Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht.

vom 29. März 1935

geändert durch
Gesetz vom 12. April 1938 (RGBl. I. S. 387),
Verordnung vom 18. März 1940  (RGBl. I. S. 557, ber. S. 642),
Verordnung vom 31. März 1943 (RGBl. I. S. 250)

mit dem Fristablauf nach § 11 am 1. April 1946 außer Kraft getreten

Die Reichsregierung hat folgendes Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1. Um die Beschaffung des für Zwecke der Wehrmacht erforderlichen Landes zu sichern und die im Zusammenhang damit notwendige Landbeschaffung für die Umsiedlung durchzuführen, wird im Reichswehrministerium eine Reichsstelle für Landbeschaffung gebildet. Der Leiter der Reichsstelle wird durch den Reichswehrminister im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bestellt.

§ 2. (1) Die Reichsstelle für Landbeschaffung hat für die im § 1 genannten Zwecke das erforderliche Land zu beschaffen. Ob das Land für diese Zwecke erforderlich ist, entscheidet die Reichsstelle endgültig.

(2) Kommt eine Vereinbarung mit dem Grundeigentümer nicht zustande, so steht der Reichsstelle das Recht der Enteignung zu. In diesem Fall ist die Reichsstelle Enteignungsbehörde. Sie stellt den Plan für die Enteignung der Grundstücke fest und ist befugt, das Land sofort in Besitz zu nehmen.

(3) Dem betroffenen Grundeigentümer ist eine angemessene Entschädigung (§ 15 des Reichssiedlungsgesetzes vom 15. August 1919 - RGBl. S. 1429 - in der Fassung der Änderungen vom 7. Juni, 18. August, 6. November 1923, 8. Juli 1926 und 4. Januar 1935 - RGBl. I. 1923 S. 364, 805, 1082; 1926 S. 398 und 1935 S. 1) in Land oder in Geld zu gewähren; auch ein etwaiger Besitzeinweisungsschaden ist zu vergüten. Die Entschädigung ist in Land zu gewähren, wenn es sich um einen Erbhof handelt, es sei denn, daß der Landbauernführer bescheinigt, daß der Erbhof durch die Enteignung in seinem Bestande nicht gefährdet wird. Bis zur Gewährung einer Entschädigung in Land ist dem Betroffenen für die Zwischenzeit eine angemessene Unterhaltsrente entsprechend der durch die Wegnahme von Land entstehenden Beeinträchtigung zu gewähren.

(4) Die Reichsstelle für Landbeschaffung setzt die Entschädigung nach Anhörung von Sachverständigen fest; in den Fällen, in denen die Entschädigung in Land zu gewähren ist, oder gewährt werden soll, ist die Reichsstelle dabei an die Weisungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft gebunden.

§ 3. (1) Glaubt ein Beteiligter, daß die von der Reichsstelle festgesetzte Entschädigung nicht angemessen sei, so kann er seinen Anspruch innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Entschädigungsbeschlusses vor dem im Abs. 3 genannten Gericht geltend machen.

(2) Ist als Entschädigung Land zugeteilt, so können die Beteiligten mit ihrem Antrag nach Abs. 1 nur die Gewährung, Erhöhung oder Minderung einer zusätzlichen Geldentschädigung verlangen.

(3) Das Gericht (Abs. 1) besteht aus dem Präsidenten des Senats für Siedlung und Auseinandersetzung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts als Vorsitzenden und zwei Vertretern der Landeskulturbehörde, in deren Bezirk das in Anspruch genommene Grundeigentum liegt, als Beisitzer. Die Beisitzer  müssen die Fähigkeit zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst haben. Vor der Entscheidung über die Entschädigung für enteignete Waldflächen ist ein forstlicher Sachverständiger zu hören.

§ 4. (1) Die Reichsstelle für Landbeschaffung hat bei der Beschaffung von Land für die Umsiedlung an erster Stelle zurückzugreifen auf den Grundbesitz:
a) der Körperschaften des öffentlichen Rechts (Reich, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, usw.);
b) von Stiftungen und sonstigen zweckgebundenen Vermögen mit und ohne Rechtspersönlichkeit, die der Aufsicht des Reichs oder der Länder unterliegen oder ihrer Verwaltung unterstehen,
c) der gemeinnützigen und sonstigen zugelassenen oder vorläufig zugelassenen Siedlungsunternehmen;
d) der Landlieferungsverbände.

