle, die den Schaffenden
einen Anteil am Arbeitsertrag zusichert und etwa darauf hinweist, daß dies
durch demokratische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben
gewährleistet werde. Es überwog aber die Meinung, daß diese Frage durch die
Gesetzgebung über die Wirtschaftsordnung zu regeln sei. Ähnliches gilt für
den ebenfalls erörterten Antrag, ein Recht auf Unterstützung bei
unverschuldeter Not in die Grundrechte aufzunehmen. |
Freie Arbeit |
Artikel 16 bringt insofern eine wichtige Neuerung, als
er jede Art von Zwangsarbeit verbietet, die sich nicht auf eine gerichtliche
Entscheidung gründet. Die Bestimmung erschien geboten mit Rücksicht auf die
schmerzliche Tatsache, daß in der Gegenwart die Gefahr der
Arbeitsversklavung in der verschiedensten Form auch den deutschen Menschen
bedroht. |
Freizügigkeit |
Die hierhergehörende Anregung, die Freizügigkelt zum
Grundrecht zu erheben, wurde fallen gelassen, weil die gegenwärtigen
Zustände der Durchführung unüberwindbare Hindernisse bereiten. |
Sozialisierung |
Das in Artikel 18 verlangte besondere Gesetz kann
selbstverständlich auch eine ganze Gruppe gleichartiger Unternehmen
erfassen. |
Widerstandsrecht |
Zu Artikel 19 wurde die Frage eines individuellen
Widerstandsrechts gegen verfassungswidrig ausgeübte öffentliche Gewalt
erörtert. Die Mehrheit lehnte die Aufnahme eines Widerstandsrechts wegen
seiner unabsehbaren Tragweite ab. |
Schranken der Grundrechte |
Artikel 20 bringt die dringend notwendige Verwirkung der politischen Grundrechte durch den, der sie zum Kampf gegen die freiheitliche und demokratische Grundordnung mißbraucht. Es bedarf keiner Darlegung, daß jede Demokratie, die in diesem Punkt achtlos ist, in Gefahr steht, selbstmörderisch zu werden. Da andererseits die Waffe der Verwirkung politisch mißbraucht werden kann, wurde für diesen Fall die Verfassungsbeschwerde gegeben, deren Einführung im übrigen vom Konvent lediglich zur Erwägung gestellt wird. In Artikel 21 wird der schon erörterte Gedanke, daß
alle Grundrechte im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung zu verstehen sind
(Abs. 3), durch Absatz 4 noch nach der Richtung ergänzt, daß eine
gesetzliche Einschränkung der Grundrechte nur zulässig ist, wenn die
öffentliche Sicherheit, Sittlichkeit oder Gesundheit es zwingend erfordert.
Daß auch diese Formel nicht voll befriedigend ist, muß einstweilen
hingenommen werden. Der weitere Gedanke, daß kein einschränkendes Gesetz die
Substanz des Grundrechts angreifen darf, ist im zweiten Satz des Abs. 4
ausgesprochen. |
Notstandsrecht |
Die zeitweise Aufhebung der politischen Grundrechte und des Postgeheimnisses läßt sich für den Fall des Staatsnotstandes nicht umgehen. Die nähere Regelung wurde wegen des Zusammenhangs mit dem sonstigen Recht des Staatsnotstandes in den Abschnitt über die Gesetzgebung verwiesen (Art. 111 Abs. 3 bis 5). Die Voraussetzungen wurden dabei so streng als möglich gefaßt; ebenso wurde gegenüber der unglücklichen Regelung in der Weimarer Verfassung die Mitwirkung, der demokratischen Organe so weit als möglich gesichert. Eine Minderheit hielt an der Überzeugung fest, daß eine
Suspension der Grundrechte nicht vorgesehen werden dürfe, weil die normalen
polizeilichen Mittel zur Bekämpfung aller Gefahren ausreichend seien. |
Internationale Gewährleistung der Grundrechte |
Im Zusammenhang mit der Suspension der Grundrechte wurde auf den Deutschlandbericht der Herter-Ausschusses des amerikanischen Kongresses hingewiesen. Nach diesem Bericht soll der Kongreß einen Ausschuß für alle besetzten Gebiete einsetzen, der mit den deutschen gesetzgebenden Körperschaften zusammenarbeiten soll, um ihnen bei der Herstellung einer arbeitsfähigen demokratischen Regierungsform Hilfe zu leisten. Hierbei ist für uns von besonderer Wichtigkeit der Vorschlag, ein interparlamentarisches Schiedsgericht zu bilden, das über Verletzungen der Grundrechte befindet. England und Frankreich sollen eingeladen werden, Vertreter in diesen interparlamentarischen Schiedsausschuß zu entsenden. Im Hinblick darauf schlägt der Konvent dem Parlamentarischen Rat vor, eine Petition an den amerikanischen Kongreß zu richten mit dem Antrag, den vom Herter-Ausschuß empfohlenen interparlamentarischen Schiedsausschuß sofort zu bilden, parlamentarische Vertreter Englands und Frankreichs in diesen Ausschuß einzubeziehen und ihn durch deutsche parlamentarische Vertreter zu erweitern. In der Petition sollte der Kongreß gebeten werden, zu beschließen, daß dem interparlamentarischen Schiedsausschuß für das Gebiet des Bundes deutscher Länder die Befugnis eines obersten Schiedsgerichts für Streitigkeiten zwischen Deutschen und Vertretern der Besatzungsmacht, welche die Verletzung von Grundrechten betreffen, übertragen wird.
|
Völkerrecht ist Bundesrecht |
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sollen integrierender Bestandteil des Bundesrechts sein, und zwar in der Weise, daß sie unmittelbar Rechte und Pflichten für alle Bewohner des Landesgebietes (Inländer und Ausländer) erzeugen sollen. Durch die gewählte, von Art. 4 der Weimarer Verfassung abweichende Fassung soll Streitfragen, die in der Weimarer Zeit eine verhängnisvolle Rolle gespielt haben, der Boden entzogen werden. Weiter soll durch diese Fassung zum Ausdruck gebracht werden, daß das deutsche Volk gewillt ist, im Völkerrecht mehr zu sehen als nur eine Ordnung, deren Normen lediglich die Staaten als solche verpflichten. Es wird demgemäß die Aufnahme folgenden Artikels
vorgeschlagen: |
Eintritt des Bundes in ein Staatensystem |
Das Grundgesetz soll ferner vorsehen. daß der Bund durch ein mit qualifizierter Mehrheit ergangenes Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen kann. Dadurch soll die Schaffung internationaler Organe erleichtert werden, die etwa geschaffen werden sollten, um mit Wirkung für die Gebiete der beteiligten Staaten Angelegenheiten zu besorgen, die bisher ausschließlich den verschiedenen nationalen Souveränitäten überlassen waren. Das deutsche Volk ist gewillt, künftighin auf den Krieg als Mittel der Politik zu verzichten und hieraus die Folgerungen zu ziehen. Um aber nicht wehrlos fremder Gewalt preisgegeben zu sein, bedarf es der Aufnahme des Bundesgebietes in ein System kollektiver Sicherheit, das ihm den Frieden gewährleistet. Nach der einmütigen Auffassung des Konvents muß der Bund bereit sein, im Interesse des Friedens und einer dauerhaften Ordnung der europäischen Verhältnisse in die sich aus einem solchen System ergebenden Beschränkungen seiner Hoheitsverhältnisse einzuwilligen. Zwar wird damit dem deutschen Volke eine Vorleistung zugemutet. Nach dem, was im Namen des deutschen Volkes geschehen ist, ist aber eine solche Vorleistung, die entsprechende Leistungen der anderen beteiligten Staaten im Gefolge hat, angebracht. Einstimmig wird demgemäß folgender Artikel
vorgeschlagen: |
Kriegsächtung |
Schließlich glaubt der Konvent, daß das Grundgesetz einer Bestimmung bedürfe, wonach Handlungen unter Strafe zu stellen sind, die in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören; vor allem aber alle Handlungen, die in der Absicht unternommen werden, die Führung eines Krieges vorzubereiten. Das Recht des Bundes soll künftig die Möglichkeit bieten, Personen zur Rechenschaft zu ziehen, deren Tätigkeit mit Vorbedacht darauf gerichtet ist, von seinem Gebiet aus den Frieden in gefährlicher Weise zu gefährden, möge es sich um geheime Aufrüstung handeln oder um militaristische und nationalistische Verhetzung der Gemüter. Personen, die sich solcher Verbrechen schuldig machen, wären nach ihrer Verurteilung außerhalb des Schutzes bestimmter Grundrechte zu stellen. Der hierzu vorgeschlagene Artikel hat folgenden
Wortlaut: |
Antretung von Teilen des Bundesgebiets |
Der Konvent war einmütig der Auffassung, daß in das Grundgesetz Bestimmungen aufgenommen werden sollten, die die Abtretung oder den Austausch von Teilen des Bundesgebiets betreffen. In Anlehnung an die französische Verfassung erschien es zweckmäßig, hierfür vorzusehen, daß Abtretung und Austausch nur zulässig sein sollen, wenn die betroffenen Bevölkerungen dies gutheißen. Darüber hinaus soll sowohl ein Bundesgesetz wie ein Gesetz der betroffenen Bundesländer für die Vollziehung erforderlich sein. Diese Bestimmung kann sich nur auf den Teil des
deutschen Staatsgebiets beziehen, in dem das Grundgesetz gilt, also auf das
Gebiet des Bundes deutscher Länder. Es ergab sich folgende Formulierung: |
Die Hoheitssymbole Mehrheitsvorschlag: Bundesflagge schon jetzt einführen |
Die überwiegende Mehrheit ist der Ansicht, daß es trotz des provisorischen und fragmentarischen Charakters des Bundes aus technischen und auch aus politischen Gründen erforderlich sei, dem Bund eine Flagge zu geben. Da der Bund nichts anderes sein soll als der heute einzige in wenigstens relativer Freiheit nach dem Willen des deutschen Volkes organisierte Teil Deutschlands, kam die Schaffung einer „separaten" Flagge für niemanden in Frage. Die Flagge des Bundes kann nur Farben führen, die in der gesamtdeutschen Tradition begründet sind. Für die Wahl der Farben SchwarzRot-Gold war entscheidend, daß diese Farben schon im alten Reichsschild geführt wurden und auch seit Beginn einer deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung allgemein als die Embleme der Deutschen Republik gegolten haben. Der Vorschlag soll dagegen nicht zum Ausdruck bringen, daß das Grundgesetz des Bundes ein Ausfluß der Weimarer Verfassung sei. Diese Erwägungen
haben ihren Niederschlag in folgendem Artikel gefunden: |
Minderheitsvorschlag: Flaggenfrage vertagen |
Auch die Minderheit ist der Meinung, daß der Bund eine
Flagge zugewiesen bekommen solle; sie erhebt keine Einwendungen gegen die
Farben Schwarz-Rot-Gold. Sie befürchtet jedoch, daß die Aufnahme des von der
Mehrheit vorgeschlagenen Artikels in das Grundgesetz zum ungeeignetsten
Augenblick einen verhängnisvollen Flaggenstreit heraufbeschwören könne. Im
Zuge dieser Erwägungen schlägt sie vor, auf die Aufnahme eines
Flaggenartikels in das Grundgesetz au verzichten und ein Flaggengesetz zu
einem späteren Zeitpunkt zu erlassen. |
Vermittlungsvorschlag: Vorläufige Regelung für Behörden, Auslandsvertretungen, Schiffahrt |
Eine weitere Minderheit macht einen
Vermittlungsvorschlag, der dahin geht, daß bis zur Regelung durch ein Gesetz
die Farben Schwarz-Rot-Gold in beschränktem Umfange. nämlich von den
Bundesbehörden, etwaigen künftigen Auslandsvertretungen und den Seeschiffen
geführt werden sollen. Ihr Vorschlag ergibt folgende Fassung:
|
Das vorläufige Bundesgebiet |
Das Gebiet des Bundes besteht vorläufig aus den Gebieten der elf Länder. die bei der Gründung beteiligt sind. Es soll jedoch jeder andere Teil Deutschlands auf seinen Wunsch in den Bund aufgenommen werden können, wofür ein einfaches Bundesgesetz genügen soll. Einverständnis bestand darüber, daß die Aufnahme so wenig erschwert werden solle als möglich. Der aufgenommene Teil kann sich an ein schon
bestehendes Land anschließen. Tut er es nicht so bildet er ein eigenes Land,
dessen Verfassung die Bevölkerung nach Maßgabe der für Länderverfassungen in
diesem Grundgesetz allgemein vorgesehenen demokratischen
Mindesterfordernisse (Art. 29) selbst bestimmen kann. |
Einbeziehung von Groß-Berlin |
Infolge der besonderen Stellung Groß-Berlins soll
dieses Land jedoch schon heute weithin behandelt werden, als sei es ein
Glied des Bundes. Zwar sollen die Bundesgesetze bis zur Aufnahme
Groß-Berlins in den Bund dort nicht gelten. Die Stadt soll jedoch nach der
einstimmigen Meinung des Konvents heute schon vollberechtigte Vertreter in
die gesetzgebenden Organe des Bundes entsenden können. In Betracht kommen
etwa 30 Abgeordnete zum Bundestag, dessen Mitgliederzahl sich damit auf 430
erhöhen würde, und zwei Bundesratsmitglieder. Die Mehrheit billigt den
Berliner Vertretern auch das Stimmrecht, eine Minderheit nur beratende
Stimme zu. |
Innerdeutsche Umgliederung |
Bei der Frage, ob das Grundgesetz Bestimmungen vorsehen
solle. wonach das Bundesgebiet unter Veränderung der Gebiete der Länder
solle neu gegliedert werden können, stehen sich mehrere Auffassungen
gegenüber, über die keine Einigung erzielt werden konnte: |
Einmalige endgültige Umgliederung ? |
1. Einige Mitglieder sind der Meinung, daß das
Grundgesetz Bestimmungen über eine einmalige und damit endgültige
Neubestimmung der Ländergebiete vorsehen solle; nach deren Durchführung
sollten grundsätzlich keine größeren Veränderungen der Ländergrenzen mehr
möglich sein. Dem wird entgegengehalten, daß nach der Erklärung der
Militärgouverneure die bis zum 15. 10. 1948 von den Ministerpräsidenten zu
bestimmende Änderung der Ländergrenzen bis zum Friedensschluß endgültige
Zustände schaffen werde; das beabsichtigte Vorhaben sei demnach praktisch
gegenstandslos. |
Künftig nur Zusammenschlüsse von Ländern möglich ? |
2. Andere Mitglieder vertreten die Auffassung. daß unter Zugrundelegung der bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bestehenden Ländergrenzen im wesentlichen mir kleinere Grenzveränderungen im Wege der Vereinbarung der betroffenen Länder möglich bleiben sollen. Im übrigen soll grundsätzlich - entsprechend der Verfassung der USA, die aber die Teilung von Staaten nicht unmöglich gemacht hat - auf dem Gebiet eines EinzelStaates kein neuer Staat gebildet werden können. Dagegen sollen sich mehrere Einzelstaaten zu einem neuen Einzelstaat zusammenschließen können. Falls die Bevölkerung eines Teiles eines Einzelstaates sich mit einem anderen Einzelstaat sollte vereinigen wollen, so solle hierüber auf Antrag der Selbstverwaltungskörper, die mindestens ein Drittel der Bevölkerung des Landesteils vertreten, durch Volksentscheid entschieden werden. Die vorgesehene Beschränkung des Antragsrechts auf die Selbstverwaltungskörper solle eine Sicherung gegen die Gefahr bieten, daß gewisse politische Parteien zeitweilige Mißstimmungen gewisser Bevölkerungsteile ausnützen, um einen unverantwortlichen Druck auf die Landesregierung auszuüben. Für die Aufnahme neugebildeter Einzelstaaten in den Bund solle ein einfaches Bundesgesetz genügen. Diese Auffassung verdichtete sich zu folgendem
Vorschlag eines Artikels: Für den Fall, daß es den Ministerpräsidenten bis zum
Erlaß des Grundgesetzes nicht gelingen sollte, eine rationellen
Gesichtspunkten gerechtwerdende Neugliederung des Bundesgebietes
zustandezubringen, wurde folgende Übergangslösung vorgeschlagen: Beide Vorschläge, wurden nach gründlicher Erörterung
zurückgezogen, werden hier aber erwähnt, um eine volle Übersicht über die
Möglichkeiten zu geben. |
Künftige Umgliederung zulässig ? |
3. Eine andere Meinung ging dahin, trotz der Erklärung der Militärgouverneure in das Grundgesetz Bestimmungen aufzunehmen, die ohne Beschränkung auf einen bestimmten Zeitraum weitgehende Berichtigungen der Ländergrenzen und darüber hinaus die grundlegende Neugliederung des Bundesgebietes ermöglichen sollen. Dies müsse vor allem deshalb geschehen können, weil ein echtes föderatives System gegeneinander richtig abgewogene Länder erfordere; die heutigen Länder entsprächen diesem Ideal keineswegs. Im übrigen sei es durchaus möglich, daß die Militärgouverneure ihren Standpunkt bezüglich der Endgültigkeit des bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bestehenden Zustandes ändern. Hiefür ist in Anlehnung an den Beschluß erster Lesung
des Verfassungsausschusses der Weimarer Nationalversammlung folgender
Vorschlag gemacht worden, der die Zustimmung der Mehrheit gefunden hat: |
Umgliederung Bundes- oder Landessache ? |
4. Die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten betrafen vor allem die Frage, ob die Veränderung der Ländergebiete Sache des Bundes oder ausschließlich Sache der betroffenen Länder sein solle. Im ersteren Falle bestand Einverständnis darüber, daß - außer bei besonderen Notständen - nicht gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung vorgegangen werden dürfe; im anderen Falle war man sich darüber einig daß auch von den Ländern unternommene Gebietsveränderungen - mit Ausnahme kleinerer Grenzberichtigungen - der Sanktion durch den Bund bedürftig sein sollten. Die Vertreter der Ansicht, daß Veränderungen der Ländergrenzen nur Sache der betroffenen Länder selbst sein dürfen, sehen durch eine Gliederungs-Kompetenz des Bundes dessen föderativen Charakter in Frage gestellt. Nach der Gegenmeinung macht umgekehrt gerade der föderative Charakter, der dem Bund eigen sein soll, die Neugliederung des Bundesgebietes nach rationellen Gesichtspunkten zur gebieterischen Notwendigkeit. Diese könne aber nur eine gesamtdeutsche Aufgabe sein, da schon die bisherigen Erfahrungen zeigten, daß die Länder selbst nicht imstande seien, die einer vernunftgemäßen Lösung entgegenstehenden partikularen Egoismen zu überwinden. Während die Vertreter dieser Meinung hinsichtlich der Schaffung der Voraussetzungen für eine tragfähige föderative Gestaltung des Bundesgebietes den Mut zur Neuerung befürworteten, sind sie einmütig der Überzeugung. daß der dann geschaffene Zustand im wesentlichen unveränderlich bleiben soll. Der Konvent hat in Anbetracht dieser
Meinungsverschiedenheit einmütig beschlossen, zur Neugliederungsfrage keinen
artikulierten Vorschlag zu machen, sondern sich auf die Darlegung der
Kontroverse zu beschränken. |
Anforderungen an die Länderverfassungen |
Im Konvent besteht Einmütigkeit darüber, daß die Länder
frei sein sollen, die Formen und Inhalte ihres staatlichen Lebens zu
bestimmen, daß aber einerseits die Länderverfassungen eine gewisse
Homogenität mit der Bundesverfassung aufweisen und andererseits als
demokratische, Mindestforderungen folgende Elemente enthalten müssen: |
Freiheit und Gleichheit | 1.
Die Verfassungen der Länder müssen demokratisch, also auf die allgemeine
rechtliche Freiheit und Gleichheit aller Bürger gegründet sein. |
Volksvertretung |
2. Die Länder müssen weiter eine Volksvertretung haben,
die aus allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen hervorgehen
muß. Außerdem müssen sie ausreichende Gewähr dafür bieten. daß das Wahlrecht
frei, d. h. ohne unmittelbaren oder mittelbaren Druck ausgeübt werden kann. |
Kein Einparteiensystem |
3. Es darf in keinem Land das Einparteiensystem erlaubt
sein. Bei jeder Wahl zu einer Volksvertretung müssen mindestens zwei, nicht
nur organisatorisch, sondern auch politisch und innerlich voneinander
unabhängige Parteien mit eigenen Programmen und Kandidaten sich um die
Mandate bewerben können. |
Kein Blocksystem | 4.
In gewissen Ländern hat sich das System herausgebildet, daß eine Partei
unter der Tarnung demokratischer Verfassungen praktisch das
Einparteiensystem errichtet hat. Das geschieht dadurch, daß die
Parteileitungen mehr oder weniger gewaltsam für die Dauer zu einheitlichen
Beschlüssen veranlaßt werden, die dann in den Volksvertretungen von allen
Fraktionen einheitlich ausgeführt werden müssen, Dieses System soll von
Bundes wegen in den Ländern verboten sein. Die üblichen Koalitionsabreden
sollen dadurch nicht verboten werden. |
Parteienkontrolle | 5.
