Gesetz über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes und
Maßnahmen zur Markt- und Preisregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse.

vom 13. September 1933

aufgehoben durch Gesetz vom 21. Januar 1948 (WiGVBl. S. 21)

Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1. (1) Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wird ermächtigt, über den Aufbau des Standes der deutschen Landwirtschaft (Reichsnährstand) eine vorläufige Regelung zu treffen.

(2) Die deutsche Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes umfaßt auch Forstwirtschaft, Gartenbau, Fischerei und Jagd; zum Reichsnährstand gehören auch die landwirtschaftlichen Genossenschaften, der Landhandel (Groß- und Einzelhandel) und die Be- und Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse.

§ 2. Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft kann den Reichsnährstand oder einzelne seiner Gruppen ermächtigen, die Erzeugung, den Absatz sowie die Preise und Preisspannen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu regeln, wenn dies unter Würdigung der Belange der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls geboten scheint.

§ 3. Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft kann zur Regelung der Erzeugung, des Absatzes sowie der Preise und Preisspannen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen Gruppen und Angehörige des Reichsnährstandes und sonstige Unternehmen und Einrichtungen, die landwirtschaftliche Erzeugnisse herstellen oder vertreiben, zusammenschließen oder an bestehende derartige Zusammenschlüsse anschließen, wenn der Zusammenschluß oder Anschluß unter Würdigung der Belange der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls geboten erscheint.

siehe auch das Gesetz über den Zusammenschluß von Mühlen vom 15. September 1933  (RGBl. I. S. 627), die Verordnung über die Bildung eines Verbandes der Erzeuger von Milch- und Sahne-Dauerwaren sowie von Kasein vom 14. Oktober 1933  (RGBl. I. S. 737), die Verordnung über den Zusammenschluß der Roggen- und Weizenmühlen vom 5. November 1933  (RGBl. I. S. 810) und vom 10. Juli 1935 (RGBl. I. S. 915, aufgehoben durch Verordnung vom 10. Juli 1936 (RGBl. I. S. 550)), die Verordnung über den Zusammenschluß der Obst- und Gemüseverwertungsindustrie vom 5. November 1933  (RGBl. I. S. 813), die Verordnung über den Zusammenschluß von Stärke-Industrien vom 30. April 1934  (RGBl. I. S. 366), die Verordnung über den Zusammenschluß der Fischindustrie vom 26. Januar 1934  (RGBl. I. S. 64), die Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Milchwirtschaft vom 27. März 1934 (RGBl. I. S. 259) und vom 17. April 1936 (RGBl. I. S. 374), die Verordnung über den Zusammenschluß von Stärke-Industrien vom 30. April 1934  (RGBl. I. S. 366),  die Verordnung über den Zusammenschluß der Mischfuttermittelhersteller vom 21. August 1934  (RGBl. I. S. 795), die Verordnung über den Zusammenschluß der Deutschen Zuckerwirtschaft vom 10. November 1934  (RGBl. I. S. 1173), die Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Fischwirtschaft vom 1. April 1935 (RGBl. I. S. 542), die Verordnung über den Zusammenschluß der Kartoffelwirtschaft vom 18. April 1935 (RGBl. I. S. 550), die Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Brauwirtschaft vom 18. April 1935 (RGBl. I. S. 556), die Verordnung über den Zusammenschluß der Süßwarenwirtschaft vom 7. Juni 1935 (RGBl. I. S. 742), die Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Eierwirtschaft vom 22. November 1935 (RGBl. I. S. 1355), die Verordnung über den Zusammenschluß der Deutschen Weinbauwirtschaft vom 21. Oktober 1936 (RGBl. I. S. 915), die Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Milch- und Fettwirtschaft vom 29. Juli 1938 (RGBl. I. S. 957), die Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Zucker- und Süßwarenwirtschaft vom 7. Januar 1943 (RGBl. I. S. 22), die Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Wein- und Trinkbranntweinwirtschaft vom 30. April 1943 (RGBl. I. S. 273), die Verordnung über die Bildung wirtschaftlicher Zusammenschlüsse in der Forstwirtschaft vom 7. Mai 1943 (RGBl. I. S. 298), die Verordnung über die Vereinigung der Zusammenschlüsse auf dem Gebiete der Milch-, Fett- und Eierwirtschaft vom 11. Mai 1943 (RGBl. I. S. 303) und die, durch das Gesetz über Errichtung von Zwangskartellen vom 15. Juli 1933 (RGBl. I. S. 747) verfügten Zusammenschlüsse.

§ 4. Macht der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft von den Befugnissen der §§ 2 oder 3 Gebrauch, so hat er Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse.

§ 5. Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft kann die ihm nach §§ 2 bis 4 zustehenden Befugnisse im Einzelfall Beauftragten überlassen.

§ 6. Eine Entschädigung durch das Reich wegen eines Schadens, der durch eine Maßnahme auf Grund dieses Gesetzes entsteht, wird nicht gewährt.

§ 7. Als landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten auch die aus ihnen durch Be- oder Verarbeitung oder Weiterverarbeitung gewonnenen Erzeugnisse, soweit sie zum Geschäftsbereich des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft gehören.

§ 8. Die Vorschriften des Kap. V des Achten Teils der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I. S. 517/602), des Gesetzes über Errichtung von Zwangskartellen vom 15. Juli 1933 (RGBl. I. S. 488) und des § 38 des Milchgesetzes in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Milchgesetzes vom 20. Juli 1933 (RGBl. I. S. 527) bleiben unberührt.

§ 9. (1) Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft kann bestimmen, daß mit Gefängnis und mit Geldstrafe bis zu 100 000 Reichsmark oder mit einer dieser Strafen bestraft wird, wer den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt.

(2) Er kann ferner bestimmen, daß die Fortführung von Betrieben untersagt werden kann, wenn wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine auf Grund dieses Gesetzes erlassene Vorschrift rechtskräftig auf Strafe erkannt worden ist.

