Verordnung über die Arbeitszeit in den Bäckereien und Konditoreien

vom 23. November 1918
 

§ 1. In den gewerblichen Bäckereien und Konditoreien darf die regelmäßige Arbeitszeit der Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge und sonstigen Arbeiter acht Stunden nicht überschreiten.

Den Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern (Lehrlingen) müssen an jedem Arbeitstag, an dem sie länger als vier Stunden beschäftigt werden, Pausen von einer Gesamtdauer von mindestens einer halben Stunde gewährt werden. Werden sie länger als sechs Stunden beschäftigt, so muß die Gesamtdauer der Pausen mindestens eine Stunde und eine der Pausen mindestens eine halbe Stunde betragen. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde kommen auf die Pausen nicht in Anrechung.

Die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 gelten auch für die Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge und sonstigen Arbeiter, die in Gast- und Schankwirtschaften, Speiseanstalten aller Art (Pensionen, Heilanstalten, Fabrikkantinen), Warenhäusern, Mühlen und anderen gewerblichen Betrieben sowie in Bahnhofswirtschaften mit der Herstellung von Bäcker- und Konditorwaren beschäftigt werden.

§ 2. Über die im § 1 festgesetzte Dauer dürfen Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge und sonstige Arbeiter mit Arbeiten beschäftigt werden, die zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugnissen erforderlich sind, sofern diese Arbeiten nicht innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit vorgenommen oder beendet werden können.

§ 3. In allen gewerblichen Bäckereien und Konditoreien müssen an den Werktagen alle Arbeiten mindestens von 10 Uhr abends bis 6 Uhr morgens vollständig ruhen.

In der gleichen Zeit müssen in Gast- und Schankwirtschaften, Speiseanstalten aller Art (Pensionen, Heilanstalten, Fabrikkantinen), Warenhäusern, Mühlen und anderen gewerblichen Betrieben alle Arbeiten und Vorarbeiten ruhen, die zum Herstellen von Bäcker- oder Konditorwaren dienen; dies gilt auch für Bahnhofswirtschaften.

§ 4. Die Vorschriften des § 3 finden auch auf die Anlagen zum Herstellen von Zwieback, Keks, Biskuit, Honigkuchen, Lebkuchen, Waffeln oder Matze Anwendung.

§ 5. Die von den Landeszentralbehörden bestimmten Behörden können auf Antrag für ihren Bezirk oder für Teile desselben widerruflich eine Verschiebung der Lage der achtstündigen Betriebsruhe um höchstens eine Stunde genehmigen.

§ 6. An Sonn- und Festtagen - § 105a Abs. 2 der Gewerbeordnung - darf in gewerblichen Bäckereien und Konditoreien nicht gearbeitet werden. Jedoch dürfen nach 6 Uhr abends - an zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Festtagen nur am zweiten Tage nach 6 Uhr abends - während einer Stunde Arbeiten vorgenommen werden, die zur Wiederaufnahme des regelmäßigen Betriebs am folgenden Werktag notwendig sind.

Das gleiche gilt für alle Arbeiten und Vorarbeiten, die in den Betrieben des § 3 Abs. 2 zum Herstellen von Bäcker- und Konditorwaren dienen.

Von drei unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Festtagen gilt der dritte Tag als Werktag.

Die Landeszentralbehörden können für das Staatsgebiet oder für einzelne Bezirke gestatten, daß an den Sonn- und Festtagen während höchstens drei Stunden leicht verderbliche Waren ausgetragen werden.

§ 7. Die Gewerbeaufsichtsbeamten können auf Antrag unter dem Vorbehalte des Widerrufs
a) unbeschadet der Bestimmungen im § 2 für höchstens 20 Tage im Jahr eine Überschreitung der im § 1 festgesetzten Arbeitszeit zulassen, wenn ein dringendes Bedürfnis dafür nachgewiesen wird,
b) abweichend von den Bestimmungen der §§ 3 bis 6 gestatten, daß während der vorgeschriebenen Ruhezeiten und an den Sonn- und Festtagen Arbeiten ausgeführt werden, die notwendig sind
    1. in Notfällen oder im öffentlichen Interesse,
    2. zur Bewachung von Betriebsanlagen,
    3. zur Ausbesserung von Betriebseinrichtungen, sofern diese ohne erhebliche Störung des Betriebs nicht in der zugelassenen Arbeitszeit vorgenommen werden können,
c) genehmigen, daß während der Messen, Jahrmärkte und Volksfeste Gesellen, Gehilfen und Lehrlinge und sonstige Arbeiter über die im § 1 Abs. 1 vorgesehene Dauer hinaus beschäftigt und abweichend von den Bestimmungen des § 3 innerhalb der vorgeschriebenen Ruhezeiten sowie an den Sonn- und Festtagen Arbeiten zum Herstellen von Bäcker- und Konditorwaren ausgeführt werden.

