Verordnung zur Sicherung der Staatsführung

vom 7. Juli 1933.

Auf Grund des § 18 des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933 (RGBl. I. S. 153) verordne ich:

§ 1. Reichstag und Volksvertretungen der Länder. Die Zuteilung von Sitzen auf Wahlvorschläge der Sozialdemokratischen Partei für den Reichstag und die Landtage (Bürgerschaften) auf Grund des Wahlergebnisses vom 5. März 1933 oder des Ergebnisses des Gleichschaltungsverfahrens nach § 4 Abs. 2 des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933 ist unwirksam. Ersatzzuteilungen finden nicht statt.

§ 2. Gemeindliche Selbstverwaltungskörper. Die Zuteilung von Sitzen auf Wahlvorschläge der Sozialdemokratischen Partei für die gemeindlichen Selbstverwaltungskörper (Kreistage, Bezirkstage, Bezirksräte, Amtsversammlungen, Stadträte, Stadtverordnetenversammlungen, Gemeinderäte usw.) in Preußen auf Grund des Ergebnisses der Wahl vom 12. März 1933, in den anderen deutschen Ländern auf Grund des Ergebnisses des Gleichschaltungsverfahrens nach § 12 Abs. 2 des Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933 ist unwirksam.

§ 3. Soweit zur Aufrechterhaltung der gemeindlichen Selbstverwaltung ein Bedürfnis besteht, Sitze, deren Zuteilung unwirksam ist (§ 2), neu zu besetzen, kann die Staatsaufsichtsbehörde die Sitze entsprechend dem Volkswillen nach Überwindung des Parteienstaates neu besetzen.

§ 4. Die Mitglieder der gemeindlichen Selbstverwaltungskörper werden durch die Staatsaufsichtsbehörde entsprechend dem Volkswillen nach Überwindung des Parteienstaates in folgenden weiteren Fällen berufen:
1. wenn eine gemeindliche Vertretungskörperschaft von der Staatsaufsichtsbehörde aufgelöst oder deren Wahl oder Gleichschaltung im Wahlprüfungsverfahren für ungültig erklärt ist;
2. wenn eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband im Wege der Umgemeindung neu gebildet wird;
3. wenn eine ordnungsmäßige Besetzung der gemeindlichen Vertretungskörperschaft deshalb nicht möglich ist, weil auf den Wahlvorschlägen eine hinreichende Zahl geeigneter Ersatzmänner nicht mehr vorhanden ist;
4. wenn in Preußen eine Neuwahl der gemeindlichen Vertretungskörperschaft am 12. März 1933 nicht zustande gekommen ist.

§ 5. Staatsbürgerliche Ehrenämter. (1) Die Wahlen von ehrenamtlichen Mitgliedern staatlicher Verwaltungsgerichte, Beschlußbehörden, Ausschüsse und von Trägern staatlicher Einzelehrenämter, die selbst der Sozialdemokratischen Partei angehören oder die auf Grund von Wahlvorschlägen von Vertretern der Sozialdemokratischen Partei gewählt worden sind, ist unwirksam.

(2) Das gleiche gilt von Wahlen der ehrenamtlichen Vorsitzer oder Mitglieder der Vorstände von Gemeinden und Gemeindeverbänden, Deputationen, Kommissionen, gemeindlichen Ausschüssen sowie Trägern von Einzelehrenämtern, die selbst Mitglied der Sozialdemokratischen Partei sind oder die von den Vertretungskörperschaften oder anderen wahlberechtigten Organen der Gemeinden und Gemeindeverbände auf Grund von Wahlvorschlägen gewählt sind, die von Vertretern der Sozialdemokratischen Partei eingereicht wurden.

(3) Soweit zur Aufrechterhaltung der Staatsverwaltung oder der gemeindlichen Selbstverwaltung ein Bedürfnis besteht, staatsbürgerliche Ehrenämter, deren Wahl unwirksam ist (Abs. 1 und 2), neu zu besetzen, werden die Ersatzleute von der Staatsaufsichtsbehörde oder der von ihr beauftragten Behörde entsprechend dem Volkswillen nach Überwindung des Parteienstaates berufen.

    Berlin, den 7. Juli 1933

Der Reichsminister des Innern
Frick

Die rechtlich wie alle anderen Parteien als politischer Verein (§ 3 des Vereinsgesetzes von 1908) definierte "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" war bereits am 22. Juni 1933 durch Verfügung des Reichsministers des Innern Frick verboten und aufgelöst worden (aufgrund § 2 des Vereinsgesetzes von 1908). Die vorstehende Verordnung, die das erste Gleichschaltungsgesetz ergänzte, war die rechtliche Beendigung der Amtszeit der Mandatsträger, die durch diese Partei oder mit Hilfe dieser Partei gewählt worden waren.

Siehe auch das Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 (RGBl. I. S. 479), mit dem alle Sachen und Rechte der SPD zugunsten der Länder eingezogen wurde.
 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1933 I S. 462
Hinweis
© 8. Februar 2004
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