§ 10. (1) Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erläßt die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften. Er kann auch Vorschriften ergänzenden Inhalts erlassen.

(2) Er kann zur Durchführung der auf Grund des §§ 2 bis 4 erlassenen Anordnungen Bestimmungen über die Anwendung von polizeilichem Zwang nach Maßgabe der Landesgesetze treffen.

siehe hierzu die Verordnungen über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 8. Dezember 1933 (RGBl. I. S. 1060, geänd. am 26. April 1935 (RGBl. I. S. 582), am 16. Februar 1939 (RGBl. I. S. 256) und am 1. Oktober 1940 (RGBl. I. S. 1326)), vom 15. Januar 1934 (RGBl. I. S. 32), vom 16. Februar 1934 (RGBl. I. S. 100) und vom 4. Februar 1935 (RGBl. I. S. 170) sowie Ergänzungsverordnungen zu diesen vom 28. September 1935 (RGBl. I. S. 1219), vom 23. Juni 1936 (RGBl. I. S. 510) und vom 16. Februar 1939 (RGBl. I. S. 256).

    Berlin, den 13. September 1933.

Der Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

 


Erste Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes

vom 8. Dezember 1933

geändert durch
Verordnung vom 26. April 1935 (RGBl. I. S. 582),
Verordnung vom 16. Februar 1939 (RGBl. I. S. 256),
Verordnung vom 1. Oktober 1940 (RGBl. I. S. 1326).

aufgehoben durch Gesetz vom 21. Januar 1948 (WiGVBl. S. 21)

Auf Grund der § 1, 10 des Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes und Maßnahmen zur Markt- und Preisregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Reichsnährstandgesetz) vom 13. September 1933 (RGBl. I. S. 626) wird verordnet:

§ 1. (1) Der Reichsnährstand ist die Vertretung der deutschen Bauernschaft und der deutschen Landwirtschaft, einschließlich der landwirtschaftlichen Genossenschaften, des Landhandels (Groß- und Kleinhandels) und der Be- und Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse.

(2) Der Reichsnährstand ist eine Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts. Er hat bis zur anderweiten Regelung durch den Reichsbauernführer seinen Sitz in Berlin.

§ 2. (1) Der Reichsnährstand hat die Aufgabe, seine Angehörigen in Verantwortung für Volk und Reich zu einer lebenskräftigen Stütze für den Aufbau, die Erhaltung und die Kräftigung des deutschen Volkes zusammenzuschließen. Er hat insbesondere die Aufgabe,
    das deutsche Bauerntum und die Landwirtschaft, die landwirtschaftlichen Genossenschaften und den Landhandel sowie die Be- und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu fördern,
    die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten zwischen seinen Angehörigen zu regeln,
    zwischen den Bestrebungen der von ihm umschlossenen Kräfte einen dem Gemeinwohl dienenden Ausgleich herbeizuführen,
    die Behörden bei allen den Reichsnährstand betreffenden Fragen, insbesondere auch durch Erstattung von Gutachten und Bestellung von Sachverständigen, zu unterstützen.

(2) Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft kann dem Reichsnährstand besondere Aufgaben übertragen.

§ 3. Der Reichsnährstand hat die Verpflichtung, über die Standesehre seiner Angehörigen zu wachen.

§ 4. Der Reichsnährstand umfaßt:
1. alle, die im Deutschen Reich als Eigentümer, Eigenbesitzer, Eigenberechtigte, Nutznießer, Verpächter oder Pächter bäuerlicher oder landwirtschaftlicher Betriebe oder als Familienangehörige, Arbeiter, Angestellte oder Beamte in der Landwirtschaft nicht nur vorübergehend tätig sind, ferner frühere Eigentümer und Nutznießer landwirtschaftlicher Grundstücke, welche Ansprüche aus einem Grundstücksüberlassungsvertrag oder aus einem mit einer Grundstücksüberlassung in Verbindung stehenden Altenteilsvertrag (Leibgedings-, Leibzucht-, Auszugsvertrag u. dgl.) haben;
2. die gemäß § 9 angegliederten Einrichtungen;
3. die landwirtschaftlichen Genossenschaften einschließlich ihrer Zusammenschlüsse und sonstigen Einrichtungen;
4. alle natürlichen und juristischen Personen, die im Deutschen Reich den Landhandel (Groß- und Kleinhandel) oder die Be- oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse betreiben; die Zugehörigkeit im einzelnen regelt der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.

§ 5. Die Landwirtschaft im Sinne dieser Verordnung umfaßt die Bodenbewirtschaftung und die mit Bodennutzung verbundene Tierhaltung zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse, insbesondere den Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft, die Forstwirtschaft, den Gartenbau, den Weinbau, die Fischerei in den Binnen- und Küstengewässern, die Imkerei und die Jagd.

§ 6. An die Stelle des Deutschen Landwirtschaftsrats, der Preußischen Hauptlandwirtschaftskammer und der öffentlich-rechtlichen landwirtschaftlichen Berufsvertretungen (Landwirtschaftskammern, Bauernkammern) tritt als deren Rechtsnachfolger der Reichsnährstand.

§ 7. (1) Zur Vereinfachung des Aufbaues der Verwaltung des Reichsnährstandes können Vereine, Vereinigungen und Verbände ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, welche die wirtschaftspolitische, fachliche und geistige Förderung sowie die Wahrung der Belange der Landwirtschaft oder der in § 4 Nr. 1 genannten Angehörigen des Reichsnährstandes zum Zweck haben, durch Anordnung des Reichsbauernführers in den Reichsnährstand eingegliedert werden.

(2) Bestehen Zweifel, ob es sich um eine der genannten Einrichtungen handelt, so entscheidet der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.

