Das Kommuniqué der Londoner Besprechungen über Deutschland
(zum Abschluss der sog. "Sechsmächtekonferenz")

vom 6. März 1948

Die amtlichen Besprechungen über die deutschen Probleme, die am 23. Februar in London zwischen den Vertretern der Vereinigten Staaten, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs begannen und vom 26 Februar an mit den Vertretern der Benelux­Länder fortgesetzt wurden, sind ausgesetzt worden.

Auf Verlangen der übrigen Delegationen fanden die Besprechungen unter dem Vorsitz von Sir William Strang, dem Vertreter des Vereinigten Königreiches, statt. Die Botschafter der Vereinigten Staaten und Frankreichs in London, Douglas und Massigli, leiteten die Delegationen dieser Länder.

In der ersten Sitzung kam man überein, die Benelux-Länder als gleichberechtigte Partner zur Aussprache über alle Punkte der Tagesordnung einzuladen, mit Ausnahme der Beratung über Verwaltungsfragen, die der unmittelbaren Verantwortung der Besatzungsmächte in den drei Besatzungszonen unterliegen.

Die Hauptvertreter der Benelux-Delegationen waren Jonkheer Michiels van Verduynen, der niederländische Botschafter, Vicomte Obert de Thieusies, der belgische Botschafter, und Clasen, der luxemburgische Gesandte. Es wurden wichtige Fortschritte erzielt, und man beschloß, daß diese Besprechungen im April wieder aufgenommen werden sollen mit dem Ziel, in den noch verbleibenden Fragen Beschlüsse herbeizuführen, damit die Delegationen in die Lage versetzt werden, ihren Regierungen nach Beendigung der nächsten Tagung ihre Empfehlungen für das gesamte Arbeitsgebiet zu unterbreiten. In der Zwischenzeit sollen verschiedene Seiten einiger dieser Probleme mehr im einzelnen geprüft werden.

Das andauernde Unvermögen des Rates der Außenminister, zu einer Viermächte-Einigung zu kommen, hat in Deutschland eine Lage geschaffen, die in zunehmendem Maße unglückliche Folgen für Westeuropa haben würde, wenn man sie fortdauern ließe: Es war darum notwendig, die dringenden politischen und wirtschaftlichen Probleme zu lösen, die sich aus dieser Lage in Deutschland ergaben. Die teilnehmenden Mächte hatten die Notwendigkeit im Auge, den wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas einschließlich Deutschlands sicherzustellen und eine Grundlage für die Beteiligung eines demokratischen Deutschlands an der Gemeinschaft der freien Völker zu schaffen. Eine Verzögerung auf dem Wege zu diesem Ziele kann nicht länger hingenommen werden, doch wird damit das schließliche Zustandekommen einer Viermächte-Einigung durchaus nicht von vornherein ausgeschlossen.

Die verschiedenen Punkte der Tagesordnung wurden gründlich durchgearbeitet, mit Ausnahme der Sicherheitsfragen, die erst vorläufig behandelt wurden und nach Wiederaufnahme der Beratungen eingehend betrachtet werden sollen. Auch die Besprechung der Gebietsfragen wurde bis zur nächsten Tagung aufgeschoben.

Zwischen den Delegationen der Vereinigten Staaten, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs fanden Beratungen über gewisse begrenzte Teilfragen bezüglich der Reparationen aus Deutschland statt, die die Politik in den Besatzungszonen betreffen, für die diese Länder als Besatzungsmächte verantwortlich sind.

Zwischen den Delegationen der Vereinigten Staaten, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs wurde weiterhin das Verhältnis Westdeutschlands zum europäischen Wiederaufbauprogramm besprochen. Man war sich einig, daß im Interesse des politischen Gleichgewichts und wirtschaftlichen Wohlergehens der westeuropäischen Länder und eines demokratischen Deutschlands eine enge Verbindung ihres Wirtschaftslebens vorhanden sein muß. Da es sich als unmöglich erwiesen hat, die wirtschaftliche Einheit Deutschlands zustande zu bringen, und die Ostzone gehindert worden ist, ihre Rolle im europäischen Wiederaufbauprogramm zu spielen, sind die drei Westmächte übereingekommen, zwischen ihnen und den Besatzungsbehörden in Westdeutschland eine enge Zusammenarbeit in allen Angelegenheiten herbeizuführen, die sich aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm in Bezug auf Westdeutschland ergeben. Eine derartige Zusammenarbeit ist unerläßlich, wenn Westdeutschland seinen vollen Beitrag zur Erholung Europas leisten soll.

Man beschloß weiterhin, den drei Regierungen zu empfehlen, daß die vereinigten Zonen und die französische Zone voll am europäischen Wiederaufbauprogramm beteiligt und in angemessener Weise in der ständigen Organisation vertreten sein sollen. Vorschläge in diesem Sinne werden auf der kommenden Tagung des Ausschusses für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgelegt werden. Man einigte sich grundsätzlich über die Empfehlungen für die Beteiligung der Benelux-Länder an der Deutschlandpolitik.

Die Errichtung einer internationalen Kontrolle für das Ruhrgebiet, in der Deutschland vertreten sein soll, wurde von allen Delegationen eingehend geprüft. Die Aufgabe dieser internationalen Kontrolle wäre es, sicherzustellen, daß die wirtschaftlichen Hilfsquellen der Ruhr nicht erneut für Zwecke der Aggression verwendet werden und daß ausreichender Zugang zu der Kohlen-, Koks- und Stahlerzeugung des Ruhrgebietes zum Wohle weiter Teile der europäischen Gemeinschaft einschließlich Deutschlands geschaffen wird. Gemeinsame Empfehlungen über Ausmaß und Form dieser Kontrolle werden den beteiligten Regierungen unterbreitet werden.

Eine erfolgreiche Aussprache fand unter allen Delegationen über die gegenwärtige Lage und die mögliche Entwicklung des politischen und wirtschaftlichen Aufbaus Deutschlands in der vereinigten britisch-amerikanischen und in der französischen Zone statt. Eine weitgehende Einigung wurde in einer Anzahl umstrittener Punkte erreicht. Insbesondere kam man überein, daß eine föderative Regierungsform, die die Rechte der betreffenden Staaten ausreichend schützt, aber gleichzeitig für eine angemessene zentrale Autorität sorgt, am besten für die schließliche Wiederherstellung der gegenwärtig fehlenden Einheit Deutschlands geeignet ist. Weiterhin wurde, um die Beteiligung Westdeutschlands am europäischen Wiederaufbauprogramm zu erleichtern, von den drei betroffenen Delegationen beschlossen, sofort Maßnahmen zu treffen, um die Wirtschaftspolitik der drei Zonen in Angelegenheiten wie Außen- und Interzonenhandel, Zollwesen und Freizügigkeit von Personen und Gütern so weit wie möglich gleichmäßig auszurichten.

Aufgrund dieser "Sechsmächtekonferenz" hat der Oberbefehlshaber der sowjetischen Truppen in Deutschland als amtierender Vorsitzender des Alliierten Kontrollrats in Deutschland am 20. März 1948 den Kontrollrat vertagt und die Mitarbeit der Sowjetunion im Kontrollrat eingestellt.


Quellen: Europaarchiv 1948 S. 1347
© 4. Juni 2004
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