Von den Wahlen und Abstimmungen dürfen Parteien nur dann ausgeschlossen
werden, wenn in einem geordneten gerichtlichen Verfahren in Anwendung des
für alle geltenden Gesetzes festgestellt worden ist, daß sie die Beseitigung
der Freiheitsrechte und die Gewaltherrschaft: anstreben. Dies schließt nicht
aus, daß die Erlangung eines Sitzes in der Volksvertretung in den
Wahlgesetzen von der Erreichung eines Mindesthundertsatzes der Wählerstimmen
abhängig gemacht werden. |
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung |
6. Die Verwaltung in den Ländern muß rechtsstaatlich
sein: sie darf also ausschließlich auf Grund der Gesetze erfolgen. Dazu
gehört, daß jedermann der Schutz unabhängiger Gerichte, die nur an das
Gesetz gebunden sind, gegen den Mißbrauch der Staatsgewalt zustehen muß. |
Sicherung der Grundrechte |
7. Die Verfassungen der Länder müssen die im
Grundgesetz des Bundes vorgesehenen Grundrechte sichern. Es ist den Ländern
unbenommen, weitere Grundrechte aufzustellen und ihre Gewährleistung dem
Bundesrecht gegenüber zu verstärken, insbesondere auf dem Gebiet der
Gemeinschaftsordnungen. |
Teilung der Gewalten |
8. Die Freiheit der Person ist nur in einem Staate voll
und dauerhaft gewährleistet, der auf dem Prinzip der Teilung und des
Gleichgewichtes der Gewalten aufgebaut ist. Darum müssen auch in den Gewalt
und Rechtsprechung von Organen ausgeübt werden. die einander gleichgeordnet
sind und sich so die Waage halten können. Die parlamentarische
Verantwortlichkeit der Regierungen ist mit diesem Prinzip durchaus
vereinbar, ebenso gewisse überkommene Einrichtungen der Hansestädte, die für
Deputationen der Bürgerschaft Verwaltungsbefugnisse vorsehen. |
Bundeskontrolle erstreckt sich auf die Verfassungswirklichkeit |
Dem Erfordernis der Homogenität der Länderverfassungen
mit dein Grundgesetz des Bundes ist nicht damit Genüge getan, daß die
Länderverfassungen demokratische Grundsätze aussprechen. Die Homogenität
muß effektiv sein. Der Bund hat darum zu gewährleisten, daß die
Verfassungswirklichkeit, d. h. das staatliche Leben in den Ländern, den
beschlossenen Verfassungen entspricht. Wo das nicht der Fall ist, hat er den
Rechtszustand in der Wirklichkeit des staatlichen Lebens herzustellen. |
Kein Genehmigungsvorbehalt für Länderverfassungen |
Die Aufsicht des Bundes über die Länderverfassungen soll nicht bis zu einem Genehmigungsvorbehalt des Bundes für Verfassungen und Verfassungsänderungen der Länder ausgebaut werden. Entspricht eine Landesverfassung oder eine Änderung derselben nicht den oben dargelegten Grundsätzen, so ist ein Streit darüber vom Verfassungsgericht des Bundes zu entscheiden. Das Ergebnis der vorstehenden Erwägungen hat in
folgendem Artikel seinen Niederschlag gefunden: |
Zuständigkeit zur Gesetzgebung |
Da die Gesetzgebung den Ländern zusteht, soweit sie
nicht dem Bund zugesprochen ist, müssen die Zuständigkeiten des Bundes im
Grundgesetz in einem Katalog einzeln aufgezählt werden. Im Zusammenhang mit
der Aufstellung dieses Katalogs ergeben sich grundsätzliche Fragen, die hier
vorweg erörtert werden. |
Die Gruppen der Bundesgesetzgebung |
Die Gesetzgebungszuständigkeit war in der Weimarer
Verfassung in vier Gruppen gegliedert: Im Konvent besteht Einigkeit darüber, die beiden
letzten Gruppen nicht gesondert in den Entwurf eines Grundgesetzes
aufzunehmen, vielmehr von der Viergliederung, abzugehen. Allerdings sind
dennoch vom Konvent in den Kreis der konkurrierenden Gesetzgebung bewußt
einzelne Ziffern aufgenommen worden, bei denen die Worte „Grundsätze"
verwendet sind (Art. 36 Ziff. 6b, 8, 10, 11, 26; darüber siehe unten). |
Zwei Hauptgruppen: Ausschließliche und Vorranggesetzgebung. |
Der Konvent hat erwogen, ob die beiden ersten Gruppen, nämlich die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung, wie bisher getrennt werden sollten, oder ob nicht vielmehr der Unterschied zwischen den beiden Gruppen fallengelassen werden soll. Werden sie auseinandergehalten, so wird zu prüfen sein, ob nicht die Bezeichnung „konkurrierend" durch ein gleichbedeutendes besseres Wort ersetzt werden kann; der Konvent hat hiefür das Wort „Vorranggesetzgebung" gewählt. Zugunsten der Zweigliederung ist geltend gemacht worden: Für die Würde des Bundes habe es eine starke symbolische Kraft, einzelne Gesetzgebungszuständigkeiten völlig der Ländergesetzgebung zu entziehen und dadurch gegenüber sonstigen Zuständigkeiten herauszuheben. Es handelt sich hierbei um Gebiete wie die auswärtigen Angelegenheiten, die Staatsangehörigkeit, das Münzwesen usw., für die ihrem Charakter nach eine Zuständigkeit des Landes ohnehin ausscheidet. In diese Gruppe sollten tunlichst Zuständigkeiten von geringerer Integrationswirkung nicht aufgenommen werden. Dies Gruppe brauche daher keineswegs umfangreich zu sein. Ein völliger Verzicht auf die Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen sei indessen nicht empfehlenswert. Demgegenüber wird von anderer Seite betont, daß unerfreuliche Lücken für die Gesetzgebung entstehen könnten, falls die Landesgesetzgebung von einem Gebiet schlechthin ausgeschlossen sei, die Ausschließlichkeit somit lediglich als Sperre gegenüber der Landesgesetzgebung wirke. Eine notwendig werdende Rechtseinheit könne unschwer durch die Vorranggesetzgebung gesichert werden; denn Vorranggesetzgebung bedeute ja Möglichkeit des Bundes, die Landesgesetzgebung schlechthin zu verdrängen. Der Bund könne mit anderen Worten alle Gefahren dadurch bannen, daß er den Stoff selbst regle. Zum Wesen der Vorranggesetzgebung gehöre ja nicht, daß dem Gesetzgeber des Landes in jedem Fall ein Raum für seine Gesetzgebung übrigbleiben müsse In diesem Bereich bestehe also nicht eine substantielle Gewährleistung zugunsten des Landes; jedenfalls sei sie nicht aus dem Begriff der Vorranggesetzgebung zu folgern. Der Konvent hat sich für die Zweigliederung in ausschließliche und Vorranggesetzgebung entschieden. Im Hinblick auf die Zweifelsfragen. die sich aus den
Begriffen der ausschließlichen und der Vorranggesetzgebung ergeben,
empfiehlt der Konvent, eine geprägte Formel in das Grundgesetz aufzunehmen,
in der eine Begriffsbestimmung der ausschließlichen und der
Vorranggesetzgebung gegeben wird. Als solche Formel wird der jetzt in Art.
33 und 34 enthaltene Text gewählt. |
Zulässige Landesgesetze |
Einig ist sich der Konvent darüber, daß auf dem Gebiete
der ausschließlichen Gesetzgebung dann - allerdings auch nur dann -
Landesgesetze erlassen werden dürfen, wenn ein Bundesgesetz selbst eine
Ermächtigung an das Land zur Regelung enthalte, wie es z. B. bereits in § 3
des Freizügigkeitsgesetzes der Fall sei. Diese Übertragung kann durch
einfaches Bundesgesetz erfolgen; es ist kein verfassungsänderndes
Bundesgesetz erforderlich. Ferner ist sich der Konvent darüber einig, daß
Ausführungsgesetze der Länder zu Bundesgesetzen beider Gruppen erlassen
werden dürfen, soweit sie sich auf den bloßen Vollzug beschränken, ohne
dabei dem Inhalt der Bundesgesetze zu widersprechen. Schließlich besteht
darüber Einigkeit, daß die schon bestehenden Ländergesetze in ihrem Bestand
unberührt bleiben, auch wenn ein Stoffgebiet durch das Grundgesetz der
ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes unterstellt wird. Nicht schon die
Aufnahme eines Stoffes in den Katalog der ausschließlichen Gesetzgebung hebt
ein Landesgesetz auf, sondern erst ein wirklich ergehendes Bundesgesetz,
nicht schon der Umstand also, daß ein Stoff nur vom Bund geregelt werden
darf, sondern erst die Tatsache, daß er geregelt worden ist. Diese
Auffassung entspricht auch der Auslegung der ausschließlichen Gesetzgebung
in der Weimarer Zeit. |
Enge Auslegung der Zuständigkeitskataloge |
Die Zuweisung im Zuständigkeitskatalog muß ausdrücklich
erfolgen. Es genügt nicht der bloße Sachzusammenhang mit einem aufgeführten
Stoff; sonst würde die Aufzählung ihren Sinn verlieren. Man würde dann
ebensogut weitgefaßte Generalklauseln aufstellen können, dadurch aber den
Zuständigkeitskatalog seines Zweckes berauben. Gerade das aber suchte der
Konvent zu vermeiden, wie es überhaupt sein Ziel war, möglichst klare
Verhältnisse für die Zuständigkeitsabgrenzung zu schaffen. In den Beratungen
nur angeklungen ist die sogenannte Zuständigkeit aus der Natur der Sache.
Man ist sich jedenfalls darüber klar, daß die Verfassung und die Symbole des
Bundes, sowie das Recht des Bundes, seine eigene Behördenorganisation und
sein Bundesdienstrecht zu regeln, auch ohne Erwähnung im Grundgesetz nach
der Natur der Sache ausschließliche Bundesangelegenheit seien. |
Tragweite des Zuständigkeitskatalogs |
Der Katalog der Zuständigkeiten regelt nur die Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern. Er enthält weder ein politisches Programm, noch auch eine Aufforderung an den Bund, die genannten Gebiete durch Bundesgesetze zu regeln; er gibt dem Bunde nur die formale Möglichkeit, Gesetze zu erlassen, begründet aber keine Pflicht für ihn. Er begrenzt ferner nicht den stofflichen Gehalt der Bundesgesetze, außer im Verhältnis zur Landesgesetzgebung. Er gibt den Bundesgesetzen auch keine inhaltliche Tendenz. Vielmehr ist er sozusagen neutral. Aus diesem Grunde hat der Konvent versucht, schon aus der Wortprägung der Aufzählung alles fernzuhalten, was so gedeutet werden könnte, als solle damit eine politische Wertung getroffen werden. Wo allerdings die Tendenz ersichtlich unpolitisch ist, sind solche Formulierungen vom Konvent unbedenklich zugelassen worden, z. B. in den Worten „Maßnahmen gegen Pflanzenkrankheiten". Eine einzige scheinbare Ausnahme, über die aber im Konvent völlige Einigkeit besteht, liegt in der Ziffer 25 des Art. 36 mit der Formulierung „Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung" vor. Mit den vorstehenden Erwägungen soll nicht in Zweifel
gesetzt werden, daß es auch stoffliche Grenzen der Gesetzgebung des Bundes
gibt. Aber sie stehen nicht im Zuständigkeitskatalog. Sie können sich aus
anderen Teilen des Grundgesetzes ergeben, z. B. aus den Grundrechten. Der
Zuständigkeitskatalog ist keine Wertordnung: er ist auch keine verschleierte
Wirtschafts- und Sozialordnung. Auch hier wird durch die Aufzählung im
Katalog zum Inhalt von Bundesgesetzen keine Stellung genommen. Die Aufnahme
in den Katalog läßt den Inhalt der Bundesgesetze vollkommen offen und greift
dem Gesetzgeber in keiner Weise vor. Umgekehrt werden sich aus den
Formulierungen der Grundrechte im Grundgesetz keine
Zuständigkeitsverteilungen zwischen Bund und Ländern ergeben können. |
Grundsatzgesetzgebung |
In der Weimarer Verfassung wurde unterschieden zwischen
der unbedingten und der bedingten Gesetzgebungszuständigkeit des Reichs. Bei
der unbedingten Gesetzgebung konnte das Reich ohne besondere Hemmungen oder
Erschwerungen Reichsgesetze erlassen. Bedingt war die Gesetzgebung in zwei
Fällen: Einmal in der Bedarfsgesetzgebung, insofern das Reich nur im Falle
eines Bedürfnisses Gesetze erlassen konnte; sodann in der
Grundsatzgesetzgebung, insofern das Reich auf den entsprechenden Gebieten
nur Grundsätze aufstellen durfte. Wie schon berichtet, sind diese beiden
Gruppen zwar nicht mehr als besondere Zuständigkeitsgruppen in das
Grundgesetz aufgenommen worden. Auch ist der Scheinbegriff einer „Bedarfs"kompetenz
durchaus fallen gelassen worden. Wohl aber findet sich an fünf Stellen des
Katalogs der Vorranggesetzgebung, nämlich in den Ziffern 6b, 8, 10, 11 und
25 die Beschränkung der Gesetzgebung auf „Grundsätze". Im Konvent ist die
rechtliche Bedeutung dieser Einschränkung erörtert worden. Eine einhellige
Stellungnahme über ihre Tragweite ist aber nicht ausgesprochen worden. Es
ist insbesondere darüber gesprochen worden, ob der Begriff „Grundsätze" ein
Rechtsbegriff ist, oder aber nur Ermessensfragen anzeigt, wobei es im
Ermessen des Bundes läge, den Spielraum des Ermessens abzugrenzen. Schon in
der Weimarer Zeit wurde diese Frage unterschiedlich beantwortet. Im Konvent
besteht darüber Einigkeit, daß auf jeden Fall vermieden werden muß,
politische Entscheidungen in die Form von Gerichtsurteilen einzukleiden.
Eine weitergehende Einigung über den Sinn des Begriffs „Grundsätze" ist
indessen nicht sichtbar geworden. Ferner ist in diesem Zusammenhang die
Frage behandelt worden, ob die Grundsätze im Sinne der Vorranggesetzgebung
an die Adresse der Länder gerichtet sind, also lediglich den
Landesgesetzgeber binden, oder ob sie unmittelbar anwendbares Recht für den
Bürger schaffen kennen. Der Ausschuß war der Auffassung, daß Grundsätze
Bindungen und Schranken nur für den Landesgesetzgeber aufstellen. |
Zuständigkeit der Behördeneinrichtung |
Durch Einräumung einer Gesetzgebungszuständigkeit an
den Bund erhält dieser noch nicht die Befugnis, den Vollzug eines
Bundesgesetzes an vorhandene oder neuzuschaffende bundeseigene Behörden zu
übertragen. Vielmehr bemißt sich die Zuständigkeit zum Vollzug der
Bundesgesetze durch Bundesbehörden oder Landesbehörden nach den im
Grundgesetz enthaltenen oder auf Grund des Grundgesetzes erlassenen
besonderen Vorschriften über die Ausführung der Bundesgesetze. Hierbei
spricht die Vermutung für die Ausführung des Bundesgesetzes durch
Landesbehörden, und zwar in der Form der landeseigenen Verwaltung. Vgl. Art.
42. |
Innerdeutsche Vereinbarungen der Länder |
Im Kapitel der Staatsverträge unterscheidet der Konvent
zwischen den innerdeutschen Vereinbarungen der Länder einerseits, und ihren
Verträgen mit auswärtigen Mächten andererseits. Es bestehen keine Bedenken
gegen innerdeutsche Vereinbarungen zwischen den Ländern. Falls ein Bedürfnis
für einheitliche oder gleichmäßige Regelung vorhanden sein sollte, ohne daß
die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes sich hierauf erstreckt oder ohne
daß der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist
der gegebene Weg zur Behebung des Bedürfnisses der der Vereinbarungen unter
den Ländern. Eine Mitwirkung des Bundes ist in diesen Fällen nicht
vorgesehen. Hiernach ist die Fassung des Art. 40 gewählt worden. |
Amts- und Rechtshilfe |
Keiner besonderen innerdeutschen Vereinbarung bedarf die Festlegung der Amtshilfe zwischen den Behörden der Länder. In der Weimarer Verfassung war die Amtshilfe zwischen Behörden als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 7 Ziff. 3) aufgeführt, und zwar im Zusammenhang nur mit dem gerichtlichen Verfahren. Es empfiehlt sich, sowohl eine besondere Gesetzgebung wie auch innerdeutsche Vereinbarungen der Länder entbehrlich zu machen; und zwar durch Ausdehnung der Amts- und Rechtshilfe auf alle Gebiete und Behörden. Dementsprechend ist Art. 39 Abs. 1 gefaßt worden. Die Bestimmung des Art. 39 Abs. 2 beruht auf einem
unabweisbaren Bedürfnis nach einheitlicher Regelung im ganzen Bundesgebiet. |
Staatsverträge mit auswärtigen Staaten |
Die Zuständigkeit; Verträge mit auswärtigen Staaten zu schließen, richtet sich im Verhältnis zwischen Bund und Ländern nach der Zuständigkeit zur Gesetzgebung. Auf dem Gebiete der ausschließlichen Gesetzgebung kann also nur der Bund Verträge schließen, wobei von etwa bereits bestehenden Staatsverträgen der Länder das gleiche gilt wie von bereits bestehenden Landesgesetzen. Auf dem Gebiete der Vorranggesetzgebung (konkurrierenden Gesetzgebung) ist die Zuständigkeit zum Abschluß von Staatsverträgen sowohl für den Bund wie auch für die Länder begründet; und zwar mit Vorrang des Bundes. Die besondere Eigenart auswärtiger Verträge erfordert indessen bei der Vertragsschließung eine weitergehende Mitwirkung des Bundes als bei der Vorranggesetzgebung. Deshalb ist in Aussicht genommen, den Ländern die Verpflichtung aufzuerlegen, vor dem Abschluß des Staatsvertrages die Zustimmung des Bundes einzuholen. Darüber hinaus soll es aber bereits vor Einleitung von Verhandlungen mit auswärtigen Staaten den Ländern auferlegt werden, die vorherige Einwilligung des Bundes zur Aufnahme von Verhandlungen mit auswärtigen Staaten einzuholen, weil es vom Standpunkt der allgemeinen politischen Situation aus unerwünscht sein kann, daß ein Land mit einem bestimmten auswärtigen Staat oder über einen bestimmten Gegenstand in Vertragsverhandlungen tritt. Dies gilt sowohl für die Verträge auf dem Gebiete der Vorranggesetzgebung, für die später vor dem Abschluß des Vertrages außerdem noch die Zustimmung des Bundes zum Vertrag erforderlich ist, wie auch für Verträge auf Gebieten der Landesgesetzgebungszuständigkeit, bei denen zur Einleitung der Verhandlungen, nicht aber für den Inhalt und Abschluß des Vertrages eine Mitwirkung des Bundes vorgesehen ist. Alle von den Ländern geschlossenen Verträge sind aber zur Kenntnis des Bundes zu bringen. Kurz erwähnt worden ist die Frage, ob Konkordate der Länder unter die Staatsvertragsvorschriften des Grundgesetzes fallen. Die Frage ist verneint worden, da der Vatikan kein auswärtiger Staat sei. Es ist möglich, daß der Bund in Vertragsverhandlungen
mit auswärtigen Staaten tritt über Gegenstände, an denen Länder
wirtschaftlich beteiligt sind. Es wird angeregt (Art. 41 Abs. 3), in solchen
Fällen die Länder an den Verhandlungen des Bundes zu beteiligen, allerdings
ohne ihnen ein Mitbestimmungs- oder Mitabschlußrecht einzuräumen. Regelmäßig
wird es genügen, die Verhandlungsbeteiligung zu beschränken auf
Verhandlungen mit Nachbarstaaten des Bundes, und zwar in diesem Falle auf
die angrenzenden Länder. In ganz besonderen Fällen wird darüber hinaus eine
Beteiligung von Ländern an Verhandlungen mit einem ausländischen Staat in
Betracht kommen. |
Die einzelnen Ziffern des
Katalogs Weimarer Katalog teils vermehrt, teils vermindert |
Die Aufzählung der einzelnen Gesetzgebungs-Zuständigkeiten schließt sich auf vielen Gebieten dem Katalog der Weimarer Verfassung an. Zu berücksichtigen war indessen, daß die innere Verwaltung und das Kulturwesen künftig Länderaufgaben sein sollen. Einige Ziffern des Weimarer Katalogs können gestrichen werden ,weil Sie überholt oder in anderen Bereichen aufgegangen sind. An einigen Stellen erwies sich eine Vermehrung des Katalogs wegen der fortgeschrittenen und fortschreitenden wirtschaftlichen und technischen Entwicklung als nötig. Auch die Formulierungen sind, wo es angängig war, aus der Weimarer Verfassung übernommen worden, zumal Rechtsprechung und Verwaltung mit übernommenen und abgeklärten Fassungen leichter arbeiten als mit völlig neuen. Der Konvent hat sich bemüht, unklare Generalklausen möglichst zu vermeiden. Über die Einschaltung der Gerichte bei der Auslegung von Abgrenzungsbegriffen wird im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zu berichten sein. Ausschließliche
