Kontrollratsdirektive Nr. 50
Verfügung über Vermögenswerte, die den in der Kontrollratproklamation Nr.2 und im Kontrollratgesetz Nr. 2 aufgeführten Organisationen gehört haben.

vom 29. April 1947

für die Bundesrepublik Deutschland größtenteils wirkungslos geworden durch
Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen vom 17. März 1965 /BGBl. I. S. 79)

für die DDR außer Wirkung gesetzt durch
Beschluß des Ministerrats der UdSSR über die Auflösung der Hohen Kommission der Sowjetunion in Deutschland vom 20. September 1955

Gemäß Kontrollratproklamation Nr. 2, Abschnitt I, und Kontrollratgesetz Nr. 2 erläßt der Kontrollrat folgende Direktive:

Artikel I. Über sämtliche in Deutschland befindlichen Vermögenswerte, die den in Abschnitt I der Kontrollratproklamation Nr. 2 und in Artikel I des Kontrollratgesetzes Nr. 2 und in dessen Anhang erwähnten nationalsozialistischen, militärischen und militärähnlichen Organisationen gehört haben, ist gemäß den Vorschriften dieser Direktive, vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels IX, zu verfügen.

Artikel II. 1. Das Eigentum an Vermögenswerten, die nicht der Verfügung oder dem Gebrauch gemäß Artikel VIII unterliegen und vor ihrer Übertragung an eine der in Artikel I bezeichneten Organisationen einer Gewerkschaft, Genossenschaft, politischen Partei oder sonstigen demokratischen Organisation gehört haben, ist auf die betreffende Organisation zurückzuübertragen, vorausgesetzt, daß diese Organisation zugelassen und ihre Betätigung von dem zuständigen Zonenbefehlshaber genehmigt ist.

2. Falls eine Rückübertragung des Eigentums nicht möglich ist, weil keine gegenwärtig bestehende Organisation mit dem früheren Eigentümer völlig identisch ist, so ist das Eigentum an den Vermögenswerten einer oder mehreren neuen Organisationen zu übertragen, deren Ziele nach dem Dafürhalten des Zonenbefehlshabers denen der früheren Organisation ähnlich sind.

Artikel III. Vermögenswerte, die nicht der Verfügung oder dem Gebrauch gemäß Artikel VIII unterliegen und die vordem Zwecken der Unterstützung, der Wohltätigkeit, religiösen oder humanitären Zwecken gedient haben, sind unter Wahrung ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung zu verwenden oder zu gebrauchen, sofern dies demokratischen Grundsätzen entspricht; solche Vermögenswerte sind derjenigen Organisation oder denjenigen Organisationen, denen sie früher gehört haben, oder einer oder mehreren neuen Organisationen zu übertragen, im letzteren Falle unter der Voraussetzung, daß der Zonenbefehlshaber zu der Feststellung gelangt, daß die Bestrebungen und Ziele der neuen Organisation oder Organisationen denen der früheren Organisation ähnlich sind und sich mit den Grundsätzen der Demokratisierung Deutschlands in Übereinstimmung befinden, oder sie sind unter den gleichen Bedingungen hinsichtlich Verfügung oder Gebrauch nach dem Ermessen des Zonenbefehlshabers den Ländern oder Provinzen zu übertragen.

Artikel IV. Die Übertragung von Vermögenswerten gemäß Artikel II und III erfolgt kostenfrei; indessen können die Zonenbefehlshaber nach ihrem Ermessen verlangen, daß der Erwerber die Schulden ganz oder teilweise bezahlt oder übernimmt und für jeden Wertzuwachs der Vermögenswerte Zahlung leistet oder Haftung übernimmt nach den gleichen Grundsätzen, die für Vermögenswerte gelten, die innerhalb Deutschlands der Rückerstattung an Opfer nationalsozialistischer Verfolgung unterliegen.

Artikel V. 1. Das Eigentum an Vermögenswerten, die weder der Verfügung oder dem Gebrauch gemäß Artikel VIII noch der Rückerstattung oder Übertragung auf Grund der Bestimmungen der Artikel II und III dieser Direktive unterliegen, oder deren Erwerb von den in Artikel II und III bezeichneten Organisationen abgelehnt wird, ist durch den Zonenbefehlshaber im Namen der Alliierten Kontrollbehörde der Regierung des Landes oder der Provinz zu übertragen, wo sich die Vermögenswerte befinden.

2. Die Regierung eines Landes oder einer Provinz kann die Vermögenswerte in eigener Verwaltung behalten und gebrauchen oder ihren Gebrauch an Kreise, Bezirke oder Gemeinden ihres Verwaltungsbereiches übertragen. Der Gebrauch der Vermögenswerte muß innerhalb des Aufgabenkreises des Berechtigten oder seines Rechtsnachfolgers liegen und der Gebrauch darf nicht nach dem Dafürhalten des Zonenbefehlshabers ein unangemessener sein.

3. Die Regierung des Landes oder der Provinz, wo sich die Vermögenswerte befinden, hat gemäß dieser Direktive und gemäß den Anordnungen des Zonenbefehlshabers alle Vermögenswerte, die nicht gemäß Absatz 2 dieses Artikels verwaltet oder benutzt werden, zu verkaufen. Der Reinerlös derartiger Verkäufe muß im Haushaltsplan des betreffenden Landes oder der betreffenden Provinz erscheinen.

4. Die Regierung eines Landes oder einer Provinz bleibt ohne Rücksicht darauf, ob sie die Vermögenswerte gemäß den Bestimmungen dieses Artikels in eigener Verwaltung behält, überträgt oder verkauft, dafür verantwortlich, daß diese Vermögenswerte nicht für einen Zweck verwendet werden, den der Zonenbefehlshaber für ungeeignet erachtet.

