Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Volksgerichtshof  und über die fünfundzwanzigste Änderung des Besoldungsgesetzes

vom 18. April 1936.

aufgehoben durch die Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrats für Deutschland vom 20. Oktober 1945 (Abl. S. 22)

Auf Grund des Artikels IV des Gesetzes vom 18. April 1936 (RGBl. I. S. 369) wird verordnet::

§ 1. (1) Der Volksgerichtshof hat seinen Sitz in Berlin.

(2) Der Vorsitzende eines Senats kann bestimmen, daß einzelne Sitzungen nicht am Sitze des Volksgerichtshofs abzugalten sind. In diesem Falle kann er einen nach dem § 140 Abs. 1, § 144 der Strafprozeßordnung zu bestellenden Verteidigung auch aus der Zahl der Rechtsanwälte auswählen, die in dem Oberlandesgerichtsbezirk wohnen, in dem die Sitzung abgehalten wird.

§ 2. (1) Die ehrenamtlichen Mitglieder des Volksgerichtshofs haben vor ihrer ersten Dienstleistung einen Richtereid dahin zu leisten, daß sie die Pflichten eines Richters des Volksgerichtshofs getreulich erfüllen und ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abgeben werden.

(2) Über die Eidesleistung ist eine Niederschrift aufzunehmen.

§ 3. (1) Der Präsident des Volksgerichtshofs verteilt vor Beginn eines jeden Geschäftsjahres für seine Dauer die Geschäfte unter die Senate. Innerhalb der Senate verteilt der Vorsitzende die Geschäfte unter die hauptamtlichen Beisitzer.

(2) Der Reichsminister der Justiz kann Grundsätze für die Geschäftsverteilung aufstellen.

§ 4. (1) Der Präsident bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres für seine Dauer, welchem Senat er sich anschließt, und teilt die Mitglieder des Volksgerichtshofs den Senaten zu. Er soll darauf Bedacht nehmen, daß insbesondere die ehrenamtlichen Mitglieder einem Senat zugeteilt werden, in dem sie ihre besonderen Fachkenntnisse verwerten können.

(2) Die ehrenamtlichen Mitglieder eines Senats sollen zu den Hauptverhandlungen in der Reihenfolge berufen werden, die sich aus ihrer Überweisung an die Senate ergibt.

§ 5. (1) An den Entscheidungen eines Senats außerhalb der Hauptverhandlung nimmt an Sitzungstagen außer dem Vorsitzenden und dem hauptamtlichen Beisitzer das jüngste ehrenamtliche Mitglied teil.

(2) An Tagen, an denen keine Hauptverhandlungen stattfinden, bestimmt der Vorsitzende des Senats den hauptamtlichen Beisitzer und das ehrenamtliche Mitglied. Nach Möglichkeit soll das am Sitze des Volksgerichtshofs oder in dessen Nähe wohnhafte oder dienstlich tätige ehrenamtliche Mitglied herangezogen werden.

§ 6. (1) Der Vorsitzende eines Senat wird in Fällen der Behinderung durch das vom Präsidenten vor Beginn des Geschäftsjahres für seine Dauer bestellte hauptamtliche Mitglied vertreten. In gleicher Weise regelt der Präsident die Vertretung der stellvertretenden Vorsitzenden und der übrigen Mitglieder.

(2) In anderen Geschäften als dem Vorsitz im Senat wird der Präsident durch seinen ständigen Vertreter vertreten. Diesen bestellt der Reichsminister der Justiz.

§ 7. Die auf Grund der §§ 3, 4 und 6 getroffenen Anordnungen können im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung, Wechsels oder dauernder Behinderung eines Mitglied erforderlich ist.

§ 8. Bei der Abstimmung gibt zunächst der Berichterstatter seine Stimme ab. Sodann stimmen die ehrenamtlichen Mitglieder dem Lebensalter nach, vom jüngsten aufwärts. Zuletzt stimmt der Vorsitzende.

§ 9. Entscheidungen des Volksgerichtshofs dürfen nicht der Unterschrift der ehrenamtlichen Mitglieder, die bei ihr mitgewirkt haben.

§ 10. (1) Die Richter an den Amtsgerichten, den Landgerichten und den Oberlandesgerichten sind verpflichtet, richterliche Geschäfte am Volksgerichtshof wahrzunehmen.

(2) Die Hilfsrichter werden vom Reichsminister der Justiz berufen.

§ 11. Im Sinne des § 3, § 4 Abs. 1, § 5 und § 6 Abs. 1 dieser Verordnung stehen Hilfsrichter den hauptamtlichen Mitgliedern gleich. Die Bestellung eines Hilfsrichters zum stellvertretenden Vorsitzenden eines Senats bedarf der Genehmigung des Reichsministers der Justiz.

§ 12. Der Reichsanwalt und die Staatsanwälte beim Volksgerichtshof (§ 7 des Gesetzes) können durch Verfügung des Führers und Reichskanzlers jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden.

§ 13. (1) Der Leiter der Staatsanwaltschaft beim Volksgerichtshof führt die Dienstbezeichnung "Der Reichsanwalt beim Volksgerichtshof". Seinen ständigen Vertreter bestellt der Reichsminister der Justiz.

(2) Der Reichsanwalt übt die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft beim Volksgerichtshof aus. § 15 Satz 1, § 16 und § 17 Abs. 1 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I. S. 403) gelten entsprechend. Dem Reichsanwalt stehen ferner die im § 1 Nr. 2 Buchstabe b der Verordnung vom 15. März 1935 (RGBl. I. S. 379) bezeichneten Befugnisse zu.

(3) Der Reichsanwalt regelt die Zeichnungsbefugnisse der ihm nachgeordneten Staatsanwälte. Die Verfügung unterliegt der Genehmigung des Reichsministers der Justiz.

§ 14. Diese Verordnung tritt am 1. April 1936 in Kraft. Gleichzeitig verlieren die Verordnungen über den Volksgerichtshof vom 12. Juni 1934, 29. Juni 1934 (RGBl. I. S. 492, 617) und vom 22. August 1935 (RGBl. I. S. 1121) ihre Bedeutung. Wann die bisherige Geschäftsordnung außer Kraft tritt, bestimmt der Reichsminister der Justiz.

    Berlin, den 18. April 1936.

Der Reichsminister der Justiz
In Vertretung
Dr. Freisler

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1936 I S. 396
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944

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© 23. Februar 2004
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