Gesetzgebung (Art. 35). |
Wehrrecht |
In der Weimarer Verfassung war außer den vom Ausschuß
vorgeschlagenen Ziffern noch eine Ziffer „Wehrverfassung" vorgesehen. Diese
Ziffer ist nicht aufgenommen worden. Der Konvent ist sich aber darüber
einig, daß nur die Gesetzgebung des Bundes zuständig sein könne, falls sich
überhaupt Aufgaben wehrrechtlicher Art für deutsche Behörden ergeben können,
z. B. Angelegenheiten der militärischen Entwaffnung. Lediglich um
Mißverständnisse anderer Art von vornherein zu vermeiden, hat der Konvent
von einer Ziffer „Wehrverfassung' oder „Wehrfragen" abgesehen. |
Bundes- und Landesangehörigkeit |
Zu Ziffer 2: Bei dieser zweiten Lösung erübrigt sich die
Vorranggesetzgebung des Bundes über die Grundsätze der Landesangehörigkeit. |
Funkwesen |
Zu Ziffer 8: Vorranggesetzgebung: (Art. 36). |
Strafrecht; diese Kompetenz kein Lückenbüßer |
Zu Ziffer 2: |
Gerichtsverfassung |
Zu Ziffer 3: |
Binnenschiffahrt |
Zu Ziffer 4: |
Bevölkerungspolitik gestrichen |
Zu Ziffer 10: |
Wirtschaftslenkung |
Zu Ziffer 23: |
Sozialisierung |
Zu Ziffer 24: |
Bodenreform | Zu Ziffer 26: Die vorgeschlagene Formulierung erscheint dem Konvent empfehlenswerter als die Formulierung in Artikel 10 Ziffer 4 der Weimarer Verfassung. Insbesondere ist der Konvent der Ansicht, daß die „Bindung des Grundbesitzes" keine aktuelle Bedeutung für eine Regelung durch die Gesetzgebung mehr habe, und daß die „Bevölkerungsverteilung" ein zu unbestimmter Begriff für eine Aufnahme in den Zuständigkeitskatalog darstelle. |
Keine Bundeszuständigkeit für Landwirtschaft |
Zu Ziffer 28: |
Berufsvertretungen |
Die Einrichtung beruflicher Vertretungen (Artikel 9
Ziffer 10 der Weimarer Verfassung) ist gestrichen. Im Konvent bestand keine
Klarheit darüber, was damit gemeint sei. Es besteht aber Einigkeit über die
Streichung. Soweit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen darunter
fallen würden, ergibt sich die Regelung aus der Koalitionsfreiheit. In der
Weimarer Nationalversammlung war noch an eine verfassungsmäßige Sicherung
des berufsständischen Systems gedacht, das den Ansatzpunkt für eine
sogenannte erste Kammer bilden sollte. Die ganze seinerzeitige Regelung ist
heute überholt. |
Arbeitsrecht |
Zu Ziffer 37: |
Sozialversicherung |
Zu Ziffer 38: |
Grundsätze der Formulierung |
Der Konvent betrachtet es als sein besonderes Anliegen
die deutsche Rechtseinheit auf all den Gebieten zu wahren oder herzustellen,
auf denen das Bedürfnis nach gleichmäßigem Inhalt der Rechtsnormen im
Bundesgebiet vordringlich erscheint. Ferner war es das Anliegen des
Konvents, bei der Zuständigkeitsverteilung einfache, klare und bekannte
Begriffe zu verwenden, um dadurch Zweifelsfragen weitgehend zu vermeiden und
Reibungsflächen auszuschließen. Freilich wird immer ein ungeklärter Rest
bleiben, der zu Meinungsverschiedenheiten führen kann. Für diesen Rest ist
aber zu bedenken, daß zum Wesen des Bundesstaates die Verfassungstreue des
Bundes und die Bundestreue der Glieder gehört. |
Gesonderte Finanzwirtschaft in
Bund und Ländern Selbstverantwortliche Haushaltsführung auch der Gemeinden und Gemeindeverbände |
Verhältnis von Bund und Ländern in der
Finanzwirtschaft. Der in Art. 37 des Entwurfs ausgesprochene Grundsatz |
Bestimmung der Höhe der Ausgaben des Bundes durch den Umfang des Aufgabenbereichs |
Die Höhe der Ausgaben- des Bundes einerseits, der
Länder und ihrer Gemeinden andererseits wird je durch den Umfang ihrer
Aufgaben bestimmt. Der Aufgabenbereich des Bundes wird durch das Grundgesetz
festgelegt. Die Abgrenzung des Aufgabenbereichs der Länder und der Gemeinden
ist nicht möglich; denn ihnen obliegt die Erfüllung aller Aufgaben die nicht
durch das Grundgesetz dem Bund zugewiesen sind, unter Einschluß der neu
auftretenden Aufgaben, deren Auswirkungen sich nicht von vornherein
übersehen lassen. |
Beschränkung des Bundes auf bestimmte, aber ausreichende Einkünfte. Gewährleistung der erforderlichen Einnahmequellen für die Länder und Gemeinden | Aus
der Beschränkung des Aufgabenbereiches und des daraus resultierenden
Finanzbedarfs des Bundes ergibt sich folgerichtig sowohl eine Beschränkung
des Bundes auf bestimmt umrissene, aber für die Erfüllung der
gemeinschaftlichen Aufgaben ausreichende Einkünfte als auch die
Notwendigkeit. den Ländern die für ihren Bedarf und den Bedarf der Gemeinden
erforderlichen Einnahmequellen zu gewährleisten Im Bund und in den Ländern,
aber auch in den Gemeinden muß gelten, daß die Vertretungsorgane, welche die
Ausgaben bewilligen, auch die Bereitstellung der hierzu erforderlichen
Einnahmen in eigener Verantwortung beschließen sollen. Das setzt voraus, daß
die Länder und Gemeinden nicht auf bloße Dotationen im Rahmen eines
Finanzausgleichs verwiesen werden. |
Länder nicht Kostgänger des
Bundes, Bund nicht Kostgänger der Länder Keine starre Aufteilung der Deckungsmittel zwischen Bund und Ländern |
Ebensowenig wie die Länder auf die Gnade des Bundes,
darf der Bund auf die Gnade der Länder angewiesen sein. Wenn Bund und Länder
leben sollen, muß jeder Teil über das verfügen können, was er für seine
Lebenshaltung benötigt. Allerdings läßt sich wegen der wechselnden Höhe der
notwendigen Ausgaben die Aufteilung der Deckungsmittel zwischen Bund und
Ländern nicht starr festlegen. Soweit der Finanzbedarf des Bundes durch die
ihm zugewiesenen quellenmäßigen Einkünfte nicht gedeckt werden kann, müssen
die Länder für die Deckung des Bedarfs aufkommen, sei es, daß der Ausgleich
durch Beitragsleistungen der Länder oder durch eine jährlich festzulegende
Aufteilung einer gemeinsamen Einnahme des Bundes und der Länder erfolgt. Auf
der anderen Seite ist dafür zu sorgen, daß Einnahmen, die der Bund zur
Deckung seines Finanzbedarfes nicht oder nicht mehr benötigt, den Ländern
und Gemeinden zugänglich gemacht werden. |
Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Finanzmaßnahmen der Länder |
Gleichwohl erfordert das Gesamtinteresse eine gewisse Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Maßnahmen der Länder auf finanziellem Gebiet. Über das hierfür erforderliche Maß der Vereinheitlichung ist eine einmütige Auffassung nicht erzielt worden (vgl. die Ausführungen zu Art. 38, 122 und 123). Die Richtigkeit des in Art. 37 ausgesprochenen Grundsatzes ist allgemein anerkannt worden. Wie er zu verwirklichen sei, darüber sind die Meinungen teilweise auseinander gegangen. Die Rechtsetzung des Bundes auf dem
Gebiet des Finanzwesens |
Ausschließliche
Bundes-gesetzgebung über die Zölle
|
Hinsichtlich der Gesetzgebung auf dem Gebiet der
Finanzen bestand im Verfassungskonvent Einmütigkeit darüber, daß der Bund
die Gesetzgebung über die Zölle haben soll. Hier handelt es sich um eine
ausschließliche Gesetzgebung des Bundes. Dies entspricht dem Vorbild der
Weimarer Verfassung, in der gleichfalls die Gesetzgebung über das Zollwesen
- und nur diese - zum Bereich der ausschließlichen Reichsgesetzgebung
gehörte. Für alle übrigen bundesrechtlich zu regelnden Steuern ist, wie in
der Weimarer Verfassung, Vorranggesetzgebung vorgesehen. Dies gilt auch für
das Gebiet der Verbrauchssteuern; es ist unbedenklich, die Gesetzgebung über
Verbrauchssteuern vom örtlich begrenzten Wirkungsbereich, für deren Erhebung
insbesondere die Gemeinden in Frage kommen (z. B. Schlachtsteuer,
Getränkesteuer), den Ländern zu überlassen, sofern eine bundesrechtliche
Regelung nicht vorliegt. Das gleiche gilt für die Besteuerung von Umsatz und
Verkehr (z. B. Vergnügungssteuer, andere Luxus- und Aufwandsteuern) und die
Personalbesteuerung (z. B. Einwohnersteuer, Bürgersteuer). |
Auseinandergehende Meinungen über den Umfang der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes: |
Bei der Abgrenzung der Vorranggesetzgebung des Bundes
überwog im Verfassungskonvent die Auffassung, daß der Bund grundsätzlich die
Gesetzgebung über die Verbrauchssteuern und die Steuern vom Umsatz und
Verkehr sowie die Rahmengesetzgebung über die Steuern vom Einkommen und
Vermögen haben solle. Im einzelnen ergaben sich jedoch folgende Meinungen: |
a. hinsichtlich der Biersteuer |
a) Eine Minderheit des Verfassungskonvents vertrat den
Standpunkt, daß bei der Biersteuer nicht die Bundesgesetzgebung, sondern die
Landesgesetzgebung zuständig sein solle. Diese Minderheit und einer der
Sachverständigen legten im Ausschuß eingehend dar, daß die Biersteuer für
Bayern angesichts des hohen Anteils Bayerns am Bierverbrauch auf Grund
altherkömmlicher Verbrauchsgewohnheiten und angesichts der historischen
Bedeutung der Biersteuer im bayerischen Staatshaushalt eine ganz besondere,
mit den Verhältnissen in den übrigen Ländern nicht ohne weiteres
vergleichbare Bedeutung hat. Ein bayerisches Gutachten zur Frage der
Biersteuer ist diesem Bericht beigefügt. Die Mehrheit des
Verfassungskonvents hat sich bei aller Würdigung der Bedeutsamkeit der
vorgebrachten Argumente diesem Standpunkt nicht angeschlossen. |
b. hinsichtlich der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grunderwerbs- und Wertzuwachssteuer |
b) Auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Grunderwerbsteuer und die Wertzuwachssteuer vertrat eine Minderheit den Standpunkt, daß nicht die Bundesgesetzgebung, sondern die Landesgesetzgebung zuständig sein solle.
|
c. hinsichtlich der Steuern vom Einkommen und Vermögen |
c) Bezüglich der Steuern vom Einkommen und Vermögen
bestanden bei Beginn der Erörterung folgende Meinungen: Die Minderheit vertrat den Standpunkt, daß lediglich Man einigte sich schließlich mit weit überwiegender
Mehrheit auf den Vermittlungsvorschlag, die Gesetzgebung auf diesem Gebiet
mit folgender Einschränkung dem Bunde vorzubehalten: Lediglich zwei Mitglieder des Verfassungskonvents
sprachen sich gegen diese Einschränkung und für eine einheitliche
Bundeseinkommensteuer mit bloßem Zuschlagsrecht der Länder aus. |
Einstimmigkeit über Vorranggesetzgebung des Bundes hinsichtlich bestimmter Gebiete |
Einstimmigkeit bestand im Verfassungskonvent ferner
darüber, daß dem Bund die Vorranggesetzgebung zustehen soll über Die Vorranggesetzgebung des Bundes über den Aufbau der
Steuerverwaltungsbehörden der Länder setzt allerdings voraus, daß die
Finanzverwaltung Sache der Länder ist (vgl. die Ausführungen zu Art. 123). |
Echtes Parlament |
1. Es bestand keine Meinungsverschiedenheit darüber,
daß in Form des Bundestags wieder ein echtes Parlament zu schaffen sei,
welches unmittelbar vom deutschen Volk und nicht etwa von den Landtagen
gewählt wird. Dieses Parlament soll den Hauptanteil an der Gesetzgebung
erhalten und die Regierung soll von ihm abhängig sein. Es wirkt außerdem bei
der Wahl des Bundespräsidenten mit. |
Sicherungen gegen arbeitsunfähige Parlamente |
2. Gegen die Gefahr, die ein arbeitsunfähiges Parlament
bedeutet; sind folgende Sicherungen vorgesehen worden: |
Wahlreform |
a. Eine Hauptsicherung muß die Wahlreform bringen. Der
Ausschuß wollte insoweit die Entscheidung für die Mehrheitswahl zwar nicht
vorweg nehmen, sie ist aber dadurch angebahnt, daß die Wahl der Abgeordneten
fest bestimmt ist. Auch soll das Wahlgesetz vorsehen können, daß Parteien,
die weniger als 50 % der Stimmen erhielten, keinen Sitz erhalten und daß auf
zusammengerechnete Reststimmen nicht mehr Sitze entfallen, als die Partei in
den Wahlkreisen errungen hat. |
Parteiengesetz |
b. Die Parteien sind im Grundgesetz als Organe der
politischen Willensbildung anerkannt. Ein besonderes Gesetz über ihre
Rechtsverhältnisse wird vorgesehen. Das Grundgesetz selbst erklärt die
Bildung von Parteien für frei. Nur das Verfassungsgericht kann Parteien, die
sich nach der Art ihrer Tätigkeit die Beseitigung der freiheitlichen und
demokratischen Grundordnung zum Ziel gesetzt haben, für verfassungswidrig
erklären; dabei kann es auch durch einstweilige Anordnungen einzelne
beschränkende Maßnahmen treffen oder dazu ermächtigen. Ohne
verfassungsgerichtliche Entscheidung können die Behörden gegen eine Partei
nicht wegen Verlassungswidrigkeit einschreiten. |
Notverordnungen |
c. Einem etwaigen Versagen des Parlaments in der
Gesetzgebung kann für die Regel nicht vorgebeugt werden. Es muß eben dann
mit den vorhandenen Gesetzen ausgekommen werden. In Notfällen muß das
Notverordnungsrecht aushelfen. Dieses ist aber nicht mehr dem
Bundespräsidenten, sondern dem vom Parlament abhängigen Bundeskanzler
zusammen mit dem Bundesrat anvertraut. Notverordnungen ergehen stets unter
dem Vorbehalt der Bestätigung durch das Parlament. |
Zeitliche Begrenzung des Rechts zur Regierungsbildung |
d. Einem Versagen des Parlaments bei der
Regierungsbildung wird dadurch entgegengewirkt, daß der Befugnis des
Parlaments, bei Erledigung des Bundeskanzleramts den neuen Bundeskanzler zu
bestimmen, zeitliche Grenzen gesteckt sind. Hierin war sich der Konvent
einig. Während aber eine Minderheit bei fruchtlosem Fristablauf das
Parlament kraft Gesetzes aufgelöst sein und diesen Vorgang sich
gegebenenfalls beliebig oft wiederholen läßt, will die Mehrheit alsdann dem
Bundespräsidenten die Möglichkeit geben, auf Vorschlag des Bundesrats, der
eine Art Legalitätsreserve darstellt, eine vollgültige Regierung zu bilden.
Ob der Präsident dies tun oder lieber die geschäftsführende Regierung weiter
arbeiten lassen will, steht bei ihm. Auch eine vom Bundesrat vorgeschlagene
Regierung ist in ihrem Fortbestand vom Parlament abhängig. |
Nur konstruktive, keine obstruktiven Mißtrauensvoten |
e. Die Abhängigkeit des Fortbestehens einer Regierung vom Parlament wird in einem entscheidenden Punkt ihrer Gefährlichkeit entkleidet. Das Parlament kann zwar jederzeit durch Mißtrauensvotum den Bundespräsidenten zwingen, den Kanzler zu entlassen. Bedingung ist aber, daß es gleichzeitig einen Nachfolger benennt. Eine bloße obstruktive oder Protestmehrheit ist also gezwungen, sich zunächst in eine konstruktive Mehrheit zu verwandeln. Eine Minderheit hält es nicht für möglich, das Mißtrauensvotum in dieser Weise an die gleichzeitige Benennung des Nachfolgers zu binden. Das durch irgend ein Ereignis ausgelöste Mißtrauen müsse sich spontan auswirken können. Es lasse sich auch schwerlich eine Persönlichkeit zum Nachfolger vorschlagen, so lange der alte Kanzler noch vollgültig im Amt sei. Statt dessen wird empfohlen, das Mißtrauensvotum seine Wirkung verlieren zu lassen, wenn das Parlament nicht binnen bestimmter Frist einem neuen Kanzler sein Vertrauen ausspreche. Dem wird aber entgegengehalten, daß das nachträgliche Unwirksamwerden des Mißtrauensvotums eine juristische Fiktion sei, die gegenüber der Tatsache, daß die Regierung einmal vor der Öffentlichkeit gestürzt und ihr in aller Form das Mißtrauen bescheinigt worden ist, nicht ins Gewicht falle. Eine kleine Minderheit verwirft die parlamentarische
Abhängigkeit der Regierung ganz und wünschte ihre grundsätzliche
Unabsetzbarkeit für die ganze Amtsperiode lediglich mit einer dem Art. 44
Abs. 3 S.2 der bayerischen Verfassung entsprechenden Einschränkung. |
Verstärkter Einfluß des Parlaments auf die Bildung der Regierung, verringerter Einfluß auf den Sturz der Regierung, verglichen mit der Weimarer Verfassung |
3. Allgemein ist hinsichtlich der Abhängigkeit der
Regierung vom Parlament hervorzuheben, daß nach der vorgeschlagenen Lösung
ein arbeitsfähiges Parlament allein über die Besetzung des Kanzleramts
verfügt und nicht wie nach der Weimarer Verfassung in der Durchsetzung
seines Willens noch vom Bundespräsidenten abhängt. Noch weniger hat der
Präsident die Möglichkeit, wie im Weimarer System von sich aus einen Kanzler
zu ernennen und ihn ohne das Vertrauen des Parlaments im Amt zu halten. Das
Vertrauen der Parlamentsmehrheit ist ausreichend, aber auch unerläßlich für
die Berufung zum Kanzler. Nach dem Weimarer System war es weder ausreichend
noch unerläßlich. Statt dessen hatte das Weimarer System die destruktive
Befugnis des Parlaments zum Sturz der Regierung übertrieben ausgedehnt. Für
die nachträgliche Erkenntnis lag hierin einer seiner Hauptfehler. |
Beschränkung des Auflösungsrechts |
4. Die Selbstauflösung des Parlaments ist nicht
vorgesehen. Auch die Auflösung durch den Bundespräsidenten soll nur in einem
einzigen Fall möglich sein, nämlich dann, wenn das Parlament bei der
Regierungsbildung versagt und hierauf der Bundespräsident auf Vorschlag des
Bundesrats eine Regierung berufen hat. Nach dem Minderheitsvorschlag tritt,
wie erwähnt, bei fruchtlosem Ablauf der Frist zur Regierungsbildung im Falle
der Erledigung des Bundeskanzleramtes automatische Auflösung des Parlaments
ein. |
Rechtskontrolle über die Untersuchungsausschüsse |
Besonders erörtert wurden die Untersuchungsausschüsse, Art. 57. Ihre Feststellungen können, da sie in einem gerichtsähnlichen Verfahren getroffen werden, für den zur Verantwortung gezogenen Minister oder Beamten oder einen sonstigen Betroffenen empfindliche Wirkungen haben, Die Sachlichkeit eines solchen Ausschusses erscheint andererseits nicht immer gewährleistet, zumal da auch Untersuchungsausschüsse anteilig besetzt sind, also einer destruktiven Mehrheit extremer Parteien anheimfallen können. Der Konvent hält daher eine Rechtskontrolle für unerläßlich. Sie muß allerdings, um das Ansehen des Parlaments und die Funktionsfähigkeit der Untersuchungsausschüsse zu wahren, auf ein Minimum beschränkt bleiben. In Betracht kommen etwa grobe Verletzungen des Rechts auf Gehör, Druck auf Zeugen, willkürliche Beweisabschneidungen, Verletzung der Denkgesetze hei den vom Ausschuß gezogenen Folgerungen. Zur Entscheidung kann nur das Bundesverfassungsgericht berufen sein. Hält es die Rechtsbeschwerde für begründet, so kann es selbstverständlich weder eine nochmalige Verhandlung im Ausschuß anordnen noch selbst in der Sache entscheiden. Es hätte vielmehr lediglich darauf zu erkennen, daß die Feststellungen des Ausschusses nicht nach Vorschrift der Gesetze getroffen sind. Eine Minderheit glaubte, denselben Zweck auch durch eine Bestimmung erreichen zu können, wonach Untersuchungsausschüsse lediglich „zur Sammlung und Prüfung von Materialien für die Gesetzgebung und zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit und Lauterkeit von Verwaltungsmaßnahmen von Bundesbehörden" eingesetzt werden können.
