Erster Bundesbeschluß über die Wahl der deutschen Nationalversammlung

vom 30. März 1848

Zu beschleunigter Entwerfung der Grundlagen einer neuen Bundesverfassung hat die Bundesversammlung mit einleitenden Arbeiten zu diesem Zwecke unter Zuziehung von Männern des öffentlichen Vertrauens bereits begonnen.

Zu weiterer Förderung dieser wichtigen Angelegenheit beschließt dieselbe, die Bundesregierungen aufzufordern, in ihren sämmtlichen, dem deutschen Staatensystem angehörigen Provinzen auf verfassungsmäßig bestehendem oder sofort einzuführendem Wege Wahlen von Nationalvertretern anzuordnen, welche am Sitze der Bundesversammlung an einem schleunigst festzustellenden, möglichst kurzen Termine zusammenzutreten haben, um zwischen den Regierungen und dem Volke das deutsche Verfassungswerk zu Stande zu bringen.

Da der Drang der Umstände die einstweilige Annahme eines bestimmten Maaßstabes der Bevölkerung, nach welchem die gedachten Volksvertreter in jedem Bundesstaate zu erwählen sind, erforderlich macht, so erscheint es zweckmäßig, in Bezug auf die bisherigen Bestandtheile des Bundes das bestehende Bundes-Matriku1arverhä1tniß dabei zum Grunde zu legen, und die Aufforderung dahin zu richten, daß auf 70,000 Seelen der Bevölkerung jedes Bundesstaates ein Vertreter zu wählen, auch denjenigen Staaten, deren Bevölkerung nicht 70,000 Seelen beträgt, die Wahl eines Vertreters zuzugestehen [sei].

 

Zweiter Bundesbeschluß über die Wahl der deutschen Nationalversammlung

vom 7. April 1848

Daß die Bundesversammlung, in Berücksichtigung des immittelst bekannt gewordenen öffentlichen Wunsches und gestützt auf das einstimmige Gutachten der ihr beigeordneten Männer des öffentlichen Vertrauens, ihren Beschluß vom 30. v. Mts. in Beziehung auf die Verhältnißzahl der Vertretung dahin abändere und ferner in der Weise vervollständige, daß

1) die Wahl der Vertreter des Volks zu der constituirenden deutschen Nationalversammlung so zu geschehen habe, daß, unter Beibehaltung des Verhältnisses der Bundesmatrikel, je nach 50,000 Seelen ein Vertreter gewählt werde, daß, wenn der Überschuß der Bevölkerung 25,000 Seelen übersteigt, ein weiterer Abgeordneter zu wählen sey, und daß jeder kleinere Staat, dessen Bevölkerung nicht 50,000 Seelen erreicht, einen Vertreter zu wählen habe

2) daß in Beziehung auf die Wahl der Abgeordneten zur constituirenden Versammlung auf jeden Fall bei der Wählbarkeit keine Beschränkung durch Vorschriften über gewisse Eigenschaften in Beziehung auf Wahlcensus oder Bekenntniß einer bestimmten Religion vorkommen, und eine Wahl nach bestimmten Ständen nicht angeordnet werden könne;

3) daß als wahlberechtigt und als wählbar jeder volljährige, selbstständige Staatsangehörige zu betrachten sey;

4) daß jeder Deutsche, wenn er die voranstehenden Eigenschaften besitzt, wählbar, und dann es nicht nothwendig sey, daß er dem Staate angehöre, welchen er bei der Versammlung vertreten soll;

5) daß auch die politischen Flüchtlinge, wenn sie nach Deutschland zurückkehren und ihr Staatsbürgerrecht wieder angetreten haben, wahlberechtigt und wählbar sind;

6) endlich, daß dieselbe die höchsten Regierungen ersuche, diese Wahlen so zu beschleunigen, daß, wo möglich, die Sitzungen der Nationalversammlung am 1. Mai beginnen können. 


Quelle: E.R. Huber  Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Band 1  Verlag Kohlhammer
© 26. November 2000
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