Kontrollratsgesetz Nr. 43
Verbot der Herstellung, der Einfuhr, der Ausfuhr, der
Beförderung und der Lagerung von Kriegsmaterial
vom 20. Dezember 1946
in Kraft getreten am 30. Dezember 1946
für die Bundesrepublik Deutschland außer Wirkung
gesetzt durch
Artikel 10 des Gesetzes Nr. 24 (Überwachung bestimmter Gegenstände, Erzeugnisse,
Anlagen und Geräte) der Alliierten Hohen Kommission vom 30. März 1950 (ABl. AHK
S. 251)
für die DDR außer Wirkung gesetzt
durch
Beschluß des Ministerrats der UdSSR über die Auflösung der Hohen Kommission der
Sowjetunion in Deutschland vom 20. September 1955
Zur Verhinderung der Wiederaufrüstung Deutschlands erläßt der Kontrollrat das folgende Gesetz:
Artikel I. 1. Die Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr, Beförderung und Lagerung des in dem beigefügten Verzeichnis A angeführten Kriegsmaterials ist verboten. Gemäß den Weisungen des zuständigen Zonenbefehlshabers (in Berlin des zuständigen Sektorenbefehlshabers) sind sämtliche Materialbestände dieser Art so bald als möglich zu vernichten zu beseitigen oder auf den notwendigen Friedensgebrauch umzustellen.
2. Museumsstücke und Gegenstände von historischem Wert unterliegen nicht den Bestimmungen des Absatzes I dieses Artikels.
3. Der Im Verzeichnis A gebrauchte Ausdruck „Kriegsmaterial" umfaßt Bestandteile, Zubehörstücke und Ersatzteile solchen Materials, die eigene für militärische Zwecke bestimmt sind.
Artikel II. Die Herstellung, Einfuhr, Beförderung und Lagerung den im beigefügten Verzeichnis B angeführten Kriegsmateriale ist nur mit Genehmigung und unter Kontrolle den zuständigen Zonenbefehlshabers gestattet. Die Herstellung des in diesem Verzeichnis angeführten Materials ist auf die Befriedigung des notwendigen Friedensbedarfs beschränkt; vorhandene Materialbestände, die diesen Bedarf übersteigen, sind gemäß den Weisungen des zuständigen Zonenbefehlshabers zu vernichten oder zu beseitigen. Die Ausfuhr den im Verzeichnis B angeführten Materials kann mit Genehmigung der zuständigen Stelle der Alliierten Kontrollbehörde erfolgen.
Artikel III. Das nachstehend angeführte
Material ist hinsichtlich seiner Herstellung als zum Verzeichnis A und
hinsichtlich seiner Einfuhr, Beförderung und Lagerung als zum Verzeichnis B
gehörend zu betrachten:
a) Waffen und Munition für den genehmigten inneren Sicherheitsdienst und
sonstige genehmigte Zwecke;
b) Geheimschriftmaschinen und Vorrichtungen für Verschlüsselungen im
behördlichen Dienst und im genehmigten inneren Sicherheitsdienst.
Artikel IV. 1. Jede Person, Organisation oder Personengruppe, welche Eigentum an den in den Verzeichnissen A und B angeführten Materialbeständen hat oder die Verfügungsgewalt darüber besitzt, hat innerhalb von 90 Tagen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes besagtes Material bei dem zuständigen Zonenbefehlshaber schriftlich anzumelden.
2. Jede Person, die von dem Vorhandensein solcher Bestände, die bei dem zuständigen Zonenbefehlshaber nicht angemeldet sind, Kenntnis hat, ist selbst zu dieser Anmeldung verpflichtet.
Artikel V. Auf Antrag einer interessierten Besetzungsmacht kann das laut Verzeichnis A dem Verbot unterliegende Material ausnahmsweise von der Alliierten Kontrollbehörde oder einer in ihrem Namen handelnden Stelle in das Verzeichnis B aufgenommen werden, vorausgesetzt, daß das betreffende Material der Deckung des Friedensbedarfs dienen soll, nicht eigens für Kriegszwecke bestimmt und nicht an sich gefährlich ist.