|
Zweikammersystem Die beiden Lösungen |
Es bestand Einigkeit darüber, daß neben dem Parlament eine weitere Kammer bestehen soll, durch die im bundesstaatlichen Gefüge das Element Land zur Geltung kommt. Keine Einigkeit bestand darüber, ob diese Kammer ein Bundesrat sein soll, d. h. eine Kammer aus Mitgliedern der Länderregierungen, oder ein Senat, d. h. eine Kammer aus unabhängigen Einzelpersonen. die von den Landtagen gewählt sind. Eine Überbrückung der Meinungsverschiedenheit war immerhin in zweierlei Hinsicht möglich. Einerseits wollen es die Vertreter des Senatsgedankens den Ländern ermöglichen; durch Landesgesetz einen engen Kontakt zwischen der Landesregierung und den Senatoren des Landes herzustellen. In Betracht käme hier wohl sogar ein Recht der Senatoren, an den Kabinettssitzungen teilzunehmen. Andererseits sollen nach der Bundesratslösung nur Regierungsmitglieder der Länder, also gleichfalls Vertrauenspersonen der Landtage, nicht etwa Länderbeamte, Bundesratsmitglieder und Stellvertreter von solchen sein können, und es ist außerdem darauf verzichtet, sie ausdrücklich an Instruktionen zu binden. Im Einzelnen wurde Folgendes geltend gemacht: A. Für die Lösung Bundesrat: |
Bundesrat, im Unterschied zum Senat, keine bloße parteigespaltene Parallele zum Parlament |
1. Eine Verfassung darf nicht an den vorhandenen
Machtfaktoren vorbeigebaut werden. Die Länder, repräsentiert durch ihre
Regierungen, sind Machtfaktoren. Sie müssen zur Willensbildung des Bundes
herangezogen werden. Nur dann kommt der Bundeswille kraftvoll zur
Erscheinung und ist einer innerlich mitgehenden Ausführung in den Ländern
sicher, die man andernfalls als ungefragte Befehlsempfänger der hinreichend
bekannten Bundesverdrossenheit überläßt. In einem Bundesstaat, in dem die
Ausführung der Bundesgesetze Sache der Länder ist, gewährleistet allein die
Bundesratslösung einen arbeitsfähigen Gesamtstaat. |
Bundesrat, im Unterschied zum Senat, keine bloße parteigespaltene Parallele zum Parlament |
2. In der Zusammensetzung des Bundesrats kommen; ebenso
wie in einem Senat, die politischen Kräfte des Volkes zum Ausdruck. Während
aber der Senat denselben Querschnitt wie das Parlament, nur auf höherer
Ebene, darstellt, kommt der Bundesrat gewissermaßen durch Längsschnitte
zustande. Soweit in den Ländern Koalitionsregierungen bestehen, leuchtet das
unmittelbar ein. Aber auch wo nur eine Partei die Regierung stellt, werden
die Entschließungen dieser Regierung doch von dem objektiven Gesetz ihrer
Stelle geprägt, und die von ihr entsandten Mitglieder werden in Distanz zur
Tagespolitik ihrer Partei die politischen Gesamtkräfte ihres Landes und
seine dauernden Interessen zum Ausdruck bringen. Das Bundesratssystem
sichert daher eine höhere Objektivität der zweiten Kammer gegenüber der
laufenden Parteipolitik, als sie durch Senatoren gewährleistet sein könnte,
auch wenn man deren individuelle Autorität und Unabhängigkeit hoch in
Anschlag bringt. |
Bundesrat als Sachverständigengremium |
3. Das Bundesratssystem sichert der Gesetzgebung den
Sachverstand der Landesregierungen und über die Ausschüsse, die nicht mit
Regierungsmitgliedern beschickt zu sein brauchen, denjenigen ihrer
Beamtenschaft. |
Bundesrat als Organ der Vermittlung |
4. Ein Bundesrat ist in einem Bundesstaat, in dem die
Länder die Bundesgesetze ausführen, das unentbehrliche Vermittlungsorgan
zwischen Bund und Ländern. Hier werden die Ausführungsbestimmungen zu den
Bundesgesetzen beraten und beschlossen. Hier bringt die Bundesregierung
Mängel zur Sprache, die bei der Ausführung allgemein hervorgetreten sind
oder die sie in einem einzelnen Land festgestellt, aber in unmittelbarem
Benehmen mit diesem nicht hat bereinigen können. Hier endlich wird
schlimmstenfalls der Beschluß gefaßt, ein Land, das hartnäckig seine
Bundespflichten versäumt, im Wege des Bundeszwanges zu ihrer Erfüllung
anzuhalten. Ein Senat ist für diese Aufgaben einer geduldigen Staatsweisheit
ungeeignet, da der für ihn geforderte senatoriale Typ sich zweifellos in
erster Linie durch Leistungen auf dem Gebiete der Eloquenz wird legitimieren
müssen. |
Abkömmlichkeit und Ausstattung von Senatoren nicht gewährleistet |
5. Schließlich kann in einem armen Land nicht damit gerechnet werden, daß genügend unabhängige Persönlichkeiten für die Tätigkeit im Senat abkömmlich sein werden. Die Tätigkeit wird den Senator voll m Anspruch nehmen. Er wird darum seinen Beruf insolange aufgeben müssen. Mit der Vergütung für ihn selbst ist es nicht getan. Er muß bei der Kompliziertheit der heutigen Gesetzgebung und der sonstigen politischen Aufgaben auch einen kleinen Arbeitsstab finanzieren können. Auch wenn der Gesamtaufwand hierfür im Rahmen der sonstigen öffentlichen Aufgaben nicht ins Gewicht fallen würde, kann doch, nachdem diese Frage selbst in den Vereinigten Staaten nicht voll befriedigend gelöst ist, eine solche Lösung im gegenwärtigen Deutschland erst recht nicht erwartet werden. Bei der Bundesratslösung steht dagegen den Bundesratsmitgliedern der Verwaltungsapparat ihrer Länder ohne weiteres zur Verfügung, so daß die gezeigte Schwierigkeit nicht entsteht. 6. Weiter wurde geltend gemacht: |
Demokratische Legitimation des Bundesrats |
a. Die Vertretung der Länder durch Mitglieder der
Landesregierung ist durchaus demokratisch, da die Regierung aus der vom
Volke gewählten Volksvertretung hervorgegangen ist und der ständigen
Kontrolle der Volksvertretung unterliegt. |
Politischer, nicht bürokratischer Charakter des Bundesrats |
b. Der aus Mitgliedern der Länderregierungen gebildete
Bundesrat ist keine bloße "Abstimmungsmaschine weisungsgebundener
Ministerialbürokraten". Die in den Bundesrat entsandten Mitglieder der
Landesregierungen stimmen nach ihrer freien Gewissensüberzeugung, aber aus
der einheitlichen politischen Gesamtlinie heraus, die sie im Kabinett immer
wieder selbst miterarbeiten und tragen, so daß die Freiheit ihrer
Entschließung lediglich durch die kollegiale Zusammenarbeit im Kabinett,
durch die innere Verpflichtung, den Landeswillen als solchen zu
repräsentieren und das Bewußtsein der Verantwortlichkeit gegenüber der
Volksvertretung ihres Landes begrenzt wird. |
Wahrung der Vorzüge des senatorischen Prinzips im Bundesrat |
c. In ihrer Entschließung prinzipiell freie, lediglich
durch ihre Gliedstellung im Organismus ihrer Regierung und ihres Landes,
nicht aber befehlsmäßig gebundene Mitglieder des Bundesrats besitzen alle
potentiellen Vorzüge des senatorischen Typs und sind zweifellos geeignet an
einer Versachlichung und Niveausteigerung des deutschen politischen Lebens
in gleicher Weise wie echte Senatoren mitzuarbeiten. In dieser Weise werden
die von echten senatorischen Kräften ausgehenden politischen Wirkungen in
vollem Umfange erzielt, ohne daß die gerade unter dem Gesichtspunkt der
institutionellen und funktionellen Verzahnung zwischen Bund und Ländern
durch das Bundesratssystem gegebenen Vorzüge preisgegeben und die Gefahren
einer parteipolitischen Gleichschaltung eines Senats
mit dem
Bundesparlament in Kauf genommen zu werden brauchen. |
Geschichtliche Bewährung des Bundesratsprinzips |
d. Es besteht bei allen Kennern der Verhältnisse Einmütigkeit darüber; daß sowohl der Bundesrat des Bismarckreichs als auch der Reichsrat der Weimarer Republik eine qualitativ hochwertige, vom Willen absoluter Sachlichkeit bestimmte Arbeit geleistet haben. Als der Reichstag im Jahre 1930 bereits funktionsunfähig geworden und weder zur Bildung einer parlamentarischen Regierung noch zur Durchführung seiner legislativen Aufgaben imstande war, war der Reichsrat noch voll arbeitsfähig und ist es bis zu seiner Auflösung im Jahre 1933 geblieben. B. Für die Lösung Senat: |
Demokratischer oder bürokratischer Stil |
1. Das Bundesratssystem entspricht der deutschen verfassungsrechtlichen Entwicklung vom Bundestag der Wiener Kongreßakte zum Bundesrat der Bismarckschen Verfassung. Immer war die Ländervertretung eine Vertretung der Regierungen. Man darf jedoch nicht übersehen, daß sich in Ländervertretung System der instruierten Gesandtenversammlung eine gewisse Nachwirkung des monarchischen Prinzips manifestiert, die durchaus nicht demokratisch ist. Die Entscheidung für das Senatssystem ist dagegen eine
Entscheidung für den echten demokratischen Lebensstil, für die Regierung des
Volkes durch das Volk. Wenn das Volk auf der Stufe des Landes durch den
instruierten Beamten oder den Landesminister vertreten wird, so liegen
hierin zwar viele Vorteile administrativer Natur (insbesondere qualifizierte
Arbeit und Funktionsfähigkeit des Systems), aber auch der entscheidende
Nachteil, daß in das demokratische System wieder ein bürokratisches Element
hineingetragen wird, das bisher die echte freie Entfaltung und
Konstituierung eines demokratischen Weltgefühls in Deutschland weithin
verhindert hat. Das gilt auch für den vom Landesparlament gewählten
Minister, der dem Bundesrat letzten Endes - nach allen bisherigen
Erfahrungen - nicht mehr sein wird als der Advokat, der den Standpunkt
seiner Bürokratie vertritt. |
Qualifikation des Senators |
2. Durch das Bundesratssystem wird mehr der
sachverständige Beamte - im weitesten Sinne des Wortes - zur Geltung kommen,
durch das senatoriale System dagegen an Stelle der Bürokratie der freie,
innerlich gegenüber Staats- und Parteibürokratie unabhängige Bürger, der
ältere Staatsmann, der auf lange Erfahrungen im Parteiwesen und in der
parlamentarischen Regierungsmaschine zurückblicken kann und imstande ist,
die politischen Probleme auf einer höheren Ebene miteinander zu verbinden.
Werden für den Senator ein höheres Alter und bestimmte landesgesetzlich zu
regelnde Qualifikationen (frühere Zugehörigkeit zum Landtag, zur Regierung
usw.) verlangt und ein inniger Kontakt zur Landesregierung (durch
gegenseitige Informationspflicht) hergestellt, so dürften alle sachlichen
Voraussetzungen für ein Funktionieren des Senatssystems gegeben sein. So
wird der Senator befähigt, nach eigenem Wissen und Gewissen die Vertretung
des Elementes „Land" im Bund zu übernehmen, ohne durch ein Mißtrauensvotum
des Landtages gezwungen zu sein, seine Haltung im Gesetzgebungsverfahren des
Bundes im Landtag vertreten zu müssen. Es wird damit eine Entwicklung
vermieden, für die im Länderrat in Frankfurt schon deutliche Anzeichen
hervorgetreten sind. Es erscheint aber kaum erträglich, wenn die Maßnahmen
der Bundesgesetzgebung in den einzelnen Parlamenten der Länder erneut
durchberaten werden müßten und hierdurch eine weitere Komplikation und
Belastung des öffentlichen Apparates herbeigeführt werden würde. |
Bundesrat parteipolitisch mehr gebunden als Senat |
3. Der Senat wird in sehr viel mehr Fällen gegen eine
Gesetzesvorlage Einspruch einlegen und damit gegenüber der Regierung eine
weit gewichtigere Kontrolle ausüben als ein Bundesrat, der als ein Kollegium
von Ministern immer darauf bedacht sein wird, den Lauf der Geschäfte nicht
zu stören und auf die innere Koalition in den Ländern Rücksicht zu nehmen.
Gerade durch diese Rücksichtnahme auf die Koalition könnte aber das
sachliche Element, das durch den Bundesrat so sehr gewährleistet erscheint,
durch ein parteipolitisches Element eine außerordentliche Trübung erfahren.
Der Senator wird dagegen weniger auf diese Funktionsfähigkeit als auf die
Sache selbst Bedacht nehmen und sich auch nicht aus jenen Erwägungen davon
abhalten lassen, wirklich Einspruch zu erheben. Es wird daher durch die
Figur des Senators ein echteres dynamisches Verhältnis entstehen, als wenn
sich Volksrat und Bundesrat. gegenüberstehen. Es entspricht aber mehr der
Würde eines Volkes, sich dafür zu entscheiden, daß es vielleicht etwas
weniger reibungslos regiert wird, sich dafür aber mehr selbst regieren kann. |
Senat vertritt nicht Länder sondern das Element Land |
4. Für einen Konfliktsfall in prinzipiellen Fragen
scheint das Senatssystem ein funktionsfähigerer Apparat zu sein als der
Bundesrat, da dieser eine Repräsentation der Teile gegen das Ganze ist,
während der Senat eine Repräsentation des Ganzen vom Teile her, also eine
Vertretung des Volkes auf der Stufe des Landes, des Elementes „Land" und
nicht der einzelnen Länder als Gegenspieler des Ganzen darstellt. |
Der senatoriale Typ |
5. Das Senatssystem wird ein Mittel zur
Personalisierung des Politischen sein und im Ergebnis einen
traditionsgebundenen Personentyp schaffen, der durch die Wahl auf einer.
längeren Zeitraum nicht nur gegenüber der Staatsbürokratie, sondern auch
gegenüber den Landtagen und den Parteien eine wirkliche innere
Unabhängigkeit erhält und damit in einem echten dialektischen oder polaren
Gegensatz zur Parteibürokratie steht und letzten Endes zu einer Reform des
deutschen Parteiwesens und des politischen Lebensstils überhaupt führen
kann. Damit wird ein Typ geschaffen, der für die deutsche Politik besonders
nützlich ist und gegenüber der Besatzungsmacht mit einer Autorität auftreten
kann, die auf Grund des persönlichen Gewichts des Einzelnen ein Stück Über
die rein formal gegenüber der Besatzungsmacht zugestandenen Autorität
hinausgeht. |
Bloßes Veto als Übergangslösung |
6. Für die Geltungsdauer des Grundgesetzes soll - als
Übergangslösung - noch nicht die volle Gleichberechtigung beider Kammern
hergestellt werden; sondern das Veto des Senats durch eine qualifizierte
Mehrheit des Bundestags überstimmbar sein. |
Ewiger Senat |
7. Wenn nach einer zu bildenden Tradition die
Mitglieder des Senats in dem Kreis von Männern gesucht werden, die sich um
das öffentliche Wohl bereits verdient gemacht und durch öffentliche Leistung
ausgewiesen haben, und wenn weiterhin für die Auswahl nach Landesgesetz
bestimmte besondere Qualifikationen aufgestellt werden, wird auch die Gefahr
vermieden, daß der Senat ein Abbild des Bundestages ist und eine
parteipolitische Gleichschaltung beider Häuser herbeigeführt wird. Um alle
derartige Bedenken zu beseitigen, könnte erwogen werden, einen "ewigen"
Senat zu bilden, der in regelmäßigen Abschnitten eine Teilerneuerung, etwa
zu einem Drittel oder zur Hälfte, erfährt und für eine besondere Wahlperiode
gewählt wird. |
Einzelfragen zur Bundesratslösung | An Einzelfragen wurden zur Bundesratslösung erörtert: |
Stimmenzahl der Länder |
1. Im Bundesrat ist die verschiedene Stärke der einzelnen Bundesmitglieder dadurch berücksichtigt, daß die Länder je nachdem 1, 2 oder 3 Mitglieder entsenden und die entsprechende Stimmenzahl haben. Die Verschiedenheit ist also geringer als nach der Weimarer Verfassung. Die Stimmenzahl liegt nicht endgültig fest, sondern es wird auch künftig jedes Land, das die Bevölkerungszahl von zwei Millionen überschreitet, eine zweite Stimme und nach Überschreiten der vierten Million eine dritte Stimme erhalten. Die Gleichbehandlung aller, auch der kleinsten Länder,
erschien schon deshalb nicht angezeigt, weil gleichen Rechten auch die
gleiche Mitarbeit in den Ausschüssen entsprechen sollte, und kleine Länder
dem nicht gewachsen sein können. |
Nur Mitglieder von Landesregierungen als Bundesratsmitglieder |
2. Mitglieder und stellvertretende Mitglieder des
Bundesrats müssen Minister ihres Landes sein. Den Ländern bleibt es
überlassen, ob sie Fachminister oder Sonderminister für
Bundesangelegenheiten entsenden oder gegebenenfalls ein gemischtes System
wählen wollen. Länder, in denen Staatssekretäre Regierungsmitglieder sind,
können auch solche entsenden. |
Bundesratspräsident |
3. Über das Amt des Bundesratspräsidenten ergaben sich zwei verschiedene Meinungen. Die eine legt Wert darauf, das Amt möglichst wenig zu akzentuieren. Nach ihr soll den Vorsitz eines der Mitglieder des Bundesrats führen, das Präsidium soll jährlich wechseln, sofortige Wiederwahl nicht zulässig sein. Die laufenden Geschäfte in der Bundeshauptstadt hätte ein Generalsekretär wahrzunehmen. Nach der anderen Meinung bedarf das Element Land der Vertretung durch eine Persönlichkeit, die vom Einzelinteresse eines Landes losgelöst ist und ständig in der Bundeshauptstadt wohnt. Nur dann kann der Bundesratspräsident eine Rolle spielen, die der des Bundespräsidenten, Bundestagspräsidenten und Bundeskanzlers gleichwertig ist. Insbesondere erscheint es dieser Meinung unerträglich, daß der Bundesratspräsident durch das Mißtrauensvotum seines heimischen Landtags gestürzt werden kann. Es soll daher der Bundesratspräsident nicht nur aus der Zahl der Bundesratsmitglieder, sondern auch durch Zuwahl gewählt werden können, und ein zum Präsidenten gewähltes Bundesratsmitglied soll damit als Vertreter seines Landes und Mitglied der heimischen Landesregierung ausscheiden. Beide Lösungen sind als Varianten in den Text der Hauptfassung aufgenommen. Sofern das Amt des Bundespräsidenten dauernd oder einstweilen vom Bundesratspräsidenten oder einem Kollegium, dem er angehört, wahrgenommen werden sollte, kommt nur die zweite Lösung in Betracht, da selbstverständlich das Bundesoberhaupt oder ein Teil desselben keinesfalls durch das Mißtrauensvotum eines Landtags darf gestürzt werden können. Volle Einigkeit bestand darüber, daß die Lösung der
Weimarer Verfassung, die dem Reichsrat das eigene Präsidium vorenthielt und
den Vorsitz einem Reichsminister überließ, nicht mehr angemessen erscheint. |
Mitwirkung bei der Gesetzgebung |
4. Bei der Gesetzgebung muß der Bundesrat nach der Auffassung der Mehrheit innerhalb der Vertreter der Bundesratslösung dem Bundestag gleichberechtigt sein. Bei Gesetzen, die das föderative System verschieben, wird erhöhte Mehrheit verlangt. Gesetze, die einen bundeseigenen Verwaltungsunterbau einführen, sind nur bei einstimmiger Annahme im Bundesrat zulässig. Erst recht bedarf es der einstimmigen Annahme im Bundesrat bei solchen Gesetzen, die das Grundgesetz abändern und dabei seine föderative Grundlage verlassen. Nach der Variante tritt der Bundesrat gegenüber dem Bundestag zurück. Er ist auf ein überwindbares Veto beschränkt. Sofern er allerdings sein Veto mit Zweidritteltmehrheit beschließt, kann es auch im Bundestag nur mit Zweidrittelmehrheit überwunden werden. Hierin deckt sich der Entwurf mit der Empfehlung des Deutschen Volksrats. Bei Gesetzen, die das föderative System verschieben,
ist dem Bundesrat das volle Zustimmungsrecht vorbehalten. Bei solchen
Gesetzen, die durch Einführung eines bundeseigenen Verwaltungsunterbaues das
föderative System besonders stark berühren, wird qualifizierte Mehrheit, bei
solchen, die es ganz aufgeben, einstimmige Annahme im Bundesrat verlangt.
