Verordnung des Reichspräsidenten über die Gewährung von Straffreiheit
("Amnestiegesetz 1933")

vom 21. März 1933.

formalrechtlich aufgehoben durch Art. I. Nr. 6 des Gesetzes Nr. 55 des Alliierten Kontrollrats für Deutschland vom 20. Juni 1947 (ABl. S. 284)

Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:

§ 1. Für Straftaten, die im Kampfe für die nationale Erhebung des Deutschen Volkes, zu ihrer Vorbereitung oder im Kampfe für die deutsche Scholle begangen sind, wird Straffreiheit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt.

§ 2. Strafen, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung rechtskräftig erkannt und noch nicht verbüßt sind, werden erlassen.

Der Straferlaß erstreckt sich auch auf Nebenstrafen und Sicherungsmaßnahmen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind, auf gesetzliche Nebenfolgen, auf rückständige Geldbußen, die in die Kasse des Reichs oder der Länder fließen, und auf rückständige Kosten.

Ist auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so behält es dabei sein Bewenden.

§ 3. Anhängige Verfahren werden eingestellt, wenn die Tat vor dem 21. März 1933 begangen ist; neue Verfahren werden nicht eingeleitet.

§ 4. Enthält eine Gesamtstrafe, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung noch nicht verbüßt ist, eine Einzelstrafe wegen einer Zuwiderhandlung, für die Straffreiheit gewährt wird, oder mehrere derartige Einzelstrafen, so wird der Teil der Gesamtstrafe, der nach dem Verhältnis der verwirkten Einzelstrafen auf die genannte Zuwiderhandlung entfällt, von der Gesamtstrafe abgezogen.

Ist bei der Bildung einer Gesamtstrafe Gefängnisstrafe lediglich deshalb in Zuchthaus umgewandelt worden, weil sie mit Zuchthausstrafe wegen einer Zuwiderhandlung zusammentraf, für die Straffreiheit gewährt wird, so wird die Gesamtstrafe, die nach Abs. 1 gekürzt ist, in Gefängnis von gleicher Dauer umgewandelt.

Gerichtliche Entscheidungen (§ 458 der Strafprozeßordnung) darüber, ob und inwieweit eine Gesamtstrafe nach den Vorschriften der Abs. 1, 2 zu mildern ist, werden von dem Gericht erlassen, das für die Entscheidungen über die Einzelstrafe wegen der im Abs. 1 genannten Zuwiderhandlungen zuständig ist.

§ 5. Über die Einstellung anhängiger Verfahren entscheidet auf Antrag der Beteiligten das Gericht. Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt.

War das Verfahren auf Privatklage eingeleitet, so werden die Kosten des Verfahrens niedergeschlagen. Die dem Privatkläger und dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen kann das Gericht angemessen verteilen oder einem von ihnen ganz auferlegen.

§ 6. Die Verordnung findet auf die zur Zuständigkeit der Gerichte des Reichs und der Länder gehörenden Strafsachen Anwendung.

§ 7. Die Verordnung tritt mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft.

in Kraft getreten am 23. März 1933.

    Berlin, den 21. März 1933

Der Reichspräsident
von Hindenburg

Der Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister des Innern
Frick

Für den Reichsminister der Justiz
Der Stellvertreter des Reichskanzlers
von Papen

Die Verordnung wurde am "Tag von Potsdam", dem Tag, an dem das Ermächtigungsgesetz durch den Reichstag verabschiedet wurde, erlassen.

Die Aufhebung der Verordnung durch Kontrollratsgesetz hatte faktisch keine Wirkung mehr; allerdings hätten Verfahren gegen Personen hätten wiederaufgenommen werden können, wenn die Verjährung noch nicht eingetreten wäre.
 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1933 I S. 134
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944
Sartorius, Sammlung von Reichsgesetzen staats- und verwaltungsrechtlichen Inhalts, Beck 1935-37

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© 8. Februar 2004
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