Artikel VI. 1. Jede Person, die gegen
eine Bestimmung dieses Gesetzes oder eine auf Grund dieses Gesetzes erlassene
Ausführungsverordnung verstößt oder zu verstoßen versucht. setzt sich
strafrechtlicher Verfolgung vor einem Gericht der Militärregierung aus und
unterliegt im Falle der Verurteilung einer der folgenden Strafen
a) Gefängnis bis zu fünf Jahren;
b) Zuchthaus von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren;
c) in schweren Fällen lebenslängliches Zuchthaus oder Todesstrafe.
Daneben kann auf Einziehung des gesamten Vermögens oder eines Teiles desselben
erkannt werden.
2. Jede Organisation, die gegen eine Bestimmung dieses Gesetzes oder eine auf Grund dieses Gesetzes erlassene Ausführungsverordnung verstößt oder zu verstoßen versucht, setzt sich strafrechtlicher Verfolgung vor einem Gericht der Militärregierung aus und unterliegt im Falle der Verurteilung der Auflösung; das Gericht hat. auf Einziehung ihres Vermögens zu erkennen.
Artikel VII. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft.
Ausgefertigt in Berlin, den 20. Dezember 1946.
(Die in den drei offiziellen Sprachen abgefaßten Originaltexte dieses Gesetzes sind von Joseph T. McNarney, General; Sholto Douglas, Marschall der Königlichen Luftwaffe; P. Koenig, General der Armee: P. A. Kurochkin, Generaloberst, unterzeichnet.)
Verzeichnis A
Gruppe I
a) Sämtliche Waffen, einschließlich atomischer Kriegsführungsmittel, oder Vorrichtungen aller Kaliber und Arten, die geeignet sind, tödliche oder vernichtende Geschosse, Flüssigkeiten, Gase oder toxische Stoffe vorzutreiben, sowie die dazugehörigen Lafetten und Gestelle.
b) Sämtliche Geschosse für die obigen Waffen sowie deren Vertreib- oder Antriebsmitte. Beispiele von Antriebsmitteln sind Kartuschen, Ladungen usw.
e) Sämtliche militärischen Vernichtungsmitte, z. B. Granaten, Bomben, Torpedos, Minen, Unterwasserminen, Wasserbomben, Sprengladungen und Ladungen mit Selbstantrieb.
d) Sämtliche militärischen Hieb- und Stichwaffen (französisch: weiße Waffen - russisch: kalte Waffen), z. B. Seitengewehre, Säbel, Dolche und Lanzen.
Gruppe II
a) Sämtliche eigens für militärische Zwecke ausgerüstete oder bestimmte Fahrzeuge, z B. Panzer, Panzerwagen, Anhänger zum Panzertransport, gepanzertes, rollendes Eisenbahnmaterial usw.;
b) Panzerungen jeder Art für militärische Zwecke;
c) Eigens für militärische Zwecke bestimmte Geschirre.
Gruppe III
a) I. Entfernungsmeßgeräte jeder Art für militärische Zwecke;
II. Ziel-, Lenkungs- und Berechnungsgeräte für Feuerregelung;
III. Suchgeräte jeder Art (insbesondere alle Funkpeil- und Funksuchgeräte);
IV. Geräte zur Unterstützung der Feuerbeobachtung oder zur Fernlenkung von in Bewegung befindlichen Gegenständen.
b) Sämtliche Signal und Fernverbindungsgeräte und Einrichtungen die eigens für Kriegszwecke konstruiert sind; sämtliche Funkstörgeräte.
c) Scheinwerfer mit einem Spiegeldurchmesser über 45 cm,
d) Optische Geräte jeder Art, die eigens für Kriegszwecke konstruiert oder bestimmt sind.
e) Vermessungs- oder kartographische Ausrüstungen und Geräte jeder Art, die eigens für Kriegszwecke konstruiert sind. Militärische Karten und Gerät zu deren Gebrauch.
f) Pionierwerkzeuge, -maschinen und -geräte für militärische Zwecke, z. B. Spezialbrückenbaumaterial.
g) Militärische Ausrüstungen und Uniformen für Einzelpersonen, militärische Abzeichen und Auszeichnungen.
h) Geheimschriftmaschinen und Vorrichtungen für Verschlüsselungszwecke.
i) Sämtliche Tarnungs- und Blendvorrichtungen.