(3) Die Eingliederung hat folgende Wirkungen: Die Einrichtungen sind aufgelöst. Ihr Vermögen geht mit Außenständen und Schulden als Sondervermögen auf den Reichsnährstand über. Soweit die Beamten und Angestellten der eingegliederten Einrichtungen nicht vom Reichsnährstand übernommen werden, werden ihre Gehälter bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1934, vom Reichsnährstand gezahlt. Bestände, die für die laufende Verwaltung verfügbar sind, können vom  Reichsbauernführer für die laufende Verwaltung verwendet werden gegen die Verpflichtung, sie, soweit dies zur Abdeckung von Schuldverbindlichkeiten des Sondervermögens geboten ist, zurückzuerstatten. Eine über das Sondervermögen hinausgehende Haftung des Reichsnährstandes findet im übrigen nicht statt. Die Verwaltung des Sondervermögens regelt der Reichsbauernführer. Er kann, falls ein Bedarf für den bisherigen Verwendungszweck nicht besteht, einen verwandten Verwendungszweck bestimmen.

Durch Verordnung vom 26. April 1935 wurde der § 7 Abs. 3 durch folgende Absätze ersetzt:
"(3) Die Eingliederung hat folgende Wirkungen: Die Einrichtungen sind aufgelöst. Ihr Vermögen geht mit Außerständen und Schulden als Sondervermögen auf den Reichsnährstand über. Bestände, die für die laufende Verwaltung verfügbar sind, können vom Reichsbauernführer für die laufende Verwaltung verwendet werden gegen die Verpflichtung, sie soweit dies zur Abdeckung von Schuldverbindlichkeiten des Sondervermögens geboten ist, zurückzuerstatten. Eine über das Sondervermögen hinausgehende Haftung des Reichsnährstandes findet im übrigen nicht statt. Die Verwaltung des Sondervermögens regelt der Reichsbauernführer. Er kann, falls eine Bedarf für den bisherigen Verwendungszweck nicht besteht, einen verwandten Verwendungszweck bestimmen.
(4) Der Reichsbauernführer kann die von eingegliederten Vereinen, Vereinigungen und Verbänden abgeschlossenen Dienstverträge kündigen, und zwar auch dann, wenn die Kündigung vertragsmäßig dauernd oder für mehr als ein Jahr ausgeschlossen oder an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft war. Das Kündigungsrecht greift auch in den Fällen Platz, in denen mit Angestellten, die nicht vom Reichsnährstand übernommen sind, besondere Vergleiche abgeschlossen worden sind. Auf das Verfahren und die sich aus der Kündigung ergebenden Rechtsverhältnisse finden die Vorschriften in Nr. 6 Absätze 2 bis 5, Nr. 7 und Nr. 8 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 (RGBl. I. S. 233) in der Fassung der Verordnungen vom 7. Juli 1933 (RGBl. I. S. 458), 28 September 1933 (RGBl. I. S. 678), 7. Mai 1934 (RGBl. I. S. 373), 5. Juni 1934 (RGBl. I. S. 477) und 3. Januar 1935 (RGBl. I. S. 4) entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Reichsministers des Innern der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft tritt. Die im Satz 3 genannten Vorschriften gelten sinngemäß auch für Kündigungen durch Dienstverpflichtete."

Durch Verordnung vom 16. Februar 1939 erhielt der § 7 Abs. 4 folgende Fassung:
"(4) Der Reichsbauernführer kann die von eingegliederten Vereinen, Vereinigungen und Verbänden abgeschlossenen Dienstverträge kündigen, und zwar auch dann, wenn die Kündigung vertragsmäßig dauernd oder an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft war. Das Kündigungsrecht greift ferner in den Fällen Platz, in denen mit Angestellten, die nicht vom Reichsnährstand übernommen sind, besondere Vergleiche abgeschlossen worden sind. Auf das Verfahren und die sich aus der Kündigung ergebenden Rechtsverhältnisse finden die Vorschriften in Nr. 6 Abs. 2 bis 5, Nr. 7 und Nr. 8 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 4. Mai 1933 (RGBl. I. S. 233) in der Fassung der Verordnungen vom 7. Juli 1933 (RGBl. I. S. 458), 28 September 1933 (RGBl. I. S. 678), 7. Mai 1934 (RGBl. I. S. 373), 5. Juni 1934 (RGBl. I. S. 477) und 3. Januar 1935 (RGBl. I. S. 4) entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, daß eine Kündigung auch nach dem 30. Juni 1937 ausgesprochen werden kann und daß an die Stelle des Reichsministers des Innern der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft tritt. Die im Satz 3 genannten Vorschriften gelten sinngemäß auch für Kündigungen durch Dienstverpflichtete."

Durch Verordnung vom 16. Februar 1939 wurde zu § 7 Abs. 4 ergänzend bestimmt:
"§ 2. Kündigung im Sinne dieser Verordnung (vom 16. Februar 1939) ist auch die Aufhebung oder Änderung von Nachwirkungen abgelaufener Dienstverhältnisse, insbesondere die Herabsetzung übermäßig hoher Abfindungen, Übergangsgelder und Versorgungsbezüge auf einen angemessenen Betrag sowie deren zeitliche Beschränkung.
§ 3. Das Recht zur Kündigung steht dem Reichsbauernführer für alle vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung liegenden Eingliederungen bis zum 30. Juni 1939 zu. Bei künftigen Eingliederungen muß die Kündigung der von den eingegliederten Vereinen, Vereinigungen und Verbänden abgeschlossenen Dienstverträge innerhalb eines Jahres nach der Eingliederung ausgesprochen werden.
§ 4.
Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 1. Juli 1937 in Kraft. Die Aufhebung oder Änderung der Nachwirkungen abgelaufener Dienstverhältnisse ist auch dann rechtwirksam, wenn sie vor dem 1. Juli 1937 erfolgt ist."

§ 8. Der Reichsbauernführer kann die in § 7 bezeichneten Einrichtungen auflösen. Die Liquidation richtet sich in diesem Falle nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.