Letzterenfalls treten die sonstigen Erfordernisse einer Verfassungsänderung
hinzu. |
Notverordnungen |
5. Bei Notverordnungen steht der Bundesrat im
Vordergrund, da hier von der Situation auszugehen ist, daß der Bundestag
entweder arbeitsunfähig oder nicht versammelt ist und seine Einberufung
nicht abgewartet werden kann oder überhaupt auf Schwierigkeiten stößt. Die
Regierung bedarf demgemäß zu einer Notverordnung der Zustimmung des
Bundesrats, während es dem Bundestag überlassen ist, sie durch positiven
Beschluß wieder außer Kraft zu setzen. |
Ausführung der Bundesgesetze |
6. Bei der Ausführung der Bundesgesetze, soweit sie
Ländersache ist, ist der Bundesrat in erster Linie beteiligt, wie dies
seiner schon erörterten besonderen Eignung gerade für diese Aufgabe
entspricht. Außerdem wurde die Meinung vertreten, daß der Bundesrat auch
dann ein Zustimmungsrecht zu Durchführungsverordnungen und allgemeinen
Anweisungen der Bundesregierung haben müsse, wenn die Ausführung der Gesetze
Sache einer bundeseigenen Verwaltung sei. Auch eine Gesetzesanwendung durch
solche Behörden spiele sich in den Ländern ab und könne deren Interessen auf
das tiefste berühren. |
Mitwirkung bei der Regierungsbildung |
7. Bei der Regierungsbildung kommt der Bundesrat nur
als Legalitätsreserve zum Zug, wenn der Bundestag bei der Wiederbesetzung
des erledigten Bundeskanzleramtes versagt hat. Ein Benennungsrecht wie dem
Bundestag steht dem Bundesrat nicht zu; der Bundespräsident ist an seinen
Vorschlag für das Kanzleramt nicht gebunden. |
Mitwirkung bei der Wahl des Bundespräsidenten |
8. Bei der Wahl des Bundespräsidenten ist der Bundesrat gleichberechtigt mit dem Bundestag beteiligt. Tritt hierbei die besondere Versammlung aus beiden Häusern zusammen (Art. 75. Abs. 2), so stimmen dort die mehreren Bundesratsmitglieder eines Landes unabhängig voneinander ab.
|
Die Erwägungen des Konvents |
Die Mehrheit spricht sich für den Bundespräsidenten als
Institution aus, wenn sie auch großenteils der Ansicht ist, daß das Amt des
Bundespräsidenten wegen der Beschränkung des neuen Gebildes auf die
westlichen Besatzungszonen sowie im Hinblick auf die gegenwärtige Form der
Besatzungsherrschaft vorläufig noch nicht besetzt werden kann. Für die
Übergangszeit schlägt die Mehrheit daher vor, daß die Funktionen des
Bundespräsidenten vorübergehend von dem Präsidenten des Bundesrats
wahrgenommen werden. Demgegenüber war freilich auch die Ansicht vertreten,
daß gerade das Besatzungsregime eine baldige Besetzung des
Bundespräsidentenamtes besonders erwünscht erscheinen lasse. |
Die Vorschläge |
Es wird vorgeschlagen, daß die Funktionen des
Bundespräsidenten zunächst durch den Präsidenten des Bundesrats wahrgenommen
werden (Art. 143). Gegenüber dieser Ansicht der Mehrheit hat sich eine
Minderheit überhaupt gegen einen Bundespräsidenten ausgesprochen. Nach ihrem
Vorschlag sollen die sonst einem Staatsoberhaupt zukommenden Funktionen
durch ein Dreierkollegium ausgeübt werden, das aus den Präsidenten des
Bundesrats und des Bundestags sowie dem Bundeskanzler besteht. |
Kein plebiszitärer, aber auch kein repräsentativer Bundespräsident |
Wenn die Mehrheit sich für die Institution des
Bundespräsidenten ausgesprochen hat, so glaubt sie doch, daß der
Bundespräsident auf keinen Fall die starke Position haben darf, die der
Reichspräsident der Weimarer Verfassung gehabt hat. Sie hält es jedoch
andererseits nicht für vertretbar, den Bundespräsidenten allein auf eine
Wahrnehmung der mehr formalen Funktionen des Staatsoberhauptes zu
beschränken. Mit dem Entwurf wird vielmehr der Vorschlag unterbreitet, den
Bundespräsidenten als ein echtes pouvoir neutre in die Lage zu versetzen,
eine ausgleichende Wirkung zwischen den verschiedenen Organen des
Verfassungsaufbaus auszuüben. |
Unterschied gegenüber der Weimarer Verfassung |
Von dem Reichspräsidenten der Weimarer Verfassung
unterscheidet sich der nach dem Entwurf vorgesehene Bundespräsident dadurch,
daß er nicht durch das Volk gewählt wird, daß ihm kein bestimmender Einfluß
auf die Regierungsbildung eingeräumt ist und daß er auch nur in einem
einzigen Fall das Recht zur Auflösung des Bundestags haben soll (Art. 88
Abs. 3). Darüber hinaus soll er weder ein Notverordnungsrecht haben noch bei
der Bundesexekution mitwirken. |
Typische Funktionen des Staatsoberhauptes |
Die für den Bundespräsidenten nach dem Entwurf
vorgesehenen typischen Funktionen eines Staatsoberhauptes bestehen in der
völkerrechtlichen Vertretung (Art. 81), in der Ernennung und Entlassung der
Bundesbediensteten und Bundesrichter (Art. 82) sowie in der Ausübung des
Begnadigungsrechts (Art. 83). |
Möglichst unabhängige Stellung des Bundespräsidenten |
Um dem Bundespräsidenten auch ohne eine Wahl durch das
Volk gegenüber den anderen Organen eine möglichst unabhängige Stellung zu
geben, soll er durch den Bundestag und den Bundesrat gewählt werden. Dem
gleichen Zweck dient die Bestimmung, daß seine Amtsdauer fünf Jahre beträgt
und auf diese Weise nicht mit der Wahlperiode des Bundestags zusammenfällt.
Einmalige Wiederwahl soll zulässig sein. Nach Ansicht einer Minderheit soll
die Wiederwahl, unbegrenzt erfolgen können. Der auf diese Weise möglichst
unabhängig gestaltete Bundespräsident soll in der Lage sein,
erforderlichenfalls sowohl bei der Regierungsbildung wie bei der
Gesetzgebung eine ausgleichende Wirkung auszuüben. |
Ernennung des Bundeskanzlers |
Die Ernennung des vom Bundestag benannten
Bundeskanzlers durch den Bundespräsidenten ist an sich als ein bloßer
Formalakt vorgesehen. Trotzdem soll der Bundespräsident - wenn auch nur mit
einer aufschiebenden Wirkung - die Möglichkeit haben, Bedenken gegen die
Person des vorgeschlagenen Bundeskanzlers auszusprechen. Hierfür ist die
Form einer formellen Botschaft an den Bundestag vorgesehen. Der Bundestag
soll jedoch in der Lage sein. auch gegenüber diesen Bedenken seinen
Vorschlag durchzusetzen (Art. 87 Abs. 2). |
Mitwirkung bei der Regierungsbildung |
Für den Fall, daß sich im Bundestag keine Mehrheit für
eine Regierungsbildung findet, ist ein Vorschlagsrecht des Bundesrats
vorgesehen. Im Gegensatz zu der für den Bundespräsidenten verbindlichen
Benennung eines Bundeskanzlers durch den Bundestag ist jedoch der
Bundespräsident an diesen Vorschlag des Bundesrats nicht gebunden. In diesem
Fall wird es dem Bundespräsidenten vielmehr überlassen, ob er den Kandidaten
des Bundesrats zum Bundeskanzler ernennt oder ob er dem Bundestag bei seinen
Bemühungen um eine Regierungsbildung weiter eine Chance geben will (Art.
88). |
Recht zur Auflösung des Bundestages |
Ernennt der Bundespräsident den Bundeskanzler auf Grund
eines Vorschlages des Bundesrats, so soll er das Recht haben, den Bundestag,
der sich als unfähig zur Regierungsbildung erwiesen hat, aufzulösen.
Hierdurch sollen im Wege einer Neuwahl die parlamentarischen Spielregeln
durch die Schaffung neuer Mehrheitsverhältnisse wieder hergestellt werden. |
Ausfertigung der Gesetze |
Bei der Gesetzgebung ist eine Mitwirkung des
Bundespräsidenten zunächst in der Weise vorgesehen; daß die Gesetze durch
ihn ausgefertigt werden. Wenn es sich hier auch im wesentlichen um einen
Formalakt handelt, so wird dem Bundespräsidenten damit doch die erste
Prüfung jedes Gesetzes auf sein verfassungsmäßiges Zustandekommen übertragen
(Art. 109). |
Mitwirkung bei der Gesetzgebung |
Für den Fall der Variante des bei der Gesetzgebung
völlig gleichberechtigten Bundesrats ist darüber hinaus eine nicht
unwesentliche Mitwirkung des Bundespräsidenten bei der Gesetzgebung
vorgesehen. Bei nicht übereinstimmendem Beschluß von Bundestag und Bundesrat
soll der Bundespräsident hiernach die Möglichkeit haben, einen Konvent aus
Vertretern beider Häuser einzuberufen. Auf Grund der Beratung in diesem
Konvent hat dann in beiden Häusern eine nochmalige Beschlußfassung
stattzufinden (Art. 104 Abs. 2). |
Recht zur Einberufung des Bundestages |
Eine weitere Einflußmöglichkeit auf das politische
Leben des, Bundes ist dem Bundespräsidenten schließlich durch das Recht
eingeräumt, daß er die Einberufung des Bundestages verlangen kann (Art. 56
Abs. 2). |
Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler |
Anordnungen des
Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den
Bundeskanzler oder den zuständigen. Bundesminister (Art 80). |
Anklage vor dem Bundesverfassungsgericht |
Wenn damit auch die Verantwortung für die Anordnungen
des Bundespräsidenten übernommen wird, so ist doch vorgesehen, daß der
Bundespräsident von dem Bundestag oder dem Bundesrat wegen vorsätzlicher
Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem
Bundesverfassungsgericht angeklagt werden kann (Art. 85). |
Vertretung |
Die Vertretung des Bundespräsidenten soll ähnlich wie
nach der Weimarer Verfassung dem Präsidenten des Verfassungsgerichts
zustehen. Statt dessen wurde auch die Vertretung durch den Bundesrats
präsidenten vorgeschlagen. Die erstgenannte Lösung kann zu Schwierigkeiten
führen, wenn es zur Anklage des Präsidenten kommen sollte. Gerade bei einem
solchen politischen Rechtsfall ersten Ranges würde dann der oberste
Verfassungsrichter an der Ausübung seines Richteramtes verhindert sein, weil
er nicht wohl bei einem Spruch (Urteil oder einstweilige Anordnung)
mitwirken kann, durch den er selbst zum Nachfolger des Angeklagten wird. |
Gegenvorschlag Dreierkollegium statt Bundespräsident |
Für den Vorschlag der Minderheit, die Funktionen des
Staatsoberhauptes durch ein Dreierkollegium wahrnehmen zu lassen, das aus
den Präsidenten des Bundestages und des Bundesrats sowie dem Bundeskanzler
besteht, wurden folgende Gesichtspunkte geltend gemacht: Dieses Kollegium ist ein neues demokratisches Organ, das sich durch die Funktionen, die die Mitglieder hauptamtlich zu tragen haben, selbst kontrolliert. Es bedarf darum auch keiner Übernahme der parlamentarischen Verantwortlichkeit durch den Ministerpräsidenten oder einen Minister.
|
Bundeskanzler und Bundesregierung |
Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und
den Bundesministern. In der Gestaltung der inneren Struktur der
Bundesregierung folgt der Entwurf weitgehend der Weimarer Verfassung. Wie
diese lehnt er die verschiedenen extremen Möglichkeiten der Organisation
eines Regierungskörpers ab. Die Bundesregierung soll nicht wie in der
Bismarckschen Verfassung durch eine absolut überwiegende Stellung des
Bundeskanzlers bestimmt, aber auch weder auf dem reinen Kollegialprinzip der
Schweizer Verfassung noch auf dem in verschiedenen deutschen Einzelstaaten
vor 1918 üblichen Grundsatz der Selbständigkeit der Fachminister
(Ressortprinzip) beruhen. Der Entwurf versucht vielmehr, im Anschluß an die
Weimarer Verfassung diese drei Prinzipien in einer fruchtbaren Weise zu
kombinieren. Danach soll der Bundeskanzler die Stellung eines
Premierministers haben. Er - nicht die gesamte Bundesregierung - wird von
dem Bundestag "benannt" und vom Bundespräsidenten ernannt und schlägt - dann
seinerseits die Mitglieder seines Kabinetts dem Bundespräsidenten
verbindlich vor. Vor allem soll er, wie der Reichskanzler der Weimarer
Verfassung, die Richtlinien der Politik bestimmen. Damit erhält er „die
Stellung eines nicht für die Einzelheiten, sondern für das Ganze
verantwortlichen leitenden Staatsmannes" (Anschütz). Durch diese Prärogative
des Bundeskanzlers soll die Festigkeit in der Führung der Politik des Bundes
auch verfassungsmäßig verbürgt werden. Neben diesem als notwendig erachteten
Vorrang des Bundeskanzlers soll die Bundesregierung nach dem Entwurf jedoch
auch als Kollegium handeln (Art. 94 Abs. 2), und jeder einzelne
Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener
Verantwortung leiten. |
Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag |
Eine bestimmende Einflußnahme des Bundespräsidenten auf
die Regierungsbildung, wie sie der Reichspräsident der Weimarer Verfassung
hatte, wurde einmütig abgelehnt. Es bestand vielmehr Einigkeit darüber; daß
die Bundesregierung in ein möglichst enges Verhältnis zum Bundestag gebracht
werden müsse und es daher zweckmäßig sei, den Bundeskanzler vom Bundestag
wählen zu lassen. Eine Minderheit machte darüber hinaus geltend, daß der
Bundesrat auch bei der Regierungsbildung dem Bundestag gleichberechtigt sein
sollte. |
Keine Regierung auf Zeit |
Die Bundesregierung soll jedoch nicht nur in dieser
Weise auf Grund einer Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag gebildet
werden, sondern grundsätzlich vom Vertrauen der Mehrheit des Bundestages
abhängig bleiben. Der Ausschuß hat sich in seiner Mehrheit gegen den
Gedanken einer Regierung auf Zeit ausgesprochen. Er verkennt dabei nicht die
Gesichtspunkte, die von den Befürwortern einer Regierung auf Zeit gegenüber
den Schwächen des parlamentarischen Systems geltend gemacht werden. Er ist
jedoch der Ansicht, daß gerade für die deutschen Verhältnisse eine Regierung
auf Zeit mit nicht geringen Nachteilen verbunden wäre, vor allem aber in
Deutschland die Voraussetzungen nicht gegeben sind, die in den Staaten
bestehen, die bisher gute Erfolge mit einer auf Zeit bestellten Regierung
gemacht haben. |
Korrekturen des parlamentarischen Systems |
Wenn der Ausschuß sich daher auch grundsätzlich für das
parlamentarische System ausgesprochen hat, so ist er doch der Ansicht, daß
von diesem Grundsatz dann abgewichen werden muß, wenn die parlamentarischen
Spielregeln selbst versagen. Zu diesem Zweck hat er zwei Korrekturen des
reinen parlamentarischen Systems vorgeschlagen: Wenn im Bundestag binnen
einer bestimmten Frist keine Mehrheit für eine Regierungsbildung zustande
kommt, dann soll das Recht, dem Bundespräsidenten einen Bundeskanzler zur
Ernennung vorzuschlagen, auf den Bundesrat übergehen (Art. 88). Andererseits
soll der Bundestag eine im Amt befindliche Regierung durch sein
Mißtrauensvotum nur in der Form stürzen, daß er den Bundespräsidenten unter
gleichzeitiger Benennung eines Nachfolgers ersucht, den bisherigen
Bundeskanzler zu entlassen (Art. 90). Mit beiden Bestimmungen wird der
Versuch unternommen, den zwei Hauptschwächen des parlamentarischen Systems
abzuhelfen, die besonders in der letzten Zeit der Weimarer Republik
besonders in Erscheinung getreten sind. |
Sicherung der Regierungsbildung |
Mit Art. 88 des Entwurfs wird das Ziel einer Sicherung
der Regierungsbildung verfolgt. Diese Bestimmung soll dazu beitragen, daß
das Ansehen des neuen Bundestages nicht wieder in der gleichen Weise
beeinträchtigt wird, wie es bei früheren deutschen Parlamenten infolge des
immer wiederkehrenden Versagens bei der Regierungsbildung weitgehend der
Fall gewesen ist. Nach dieser Bestimmung soll der Bundestag nur eine
zeitlich begrenzte Chance zur Regierungsbildung haben. Ist er nicht in der
Lage, diese Chance auszunutzen, dann soll auf die "Legalitätsreserve" des
Bundesrats zurückgegriffen werden. |
Sicherung der Regierungsexistenz |
Mit Art. 90 des Entwurfs wird der Versuch unternommen,
aus den Erfahrungen der Weimarer Republik zu einer Sicherung der
Regierungsexistenz beizutragen. Die Praxis des parlamentarischen Systems der
Weimarer Verfassung war dadurch gekennzeichnet, daß die Regierungsgeschäfte
während langer Zeiträume durch geschäftsführende Regierungen wahrgenommen
werden mußten. Dabei beruhten die Mehrheiten, die diesen Regierungen jeweils
ihr Mißtrauen ausgesprochen hatten, überwiegend auf einer bloßen
Übereinstimmung im Negativen und könnten daher nicht die - notwendigerweise
positive - Grundlage für eine neue Regierungsbildung abgeben. Die
Erfahrungen der Weimarer Zeit legen daher den Gedanken nahe, zur
Wiederherstellung der echten parlamentarischen Spielregeln in das
Grundgesetz Bestimmungen aufzunehmen, die eine Anwendung des
Mißtrauensvotums nur durch eine zu konstruktiver Arbeit bereite Mehrheit
zulassen, mit anderen Worten, den Mißtrauensbeschluß als einen Akt bloßer
Obstruktion auszuschalten. |
Bisherige Versuche in den Länderverfassungen |
Zur Verwirklichung dieses Gedankens sind in den neuen
deutschen Länderverfassungen bereits verschiedene Versuche unternommen
worden. Nach einigen dieser Verfassungen soll der Rücktritt einer Regierung,
der der Landtag das Mißtrauen ausgesprochen hat, erst rechtswirksam werden,
wenn er einer neuen Regierung das Vertrauen ausspricht. Nach einer anderen
Verfassung muß die Regierung bei Annahme eines Mißtrauensantrages zwar
sofort zurücktreten; doch verliert das Mißtrauensvotum und damit der
Rücktritt der Regierung seine Wirksamkeit, wenn nicht binnen 21 Tagen eine
Neuwahl der Regierung erfolgt ist. |
Kritik dieser Versuche |
Das Problem ist. hier zweifellos richtig gesehen
worden. Es bleibt jedoch fraglich, ob es auch schon in einer befriedigenden
Form gelöst ist. Nach den erwähnten Länderverfassungen kann die nur im
Negativen übereinstimmende Mehrheit des Parlaments nach wie vor die Waffe
des Mißtrauensvotums anwenden. Es ist lediglich vorgesehen, daß der
Rücktritt, den die Regierung auf Grund eines solchen Mißtrauensvotums
erklären muß, erst mit der Bildung einer neuen Regierung rechtswirksam wird
bzw. seine Wirksamkeit verliert, wenn es nicht innerhalb einer bestimmten
Frist zu einer Neubildung der Regierung kommt. Der Unterschied gegenüber der
Weimarer Verfassung scheint sich hiernach allein in einer begrifflichen
Formulierung zu erschöpfen. Auch nach den erwähnten Länderverfassungen muß
eine in aller Form "gestürzte" Regierung die Geschäfte weiterführen. Es
wurde daher in den Beratungen des Konvents mit Recht die Frage gestellt, in
welcher Weise die Stellung einer solchen Regierung gegenüber der
geschäftsführenden Regierung der Weimarer Zeit allein durch die Klausel
eines nicht rechtswirksam werdenden bzw. seine Wirksamkeit wieder
verlierenden Regierungsrücktritts eine ins Gewicht fallende Stärkung
erfahren könne. |
Keine geschäftsführende Regierung mehr |
Während einige Mitglieder auf die Möglichkeit eines
spontanen Mißtrauensvotums nicht glauben verzichten zu können, hat die
Mehrheit den Vorschlag gebilligt, der in Art. 90 des Entwurfs enthalten ist.
Darnach soll nur eine positive Mehrheit, die einen neuen Bundeskanzler
benennen kann, in der Lage sein, dem im Amte befindlichen Bundeskanzler ihr
Mißtrauen auszusprechen. Nach diesem Vorschlag würde es keine
„geschäftsführende" Regierung mehr geben. Eine einmal ernannte Regierung
würde vielmehr solange als vollkommen „intakte" Regierung im Amte bleiben,
bis sie von einer neuen Regierung abgelöst wird, die sich wieder auf eine
echte Mehrheit im Bundestag stützen kann. Gegen diese Lösung wurde von einer
Seite eingewendet; daß es nicht wohl möglich sei, einen neuen Bundeskanzler
zu benennen, solange der alte noch im Amte sei. Ein solches Verfahren
begünstige nur das politische Intrigenspiel. |
Charakterisierung der Bundesregierung des Entwurfs |
Die mit dem Entwurf vorgeschlagene Regelung läßt sich
abschließend folgendermaßen charakterisieren: Die Bundesregierung kommt auf
echt parlamentarische Weise zustande und kann, soweit eine zu konstruktiver
Arbeit bereite Mehrheit vorhanden ist, auch jederzeit nach parlamentarischem
Brauch gestürzt werden. Solange jedoch in dem Bundestag keine positive
Mehrheit vorhanden ist und damit die parlamentarischen Spielregeln auch
nicht funktionieren können, würde die mit dem Entwurf vorgeschlagene
Bundesregierung im Ergebnis die Stellung einer Regierung auf Zeit haben.
Damit stellt der in dem Entwurf gemachte Vorschlag den Versuch dar, das
Prinzip einer parlamentarischen Regierung mit den Vorzügen einer auf Zeit
bestellten Regierung zu verbinden, ohne jedoch einer konstruktiven Mehrheit,
die sich in Opposition zu der im Amte befindlichen Regierung bildet, die
Möglichkeit zum Sturze dieser Regierung und zur Übernahme einer neuen
Regierung zu nehmen. |
Rücktritt von Bundeskanzler und Bundesminister |
Der Entwurf sieht vor, daß der Bundeskanzler und die
Bundesminister zurücktreten können. Der Rücktritt des Bundeskanzlers erfolgt
durch Erklärung gegenüber dem Bundespräsidenten, der Rücktritt eines
Bundesministers durch Erklärung gegenüber dem Bundeskanzler. Um jedoch zu
verhindern, daß Mitglieder der Bundesregierung ohne weiteres ihr Amt im
Stich lassen, ist vorgesehen, daß der zurücktretende Bundeskanzler oder
Bundesminister verpflichtet ist, die Geschäfte bis zur Ernennung seines
Nachfolgers weiterzuführen, wenn er durch den Bundespräsidenten bzw. den
Bundeskanzler darum ersucht wird (Art. 95). |
Entlassung von Bundesministern |
Andererseits muß der Bundeskanzler die Möglichkeit
haben, die Entlassung eines Bundesministers herbeizuführen; der sich nicht
an die von ihm festgelegten Richtlinien der Politik hält oder mit dem auf
andere Weise Meinungsverschiedenheiten entstehen, die innerhalb des
Kabinetts nicht beigelegt werden können. Um hier jedoch jede Willkür des
Bundeskanzlers auszuschalten, sieht Art. 89 Abs. 3 vor, daß der
Bundeskanzler, der dem Bundespräsidenten die Entlassung eines
Bundesministers ohne dessen Antrag vorschlagen will, der Zustimmung des
Bundestags bedarf. Selbstverständlich kann die Initiative zu der Entlassung
eines einzelnen Bundesministers aber auch von dem Bundestag ausgehen.