5. Jegliche Haftung und Belastung, die auf den gemäß diesem Artikel übertragenen Vermögenswerten ruht, gleichviel, ob sie vor oder nach der Beschlagnahme des Vermögens auf Grund des Kontrollratgesetzes Nr. 2 entstanden ist, geht bis zu einem Betrage, der den Wert der übertragenen Vermögenswerte nicht übersteigt, auf den Erwerber, Land oder Provinz, über.

6. Länder oder Provinzen, die auf Grund dieses Artikels Vermögenswerte einer Organisation erwerben, haben eine beschränkte Haftung für deren Verbindlichkeiten, die nach den von der Alliierten Kontrollbehörde zu erlassenden Grundsätzen als bestehend festgesetzt worden sind, zu übernehmen. Diese Haftung darf in keinem Falle den Wert des durch das Land oder die Provinz von der betreffenden Organisation erworbenen Vermögens übersteigen, wobei die darauf ruhenden Lasten in Anrechnung zu bringen sind. Die von dem Land oder der Provinz nach Maßgabe dieses Absatzes zu begleichenden Schulden dürfen nicht den Betrag übersteigen, der verbleibt, nachdem alle sonstigen Mittel der Organisation zur Tilgung der Schulden verwendet worden sind. Der so verbleibende Schuldbetrag ist auf alle Länder und Provinzen im Verhältnis zu dem Wert des Vermögens der betreffenden Organisation, welchen jedes einzelne Land oder jede einzelne Provinz erhalten hat, zu verteilen. Die Erfüllung solcher Verbindlichkeiten kann vor dem Erlaß weiterer Anweisungen der Alliierten Kontrollbehörde nicht verlangt werden; auch dürfen keine Schulden im Widerspruch zu den von der Alliierten Kontrollbehörde festgelegten Grundsätzen beglichen werden, und insbesondere dürfen Schulden nicht bezahlt werden, wenn dies zu einer Entschädigung von Personen führen würde, die die nationalsozialistische Partei oder die nationalsozialistische Herrschaft unterstützt haben.

Artikel VI. Den Zonenbefehlshabern, in Berlin den Sektorenbefehlshabern, obliegt es, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Verfügung über Vermögenswerte sowie deren Gebrauch nach Maßgabe dieser Direktive zu sichern.

Artikel VII. Das Eigentum an Vermögenswerten, die sich in Berlin befinden, ist den Verwaltungsbezirken zu übertragen; es ist über sie nach den obigen für das übrige Deutschland festgesetzten Grundsätzen zu verfügen. Zu diesem Zweck üben die zuständigen Sektorenbefehlshaber in Berlin die Befugnisse aus, die hinsichtlich von Vermögenswerten, die sich in anderen Teilen Deutschlands befinden, den Zonenbefehlshabern übertragen sind. Die Aufgaben, Befugnisse und Verbindlichkeiten der Landes- oder Provinzialregierungen hinsichtlich von Vermögenswerten in anderen Teilen Deutschlands fallen in bezug auf die in Berlin befindlichen Vermögenswerte den betreffenden Verwaltungsbezirken zu.

Artikel VIII. 1. Die Zonenbefehlshaber sollen Vermögenswerte, die als Kriegspotential der Zerstörung unterliegen, vernichten; reparationspflichtige Vermögenswerte für Reparationszwecke bestimmen;  Vermögenswerte, die für Besetzungszwecke bestimmt sind, für diese Zwecke verwenden, ferner sollen sie zurückerstatten:
a) an die betreffende Regierung die auf Grund der Bestimmung des Begriffes „Wiedergutmachung" seitens der Alliierten Kontrollbehörde rückerstattungspflichtigen Vermögenswerte,
b) Vermögenswerte der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung.

Dabei ist in derselben Weise zu verfahren wie mit gleichartigen Vermögenswerten, die nicht Eigentum einer der in Artikel I dieser Direktive bezeichneten Organisationen sind.

2. Zum Zwecke der Verwirklichung der Ziele dieses Artikels können die Zonenbefehlshaber Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen hinsichtlich der, gemäß dieser Direktive übertragenen Vermögenswerte, die sie für unvereinbar mit dem Zweck und Inhalt dieser Direktive erachten, jederzeit aufheben oder abändern.

Artikel IX. Den Vorschriften dieser Direktive unterliegen nicht die folgenden Arten von Vermögenswerten:
1. Wertpapiere, Barguthaben und Geldforderungen der in Artikel I erwähnten Organisationen; diese Vermögenswerte bleiben bis zur weiteren Entscheidung der Alliierten Kontrollbehörde gesperrt;
2. Vermögenswerte, die vordem Eigentum von feindlichen nichtdeutschen Staatsangehörigen oder Organisationen waren;
3. Vermögenswerte des Deutschen Reichs, einschließlich der Vermögenswerte von Organisationen des Reiches, die in Abschnitt I der Proklamation Nr. 2 aufgeführt sind;
4. Vermögenswerte der der Deutschen Arbeitsfront angeschlossenen Versicherungsgesellschaften.

Artikel X. Diese Direktive tritt mit dem Tage ihrer Unterzeichnung in Kraft.

    Ausgefertigt in Berlin, den 29. April 1947.

(Die in den drei offiziellen Sprachen abgefaßten Originaltexte dieser Direktive sind von F. A. Keating, Generalmajor; N. C. D. Brownjohn, Generalmajor für B. H. Robertson, Generalleutnant; R. Noiret, Divisionsgeneral, und P. A. Kurotschkin, Generaloberst, unterzeichnet.)

 


Quellen: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 275
© 8. Mai 2004 - 2. Juli 2004
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