§ 9. Der Reichsbauernführer kann die in § 7 bezeichneten Einrichtungen dem Reichsnährstand angliedern, wenn eine Eingliederung oder Auflösung aus besonderen Gründen nicht tunlich erscheint. In diesem Falle kann der Reichsbauernführer die Einsetzung und Abberufung des Vorsitzenden, der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und des Geschäftsführers verlangen.

Durch Verordnung vom 1. Oktober 1940 erhielt der § 9 folgende Fassung:
"§ 9. (1) Der Reichsbauernführer kann die im § 7 bezeichneten Einrichtungen dem Reichsnährstand angliedern, wenn eine Eingliederung oder Auflösung aus besonderen Gründen nicht tunlich erscheint.
(2) Der Reichsbauernführer hat darüber zu wachen, daß die Tätigkeit der angegliederten Einrichtungen mit den Aufgaben des Reichsnährstandes im Einklang steht und den Belangen des Gemeinwohles Rechnung trägt. Zu diesem Zweck kann er den Organen der angegliederten Einrichtungen verbindliche Weisungen für ihre Tätigkeit erteilen und Maßnahmen dieser Organe aufheben oder ihre Durchführung untersagen.
(3) Der Reichsbauernführer kann die Vorsitzenden, die Vorstands- und die Aufsichtsratsmitglieder sowie die Geschäftsführer angegliederter Einrichtungen einsetzen und abberufen.
(4) Der Reichsbauernführer kann Anweisungen erlassen, nach denen die angegliederten Einrichtungen den Geschäftsverkehr, das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, die Anlegung von Geldern und die Personalangelegenheiten einschließlich der Vergütung ihrer Organe, Angestellten und Arbeiter zu ordnen haben.
(5) Der Reichsnährstand hat die angegliederten Einrichtungen bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen.
(6) Die vorstehenden Bestimmungen finden auf Genossenschaften und Gesellschaften des Handelsrechts keine Anwendung."

§ 10. (1) Der Reichsbauernführer ist der Führer und gesetzliche Vertreter des Reichsnährstandes. Er wird vom Reichskanzler ernannt.

(2) Der Reichsbauernführer ordnet die innere Gliederung des Reichsnährstandes.

(3) Der Reichsbauernführer kann seine Befugnisse auf nachgeordnete Stelle übertragen mit der Ermächtigung zur Weiterübertragung.

(4) Der Nachweis der Befugnis zur Vertretung wird durch ein mit dem Abdruck des Dienstsiegels versehenes Zeugnis des Reichsbauernführers geführt.

Reichsbauernführer war von Januar 1934 bis Mai 1945 R. Walther Darré (bis 23. Mai 1942 gleichzeitig Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft).

§ 11. Der Reichsnährstand gliedert sich örtlich in Landesbauernschaften, Kreisbauernschaften und nach Bedarf in Ortsbauernschaften. Führer der Landesbauernschaft ist der Landesbauernführer, Führer der Kreisbauernschaft ist der Kreisbauernführer, Führer der Ortsbauernschaft ist der Ortsbauernführer.

§ 12. (1) Der Reichsnährstand erhebt von seinen Mitgliedern Beiträge nach Maßgabe einer Beitragsordnung, die der Reichsbauernführer erläßt. Die Betragsordnung bedarf der Zustimmung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft.

(2) Die Beiträge werden, soweit die Beitragsordnung nichts anderes bestimmt, wie öffentliche Abgaben von den Finanzämtern eingezogen und ohne Abzug an den Reichsnährstand abgeführt.

Durch Verordnung vom 26. April 1935 wurde
- der § 12 Abs. 1 durch folgende Absätze ersetzt:
"(1) Der Reichsnährstand erhebt zur Durchführung seiner Aufgaben, soweit die Kosten nicht durch andere Einnahmen gedeckt werden, Beiträge nach Maßgabe einer Beitragsordnung, die der Reichsbauernführer erläßt. Die Beitragsordnung bedarf unbeschadet der Vorschriften im Abschnitt I § 4 des Gesetzes zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft vom 24. März 1934 (RGBl. I. S. 235) der Zustimmung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft.
(2) Die Beitragspflicht besteht für die im § 4 dieser Verordnung und im § 1 der Vierten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 4. Februar 1935 (RGBl. I. 170) bezeichneten Angehörigen des Reichsnährstandes. Dazu gehören insbesondere auch die Eigentümer bäuerlicher oder landwirtschaftlicher Betriebe sowie landwirtschaftlicher Betriebe sowie landwirtschaftliche genutzter Grundstücke, die Inhaber grundstücksgleicher Rechte, die eine landwirtschaftliche Nutzung zum Gegenstand haben, die Inhaber von Imkereibetrieben und die Inhaber von Fischereibetrieben in den Binnen- und Küstengewässern ohne Rücksicht darauf, ob sie die Betriebe und Grundstücke selbst bewirtschaften oder nicht.
(3) Die Beitragspflicht ist den öffentlichen Lasten gleichzuachten; sie ruht in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 auf den Betrieben und Grundstücken.
(4) Der Reichsbauernführer kann mit Zustimmung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft wegen der Aufbringung der Beiträge bei verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücken und Betrieben Bestimmungen treffen."
- der § 12 Abs. 2 wurde Absatz 5.

§ 13. Der Reichsnährstand kann für die Benutzung seiner Einrichtungen und Veranstaltungen Gebühren erheben.

§ 14. (1) Der Reichsnährstand hat jährlich einen Haushaltsplan aufzustellen, der vom Reichsbauernführer verabschiedet wird.

(2) Die näheren Vorschriften über das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen erläßt der Reichsbauernführer in einer Haushaltsordnung.

§ 15. Die Staatsaufsicht über den Reichsnährstand führt der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.

§ 16. (1) Der Reichsbauernführer regelt die inneren Verhältnisse des Reichsnährstandes durch eine Satzung.

(2) Die Satzung bedarf der Genehmigung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft; sie tritt mit der Veröffentlichung im Reichsanzeiger in Kraft.