Alle die Materialien der Gruppe III, die normalerweise in Friedenszeiten verwandt werden können und nicht eigens für militärische Zwecke konstruiert sind, unterliegen nicht den Vorschriften des Artikels I Absatz 1) dieses Gesetzes; dies gilt nicht für elektronische Vorrichtungen, z. B. Funkmeß- (Radars), Funkpeil- und ähnliche Geräte.
Gruppe IV
a) Kriegsschiffe sämtlicher Klassen. Sämtliche Schiffe und schwimmende Einrichtungen, die eigens zum Betrieb und zur Instandhaltung von Kriegsschiffen bestimmt sind. Sämtliche Schiffe mit Eigenschaften, die für einen normalen Friedensgebrauch nicht erforderlich sind, sowie Schiffe, welche in einer Weise geplant oder gebaut sind, die ihre Umwandlung in Kriegsschiffe oder ihren Gebrauch für militärische Zwecke vorsieht.
b) Besondere Maschinenanlagen, Ausrüstungen und Einrichtungen, die in Friedenszeiten gewöhnlich nur auf Kriegsschiffen Verwendung finden.
c) Tauchfahrzeuge aller Art; Tauchvorrichtungen jeder Art, die für militärische Zwecke bestimmt sind. Besondere Ausrüstungen, die zu diesen Fahrzeugen und Vorrichtungen gehören.
d) Sämtliche Landungsvorrichtungen für militärische Zwecke.
e) Material, Ausrüstungen und Anlagen zur militärischen Verteidigung von Küsten, Häfen usw.
Gruppe V
a) Luftfahrzeuge jeder Art, schwerer oder leichter als Luft, mit oder ohne Antriebsvorrichtungen, unter Einschluß von Drachen, Fesselballons, Gleitflugzeugen und Flugzeugmodellen; nebst sämtlichen Hilfsgeräten, einschließlich Flugzeugmotoren, Bestandteilen, Zubehörstücken und Ersatzteilen, die eigens für den Betrieb von Luftfahrzeugen bestimmt sind.
b) Bodeneinrichtungen zur Instandhaltung und Bedienung, Prüfung und Unterstützung des Betriebes von Luftfahrzeugen, z. B. Katapulte. Winden und Navigationssignale; Material für die schnelle Errichtung von Flugplätzen, z. B Landungsmatten; Spezialgerät, das in Verbindung mit Luftaufnahmen gebraucht wird. Die Vorschriften des Artikels I. Absatz (1) dieses Gesetzes gelten jedoch nicht für solche Geräte und Materialien für Flug und Navigationssignale, die einem normalen Friedensgebrauch dienen und nicht eigens für im Verzeichnis B angeführte militärische Zwecke bestimmt sind.
Gruppe VI
Sämtliche Zeichnungen, Aufstellungen, Pläne, Modelle und Nachbildungen, die sich unmittelbar auf die Entwicklung, Herstellung, Erprobung oder Prüfung von Kriegsmaterial oder auf Versuche oder Forschungen in Verbindung mit Kriegsmaterial beziehen.
Gruppe VII
Maschinen sowie sonstige Herstellungsgeräte fand Werkzeuge, die bei der Entwicklung, Herstellung, Erprobung oder Prüfung des in diesem Verzeichnis angeführten Kriegsmaterials verwendet werden und die nicht auf den Friedensgebrauch, umgestellt werden können.
