Gesetz über Parteien und andere politische Vereinigungen
-Parteiengesetz-

vom 21. Februar 1990

geändert durch
Gesetz vom 31. Mai 1990 (GBl. I. S. 275),
Gesetz vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 904),
Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II. S. 889), Anl. II, Kap. II Sachgeb. A, Abschn. III.
Gesetz vom 2. November 2000 (GBl. I S. 1481)

Zur Gründung und Tätigkeit von Parteien und anderen politischen Vereinigungen in der Deutschen Demokratischen Republik beschließt die Volkskammer das folgende Gesetz:

§ 1. (1) Dieses Gesetz regelt die Rechte und Pflichten der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik bei der Gründung und Tätigkeit von Parteien.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für andere politische Vereinigungen, mit Ausnahme der §§ 10, 11 und 12.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 1 faktisch aufgehoben.

§ 2. (1) Die Bildung von Parteien erfolgt entsprechend den Grundsätzen der Vereinigungsfreiheit.

(2) Parteien sind politische Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit in der Deutschen Demokratischen Republik auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und sich mit eigenem Kandidaten an Wahlen beteiligen.

(3) Grundlegende Aufgaben von Parteien sind insbesondere
- Teilnahme und Mitwirkung an der politischen Willensbildung;
- Beteiligung an Wählen durch Aufstellung von Kandidaten;
- Förderung der politischen Bildung und aktive Teilnahme der Bürger am gesellschaftlichen Leben;
- Mitwirkung an der Vermittlung von Volks und Staatswillen;
- Auswahl und Befähigung von geeigneten Mitgliedern zur Übernahme staatlicher Verantwortung.

(4) Die Parteien haben beim Präsidenten der Volkskammer
- das Programm und die Satzung (das Statut),
- die Namen der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes
zu hinterlegen. Gleiches gilt für Änderungen bzw. Ergänzungen des Programms und der Satzung (des Statuts). Änderungen der personellen Zusammensetzung des geschäftsführenden Vorstandes sind umgehend mitzuteilen. Der Präsident der Volkskammer führt ein Register der Parteien: Das Parteienregister ist öffentlich und jedermann zugänglich.

(5) Eine Partei, die innerhalb von 6 Jahren nicht mit eigenen Kandidatenvorschlägen an Wahlen teilgenommen hat, wird aus dem Parteienregister gestrichen. Die Öffentlichkeit ist darüber in geeigneter Weise zu informieren. Die Fortführung der Tätigkeit einer aus dem Parteienregister gestrichenen Partei richtet sich nach den Bestimmungen des Vereinigungsgesetzes.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 2 faktisch aufgehoben.

§ 3. (1) Die Bildung von Parteien ist frei und bedarf keiner Genehmigung.

(2) Die Gründung und Tätigkeit von Parteien, die faschistische, militaristische, antihumanistische Ziele verfolgen sowie Glaubens, Rassen und Völkerhaß bekunden oder verbreiten, die Personen und Gruppen aufgrund ihrer Nationalität, ihrer politischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer körperlichen bzw. geistigen Behinderungen diskriminieren oder ihre Ziele mit: Gewalt. oder durch Androhung von Gewalt zu verwirklichen suchen, sind verboten.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 3 faktisch aufgehoben.

§ 4. (1) Mitglieder 'von Parteien können hur natürliche Personen sein.

(2) Ausländer, die sich mit einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsgenehmigung :in der Deutschen Demokratischen Republik ;aufhalten, können Mitglied einer Partei werden; soweit deren Satzung (Statut) nichts anderes bestimmt.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 4 faktisch aufgehoben.

§ 5. (1) Jede Partei muß einen Namen haben, der sich von dem einer bereits bestehen den Partei deutlich unterscheidet. Gleiches gilt für eine Kurzbezeichnung, wenn eine solche verwandt wird.

(2) Der Sitz einer Partei und ihres Vorstandes müssen sich' im Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik befinden.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 5 faktisch aufgehoben.

§ 6. Soweit staatliche Organe, staatliche Betriebe und staatliche Einrichtungen Leistungen oder anderes an eine Partei gewähren bzw. einer Partei einräumen, haben alle anderen Parteien Anspruch auf Gleichbehandlung.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 6 faktisch aufgehoben.