§ 17. (1) Bis zur weiteren Regelung durch Satzung (§ 16) bleiben die landesrechtlichen Bestimmungen über die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen (Landwirtschaftskammer, Bauernkammer), soweit sie mit den reichsrechtlichen Vorschriften über den Aufbau des Reichsnährstandes vereinbar sind, unberührt.

(2) Die Bestimmungen über die Entrichtung der auf die Zeit bis zum 31. März 1934 entfallenen Beiträge für die öffentlich-rechtlichen landwirtschaftlichen Berufsvertretungen bleiben unberührt.

§ 18. Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.

    Berlin, den 8. Dezember 1933.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

 


Verordnung zur Ergänzung der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes

vom 28. September 1935

aufgehoben durch Gesetz vom 21. Januar 1948 (WiGVBl. S. 21)

Auf Grund der §§ 1 und 10 des Reichsnährstandgesetzes vom 13. September 1933 (RGBl. I. S. 626) wird verordnet:

§ 1. Als Bauernführer darf nur berufen werden, wer deutschen oder stammesgleichen Blutes im Sinne des § 13 des Reichserbhofgesetzes vom 29. September 1933 (RGBl. I. S. 685) ist.

§ 2. Wer Bauernführer im Sinne dieser Verordnung ist, bestimmt der Reichsbauernführer.

§ 3. Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.

    Berlin, den 28. September 1935.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

 


Zweite Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes

vom 15. Januar 1934

aufgehoben durch Gesetz vom 21. Januar 1948 (WiGVBl. S. 21)

Auf Grund der §§ 1, 10 des Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstand und Maßnahmen zur Macht- und Preisregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Reichsnährstandgesetz) vom 13. September 1933 (RGBl. I. S. 626) wird verordnet:

§ 1. (1) Landwirtschaftliche Genossenschaften im Sinne des Reichsnährstandgesetzes sind:
1. diejenigen Genossenschaften, die bei dem Inkrafttreten des Reichsnährstandgesetzes einem Revisionsverbande landwirtschaftlicher Genossenschaften oder dem Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften - Raiffeisen - angehört haben,
2. diejenigen Genossenschaften, die bei dem Inkrafttreten des Reichsnährstandgesetzes bestanden haben, ohne einem Revisionsverband anzugehören,
3. die nach dem Inkrafttreten des Reichsnährstandgesetzes errichteten Genossenschaften,
    zu 2. und 3., wenn ihre Mitglieder vorwiegend zu den im § 4 Nr. 1 der ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 8. Dezember 1933 (RGBl. I. S. 1060) bezeichneten Personen gehören und die Genossenschaften gleiche Zwecke wie die zu Nr. 1 bezeichneten Genossenschaften verfolgen.

(2) Zusammenschlüsse und sonstige Einrichtungen landwirtschaftlicher Genossenschaften im Sinne des § 4 Nr. 3 der ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 8. Dezember 1933 sind:
1. der Reichsverband deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften - Raiffeisen - und die Revisionsverbände landwirtschaftlicher Genossenschaften; ferner die für den Waren- und Kreditverkehr gegründete Gesellschaften und Zusammenschlüsse, die bei Inkrafttreten des Reichsnährstandgesetzes diesen Verbänden angeschlossen waren,
2. die nach dem Inkrafttreten des Reichsnährstandgesetzes von landwirtschaftlichen Genossenschaften und Einrichtungen der in Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Art für den genossenschaftlichen Waren- und Kreditverkehr gegründeten Gesellschaften.

(3) bestehen Zweifel, ob hiernach eine Einrichtung die Eigenschaft einer landwirtschaftlichen Genossenschaft nach Abs. 1  oder die Eigenschaft eines Zusammenschlusses oder einer Einrichtung nach Abs. 2 hat, so entscheidet der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft endgültig.

§ 2. (1) An die Stelle der leitenden Organe des Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften - Raiffeisen - und der Revisionsverbände landwirtschaftlicher Genossenschaften tritt der Reichsbauernführer.

(2) Der Reichsbauernführer kann seine Befugnisse auf nachgeordnete Stelle übertragen mit der Ermächtigung zur Weiterübertragung.

(3) Der Nachweis der Befugnis zur Vertretung des Reichsverbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften - Raiffeisen - und eines Revisionsverbandes landwirtschaftlicher Genossenschaften wird durch ein mit dem Abdruck des Dienstsiegel versehenes Zeugnis des Reichsbauernführers geführt.

(4) Die entgegenstehenden gesetzlichen Vorschriften und Satzungsbestimmungen treten insoweit außer Kraft.

§ 3. (1) Der Reichsbauernführer kann verlangen, daß der Vorstand einer eingetragenen landwirtschaftlichen Genossenschaft, die im Bezirk der Landesbauernschaft liegt, zur Beschlußfassung über von ihm bezeichnete Gegenstände die Generalversammlung beruft. Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann er die Generalversammlung selbst oder durch einen Beauftragten berufen. Auf Beschwerde der Beteiligten entscheidet der Reichsbauernführer über die Berechtigung zur Einberufung der Generalversammlung endgültig.

(2) Entgegenstehende gesetzliche Vorschriften und Satzungsbestimmungen finden keine Anwendung.

§ 4. Der Reichsbauernführer kann bestimmen, daß auch diejenigen landwirtschaftlichen Genossenschaften, welche einem Revisionsverband landwirtschaftlicher Genossenschaften nicht angehören, der Revision durch den für ihren Bezirk bestehenden Revisionsverband landwirtschaftlicher Genossenschaften unterliegen.

§ 5. (1) Der Reichsnährstand kann Standesgerichte zur Wahrung der Standesehre bilden.