Maßgebend ist jedoch auch in diesem Fall die Entscheidung des
Bundeskanzlers. Der Bundestag kann also zwar durch Benennung eines neuen
Bundeskanzlers die gesamte Regierung stürzen (Art. 90), er soll jedoch nicht
die Möglichkeit haben, einen einzelnen Minister aus der Regierung
„herauszuschießen". |
Keine Ministeranklage |
Die Ministerklage hat sich als eine Einrichtung des konstitutionellen Regimes entwickelt, die in einem System mit parlamentarischer Verantwortlichkeit ihren eigentlichen Sinn verloren hat. Im Gegensatz zu dem Bundespräsidenten, gegen den nach dem Entwurf eine Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof vorgesehen ist, hat der Ausschuß daher auf die Ministeranklage verzichtet.
|
Bundesverfassungsgericht als Teil der dritten Gewalt |
Der Konvent hält es für angebracht, die Vorschriften
über das Bundesverfassungsgericht zusammenzufassen. Dadurch soll die
grundsätzliche Bedeutung dieser Institution hervorgehoben und die
Gleichberechtigung dieses höchsten Organs der dritten Gewalt gegenüber den
anderen Gewalten sichtbar gemacht werden. |
Besonderes Verfassungsgericht oder einheitliches oberstes Gericht ? |
Über die Frage, ob die Bundesverfassungsgerichtsbarkeit
als Teil der obersten Bundesgerichtsbarkeit von einem einheitlichen obersten
Bundesgericht ausgeübt oder ob für Verfassungsfragen ein besonderes
Verfassungsgericht geschaffen werden soll, besteht keine einheitliche
Meinung; diese Frage ist deshalb ausdrücklich offengelassen. Die im Konvent
vertretenen Meinungen und die für sie angeführten Gründe sind wegen des
Sachzusammenhangs in Kapitel XII im einzelnen festgehalten. |
Erweiterung der Zuständigkeiten gegenüber der Weimarer Verfassung |
Im Vergleich zum Staatsgerichtshof der Weimarer
Verfassung soll das Bundesverfassungsgericht erweiterte Zuständigkeiten
erhalten. Es ist oberste Instanz in Fragen des Bundesstaatsrechts und damit
„Hüter der Verfassung" in wahrhaftem Sinn. |
Zuständigkeitskatalog |
Es erscheint zweckmäßig, einen umfangreichen Katalog,
der keine neuen Zuständigkeiten schafft, sondern die im Grundgesetz
verstreuten Bestimmungen über die Möglichkeiten der Anrufung des
Bundesverfassungsgerichts systematisch zusammenfaßt, aufzustellen, der
folgende Fälle enthält: |
Bindung der Gerichte und sonstigen Behörden an die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts. Gesetzeskraft |
Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und
seine zu ihrer Durchführung erlassenen Anordnungen sollen entsprechend der
überragenden Stellung des Gerichts für alle Gerichte und sonstigen Behörden
bindend sein. Soweit seine Entscheidungen die Nichtigkeit eines Gesetzes
oder eines Teiles eines solchen feststellen, sollen sie Gesetzeskraft haben
und wie Gesetze verkündet werden. Bestimmungen hierüber müssen nach Ansicht
des Konvents unmittelbar geltendes Recht sein. |
Regelung nur der wichtigsten Einzelheiten im Grundgesetz |
Im übrigen wird das Grundgesetz seiner Natur nach nur die wichtigsten Einzelheiten zu regeln haben. Als solche werden angesehen: Die Bestellung der Richter und des Vorsitzenden unter Wahrung der Gleichberechtigung von Bundestag und Bundesrat, die paritätische Besetzung der Senate, der Ausschluß der Doppelmitgliedschaft beim Bundesverfassungsgericht und einem sonstigen höchsten Bundes oder Länderorgan und schließlich das Erfordernis bestimmter Qualifikationen für den Vorsitzenden und mindestens die Hälfte der Richter. Die weiteren Bestimmungen sollen durch ein Bundesgesetz getroffen werden, das sich insbesondere auch mit der Einrichtung des Gerichts und der näheren Ausgestaltung des Verfahrens zu befassen hat.
|
Der Vorbehalt des Gesetzes |
Im Hinblick auf die Erfahrungen der jüngsten
Vergangenheit hält der Ausschuß es für erwünscht; an den Anfang des
Abschnitts über die Gesetzgebung einen ausdrücklichen Vorbehalt des Gesetzes
zu stellen. Der erste Artikel dieses Abschnitts beginnt daher mit den
Worten: „Jede Ausübung der Staatsgewalt bedarf der Grundlage im Gesetz".
Dieser Artikel bestimmt dann weiter, daß Rechte und Pflichten der Bürger nur
durch Gesetz begründet werden können. Um die Mitwirkung des Gesetzgebers bei
der Haushaltsgebarung zum Ausdruck zu bringen, ist in diesem Artikel auch
noch die Vorschrift aufgenommen worden, daß der Bundeshaushalt durch Gesetz
festgestellt wird (Art. 101). |
Keine Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis |
Der Mißbrauch der Ermächtigungsgesetze hat es nahe
gelegt, unmittelbar im Anschluß an die Bestimmung, daß die
Bundesgesetzgebung durch Bundestag und Bundesrat (bzw. Senat) ausgeübt wird,
ein ausdrückliches Verbot der Übertragung der Gesetzgebungsbefugnis in das
Grundgesetz aufzunehmen. Mit diesem Verbot soll jedoch nur die Ermächtigung
zum Erlaß von Gesetzen im eigentlichen Sinn ausgeschlossen werden. Es war
daher festzusetzen, daß die Bundesregierung durch Gesetz ermächtigt werden
kann, Rechtsverordnungen zu erlassen, sofern sichergestellt ist, daß Inhalt,
Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung ausreichend im Gesetz bestimmt
sind (Art. 102). |
Träger der Bundesgesetzgebung |
Es bestand Einigkeit darüber, daß Bundestag und
Bundesrat (bzw. Senat) bei der Gesetzgebung des Bundes zusammenzuwirken
haben. Lediglich hinsichtlich der Form dieses Zusammenwirkens standen sich
zwei Ansichten gegenüber. Während die eine in dem Bundestag den eigentlichen
Träger der Gesetzgebung sieht und sich für eine Mitwirkung des Bundesrats an
der Gesetzgebung in Anlehnung an die Form aussprach, die der Reichsrat nach
der Verfassung von Weimar gehabt hat, verlangte die andere die völlige
Gleichberechtigung beider Gesetzgebungsorgane. |
Gesetzesinitiative |
Es bestand jedoch Einigkeit zwischen beiden Richtungen,
daß die Gesetzesinitiative bei der Bundesregierung, dem Bundestag und dem
Bundesrat (bzw. dem Senat) liegen solle (Art. 103). Soweit es sich um
Gesetzesvorlagen der Bundesregierung handelt, werden diese nach
Beschlußfassung in der Bundesregierung vom Bundeskanzler eingebracht. Dabei
bestimmt die Bundesregierung darüber, ob ihre Vorlagen zuerst in einem der
Häuser oder gleichzeitig in beiden beraten werden sollen. In die 3. Variante
war noch die Bestimmung aufzunehmen, daß der Bundesrat seine Vorlagen mit
einfacher Mehrheit beschließt, sofern nicht nach den folgenden Bestimmungen
eine höhere Mehrheit erforderlich ist. |
Der Gang der Gesetzgebung: a) bei Gleichberechtigung von Bundestag und Bundesrat |
Nach der 1. Variante kommt ein Bundesgesetz allein
durch übereinstimmenden Beschluß beider Häuser zustande. Für den Fall, daß
kein übereinstimmender Beschluß erzielt wird. ist hier die bereits
begründete Möglichkeit vorgesehen, daß der Bundespräsident eingreift und
eine Versammlung von Vertretern beider Häuser einberuft, nach deren Beratung
dann in beiden Häusern eine neue Beschlußfassung stattzufinden hat. |
b) bei der abgeschwächten Bundesratslösung |
Die 3. Variante sieht ein Gesetzgebungsverfahren vor,
nach dem dem Bundesrat lediglich ein Einspruchsrecht gegenüber den vom
Bundestag beschlossenen Gesetzen zusteht (Art. 104). Dieser Einspruch hat
zunächst nur die Natur eines bloß aufschiebenden Vetos. Hat der Bundesrat
seinen Einspruch jedoch mit zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl
gefaßt so kann der Einspruch im Bundestag auch nur mit zwei Dritteln der
gesetzlichen Stimmenzahl überstimmt werden. Ein Unterschied gegenüber der 1.
Variante liegt auch noch darin, daß nach der 3. Variante die
Gesetzesinitiative nur „vom" Bundesrat, nach der 1. Variante "aus seiner
Mitte", also von jedem Bundesratsmitglied ergriffen werden kann. |
c) bei der Senatslösung |
Auch bei der Senatslösung (2. Variante) ist nur ein
überwindbares Veto der zweiten Kammer vorgesehen. |
Ausnahmen von der normalen Gesetzgebung |
Außer den normalen
Gesetzen unterscheidet der Entwurf: |
Systemverschiebende Gesetze |
Unter systemverschiebenden Gesetzen versteht der
Entwurf Gesetze, durch die das bundesstaatliche Gefüge eine grundlegende
Änderung erfährt. Die hier in Betracht kommenden Fälle werden erschöpfend
aufgezählt (Art. 105): Bei Erlaß systemverschiebender Gesetze erfährt die
Stellung des Bundesrats gegenüber seiner Mitwirkung bei der normalen
Gesetzgebung in den Varianten 1 und 3 eine wesentliche Verstärkung. Dabei
ist im Hinblick auf die besonders starke Beeinträchtigung der Länder durch
die Neuschaffung eines bundeseigenen Verwaltungsunterbaus bei der
vorstehenden Ziff. 5 eine noch weitergehende Qualifizierung vorgesehen. Der
Grad der Qualifizierung ist in beiden Vorschlägen verschieden. Nach der
Variante 1, bei der schon das normale Gesetz nur durch übereinstimmenden
Beschluß von Bundestag und Bundesrat zustande kommt, wird bei Ziff. 1-4 eine
Zweidrittelmehrheit und bei Ziff. 5 die Einstimmigkeit des Bundesrats
vorgesehen. Die Variante 3, die für die normale Gesetzgebung nur das
Einspruchsrecht des Bundesrats vorsieht, verlangt bei den Ziffern 1-4 die
Zustimmung der Mehrheit und bei Ziff. 5 die Zustimmung von zwei Dritteln der
gesetzlichen Mitgliederzahl. |
Gesetze, die das Grundgesetz ändern |
Bei der Behandlung von Gesetzen, die das Grundgesetz ändern; stimmen die Varianten 1 und 3 wieder überein. Diese Gesetze bedürfen der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern und außerdem der Annahme durch Volksentscheid. Beim Volksentscheid genügt jedoch nicht die bloße Mehrheit. Es wird vielmehr verlangt, daß am Volksentscheid mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten teilgenommen und die Mehrheit der Abstimmenden sowohl insgesamt wie auch in der Mehrzahl der Länder für die Annahme gestimmt hat (Art. 106). Gegen diese starke Erschwerung von Änderungen des
Grundgesetzes sind von einigen Mitgliedern erhebliche Bedenken geltend
gemacht worden. Vorgeschlagen wurde insbesondere, die Zweidrittelmehrheit in
beiden Häusern oder, den Volksentscheid je für sich genügen zu lassen, oder
beim Volksentscheid wenigstens das Erfordernis, daß auch noch in der
Mehrzahl der Länder die Mehrheit erreicht sein müsse, fallen zu lassen.
Dieser Vorschlag erscheint jedoch mit dem
Dokument I unvereinbar. |
Vorherige Änderung des Textes |
Um einer Wiederholung der Praxis von
verfassungsdurchbrechenden Gesetzen, ohne formelle Änderung des Textes des
Grundgesetzes, die nicht unwesentlich zur Entwertung der Weimarer Verfassung
beigetragen hat, zu verhindern, ist in den Entwurf eine ausdrückliche
Bestimmung übernommen worden, daß Anträge auf Gesetze, die mit dem
Grundgesetz unvereinbar sind, erst dann zulässig sind, wenn zuvor ein
besonderes Gesetz verkündet ist, das den Text des Grundgesetzes
entsprechend ändert (Art. 106 Abs. 2). |
Änderung der bundesstaatlichen Grundordnung |
Gesetze, durch die von der bundesstaatlichen
Grundordnung abgegangen wird, also etwa die Länder durch Provinzen ersetzt
werden, sollen nach überwiegender Ansicht des Konvents durch den Entwurf
nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Das für grundgesetzändernde Gesetze
vorgesehene Verfahren wird hier aber auch von der Mehrheit nicht für
genügend erachtet. Es wird vielmehr vorgeschlagen, daß solche Gesetze
darüber hinaus der einstimmigen Annahme im Bundesrat bedürfen (Art. 106). |
Keine legale Abänderung der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung |
Mit allem Nachdruck befürwortet der Konvent, daß solche
Anträge auf Änderung des Grundgesetzes, die praktisch das Grundgesetz als
solches vernichten würden, überhaupt für unzulässig erklärt werden. Unter
Beiseitelassung des föderativen Grundelements, für das dieser letztgültige
Rang nicht beansprucht werden soll, wird hierfür die Formulierung gewählt,
daß Anträge auf Änderungen des Grundgesetzes. durch die die freiheitliche
und demokratische Grundordnung beseitigt würde, unzulässig sind (Art. 108). |
Entscheidung über das dem Grundgesetz gemäße Zustandekommen von Gesetzen |
Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein Gesetz gemäß
dem Grundgesetz zustande gekommen ist, sowie darüber, unter welche der eben
erwähnten Bestimmungen ein Gesetzesantrag fällt, entscheidet das
Bundesverfassungsgericht (Art. 110). |
Gesamtwürdigung |
Im Vergleich zum Üblichen ist in dem hier gemachten
Vorschlag die Gesetzgebung stärker nach Gesetzesarten und den entsprechenden
Zustimmungserfordernissen differenziert. Eine Minderheit sieht hierin eine
Quelle von Verwirrungen und lehnt eine solche Mathematisierung schon aus
Gründen der Faßlichkeit ab. Eine andere Minderheit hat dagegen noch eine
zusätzliche Differenzierung vorgeschlagen, indem sie bestimmte Aufgaben zur
unentziehbaren Länderangelegenheit erklärt sehen will. Es würde damit die
Auffassung der Mehrheit, daß nur die freiheitliche und demokratische, nicht
aber auch die föderative Grundordnung überpositives Recht ist, verlassen.
Die Mehrheit glaubt, daß der von ihr vorgeschlagene Grad der Differenzierung
eine brauchbare Mitte zwischen Starrheit und Labilität innehält, durch die
das bundesstaatliche System gewährleistet ist, praktisch gebotene
Verschiebungen innerhalb desselben aber nur mehr oder weniger schwer
gemacht, nicht jedoch ausgeschlossen werden. |
Ausfertigung von Gesetzen |
Die gemäß dem Grundgesetz zustande gekommenen Gesetze
sollen vom Bundespräsidenten ausgefertigt und auf seine Anordnung im
Bundesgesetzblatt verkündet werden. Auch Rechtsverordnungen, die bisher oft
unauffindbar waren, sind künftig im Gesetzblatt zu verkünden (Art. 109). |
Notstandsrecht |
Nach gründlicher Diskussion hat sich die Mehrheit für
die Beibehaltung eines Notverordnungsrechts und für die Suspendierbarkeit
der politischen Grundrechte durch Gesetz, äußerstenfalls auch durch
Notverordnung ausgesprochen. Der gemachte Vorschlag bindet aber die
Notstandsbefugnisse an enge Voraussetzungen, sichert tunlichst die
Mitwirkung der demokratischen Organe und beugt Mißständen, die sich leicht
mit der Notverordnungspraxis verknüpfen, nach Möglichkeit vor. |
Voraussetzungen |
Die Voraussetzungen für Notverordnungen sind wie üblich
formuliert. Die Voraussetzungen für die Suspendierung der Grundrechte durch
Gesetz oder Notverordnung sind gegenüber denjenigen für sonstige
Notverordnungen dahin verschärft, daß der Bestand der freiheitlichen und
demokratischen Grundordnung oder diejenige des Bundes in Frage gestellt sein
muß. |
Zuständigkeit für Notverordnungen |
Die Zuständigkeit ist dem Staatsoberhaupt
(Bundespräsident) ganz entzogen. Eine Rückkehr zum System der
Präsidialverordnungen vor 1933, die zuletzt von Kanzlern gegengezeichnet
waren, die nie das Vertrauen des Parlaments erhalten hatten, verbot sich von
selbst. Zuständig soll vielmehr die Bundesregierung sein, die der Zustimmung
des Bundesrats, gegebenenfalls einer qualifizierten Zustimmung, bedarf.
Abgelehnt wurde ein Vorschlag, auch noch die Zustimmung des ständigen
Ausschusses des Bundestags zu verlangen. Dagegen wurde einstimmig
gutgeheißen, daß die Notverordnungen nicht nur auf Verlangen des Bundestags
außer Kraft zu setzen sind, sondern daß sie positiv der nachträglichen
Zustimmung des Bundestags oder seines ständigen Ausschusses bedürfen,
andernfalls nach einem Monat von selbst außer Kraft treten. Damit soll dem
Aufkommen einer Denkweise im Parlament vorgebeugt werden, die die Regierung
notwendige unpopuläre Maßnahmen treffen läßt, ohne selbst auch nur
nachträglich die ausdrückliche Verantwortung zu übernehmen. |
Suspension der Grundrechte nur befristet |
Die Suspension der Grundrechte kann von vornherein nur
befristet erfolgen. Auch vor Ablauf der Frist kann zudem der Bundestag oder
sein ständiger Ausschuß suspendierende Notverordnungen jederzeit außer Kraft
setzen, auch wenn er sie zunächst für notwendig gehalten und ihnen daher
seine nachträgliche Zustimmung erteilt hat. |
Die fünf suspendierbaren Grundrechte |
Suspendierbar sind nur noch die politischen Grundrechte
und das Postgeheimnis. Nicht mehr suspendierbar ist dagegen vor allem das
Grundrecht der persönlichen Freiheit. Schutzhaftgesetze oder gar
Schutzhaftverordnungen, die die richterliche Kontrolle über Festnahmen
aufheben, sind also auch bei Staatsnotstand nicht mehr zulässig. |
Notstandsrecht in den Ländern |
Die Regelung des Notstandsrechts muß sich auf die Länder erstrecken. Es ist zwar Sache der Landesverfassungen, einschlägige Bestimmungen zu treffen. Für ein Notverordnungsrecht der Landesregierungen, das der vom Grundgesetz vorgeschriebenen Gewaltenteilung widerspricht, bedarf es aber der Zulassung im Grundgesetz selbst. Ebenso kann nur das Grundgesetz die Länder ermächtigen, Bundesrecht zu suspendieren. Die Ermächtigung ist in Form einer unmittelbaren Regelung erteilt, nach der ausschließlich die Landesregierungen zu einer auf 14 Tage befristeten Suspension befugt sind. Die Bundesregierung kann solche Suspensionen auch schon vorher aufheben. Die Suspension
von Grundrechten der Länderverfassungen, die nicht zugleich
Bundesgrundrechte sind, wird von der Regelung im Grundgesetz nicht berührt. |
Verlautbarung der Notstandsmaßnahmen |
Besondere Gefahr
droht von der ungenügenden Verlautbarung des Notstandsrechts. Es ist daher
nicht nur für die Verhängung, sondern auch für die Bestätigung, die
Außerkraftsetzung und das automatische Außerkrafttreten in erster Linie die
Verkündung im Gesetzblatt vorgeschrieben. Freilich muß anerkannt werden, daß
das nicht immer möglich ist. Für diese Fälle wird auch eine andere Form der
Bekanntgabe zugelassen, sofern sie gewährleistet, daß der genaue Wortlaut
festgehalten wird. Es dürfen also die ausführenden Organe und die
Bevölkerung z. B. nicht auf bloße Inhaltswiedergaben im Rundfunk angewiesen
sein, es sind vielmehr bei Funkverlautbarungen wörtliche mehrmalige
Wiedergaben zum Nachschreiben und entsprechende Formen bei der Bekanntgabe
durch Lautsprecher, durch den ländlichen Ausrufer usw. zu verlangen. Die
Verkündung im Gesetzblatt ist unverzüglich nachzuholen. Der Selbstkontrolle
der Regierenden und der Kontrollierbarkeit durch das Volk dient schließlich
die Vorschrift, daß suspendierte Grundrechte sowohl namentlich wie nach der
Artikelzahl im Gesetzes- oder Verordnungstext aufzuführen sind. |
Keine Wahlen während der Grundrechtssuspension |
Eine zwingende Folgerung aus der Suspension der politischen Grundrechte ist das Unterbleiben von Wahlen während dieses Ausnahmezustandes. Es besteht Veranlassung, diese Folgerung ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmen.