(2) Die Inanspruchnahme von reichs- und staatseigenen Waldflächen erfolgt in Einvernehmen mit dem Reichsforstminister.

(3) In den Fällen der Inanspruchnahme von Land der im Abs. 1 genannten Stellen gelten die Vorschriften der §§ 2 und 3 mit der Maßgabe, daß bei der Festsetzung der Art und der Höhe der Entschädigung die bisherige Zweckbestimmung des Landes tunlichst zu berücksichtigen ist.

(4) Die im Abs. 1 genannten Körperschaften und Vermögensträger haben der Reichsstelle für Landbeschaffung über Umfang und Art ihrer Grundeigentums Auskunft zu erteilen.

§ 5. Die Reichsstelle für Landbeschaffung kann Miet-, Pacht- und sonstige Nutzungsrechte aufheben, die an einem für die Zwecke des § 1 beschafften Grundstücks bestehen. Die Vorschriften der §§ 2 und 3 gelten sinngemäß.

§ 6. (1) Zur Durchführung der Umsiedlung wird im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Reichsstelle für Umsiedlung gebildet.

(2) Die Reichsstelle für Landbeschaffung hat der Reichsstelle für Umsiedlung das für die Umsiedlung beschaffte Land sowie die Kosten der Umsiedlung zur Verfügung zu stellen.

(3) Die Reichsstelle für Umsiedlung ist Siedlungsbehörde im Sinne der Siedlungsgesetzgebung. Sie erteilt die Ansiedlungsgenehmigung und die baupolizeiliche Genehmigung sowie den Leistungsbescheid zur Regelung der öffentlich-rechtlichen Verhältnisse auf Grund der landesrechtlichen Vorschriften. Die Ausübung dieser Rechte soll der Leiter der Reichsstelle den zuständigen Landesbehörden übertragen; insoweit sind die Landesbehörden an die Weisungen des Leiters der Reichsstelle gebunden.

§ 7. Beim Erwerb von Ersatzgrundstücken durch umzusiedelnde Personen wird für den Eigentumsübergang Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Entsprechendes gilt für die Zuschläge zur Grunderwerbsteuer und für die Steuer der Gemeinden (Gemeindeverbände) von Zubehör (Gewerbeanschaffungssteuer).

§ 8. Beschafft die Reichsstelle für Landbeschaffung Grundstücke oder Grundstücksteile für Umsiedlungszwecke, so gelten hinsichtlich des Ausschlusses des Kündigungsrechts der Gläubiger, der Unterteilung der Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und Reallasten sowie der Eintragung der Rechtsänderungen in das Grundbuch die Vorschriften der §§ 1, 2 und 4 des Gesetzes zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes vom 4. Januar 1935 (RGBl. I. S. 1).

§ 9. Die Reichs-, Landes- und Gemeindebehörden sowie sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts haben den Reichsstellen jede zur Durchführung ihrer Aufgaben dienliche Verwaltungshilfe unentgeltlich zu leisten.

§ 10. Der Reichswehrminister ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, dem Reichswirtschaftsminister, dem Reichsarbeitsminister, de Reichsminister der Justiz und dem Reichsforstmeister die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsvorschriften und allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Hierbei können zur Durchführung der Entschuldung der von der Enteignung betroffenen Betriebsinhaber Änderungen der landwirtschaftlichen Entschuldungsgesetzgebung vorgesehen werden.

siehe hierzu die Durchführungsverordnungen  vom 21. August 1935 (RGBl. I. S. 1097) und vom 13. Februar 1937 (RGBl. I. S. 253).

§ 11. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1938 außer Kraft.

Durch Verordnung vom 12. April 1938 erhielt der § 11 folgende Fassung:
"§ 11. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1940 außer Kraft.
(2) Die zu diesem Zeitpunkt in der Durchführung begriffenen Vorhaben werden noch nach Maßgabe dieses Gesetzes abgewickelt."

Durch Verordnung vom 18. März 1940 erhielt der § 11 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1943 außer Kraft."

Durch Verordnung vom 31. März 1943 erhielt der § 11 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1946 außer Kraft."

    Berlin, den 29.  März 1935.

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichswehrminister
von Blomberg

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

Der Reichsminister der Luftfahrt
und
Der Reichsforstmeister
Göring.

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1935 I S. 467
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
Hinweis
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