(2) Die Satzung des Reichsnährstandes kann vorsehen, daß Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats sowie leitenden Geschäftsführern einer eingetragenen landwirtschaftlichen Genossenschaft, die sich einer groben Verletzung der den Geschäftsführern landwirtschaftlicher Genossenschaften obliegenden Pflichten schuldig gemacht haben und von den berufenen genossenschaftlichen Organen nicht bereits ihrer Stellung enthoben worden sind, durch die Standesgerichte die Fähigkeit, Mitglied von Organen dieser Genossenschaft oder Geschäftsführer dieser Genossenschaft zu sein, aberkannt werden kann. Ist auf Aberkennung der Befähigung rechtskräftig erkannt worden, so hat das dazu berufene Organ der Genossenschaft unverzüglich die Abberufung und anderweitige Besetzung der Stelle zu veranlassen. Der Reichsbauernführer hat die Durchführung des Urteils zu überwachen.

    Berlin, den 15. Januar 1934

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

 


Dritte Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes

vom 16. Februar 1934

aufgehoben durch Gesetz vom 21. Januar 1948 (WiGVBl. S. 21)

Auf Grund der §§ 1, 10 des Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstand und Maßnahmen zur Macht- und Preisregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Reichsnährstandgesetz) vom 13. September 1933 - RGBl. I. S. 626 - wird verordnet:

§ 1. (1) Landhandel und Be- und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Sinne des  § 4 Nr. 4 der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 8. Dezember 1933 - RGBl. I. S. 1060 - liegt bei folgenden Betrieben:
1. Wirtschaft mit Ackerbauerzeugnissen:
    a) Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und landwirtschaftlichen Bedarfsstoffen, wie Düngemittel, Bindegarn und dergleichen, Getreidehandel, Hülsenfruchthandel, Futtermittelhandel, Rauhfutter- und Furagehandel, Kartoffelhandel, Handel mit Samen und Saaten, Einkauf von deutschem Flachs und Hanf beim Erzeuger, Handel mit Stalldung, Lohndrescher, Lohnpflüger, Handel mit Mehr und Mühlenfabrikaten;
    b) Mehlmühlen, Schälmühlen, Grießmühlen, Schrotmühlen, Futtermittelhersteller, Bäckereien, Brotfabriken, Kaffee-Ersatzwaren-Herstellung.
2. Viehwirtschaft:
    a) Gewerbliche Schweinemästereien, gewerbliche Abmelkwirtschaften, Lohnbrütereien, gewerbliche Geflügelmästereien, Schlachtviehhandel, Kleinviehhandel, Nutzviehhandel, Zuchtviehhandel, Pferdehandel, Wild- und Geflügelhandel, Eierhandel. Einkauf von deutschen Rohstoffen und Fellen beim Erzeuger, Einkauf von deutscher Wolle beim Erzeuger, Fleischgroßhandel, Fleischwarenhandel;
    b) Fleischwarenindustrie (Fleischkonserenfabriken, Wurstfabriken), Großschlächtereien, Schlächtereien.
3. Brauwirtschaft:
    a) Hopfenhandel, Hefehandel;
    b) Brauereien, Malzfabriken, Hefefabriken.
4. Zuckerwirtschaft:
    a) Zuckerhandel, Süßwarenhandel,
    b) Zuckerfabriken (Rohzuckerfabriken, Zuckerraffinerien); Schokoladenfabriken, Zuckerwarenfabriken, Keksfabriken, Kunsthonigfabriken, Konditoreien.
5. Stärke- und Branntweinwirtschaft:
    a) Spirituosenhandel, Maisstärkehandel, Reisstärkehandel, Kartoffelflockenhandel;
    b) Kartoffelbrennereien, Kornbrennereien, Obstbrennereien, Spirituosenfabriken, Maisstärkeherstellung, Reisstärkeherstellung, Kartoffelflockenherstellung, Kartoffelstärkeherstellung, Dextrinherstellung, Glukoseherstellung.
6. Fischwirtschaft:
    a) Fischhandel, Fischwarenhandel, Fischmehlhandel, Hochseefischerei;
    b) Fischverwertungsfabriken (Fischwarenfabriken, Marinadenfabriken, Fischmehlfabriken).
7. Fett- und Milchwirtschaft:
    a) Milchhandel, Molkereien, Käsereien, Butter- und Käsehandel, Milchbauernwarenhandel; Ölhandel, soweit das Erzeugnis dem Fettmonopol unterliegt; Ölfuttermittelhandel, Fett- und Fettwarenhandel. Tranhandel;
    b) Milchdauerwarenherstellung einschließlich Kaseinherstellung, Milchzuckerfabriken; Ölmühlen und Ölfabriken, soweit das Erzeugnis dem Fettmonopol unterliegt; Margarinefabriken.
8. Lebens- und Genußmittel:
    a) Obsthandel, Gemüsehandel, Einkauf von deutschem Rohtabak beim Erzeuger, Vegetabilienhandel, Honighandel, Weinhandel, Mineralwasserhandel;
    b) Nährmittelfabriken, Backhilfsmittelfabriken, Teigwarenfabriken, Suppenfabriken, Obstverwertungsindustrie, Gemüseverwertungsindustrie, Schaumweinfabriken, Wermutweinhersteller, Mineralwasserherstellung.
9. Holzwirtschaft:
    a) Nutz- und Brennholzhandel;
    b) Säge- und Furnierwerke,
10. a) Der nicht in vorstehenden Fächern aufgeführte Lebensmittel-Einzelhandel.
    b) -  -  -.

(2) Als Handel gilt auch die Tätigkeit der in den vorbezeichneten Fächern arbeitenden Vermittler (Kommissionäre, Handelsvertreter, Agenten, Makler).

(3) Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft kann im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister Änderungen und Ergänzungen der vorstehenden Liste vornehmen.

§ 2. Eine nach § 1 begründete Zugehörigkeit zum Reichsnährstand schließt die Zugehörigkeit zu anderen Standes- oder Berufsvertretungen aus, soweit nicht in §§ 3 und 4 etwas anderes bestimmt ist.