Gruppe VIII
a) Die
folgenden chemischen Kriegsstoffe;
Hochexplosive Sprengstoffe, mit Ausnahme der im Verzeichnis
B, Gruppe VIII a) angeführten.
(Anmerkung: Unter „hochexplosiven Sprengstoffen" sind organische Sprengstoffe zu verstehen, die zur Füllung von Geschossen, Bomben usw. verwendet werden.)
Zweibasige Treibpulver (d. h. Nitrozellulosetreibpulver, welche Nitroglyzerin, Diaethylenglycoldinitrat oder analoge Stoffe enthalten).
Einbasige Treibpulver für Waffen jeder Art, mit Ausnahme von Sportwaffen.
Nitro-Guanidin.
Giftgase zur Kriegsführung (einschließlich aller flüssigen und festen Stoffe, die gewöhnlich unter diesem Ausdruck verstanden werden), mit Ausnahme der in Gruppe VIII b) des Verzeichnisses B angeführten.
Raketentreibstoffe: Wasserstoff-Peroxyd von mehr als 33 % Konzentration
Hydrazin-Hydrat
Methylnitrat.
Hochtoxische Stoffe bakteriologischen oder pflanzlichen Ursprungs (ausgenommen solche Stoffe bakteriologischen oder pflanzlichen Ursprungs, die für therapeutische Zwecke verwendet werden).
b) Sämtliche Spezialmittel für Einzel- oder Gemeinschaftsverteidigung, die im Frieden ausschließlich Streitkräften verwendet werden, z. B. Schutzmasken gegen toxische oder der Kriegsführung, Spurgeräte
Gruppe IX
Sämtliche Apparate, Vorrichtungen und Materialien, die eigens zur Ausbildung und Unterweisung des Personals im Gebrauch, in der Behandlung, Herstellung oder Erhaltung von Kriegsmaterial bestimmt sind.
Verzeichnis B
Gruppe I
a) Sprengladungen, die in öffentlichen Betrieben, Bergwerken, Steinbrüchen usw. gebraucht werden sowie deren Zubehör, einschließlich der Sprengstoffe für industrielle Zwecke.
b) Sprengstoffvorrichtungen für Verwendung in Industrie und Landwirtschaft, deren Zubehör und Betriebsmittel, z. B. Eisenbahnnebelsignale, Raketen und Gerät für Lebensrettungszwecke, Vorrichtungen, die eigens für schmerzlose Viehschlachtung bestimmt sind, usw.
c) Sportwaffen und deren Munition.
Gruppe II
Nichtgehärtete Panzerungen für gewerbliche Zwecke.
Gruppe IV
Schnellboote.
Gruppe V
a) Solche Ausrüstungen und Materialien für Flugplätze und Navigationssignale, die einem normalen Friedensgebrauch dienen und nicht eigens für militärische Zwecke bestimmt sind.
Gruppe VIII
Chemische Kriegsstoffe, die jedoch auch für die Friedenswirtschaft benötigt werden.
a)
Hochexplosive Stoffe:
Trinitrotoluol
Tetryl
Pentaerythrittetranitrat
Pikrinsäure
Dinitrotoluol
Nitroglyzerin
Initialsprengstoffe
Nitrozellulose
Einbasige Treibpulver für Sportwaffen.
b) Giftgase, deren Verwendung für Kriegszwecke möglich ist:
Chlor
Phosgen
Blausäure
Chlor Ketone
Halogenierte Carboxylsäuren und deren Ester
Halogenide der Blausäure
Tränenerregende Halogenderivate von Kohlenwasserstoffen.
c) Sonstige chemische Stoffe:
Wasserstoffperoxyd von 37 % Konzentration und darunter
Flüssiger Sauerstoff
Aktivkohle
Weißer Phosphor
Brandsätze, z. B. Thermite
Rauch oder Nebel erzeugende Stoffe, z. B. Titantetrachlorid und Siliciumtetrachlorid.