|
ZEHNTES KAPITEL |
|
Die 4 Formen der Ausführung der Bundesgesetze |
1. Für die Ausführung der Bundesgesetze stehen vier
Formen zur Verfügung, nämlich: |
Ausführung sonstigen Bundesrechts |
2. Was für die Ausführung von Gesetzen des Bundes gilt,
gilt auch für die Ausführung von Verordnungen des Bundes und sonstigen
Bundesrechts. |
Landeseigene Verwaltung |
3. Die Ausführung von Bundesgesetzen ist grundsätzlich,
soweit nicht das Grundgesetz anderes bestimmt oder zuläßt, eigene
Angelegenheit der Länder. Für die landeseigene Verwaltung sollen folgende
Grundsätze gelten: In Ausübung der Bundesaufsicht kann der zuständige
Bundesminister auch Beauftragte zu den obersten Landesbehörden und mit ihrer
Zustimmung zu anderen Landesbehörden entsenden. Sollte den Ländern die
Abgabenverwaltung im Bereich des Bundes zugewiesen werden, so wäre dem Bund
hiefür ein erweitertes Bundesaufsichtsrecht in dem Sinne einzuräumen, daß
das Bundesfinanzministerium zur Entsendung von Beauftragten zu den der
obersten Landesbehörde untergeordneten Zoll- und Steuerbehörden keiner
Zustimmung der obersten Landesbehörde bedarf. Dies müßte jedenfalls zulässig
sein für Zölle und diejenigen Steuern, deren Aufkommen dem Bund zusteht. Es
wäre dies aber auch ernsthaft zu erwägen für die weiteren Steuern, für die
dem Bund nur das Recht der Gesetzgebung zusteht, Mängel, über die sich Bund
und Länder nicht unmittelbar einigen, sind folgendermaßen zu behandeln: Der
zuständige Bundesminister kann ohne weiteres die Landesregierung auffordern,
den Mangel abzustellen. Er kann aber auch den Bundesrat mit der Sache
befassen und von ihm eine Entscheidung darüber verlangen, ob die Mängelrüge
berechtigt war oder nicht und gegebenenfalls dann die Landesregierung zur
Abstellung des Mangels auffordern. In beiden Fällen bleibt das Recht beider
Teile unberührt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. |
Landesverwaltung nach Weisung |
4. Die Landesverwaltung nach Weisung bringt eine
gewisse Verwischung der Zuständigkeitsgrenzen zwischen Bund und Ländern und
bedeutet zudem eine erhebliche Herabminderung der staatlichen
Selbständigkeit der Länder. Diese Verwaltungsform ist daher im Entwurf des
Grundgesetzes nur für die Fälle besonderen Bedürfnisses vorgesehen,
insbesondere für die Verwaltung der vormaligen Reichswasserstraßen und unter
Umständen für die Verwaltung der dem Bund zufließenden Abgaben. Die
Schaffung einer neuen Landesverwaltung nach Weisung bedarf der Zustimmung
einer qualifizierten Mehrheit des Bundesrats. Für die Landesverwaltung nach
Weisung sollen folgende Grundsätze gelten: |
Bundeseigene Verwaltung |
5. Die Verwaltungsform, die die Selbständigkeit. der
Länder auf dem Gebiet: der Verwaltung ganz verdrängt, ist die bundeseigene
Verwaltung. Sie soll nur aus zwingenden Gründen zur Anwendung kommen. Der
Entwurf des Grundgesetzes sieht eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem
Verwaltungsunterbau nur für die Verwaltung auswärtiger Angelegenheiten sowie
der Eisenbahnen und der Post vor. Außerdem sollen, abgesehen von den
Bundesministerien, selbständige Bundesoberbehörden nur für bestimmte
Verwaltungsaufgaben errichtet werden können. Entweder wäre ein Verzeichnis
dieser Behörden dem Grundgesetz als Anlage beizugeben oder es wäre zu
bestimmen, daß solche Behörden im Falle des Bedarfs für Angelegenheiten
errichtet werden können, für die dem Bund die Gesetzgebung, zusteht. Die
Schaffung neuer bundeseigener Verwaltungseinrichtungen bedarf der Zustimmung
einer qualifizierten Mehrheit des Bundesrats. Für die bundeseigene
Verwaltung sollen folgende Grundsätze gelten: Für die Verwendung von Dienstkräften in der
bundeseigenen Verwaltung soll außer der Übernahme des Art. 16 der Weimarer
Verfassung mit einer bestimmten Einschränkung bestimmt werden, daß im
Dienste des Bundes Beamte und sonstige Bedienstete aus den Ländern im
angemessenen Verhältnis zu verwenden sind. Diese Bestimmung spricht
eigentlich etwas Selbstverständliches aus. Ihre Aufnahme ist aber dadurch
geboten, daß in der Vergangenheit nicht danach verfahren wurde. |
Bundesunmittelbare Selbstverwaltung |
6. Bei der bundesunmittelbaren Selbstverwaltung ist in
erster Linie an bestimmte Träger der Sozialversicherung gedacht. Die
Neuschaffung solcher Selbstverwaltungen bedarf besonderer Aufmerksamkeit der
Länder, da sie ihr Recht auf Ausführung der Bundesgesetze praktisch außer
Kraft setzt (vgl. hiezu oben die Ausführungen über Ausschaltung der
landeseigenen Verwaltung durch Schaffung einer bundesunmittelbaren
Selbstverwaltung). Die Schaffung einer neuen bundesunmittelbaren
Selbstverwaltung bedarf daher der Zustimmung des Bundesrats (Senats). Für
die bundesunmittelbare Selbstverwaltung gelten folgende Grundsätze: |
Bundeszwang |
7. Bei hartnäckiger Weigerung eines Landes, seine Bundespflichten zu erfüllen, muß gegebenenfalls Bundeszwang gegen das Land stattfinden. Die Einleitung des Bundeszwangs ist Sache der Bundesregierung. Sie bedarf der Zustimmung des Bundesrats (Senats). Erwogen wurde, ob in der Sitzung des Bundesrats, in der ein solcher Beschluß zu fassen ist, der Bundespräsident selbst den Vorsitz führen solle. Die Zustimmung des Bundesrats erschien um so mehr erforderlich, als der Bund einstweilen waffenlos ist und daher zur Durchführung des Bundeszwangs, sei es im Wege von Sperren oder des Einsatzes von Polizeikräften, der Mitwirkung der Länder bedarf. Da der einmal beschlossene Bundeszwang keinesfalls schwächlich durchgeführt werden darf, ist dem Bund im Rahmen des Bundeszwangs das Weisungsrecht gegenüber aller. Ländern und ihren Behörden zugestanden. Es war auch erwogen worden, ob nicht die besondere
Regelung des Bundeszwanges vermieden werden kann, da doch alle Fälle von
Meinungsverschiedenheiten und Streit zwischen Bund und Ländern in ein
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht münden und die Vollstreckung
seiner Entscheidungen, notfalls eine einstweilige Verfügung derselben, zum
gleichen Erfolg wie der Bundeszwang führen würde. |
Ergänzende Bundesaufsicht durch die Bundesrechtspflege |
8. Die bisher behandelte Form der Bundesaufsicht wird
ergänzt durch die dem Bund eingeräumte Möglichkeit; solche Fälle von
bundeswidrigem Verhalten, die sich wegen der Weitläufigkeit des Tatbestandes
oder aus anderen Gründen dafür eignen, im gerichtlichen Einzelverfahren zum
Austrag zu bringen. Zu diesem Zweck kann eine Bundesbehörde die Befugnisse
der Anklagebehörde oder des Vertreters des öffentlichen Interesses vor den
Gerichten der Länder ganz oder teilweise übernehmen und eine Streitsache,
namentlich eine Dienststrafsache wegen Dienstvergehen gegen den Bund, im
letzten Rechtszug vor das oberste Bundesgericht bringen. Hierdurch kann eine
Entlastung der gewöhnlichen Bundesaufsicht und eine politische
Neutralisierung der betreffenden Fälle, unter Umständen auch eine wirksamere
Beruhigung der Öffentlichkeit, erreicht werden. Die Regelung tritt jedoch
nicht schon vermöge des Grundgesetzes in Kraft, sondern bedarf noch eines
besonderen Bundesgesetzes. |
Schadensersatz bei Amtspflichtverletzungen |
9. Als Artikel 120 ist den Bestimmungen über die
Ausführung der Bundesgesetze ein dem Artikel 131 der Weimarer Verfassung
nachgebildeter Artikel angefügt, wonach für Amtsverschulden der
Bundesbediensteten der Bund schadenersatzpflichtig ist. Die Einbeziehung
dieser Vorschrift auch in das neue Grundgesetz erschien sachgemäß, da ihr
immerhin ein grundrechtartiger Charakter zukommt. Zu erwägen wäre, ob die
Haftung des Bediensteten selbst gegenüber dem Verletzten nicht daneben
bestehen bleiben sollte, da gerade in der persönlichen Haftbarkeit des
Beamten gegenüber dem Bürger z. B. in den Vereinigten Staaten eine
Hauptsicherung gegen Amtsmißbrauch erblickt wird. |
Tragung der Verwaltungskosten |
10. Die Frage der Tragung der Verwaltungskosten ist von wesentlicher Bedeutung bei der landeseigenen Verwaltung und bei der Landesverwaltung nach Weisung. Die Frage, ob und inwieweit eine Deckung oder Erstattung von Verwaltungskosten der Länder, die durch die Ausführung von Bundesgesetzen erwachsen, seitens des Bundes in Betracht kommt, insbesondere wenn für die Länder durch eine Neuregelung in einem Bundesgesetz recht beträchtliche Verwaltungskosten neu entstehen, konnte noch nicht näher geprüft werden. Der Entwurf hat eine solche Regelung der Kostenerstattung lediglich für die Landesverwaltung nach Weisung in positivem Sinn im Abschnitt über das Finanzwesen getroffen, obwohl gerade für das etwaige Hauptgebiet der Landesverwaltung nach Weisung, die Finanzverwaltung, eine Sonderregelung in den Bestimmungen über die Finanzverwaltung enthalten ist. Die Regelung der Kostenerstattung hätte daher im Bereich der Landesverwaltung nach Weisung zunächst nur Bedeutung für die Verwaltung der vormaligen Reichswasserstraßen wenn und soweit diese den Ländern übertragen werden sollte. Eine ganz andere Frage von noch größerer finanzieller Tragweite für Länder und Gemeinden ist es, ob nicht im Grundgesetz die Zuweisung zusätzlicher Aufgaben oder Lasten an die Länder oder Gemeinden im Wege der Bundesgesetzgebung an die Voraussetzung geknüpft werden soll, daß den Ländern oder Gemeinden gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen sind.
|
Die Verteilung der finanziellen Aufgaben und Lasten zwischen Bund und
Ländern |
|
Finanzierungsaufgaben des Bundes |
A. Aufgaben deren Finanzierung dem Bund obliegt, sollen
nach dem Vorschlag des Verfassungskonvents insbesondere die folgenden sein: Es wurde angeregt, in Art. 122 das Wort „insbesondere"
zu streichen und statt dessen zu versuchen, einen erschöpfenden Katalog der
Aufgaben, die der Bund finanziert, zu erstellen. |
Abweichende Auffassungen |
B. Im einzelnen wurden folgende, zum Teil voneinander
abweichende Auffassungen vertreten: |
Bedenken gegen Beschränkung des Ersatzes der Verwaltungskosten der Länder durch den Bund auf den Fall der Auftragsverwaltung |
a) Es wurden Bedenken erhoben, die Deckung von
Verwaltungskosten durch den Bund an die Länder auf den Fall einer nach
Weisungen des Bundes von den Ländern besorgten Verwaltung zu beschränken. In
diesem Zusammenhang wäre noch zu erwägen, ob nicht durch eine Bestimmung des
Grundgesetzes die Zuweisung zusätzlicher Aufgaben oder Lasten an die Länder
oder Gemeinden im Wege der Bundesgesetzgebung an die Voraussetzung geknüpft
werden soll, daß den Ländern oder Gemeinden gleichzeitig die notwendigen
Mittel zu erschließen sind (vgl. Art. 124 Abs. 6 des Entwurfs). |
Bedenken gegen volle Tragung der Besatzungskosten durch den Bund; nur Spitzenausgleich |
b) Eine Minderheit äußerte Bedenken, ob die Kosten der
Besatzung im vollen Umfang vom Bund getragen werden sollten. Es wäre besser,
wenn diese Last von den Ländern getragen und der Bund nur für den
Spitzenausgleich sorgen würde. Dadurch würde sichergestellt, daß nach
Abminderung oder Wegfall der Besatzungskosten die finanzielle Entlastung
unmittelbar den Ländern zugute kommt. Die Darlegungen unter c) gehen von der
Voraussetzung aus, daß entsprechend der Auffassung der Mehrheit die
Besatzungskosten im vollen Umfang vom Bund getragen werden. |
Vorschlag des Ausschusses auf Grund einer Sachverständigen-schätzung der dem Bund zufallenden Lasten |
c) Der Vorschlag des Ausschusses ist auf Grund einer
eingehenden Erörterung mit. den Sachverständigen gemacht worden. Die
Sachverständigen hatten dabei folgende Schätzung der dem Bund zufallenden
Lasten vorgelegt. und zwar zunächst nur für das Gebiet der Bizone: |
Bedenken gegen diese Schätzung |
Ein Teil des Verfassungskonvents hielt diese Schätzungen der aus den Erträgen des Lastenausgleichs zu finanzierenden kriegsursächlichen Fürsorgelasten für zu niedrig, desgleichen die Schätzung der Zuschüsse zur Sozialversicherung in Höhe von 300 Mill. DM. Andererseits wurde zu der Frage, ob die laufenden kriegsbedingten Fürsorgeausgaben tatsächlich in den Lastenausgleich |
Einbeziehung der laufenden kriegsbedingten Fürsorgeausgaben in den Lastenausgleich als einmaliger Vermögensausgleich. |
einzubeziehen sein werden; nicht Stellung genommen. Sollte der Lastenausgleich auf einen einmaligen Vermögensausgleich beschränkt werden, so würde zu entscheiden sein, ob die laufenden kriegsbedingten Fürsorgeausgaben in voller Höhe auf den Bundeshaushalt zu übernehmen sind. Würde sich der Bund auf den Spitzenausgleich beschränken, so würden diese Lasten überwiegend in den Landeshaushalten verbleiben. Legt man die
Schätzungen der Sachverständigen zugrunde, so würden sich die laufenden
Lasten allein bereits für die Bizone auf 4,2 + 1,8 = 6 Mrd. DM, oder für das
Gebiet der 11 Länder auf mindestens 7 bis 7,5 Mrd. DM. jährlich stellen.
Dabei muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß selbst diese Summe nur
unter der Voraussetzung einer ganz erheblichen Verminderung der
Besatzungskosten gegenüber dem heutigen Stand denkbar ist. Die
Besatzungskosten für das letzte Jahr betrugen in der Bizone 4,3 Mrd. RM., in
der französischen Zone etwa 1 Mrd. RM. Es bestand völlige Übereinstimmung
unter den Sachverständigen und unter den Ausschußmitgliedern darüber, daß
die Aufrechterhaltung der Besatzungskosten in der bisherigen Höhe zuzüglich
der sonstigen Kriegsfolgelasten einen Lastenetat für den Bund ergeben würde,
für den auch bei äußerster Ausschöpfung aller Steuerquellen unter keinen
Umständen Deckung geschaffen werden könnte. Die Schätzung von 7 bis 7,5 Mrd.
DM als Bundeslast für das Gebiet der 11 Länder ist auf der Annahme einer
Senkung der Besatzungskosten auf etwa zwei Drittel der derzeitigen Beträge
aufgebaut. |
Die Verteilung
der Einnahmequellen zwischen Bund und Ländern |
|
Getrennte Einnahmequellen für Bund und Länder |
Art. 122 schließt hinsichtlich der Verteilung der
Einnahmequellen an den Grundsatz des Art. 37 an: Es bestand Einmütigkeit über das Ziel, diese gesonderte
Finanzwirtschaft durch Zuweisung getrennter Einnahmequellen an Bund und
Länder nach Möglichkeit so nu gestalten, daß weder der Bund Kostgänger der
Länder ist, noch die Länder Kostgänger des Bundes sind. |
Unbestrittene Einnahmequellen des Bundes |
Einmütigkeit bestand im Verfassungskonvent ferner
insoweit, als der Bund seine Ausgaben bestreitet aus: |
Einnahmen aus dem Lastenausgleich für den Bund, falls ihm hier die Gesetzgebung und die Aufbringung der Mittel zukommt |
Wenn dem Bund die Gesetzgebung über den Ausgleich der
Kriegs- und Nachkriegsschäden sowie die Aufbringung der hierfür
erforderlichen Mittel zugewiesen wird, so bedeutet dies, daß außerdem
sämtliche Einnahmen aus dem Lastenausgleich an den Bund fallen. |
Drei Auffassungen über die Zuweisung der Einnahmen aus der Umsatz-, Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer |
Bezüglich der Zuweisung der Einnahmen aus der Umsatzsteuer sowie der Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer bestanden drei Auffassungen: a) Ein Teil des Verfassungskonvents schlägt folgende
Regelung vor: Die Vertreter dieser Auffassung wollen also dem Bund einen Anteil am Aufkommen der Umsatzsteuer, und zwar im Bedarfsfall äußerstenfalls das ganze Umsatzsteueraufkommen, zuweisen. Der Ertrag der Umsatzsteuer würde hiernach gewissermaßen als Puffer zwischen der Finanzwirtschaft des Bundes und der der Länder wirken. Dagegen soll das Aufkommen aus der Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer in voller Höhe den Ländern vorbehalten bleiben. Letzteres entspricht der Auffassung einer ganz überwiegenden Mehrheit, wonach bei den Steuern vom Einkommen und Vermögen die Bestimmung der Steuer- und Hebesätze und der Freigrenzen innerhalb eines bundesgesetzlich festzusetzenden Rahmens den Ländern zu überlassen ist (vgl. die Darstellung zu Art. 38). Nach demselben Vorschlag sollen Rücküberweisungen aus den Steuereinnahmen des Bundes an die Länder stattfinden, wenn der Bund - insbesondere im Fall einer fühlbaren Senkung der Besatzungs-, Reparations- und Kriegsfolgelasten - auch nach völliger Abtretung des Ertrages der Umsatzsteuer an die Länder im Vergleich zu den Ländern noch zu reich finanziert erscheint. b) Eine zweite Gruppe, deren Auffassung im Text des Gesetzentwurfs keinen Niederschlag gefunden hat, hält es für notwendig, das gesamte Umsatzsteueraufkommen dem Bund zu überlassen und darüber hinaus für den Bedarfsfall Beiträge der Länder an den Bund nach ihrer Steuerkraft vorzusehen. Es wurde folgende Fassung vorgeschlagen: Auch diese Gruppe verlangt ebenso wie die erste die volle Überlassung dem Aufkommens der Steuern vom Einkommen und Vermögen an die Länder. c) Eine dritte Gruppe schlägt vor, das gesamte
Aufkommen der Umsatzsteuer sowie auch das Aufkommen der Steuern vom
Einkommen und Vermögen ausschließlich dem Bund zuzuweisen, mit dem Zusatz: Gegen diese Auffassung wurde geltend gemacht, daß die Einkommensteuer wegen ihrer progressiven Tarife als Zuschlagsteuer nicht geeignet sei. Mit der Erhebung von Zuschlägen sei die Gefahr der Bildung von Steueroasen in besonders hohem Maß verbunden. Würden die Länder von dem Zuschlagsrecht praktisch keinen Gebrauch machen können, so besäßen sie nicht. eine einzige namhafte Steuer, deren Hebesätze die Landtage selbst beschließen könnten; denn die Erhebung der Realsteuern und einer roh bemessenen Personalsteuer müßten die Länder ihren Gemeinden überlassen. Die Länder besäßen also bei dieser Regelung praktisch kein parlamentarisches Steuerbewilligungsrecht, das die Grundlage der demokratischen Staatsform sei.
