Abkommen über Kontrolleinrichtungen in Deutschland
vom 14. November 1944
Inkrafttreten: 6. Februar 1945
Signatarstaaten:
Großbritannien, Sowjetunion, Vereinigte Staaten
Beigetreten:
Frankreich
[Die Provisorische Regierung der Französischen Republik und] Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken haben das folgende Abkommen über die Organisation der Alliierten Kontrolleinrichtungen in Deutschland während des Zeitraumes, in dem Deutschland die grundlegenden Forderungen der bedingungslosen Kapitulation erfüllen wird, geschlossen:
Art. 1. Die oberste Gewalt in Deutschland wird nach Weisungen ihrer jeweiligen Regierungen von den Oberbefehlshabern der Streitkräfte [der Französischen Republik,] der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ausgeübt, von jedem in seiner eigenen Besatzungszone und auch gemeinsam in allen Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten - in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des nach dem vorliegenden Abkommen errichteten höchsten Kontrollorgans.
Art. 2. Jedem Oberbefehlshaber werden in seiner Besatzungszone Vertreter für Heer, Marine und Luftwaffe der beiden [drei] anderen Oberbefehlshaber mit Verbindungsaufgaben beigegeben.
Art. 3. a) Die drei [vier] Oberbefehlshaber bilden, als Einheit
handelnd, das höchste Kontrollorgan, Kontrollrat genannt.
b) Die Aufgaben des Kontrollrates sind:
I. die angemessene Einheitlichkeit des Vorgehens der Oberbefehlshaber
in ihren jeweiligen Besatzungszonen sicherzustellen;
II. Pläne aufzustellen und im gegenseitigen Einvernehmen Entscheidungen
zu treffen über die wesentlichen Deutschland als Ganzes betreffenden
militärischen, politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Fragen,
und zwar gemäß den jedem Oberbefehlshaber von seiner Regierung
erteilten Weisungen;
III. die deutsche Zentralverwaltung zu überwachen, die nach Anweisungen
des Kontrollrates tätig und diesem für die Sicherstellung der
Erfüllung seiner Forderungen verantwortlich sein wird;
IV. die Verwaltung Groß-Berlins durch entsprechende Organe zu
leiten.
c) Der Kontrollrat tritt wenigstens einmal innerhalb von zehn Tagen
und auf Antrag eines seiner Mitglieder jederzeit zusammen. Entscheidungen
des Kontrollrates müssen einstimmig ergehen. Der Vorsitz im Kontrollrat
wird der Reihe nach von jedem seiner drei [vier] Mitglieder geführt.
d) Jedem Mitglied des Kontrollrates steht ein politischer Berater zur
Seite, der - wenn erforderlich - an den Sitzungen des Kontrollrates teilnehmen
wird. Jedes Mitglied kann auch - wenn erforderlich - bei Sitzungen des
Rates von Marine- oder Luftwaffensachverständigen begleitet werden.
Art. 4. Dem Kontrollrat wird ein ständiger Koordinierungsausschuß untergeordnet, der sich aus je einem Vertreter der drei [vier] Oberbefehlshaber nicht unter Generalsrang oder dem entsprechenden Rang der Marine oder Luftwaffe zusammensetzt. Mitglieder des Koordinierungsausschusses werden, wenn erforderlich, an den Sitzungen des Kontrollrates teilnehmen.
Art. 5. Die Aufgaben des Koordinierungsausschusses, der im Namen
des Kontrollrates durch den Kontrollstab tätig wird, umfassen:
a) die Ausführung der Kontrollratsentscheidungen;
b) die ständige Überwachung und Kontrolle der Tätigkeit
der deutschen Zentralverwaltung und der deutschen Institutionen;
c) die Koordination laufender Probleme, die einheitliche Maßnahmen
in allen drei [vier] Zonen erfordern;
d) die Vorprüfung und Vorbereitung aller von den einzelnen Oberbefehlshabern
unterbreiteten Fragen für den Kontrollrat.
Art. 6. a) Die von ihren jeweiligen nationalen Regierungen ernannten
Mitglieder des Kontrollstabes bilden folgende Abteilungen:
Heer, Marine, Luftwaffe, Transportwesen, Politik, Wirtschaft, Finanzen,
Reparationen und Leistungen an die Besatzungsmächte sowie Restitutionen,
Innere Angelegenheiten und Nachrichtenwesen, Rechtswesen, Kriegsgefangene
und Displaced Persons, Arbeit.