Vor der Erteilung einer Genehmigung ist dem Arbeiterausschuß oder, wenn kein Ausschuß besteht, der Arbeiterschaft des Betriebs Gelegenheit zu geben, sich zu dem Antrag zu äußern.

§ 8. Der § 105b Abs. 1, der § 105c Abs. 1 Ziffer 1 bis 3, der § 105c Abs. 1 Ziffer 5, Abs. 2 bis 4, die §§ 105d bis 105i der Gewerbeordnung finden auf die gewerblichen Bäckereien und Konditoreien und auf die im § 3 Abs. 2 bezeichneten Arbeiten keine Anwendung; für die im § 4 bezeichneten Anlagen bewendet es bei den Bestimmungen der §§ 105b bis 105i der Gewerbeordnung.

§ 9. Auf den Gewerbebetrieb der Bäckereien und Konditoreien finden im übrigen die Vorschriften der Gewerbeordnung insoweit Anwendung, als nicht in diesem Gesetze besondere Bestimmungen getroffen sind.

§ 10. Zu den gewerblichen Bäckereien und Konditoreien im Sinne der vorstehenden Bestimmungen gehören auch Bäckereien und Konditoreien von Konsum- und anderen Vereinen.

§ 11. Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen dieser Verordnung regelt sich nach § 139b der Gewerbeordnung.

§ 12. Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark, im Unvermögensfalle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten, wird bestraft, wer den vorstehenden Bestimmungen oder den auf Grund derselben erlassenen Anordnungen der zuständigen Behörden zuwider Arbeiter beschäftigt oder Arbeiten vornimmt oder vornehmen läßt.

War der Täter zur Zeit der Begehung der Straftat bereits zweimal wegen Zuwiderhandlung nach Abs. 1 rechtskräftig verurteilt, so tritt, falls die Straftat vorsätzlich begangen wurde, Geldstrafe von einhundert bis dreitausend Mark oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten ein. Die Anwendung dieser Vorschrift bleibt ausgeschlossen, wenn seit der Rechtskraft der letzten Verurteilung bis zur Begehung der neuen Straftat drei Jahre verflossen sind.

§ 13. Die durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. März 1896 (Reichs-Gesetzbl. S. 55) verkündeten Vorschriften über den Betrieb der Bäckereien und Konditoreien werden aufgehoben, desgleichen die Vorschriften in Nr. 18 der Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und von Arbeiterinnen in Werkstätten mit Motorbetrieb, vom 13. Juli 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 566), insoweit sie sich auf Bäckereien und Konditoreien beziehen, sowie der § 9 der Bekanntmachung des Reichskanzlers über die Bereitung von Backwaren vom 26. Mai 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 411).

§ 14. Das Reichsarbeitsamt kann Bestimmungen über die Ausführung dieser Verordnung erlassen.

§ 15. Diese Verordnung hat Gesetzeskraft. Sie tritt am 15. Dezember 1918 in Wirkung.

    Berlin, den 23. November 1918.

Der Rat der Volksbeauftragten
Ebert        Haase

Der Staatssekretär des Reichsarbeitsamts
Bauer
 

Gemäß § 1 Satz 2 des Übergangsgesetzes vom 4. März 1919 (RGBl. S. 285) in Verbindung mit dem Verzeichnis im Reichsanzeiger Nr. 79 (Beilage) vom 5. April 1919 (III. Ziffer 5) galt die Verordnung als Gesetz fort.
 


Quellen: Reichsgesetzblatt 1918 S. 1329
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