§ 3. (1) Bei den natürlichen und juristischen Personen, die eines der in § 1 unter b der Nr. 1 bis 10 bezeichneten Fächer betreiben, wird die Zugehörigkeit zu den Wirtschaftsverbänden und zu den Gliederungen der Industrie und des Handwerks durch ihre Zugehörigkeit zum Reichsnährstand nicht berührt. Angelegenheiten, die außerhalb der Aufgaben der Erzeugung, des Absatzes und der Bemessung der Preise und Preisspannen liegen, werden für diese Betriebe von den genannten Organisationen der Industrie und des Handwerks wahrgenommen.

(2) Das Zusammenfallen der Beitragserhebung durch den Reichsnährstand und durch die Wirtschaftsverbände darf nicht zu einer Erhöhung der Belastung der Unternehmungen führen; Reichsnährstand und Wirtschaftsverbände haben daher die Betriebe mit zweifacher Beitragspflicht nur in einer entsprechend geminderten Maße heranzuziehen.

(3) Die Ernennung der Führer der Innungen von Bäckern, Schlächtern, Müllern und Konditoren und der übergeordneten fachlichen Gliederungen dieser Handwerkszweige bedarf der Zustimmung des Reichsbauernführers.

§ 4. (1) Ein die Zugehörigkeit zum Reichsnährstand begründeter Landhandel oder eine die Zugehörigkeit begründender Be- und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse (§ 1) liegt nicht vor,
1. wenn das in § 1 bezeichnete Fach lediglich ein unerhebliches Maß des Gesamtbetriebes umfaßt,
2. beim Gast- und Handwerksgewerbe.

(2) Bei betrieben, die in einem nicht unerheblichen Maße Fächer der in § 1 bezeichneten Art neben anderen Betriebszweigen umfassen, greift sowohl die Zugehörigkeit zum Reichsnährstand als auch die Zugehörigkeit zu demjenigen Wirtschaftsverband und derjenigen anderen Standes. oder Berufsvertretung Platz, zu der diese anderen Betriebszweige gehören (gemischte Betriebe).

(3) Die Vorschriften des § 3 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung.

§ 5. Zur Vereinfachung des Aufbaues und der Verwaltung des Reichsnährstandes können Vereine, Vereinigungen und Verbände, welche die in § 1 dieser Verordnung unter a der Nr. 1 bis 10 in Verbindung mit § 4 Nr. 4 der Ersten Verordnung bezeichneten Reichsnährstandangehörigen umfassen und die wirtschaftspolitische Förderung sowie die Wahrung der Belange der dort bezeichneten Fächer oder der vorbezeichneten Reichsnährstandsangehörigen zum Zweck haben, durch Anordnung des Reichsbauernführers in den Reichsnährstand eingegliedert oder aufgelöst oder dem Reichsverband angegliedert werden. § 7 Abs. 2 und 3, § 8 Satz s und § 8 Satz 2 der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 8. Dezember 1933 gelten entsprechend.

§ 6. Einer vom Reichsnährstand auf Grund des § 2 des Reichsnährstandgesetzes vom 13. September 1933 vorgenommenen Regelung der Erzeugung, des Absatzes, der Preise und der Preisspannen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sind die mit der Erzeugung oder dem Absatz von landwirtschaftlichen Erzeugnissen befaßten Betriebe insbesondere die in § 4 Abs. 1 bezeichneten Betriebe, ohne Rücksicht auf die Reichsnährstandangehörigen unterworfen.

§ 7. Wenn ein Verein, eine Vereinigung oder ein Verband von Angehörigen des Reichsnährstandes Bestimmungen über die Erzeugung, den Absatz, die Preise oder Preisspannen landwirtschaftlicher Erzeugnisse getroffen hat, so kann der Reichsnährstand diese Regelung außer Kraft setzen. Ist die Vereinigung ein auf nicht reichsrechtlicher Vorschrift beruhender Zusammenschluß, so bedarf der Reichsnährstand dazu der Ermächtigung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft.

    Berlin, den 16. Februar 1934

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

Der Reichswirtschaftsminister
Dr. Schmitt.

 


Verordnung zur Ergänzung der Ersten und Dritten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes

vom 23. Juni 1936

aufgehoben durch Gesetz vom 21. Januar 1948 (WiGVBl. S. 21)

Auf Grund der §§ 1, 10 des Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstand und Maßnahmen zur Macht- und Preisregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Reichsnährstandgesetz) vom 13. September 1933 (RGBl. I. S. 626) wird im Einvernehmen mit dem Herrn Reichsminister der Finanzen und dem Herrn Reichsminister der Justiz verordnet:

I. Aus Anlaß
1. des Übergangs von Vermögen des Deutschen Landwirtschaftsrats, der Preußischen Hauptlandwirtschaftskammer und der öffentlich-rechtlichen landwirtschaftlichen Berufsvertretungen auf den Reichsnährstand, § 6 der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 8. Dezember 1933 (RGBl. I. S. 1060),
2. der Eingliederung von Vereinen, Vereinigungen und Verbänden in den Reichsnährstand gemä0 § 7 der Ersten Verordnung vom 8. Dezember 1933 und § 5 der Dritten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 16. Februar 1934 (RGBl. I. S. 100),
3. der Auflösung von Vereinen, Vereinigungen und Verbänden gemäß § 8 der Ersten Verordnung vom 8. Dezember 1933 und der § 5 der Dritten Verordnung vom 16. Februar 1934
werden die Grunderwerbsteuer (einschließlich der Zuschläge), die Wertzuwachssteuer, die Urkundensteuer, Stempelsteuern und Gerichtsgebühren nicht erhoben; im falle der Nr. 3 gilt dies indes nicht soweit Vermögensgegenstände nicht auf den Reichnährstand, sondern auf Dritte übertragen werden.

II. Die Vergünstigung nach Abs. 2 gilt auch dann, wenn die von der Vorschrift des Absatzes 1 betroffenen Vermögensübergänge und sonstige Rechtsvorgänge bereits vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt sind.