Auf Grund gesammelter Erfahrungen können Abänderungen in Zahl
und Aufgaben dieser Abteilungen erfolgen.
b) Jeder Abteilung stehen drei [vier] hochrangige Beamte - einer von
jeder der Mächte - vor. Die Aufgaben der drei [vier] Abteilungsleiter,
die gemeinsam handeln, umfassen:
I. die Ausübung der Aufsicht über die entsprechenden deutschen
Ministerien und deutschen zentralen Dienststellen;
II. die Tätigkeit als Ratgeber für den Kontrollrat und -
wenn erforderlich - die Teilnahme an dessen Sitzungen;
III. die Übermittlung der vom Koordinierungsausschuß mitgeteilten
Entscheidungen des Kontrollrates an die deutsche Zentralverwaltung.
c) Die drei [vier] Abteilungsleiter nehmen an Sitzungen des Koordinierungsausschusses
teil, wenn Angelegenheiten auf der Tagesordnung stehen, die die Arbeit
ihrer Abteilungen angehen.
d) Die Abteilungsstäbe können sich sowohl aus zivilem als
auch aus militärischem Personal zusammensetzen. In Sonderfällen
können auch Angehörige anderer Vereinter Nationen ihnen angehören,
die in persönlicher Eigenschaft ernannt werden.
Art. 7. a) Es wird eine Interalliierte Regierungsbehörde
(Komendatura) gebildet, die aus drei [vier] von ihren jeweiligen Oberbefehlshabern
ernannten Kommandanten - einem von jeder Macht - besteht, um gemeinsam
die Verwaltung des Gebietes von Groß-Berlin zu leiten. Jeder der
Kommandanten wird der Reihe nach als diensttuender Kommandant der Interalliierten
Regierungsbehörde vorstehen.
b) Ein technischer Stab, der aus Personal jeder der drei [vier] Mächte
besteht, wird unter der Interalliierten Regierungsbehörde eingerichtet
und organisiert zu dem Zweck, die Tätigkeiten der örtlichen Organe
Groß-Berlins, die verantwortlich für den städtischen öffentlichen
Dienst sind, zu überwachen und zu kontrollieren.
c) Die Interalliierte Regierungsbehörde wird unter der allgemeinen
Leitung des Kontrollrates operieren und Anweisungen über den Koordinierungsausschuß
erhalten.
Art. 8. Die notwendige Verbindung mit den Regierungen anderer hauptsächlich interessierter Vereinter Nationen wird dadurch sichergestellt, daß diese Regierungen Militärmissionen bei dem Kontrollrat (denen Zivilisten angehören können) ernennen, die auf geeignetem Wege Zugang zu den Kontrollorganen haben.
Art. 9. Organisationen der Vereinten Nationen, die durch den Kontrollrat zur Tätigkeit in Deutschland zugelassen werden können, bleiben hinsichtlich ihrer Tätigkeit in Deutschland den alliierten Kontrolleinrichtungen unterworfen und sind ihnen gegenüber verantwortlich.
Art. 10. Die vorstehend beschriebenen alliierten Organe für die Kontrolle und Verwaltung Deutschlands werden ihre Tätigkeit während der Anfangszeit der Besetzung Deutschlands, die unmittelbar auf die Kapitulation folgt, ausüben, d. h. während des Zeitraumes, in dem Deutschland die grundlegenden Forderungen der bedingungslosen Kapitulation erfüllen wird.
Art. 11. Die Angelegenheit der alliierten Organe, die zur Erfüllung der Kontroll- und Verwaltungsaufgaben in Deutschland zu späterer Zeit erforderlich sind, wird Gegenstand eines besonderen Abkommens zwischen [der Provisorischen Regierung der Französischen Republik und] den Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sein.
Für den Vertreter der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika
bei der Europäischen Beratenden Kommission:
Philip E. Mosely
Vertreter der Regierung des Vereinigten Königreichs bei der Europäischen
Beratenden Kommission:
William Strang
Vertreter der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
bei der Europäischen Beratenden Kommission:
F. T. Gusev
Lancaster House, London, 5. W. 1
den 14. November 1944.
Der obige Text des Abkommens über die Kontrolleinrichtungen in Deutschland zwischen den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist abgefaßt und einstimmig angenommen worden von den Vertretern der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bei der Europäischen Beratenden Kommission in der Sitzung vom 14. November 1944 und wird nun ihren entsprechenden Regierungen zur Annahme zugeleitet.
Frankreich trat dem Abkommen auf Grund des
Abkommens vom 1. Mai 1945 betreffend die Änderung des Abkommens vom
14. November 1944 über die Kontrolleinrichtungen in Deutschland bei.
Dem Änderungsabkommen stimmte die Regierung Frankreichs am 18. Mai,
die Großbritanniens am 17. Mai, die der Sowjetunion am 25. Mai und
die der Vereinigten Staaten am 14. Mai 1945 zu. Es ist abgedruckt in: Treaties
and other International Acts Series, US Department of State, 3070, und:
Documents on Germany 1944-1959, Washington 1959 (Dept. of State Publ.
6757), S. 10-12 (englisch). Die hier wiedergegebene Übersetzung folgt
dem englischen Text der Dreimächtefassung und gibt die durch das Änderungsabkommen
vom 1. Mai 1945 ersetzten bzw. eingefügten Worte in Klammern wieder.