|
Die Finanzverwaltung |
|
Landeseigene Finanzverwaltung, auf die Länder übertragene Finanzverwaltung, bundeseigene Finanzverwaltung |
In der Frage der Finanzverwaltung ist von Ziff. 2 des
Art. 38 auszugehen, wonach dem Bund das Recht der Gesetzgebung zusteht, über
„den Aufbau der Steuerverwaltungsbehörden der Länder und das von ihnen
anzuwendende Verfahren". Diese Bestimmung legt bereits bis zu einem gewissen
Grade fest, daß die Finanzverwaltung den Ländern übertragen werden soll;
wenn die Zölle sowie die Steuern des Bundes und der Länder einheitlich von
Bundesbehörden erhoben und verwaltet werden sollen, ist eine
gesetzgeberische Einflußnahme des Bundes auf „den Aufbau der
Steuerverwaltungsbehörden der Länder" sinnlos. Sie könnte auch entbehrt
werden, wenn Bund und Länder je ihre eigenen Abgaben durch gesonderte
Steuerbehörden erheben und verwalten. |
Vier verschiedene Auffassungen: a. Erhebung und Verwaltung der Zölle und der dem Bund zustehenden Steuern eigene Angelegenheit der Länder; insoweit besonders Überwachungsrecht des Bundes |
Trotzdem ergaben sich vier verschiedene Auffassungen: a) Eine Gruppe will die Erhebung und Verwaltung der
Zölle und der dem Bund zustehenden Steuern den Ländern als eigene
Angelegenheit zuweisen. Bei Überwachung des Vollzugs der Zollgesetze und der
vom Bund erlassenen Steuergesetze soll dieser über die Befugnis des Art. 114
Abs. 2 Satz 2 hinaus das Recht haben Beauftragte auch ohne Zustimmung der
obersten Landesbehörden unmittelbar zu allen Zoll- und Steuerbehörden zu
entsenden. Die Beauftragten haben die Befugnis, auf Abstellung von Mängeln
hinzuwirken. Sie haben sich aber jeder eigenen Verfügung zu enthalten. Es
wird noch zu prüfen sein, ob diese erweiterte Überwachungsbefugnis nicht auf
die Erhebung und Verwaltung der Zölle und derjenigen Steuern zu beschränken
ist, deren Aufkommen dem Bund ganz oder teilweise zusteht. |
b. Erhebung und Verwaltung durch die Länder für den Bund nach Weisungen des Bundes |
b) Nach einer
zweiten Auffassung sollen die Länder für den Bund die Zölle und diejenigen
Steuern, deren Aufkommen dem Bund Zusteht, erheben und verwalten; es handelt
sich um eine nach Weisungen des Bundes zu führende Landesverwaltung. |
c. Getrennte Verwaltungsführung von Bund und Ländern für ihre Abgaben |
c) Eine dritte Auffassung, die im Text des
Gesetzentwurfes keinen Niederschlag gefunden hat, geht dahin, daß Bund und
Länder je für ihre Abgaben eine getrennte Verwaltung führen sollen. Die
Verwirklichung dieser Auffassung würde wohl insbesondere bei der
Umsatzsteuer Schwierigkeiten bereiten, sofern das Umsatzsteueraufkommen ganz
oder teilweise dem Bund, das Aufkommen der Personalsteuern dagegen, den
Ländern zufließen soll; denn die Veranlagung und Bewertung von Umsatz,
Einkommen und Vermögen ist nur einheitlich durchzuführen. |
d. Einheitliche Bundesfinanzverwaltung für Bundes- und Länderaufgaben |
d) Eine vierte Gruppe schlägt vor, die Zölle und diejenigen Steuern, deren Aufkommen dem Bund oder den Ländern zufließt, einheitlich vom Bund verwalten zu lassen.
|
Das Haushaltsrecht des Bundes (Art. 124) |
|
Haushaltswesen |
Die Bestimmungen in Abs. 1, 2 und 3 entsprechen der Regelung in anderen Verfassungen. Abs. 4, 5 und 6 dienen der Sparsamkeit in der Führung des Bundeshaushalts.
|
|
Das Rechnungswesen des Bundes (Art. 125) |
Rechnungslegung und Rechnungsprüfung |
Rechnungslegung und Rechnungsprüfung sind gleichfalls in der üblichen Weise geregelt.
|
Das Schuldenwesen des Bundes (Art. 126) |
|
Schuldenwesen |
Das Schuldenwesen
des Bundes ist in Anlehnung an Art. 87 der Weimarer Verfassung geregelt.
|
Die Regelung finanzieller Festsetzungen
im Bereich des Bundes (Art. 127) |
|
Schutz der Wirtschaft gegen willkürliche Preis- und Tarifpolitik vom Bund geführter oder kontrollierter Betriebe und gegen willkürliche Beitragsfestsetzung der unter Bundesaufsicht stehenden Selbstverwaltungen |
Diese Bestimmung bezweckt den Schutz der deutschen Wirtschaft vor einer willkürlichen Preis- und Tarifpolitik der Bundesbahn, der Bundespost und anderer vom Bund geführter oder kontrollierter Betriebe. Auch soll die Wirtschaft durch Art. 127 vor einer willkürlichen Beitragsfestsetzung der unter Bundesaufsicht stehenden Selbstverwaltungen geschützt werden.
|
Eigener Abschnitt für die Rechtspflege |
Der Konvent ist sich darüber einig, daß ebenso wie in
der Weimarer Verfassung und sämtlichen neuen Länderverfassungen der
Rechtspflege als dritter Staatsfunktion ein eigener Abschnitt zu widmen ist. |
Wiederaufbau der Rechtspflege |
Eine unabhängige, unpolitische und rein sachlich
eingestellte Rechtspflege ist, ein besonders wichtiges Erfordernis und
zugleich eine unentbehrliche Bürgschaft des Rechtsstaats. Auf diesem Gebiet
hat das nationalsozialistische Regime ein großes Vertrauenskapital zerstört.
Die schon in den Länderverfassungen in Angriff genommene Aufgabe, hier von
Grund aus aufzubauen, muß im Grundgesetz fortgesetzt werden. Zum Teil
handelt es sich darum, alte bewährte Grundsätze (Anspruch auf den
gesetzlichen Richter, sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Richter,
nulla poena sine lege) wieder zu Ehren kommen zu lassen, zum Teil darum,
neue Formulierungen zu finden, um früher unbekannten, in der
nationalsozialistischen Zeit eingerissenen Mißbräuchen für die Zukunft den
Boden zu entziehen (Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen, Anspruch auf
rechtliches Gehör, Recht auf einen Verteidiger, ne bis in idem). |
Gerichtshoheit der Länder und des Bundes. Grundsätzlich nur Oberste Bundesgerichte und nur für Fragen des Bundesrechts |
An die Spitze des Abschnitts soll das Prinzip gestellt
werden, daß die Gerichtshoheit grundsätzlich den Ländern zusteht. Eine
Gerichtshoheit des Bundes ist nur in den Fällen gegeben, die durch das
Grundgesetz selbst festgelegt sind. Grundsätzlich sind nur oberste
Bundesgerichte und nur zur Entscheidung über Fragen des Bundesrechts
zulässig. |
Einheitliches oberstes Bundesgericht oder mehrere oberste Bundesgerichte ? |
Meinungsverschiedenheiten bestehen darüber, ob ein
einheitliches oberstes Bundesgericht für sämtliche Sachgebiete des
Bundesrechts zu schaffen sei oder ob verschiedene oberste Bundesgerichte
errichtet werden sollen. Für die erste Meinung wird vor allem angeführt: Gegen diese Auffassung wird vorgebracht: Schließlich wird noch der Standpunkt vertreten, daß in
dem Grundgesetz überhaupt nur das Bundesverfassungsgericht geregelt und die
Möglichkeit zur Schaffung eines obersten Bundesgerichts für Zivil- und
Strafsachen gegeben werden solle. |
Einigkeit über Herbeiführung der Rechtseinheit |
Alle Meinungen sind sich aber einig im Ziel, daß möglichst bald eine
Rechtseinheit herbeigeführt werden müsse. |
Regelung durch Bundesgesetzgebung |
Zum Ausgleich der widersprechenden Ansichten wird
vorgeschlagen, die Zahl der Gerichte offen zu lassen und es dem
Bundesgesetzgeber anheimzustellen, ein oder mehrere oberste Bundesgerichte
zu schaffen. |
Oberste Bundesgerichte nur als Spruchstellen |
Von verschiedenen Seiten wird die Ausgestaltung der
obersten Bundesgerichte lediglich als Spruchstellen für ausreichend
gehalten. Das Wesen dieser Spruchstellen besteht darin, daß sie nur
angegangen werden, wenn das oberste Gericht eines Landes von der
Entscheidung eines obersten Gerichts eines anderen Landes oder, wenn über
die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung eines obersten Bundesgerichts
ergangen ist, von dieser abweichen will. Die Entscheidung der Spruchstelle
ist für das oberste Gericht eines Landes bindend. Hierdurch wird die
Rechtseinheit in vollem Umfang gewahrt, aber die Überlastung und damit
verbundene Aufblähung des obersten Bundesgerichts vermieden. In Würdigung
dieser Gründe soll der Bundesgesetzgebung die Möglichkeit eröffnet werden,
auch diesen Weg zu wählen. |
Untere Bundesgerichte. Zuweisung von Entscheidungen über Landesrecht an oberste Bundesgerichte |
Der Grundsatz, daß nur oberste Bundesgerichte und nur für Fragen des Bundesrechts zulässig sind, soll nur in genau begrenzten Fällen durchbrochen werden dürfen. Untere Bundesgerichte sollen nur für (die wahrscheinlich seltenen) Verwaltungsstreitsachen gegen Bundesverwaltungsbehörden und für Dienststrafverfahren gegen Bundesbeamte errichtet werden können. Hier wird ein Unterbau für tragbar und notwendig gehalten, damit den Betroffenen nicht nur eine Instanz zur Verfügung steht. Es wird aber auch die Meinung vertreten, daß auf diese unteren Bundesgerichte verzichtet werden kann und Ländergerichte mit diesen Aufgaben betraut werden können. Die Entscheidung über Landesrecht soll obersten
Bundesgerichten durch Ländergesetze zugewiesen werden können. Diese
Durchbrechung des Grundsatzes entspringt dem Wunsch einzelner neu gebildeter
Länder, in denen ehemaliges einheitliches Landesrecht (z. B. preußisches),
das auch in anderen Ländern weitergilt, noch anwendbar ist, für Fragen aus
diesem Rechtsgebiet eine einheitliche letzte Instanz zu schaffen Hiergegen
werden keine Bedenken erhoben. |
Einschaltung von Bundesbehörden in Verfahren vor Ländergerichten |
Letztes Mittel der Durchsetzung des Überwachungs- und
allenfalsigen Weisungsrechts des Bundes gegenüber den Ländern ist der
Bundeszwang, die aber nur auf die äußersten Fälle beschränkt werden soll.
Deshalb soll es Bundesbehörden ermöglicht werden, sich in Verfahren vor
Ländergerichten, namentlich in Dienstverfahren wegen Vergehen, gegen den
Bund, einzuschalten. |
Vorlagepflicht des Richters statt richterlichem Prüfungsrecht |
Zur viel umstrittenen Frage des richterlichen
Prüfungsrechts wird vorgeschlagen, dieses Recht aus praktischen Gründen (man
denke beispielsweise an die Einzelheiten des parlamentarischen Werdegangs
eines Gesetzes) nicht dem einzelnen Richter zu überlassen. Um aber eine
gründliche Prüfung und zugleich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu
sichern, soll der Richter angewiesen werden, falls ihm Zweifel darüber
auftauchen, ob ein Gesetz das Grundgesetz oder die Verfassung eines Landes
verletzt oder ob ein Landesgesetz mit einem Bundesgesetz vereinbar ist, die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (für Fragen des Bundesrechts)
oder des Landesverfassungsgerichts (hinsichtlich einer Landesverfassung)
anzurufen. Darunter soll auch der Fall begriffen werden, daß z. B. ein
hessisches Gericht, für dessen Entscheidung es auf bayerisches Landesrecht
ankommt und das dieses Recht mit der bayerischen Verfassung für unvereinbar
hält, das bayerische Verfassungsgericht anrufen kann; dieser Fall kann durch
die Länderverfassungen nicht geregelt werden. |
Generalklausel für Verwaltungsrechtsstreitigkeiten |
Notwendig erscheint es dem Konvent auch, von
Verfassungs wegen zwingend die Generalklausel für
Verwaltungsrechtsstreitigkeiten vorzuschreiben. Die Verwaltungsgerichte
sollen aber nicht ausdrücklich erwähnt werden, weil die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen werden soll, eine einheitliche Gerichtsbarkeit für alle
Sachgebiete zu schaffen oder etwa auch für Verwaltungsrechtsstreitigkeiten
den ordentlichen Rechtsweg zu eröffnen. |
Todesstrafe |
Schließlich wurde im Zusammenhang mit den Grundrechten erwogen, ob in das Grundgesetz ein Verbot der Todesstrafe aufgenommen werden soll. Die Meinungen hierüber waren geteilt. Weil es sich um eine eminent politische Frage handelt, wurde beschlossen, sich auf die Anregung an den Parlamentarischen Rat zu beschränken, der Frage der Abschaffung der Todesstrafe, insbesondere in Bezug auf politische Delikte sein Augenmerk zuzuwenden.
|
Rechtsbereinigung |
Der Konvent hat sich bemüht, in das Gewirr von altem
Reichsrecht (und zwar .sowohl von Reichsrecht mit räumlich unbeschränktem
als auch mit räumlich beschränktem Geltungsbereich), ferner von Landesrecht
nach dem 8. Mai 1945, von zonalem und von bizonalem Recht eine gewisse
Ordnung für die Praxis zu bringen Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß
das bestehende Recht weitergilt, soweit es nicht dem Grundgesetz
widerspricht. Es muß jedoch klargestellt werden, ob das bestehende Recht als
Bundesrecht fortgilt, also nur von der Bundesgesetzgebung nicht von der
Landesgesetzgebung abgeändert werden kann, oder ob es als Landesrecht
fortgilt, und daher vom Land geändert werden kann. Diese Klarstellung sowie
die Möglichkeit einer Entscheidung von Zweifelsfragen sollen durch die Art.
138 und 140 geschaffen werden. Die beiden Artikel werden in zwei Fassungen
vorgelegt. Inhaltlich stimmen die beiden Fassungen überein. Sie gehen
lediglich deshalb in der Textierung auseinander, weil im Ausschuß von der
einen Seite eine übersichtlichere, wenn auch längere Formulierung für
zweckmäßiger gehalten wird, während von der anderen Seite eine knappere, die
einzelnen Fälle mehr zusammenfassende Formulierung bevorzugt wird. Die
beiden Seiten sind sich über den Umfang der zu regelnden Fälle einig; jede
Seite glaubt auch, daß in der von ihr gewählten Formulierung sämtliche
möglichen Fälle erfaßt sind: Insbesondere wurde darauf hingewiesen, daß Art.
139 Abs. 5 der einen Fassung in Art. 139 Abs. 2 der anderen Fassung
mitenthalten ist. |
Fortgeltung als Bundesrecht |
In sachlicher Hinsicht werden von beiden Seiten als
Bundesrecht bezeichnet: |
Fortgeltung als Landesrecht |
Dagegen werden als Landesrecht bezeichnet: a) Gesetze und Verordnungen des Landes, die Gegenstände der Vorranggesetzgebung betreffen und nur im Landesgebiet gelten; b) Gesetze und Verordnungen, die Gegenstände der Grundsatzgesetzgebung des Bundes betreffen. Da es zu Unzuträglichkeiten führen
würde, wenn im selben Gesetz Bundesrecht und Landesrecht enthalten wäre,
erklärt Abs. 5 ein solches Gesetz einheitlich als Landesrecht. |
Streit über Fortgeltung als Bundes- oder Landesrecht |
In Art. 140 wird ein vereinfachtes Verfahren vorgeschlagen, Streit darüber zu. entscheiden, ob nach Art. 139 ein Gesetz oder eine Verordnung als Bundesrecht oder als Landesrecht fortgilt. Die Entscheidung soll der Bundesjustizminister im Einvernehmen mit einem Minister des Landes oder der Länder treffen, deren Recht betroffen wird. Die Regelung erscheint erforderlich, um durch eine derartige rasch zu schaffende Klärung schädliche Unsicherheit in Rechts- und Wirtschaftsleben zu beseitigen. Bundes- oder Landesinteressen werden bei dieser Regelung nicht verletzt, da die Entscheidung nur im Einvernehmen von Bund und Ländern erfolgen kann. Kommt eine Einigung zwischen Bundesjustizminister und Landesminister nicht zustande, so kann der Bundesjustizminister nicht entscheiden. In diesem Fall der Nichteinigung besteht jedoch die Möglichkeit, die Streitfrage vor dem Bundesverfassungsgericht auszutragen (Art. 44). Eine Minderheit erhob Bedenken gegen Art. 140, weil er
die Entscheidung die Frage, ob ein Gesetz auf der Bundes- oder Landesebene
weitergelte, einem Verwaltungsorgane übertrage, also das Prinzip der
Trennung der Gewalten verwische. Es wurde vorgeschlagen, die Entscheidung
der Ländervertretung (Bundesrat, oder Senat) zu übertragen. |
Nachfolge für weggefallene Organe |
Im Artikel 141 wird klarzustellen versucht, welche
Organe zur Rechtsetzung und Verwaltung zuständig sind, wenn durch
Rechtsnormen aus früherer Zeit Organe für zuständig erklärt werden, die
nicht mehr bestehen; in solchen Fällen soll nicht schlechthin das
Nachfolgeorgan des früher zuständigen Organs zuständig sein, sondern das
Organ, das nach dem Grundgesetz zuständig wäre. Für reichsrechtliche
Einrichtungen und Vorschriften, die durch das Grundgesetz aufgehoben werden
oder aus sonstigen Gründen nicht mehr bestehen, wurde in Art. 142 eine
entsprechende Bestimmung getroffen. |
Überleitung gemeinsamer Nachkriegseinrichtungen |
Offengelassen wurde die Überleitung der bizonalen und
trizonalen Einrichtungen, der gemeinsamen Ländereinrichtungen in der
amerikanischen und französischen Zone und der Reichsnachfolgeverwaltungen in
der britischen Zone. |
Recht undemokratischen Ursprungs |
Keine Mehrheit fand ein Antrag, das Reichsrecht seit
1933 und das Landes- und Zonenrecht, das seit dem 9. Mai 1945 von einer
„demokratisch nicht legitimierten Behörde" erlassen wurde, Ende 1950 außer
Kraft treten zu lassen, falls es nicht durch Landesneuordnung bestätigt
würde. |
Befreiung von Nationalismus und Militarismus |
Die in den Ländern zur Befreiung des deutschen Volkes
vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften
sollen durch das Grundgesetz nicht berührt werden. Erörtert wurde, ob in
diesem Zusammenhang die öffentlichen Ämter für bestimmte Gruppen von
Belasteten gesperrt werden sollten. Dabei wurde auf Artikel 14 der
Verfassung der USA, Zusatz 1866-68 hingewiesen. Danach sollten Ämter im
Zivil- oder Militärdienst der Vereinigten Staaten und der Einzelstaaten
nicht von Personen bekleidet werden dürfen, die sich schon einmal unter
Bruch ihres Eides gegen die Vereinigten Staaten aufgelehnt hatten. |
Abänderung des Grundgesetzes nach Herstellung der außenpolitischen Freiheit |
Da das Grundgesetz nicht dem freien Gestaltungswillen
des deutschen Volkes entspringt, sondern sich in vorgezeichneten Bahnen zu
halten hat, wurde vorgeschlagen, es außer Kraft treten zu lassen, sobald
eine vom deutschen Volk in freier Selbstbestimmung beschlossene Verfassung
in Kraft trete. Dem wurde aber entgegengehalten, daß die künftige freie
Entscheidung über eine Bestätigung oder Abänderung des Grundgesetzes sich
auf jeden Fall nach den vom Grundgesetz selbst für seine Abänderung
gegebenen Bestimmungen vollziehen müsse. Ein Artikel des vorgesehenen
Wortlautes würde statt dessen eine Legalisierung beliebiger anderweitiger
Akte bedeuten, die etwa nach Herstellung der außenpolitischen Freiheit unter
dem Titel einer freien Neukonstituierung Deutschlands vorgenommen werden
sollten. |
GUTACHTEN ZUR BIERSTEUERFRAGE Für die Herausnahme der Biersteuer aus der Gesetzgebungszuständigkeit den Bundes und aus den dem Bund zu überlassenen Verbrauchsteuern wird folgendes geltend gemacht: I. Biererzeugung und Bierverbrauch spielen je
nach der Bedeutung des Bieres als Genußmittel oder als Volksnahrungsmittel
in den einzelnen Ländern eine sehr verschiedene Rolle. b) Der Bierverbrauch ist - anders als der Verbrauch von Branntwein, Tabak, Wein, Zucker, Salz usw. überwiegend ortsgebunden. Der allergrößte Teil des in Bayern erzeugten Bieres wird in Bayern selbst verbraucht, während die anderen Verbrauchsgüter in großen Mengen außerhalb des Landes, in dem die Besteuerung erfolgt, verbraucht werden. Die Übertragung der Biersteuer auf den Bund bedeutet daher eine unverhältnismäßig starke Belastung des bayerischen Verbrauches zugunsten des Bundes. c) Das bayerische Biersteuerreservat erfüllte eine wichtige F'inanzausgleichsfunktion im Bismarckschen Reich; diese wurde nach Eintritt Bayerns in die Norddeutsche Brausteuergemeinschaft durch eine laufende Entschädigung Bayerns anerkannt, die den Ausgleich der Personalsteuerschwäche Bayerns durch § 35 des Finanzausgleichsgesetzes erleichterte. Der Abbau der Entschädigung führte daher zu schweren politischen Kämpfen, auch hinsichtlich dieses § 35: d) Die Verbundenheit des Braugewerbes mit der Landwirtschaft (Gerste und Hopfen als Braustoffe, Trebern als Futtermittel), seine Bedeutung für die Hefeerzeugung und Weiterverarbeitung (Nährmittelbetriebe) und für zahlreiche gewerbliche Hilfsbetriebe (Faß- und Flaschenherstellung, Transportmaterial, Brauereimaschinen usw.) verlangen wegen ihrer wirtschaftlichen und steuerlichen Auswirkungen eine besondere Rücksichtnahme auf die örtlichen Verhältnisse, die bei einer Besteuerung der Biererzeugung durch den Bund nicht gewährleistet ist. II. Falls eine Herausnahme der Biersteuer aus
der Gesetzgebungszuständigkeit den Bundes abgelehnt wird, muß der Tatsache
des fast ausschließlichen Verbrauches des Steuergegenstandes im
Erzeugungsland und der sich daraus ergebenden unverhältnismäßigen
Mehrbelastung der Verbraucher zugunsten der Steuerzahler in den übrigen
Ländern dadurch Rechnung getragen werden, daß entweder die Biersteuer
schlechthin aus den Verbrauchssteuern herausgenommen wird, deren Aufkommen
dem Bunde zufließt, Für den letzteren Fall wäre folgende - allenfalls auch
auf andere Verbrauchssteuern auszudehnende - Fassung vorzuschlagen: |