    Berlin, den 23. Juni 1936   

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
In Vertretung
H. Backe

 


Vierte Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes

vom 4. Februar 1935

aufgehoben durch Gesetz vom 21. Januar 1948 (WiGVBl. S. 21)

Auf Grund der §§ 1, 3, 10 des Reichsnährstandgesetzes vom 13. September 1933 (RGBl. I. S. 626), des § 8 des Gesetzes zur Ordnung der Getreidewirtschaft vom 27. Juni 1934 (RGBl. I. S. 527), des § 2 des Gesetzes über den Zusammenschluß von Mühlen vom 15. September 1933 (RGBl. S. 627), des § 10 des Gesetzes über den Verkehr mit Tieren und tierischen Erzeugnissen vom 23. März 1934 (RGBl. I. S. 224), des § 8 Kapitel V des Achten Teils der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I. S. 517, 602) und des § 38 des Milchgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 1933 (RGBl. I. S. 527) wird verordnet:

§ 1. Der Reichsnährstand umfaßt außer den im § 4 Nrn. 1 bis 4 der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes vom 8. Dezember 1933 (RGBl. I. S. 1060) aufgeführten Personen und Einrichtungen auch die Zusammenschlüsse, die auf Grund des § 3 des Reichsnährstandgesetzes, auch in Verbindung mit anderen Vorschriften, oder auf Grund des Gesetzes über den Zusammenschluß von Mühlen vom 15. September 1933 (RGBl. I. S. 627) gebildet sind oder werden.

§ 2. (1) Der Reichsnährstand hat darüber zu wachen, daß die Zusammenschlüsse bei ihren Anordnungen und Maßnahmen die Vorschriften der Gesetze und der Satzung befolgen, die Bedürfnisse der jeweils beteiligten Marktgebiete gebührend berücksichtigen, ihre Anordnungen und Maßnahmen mit den vom Reichsnährstand wahrzunehmenden Aufgaben in Einklang bringen und den Belangen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls Rechnung tragen. Der Reichsnährstand hat die Zusammenschlüsse bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen.

(2) Der Reichsnährstand kann Anweisungen erlassen, nach denen die Zusammenschlüsse den Geschäftsverkehr, das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, die Anlegung von Geldern, die Personalangelegenheiten einschließlich der Besoldung ihrer Angestellten und Arbeiter und die Vergütung ihrer Organe zu ordnen haben.

(3) Der Reichsnährstand kann insbesondere
a) Bücher, Schriften und Rechnungen der Zusammenschlüsse einsehen oder einsehen lassen und von den Organen der Zusammenschlüsse Auskunft über alle geschäftlichen Angelegenheiten der Zusammenschlüsse verlangen, sowie Nachprüfungen durch Sachverständige auf Kosten der Zusammenschlüsse vornehmen lassen,
b) zu den Beratungen der Organe der Zusammenschlüsse Vertreter entsenden und die Anberaumung von Sitzungen und die Beschlußfassung über bestimmte Gegenstände verlangen,
c) verlangen, daß etwaige Mängel in der inneren Geschäftsführung und im Geschäftsverkehr mit dem Reichsnährstand sowie etwaige Mängel in der Zusammenarbeit der Zusammenschlüsse untereinander abgestellt werden.

(4) Der Reichsnährstand kann Anordnungen und Maßnahmen der Zusammenschlüsse aufheben oder ihre Durchführung untersagen, wenn sie gegen Gesetz oder Satzung oder Anordnungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft oder Anweisungen des Reichsnährstandes verstoßen.

(5) Bei der Ausübung seiner Befugnisse gegenüber den in einer Hauptvereinigung zusammengefaßten Zusammenschlüssen bedient sich der Reichsnährstand in der Regel der Hauptvereinigung. In dringenden Fällen kann er seine Befugnisse auch diesen Zusammenschlüssen gegenüber unmittelbar ausüben.

(6) Unberührt bleiben die gegenüber den Zusammenschlüssen vorgesehenen Aufsichts- und Eingriffsrechte des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft und die Verantwortung der Zusammenschlüsse gegenüber dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.

§ 3. (1) Der Reichsbauernführer gibt den Zusammenschlüssen ihre Satzung. Er kann die Satzung der bei Inkrafttreten dieser Verordnung bestehenden Zusammenschlüsse abändern oder neufassen. Der Erlaß der Satzung und ihre Abänderung bedarf der Zustimmung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft.

(2) Der Reichsbauernführer kann an Stelle der Organe der Zusammenschlusses Abberufungen und Neubestellungen von Angestellten der Zusammenschlüsse vornehmen.

§ 4. (1) Die Vorsitzenden der Hauptvereinigungen und derjenigen Zusammenschlüsse, welche für das Reichsgebiet bestehen, werden von dem Reichsbauernführer mit Zustimmung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft bestellt und abberufen. Das gleiche gilt für die Stellvertreter der Vorsitzenden sowie die Mitglieder des Verwaltungsrats und deren Stellvertreter.

(2) Die Vorsitzenden der übrigen Zusammenschlüsse werden von dem Vorsitzenden ihrer Hauptvereinigung mit Zustimmung des Reichsbauernführers bestellt und abberufen; das gleiche gilt für die Stellvertreter der Vorsitzenden sowie für die Mitglieder des Verwaltungsrates und deren Stellvertreter.

(3) Die entgegenstehenden Vorschriften der bestehenden Satzungen treten außer Kraft. Bis zu einer Neubesetzung verbleibt es bei den bisherigen Bestellungen.

(4) Die Vorsitzenden der Zusammenschlüsse können zur Beratung bestimmter Angelegenheiten besondere Ausschüsse berufen, auch wenn dies in der Satzung nicht besonders vorgesehen ist.

    Berlin, den 4. Februar 1935.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1933 I S. 627, 1060; 1934 I. S. 32, 100; 1935 I. S. 170, 582, 1219
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944
Hinweis
© 3. Februar 2004 - 8. April 2004
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