§ 7. (1) Jeder Partei, die sieh mit eigenen Kandidatenvorschlägen an Wahlen beteiligt, ist in der Wahlvorbereitung und -durchführung Chancengleichheit, zu gewährleisten. Das bezieht sich insbesondere auf
- die Nutzung von Räumen und anderen Versammlungsstätten in volkseigenen Grundstücken, soweit sich diese in Rechtsträgerschaft der örtlichen Staatsorgane befinden,
- den gleichberechtigten Zugang zu und die freie Eigendarstellung in den Massenmedien in Übereinstimmung mit dem Beschluß der Volkskammer vom 5. Februar 1990 über die Gewährleistung der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit (GBl. I Nr. 7 S. 39,);
- die gleichberechtigte, Inanspruchnahme von öffentlich verwalteten Flächen zur Wahlsichtwerbung.

(2) Die Realisierung von Ansprüchen der Parteien gemäß Abs. 1 gewährleisten der Ministerrat, die zuständigen örtlichen Staatsorgane und die Leiter der staatlichen Einrichtungen durch mit den jeweiligen Parteien rechtzeitig abzuschließende Vereinbarungen, die auch Festlegungen über die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Rechte entstehenden Kosten enthalten müssen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 7 faktisch aufgehoben.

§ 8. (1) Parteien sind unter der Voraussetzung des § 2 Abs. 4 rechtsfähig. Sie nehmen als juristische Personen am Rechtsverkehr teil.

(2) Für die Teilnähme der Parteien am Rechtsverkehr gelten; soweit dieses Gesetz nichts anderes festlegt, die. Regelungen des Vereinigungsgesetzes entsprechend.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 8 faktisch aufgehoben.

§ 9. (1) Jede Partei muß über ein Programm und eine Satzung (Statut) verfügen, die demokratischen Prinzipien entsprechen.

(2) Die Satzungen müssen Festlegungen enthalten über
- Namen der Partei und Kurzbezeichnung, sofern eine solche verwandt wird;
- Sitz und Tätigkeitsgebiet der Partei;
- allgemeine Gliederung der Partei;
- Zusammensetzung und Befugnisse des Vorstandes und der übrigen Organe;
- Beschlußfassung der Mitgliederversammlung bzw. Delegiertenkonferenz;
- Beginn und Beendigung der Mitgliedschaft sowie der Rechte und Pflichten der Mitglieder;
- Verfahren der Auswahl von Kandidaten der Partei für .die Wahlen zu den Volksvertretungen;
-  Form und Inhalt einer Finanzordnung.

Über die Einrichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit entscheidet die Partei.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 9 faktisch aufgehoben.

§ 10. (1) Organe der Parteien. sind Mitgliederversammlungen und Vorstände. In der Satzung (im Statut) kann festgelegt werden: daß in überörtlichen Struktureinheiten an die Stelle der Mitgliederversammlung eine Delegiertenkonferenz treten kann.

(2) Die Mitgliederversammlung oder die Delegiertenkonferenz ist das oberste Organ der jeweils territorialen Struktureinheit. Sie tritt mindestens einmal in 2 Jahren zusammen. Die Mitgliederversammlung oder die Delegiertenkonferenz (Parteitag) beschließt über die Parteiprogramme; die :Satzung (das Statut), die Beitragsordnung, die Auflösung und den Zusammenschluß mit anderen Parteien.

(3) Die Mitgliederversammlung oder die Delegiertenkonferenz (Parteitag) wählt den Vorsitzenden der jeweiligen territorialen Struktureinheit, seine Stellvertreter und die übrigen Mitglieder des Vorstandes.

(4) Mindestens alle 2 Jahre hat der Vorstand vor der Mitgliederversammlung. oder der Delegiertenkonferenz (Parteitag) einen Tätigkeitsbericht abzugeben.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 10 faktisch aufgehoben.

§ 11. (1) Die Partei entscheidet satzungsgemäß über die Aufnahme von Mitgliedern. Die Mitgliedschaft in einer Partei schließt die Mitgliedschaft in einer anderen aus. Allgemeine Aufnahmesperren sind unzulässig.

(2) Die Mitglieder der Partei und die Vertreter in den Parteiorganen haben gleiches Stimmrecht.

(3) Die Partei regelt in ihrer Satzung (ihrem Statut) die Disziplinarmaßnahmen gegenüber ihren Mitgliedern und die Gründe für den Parteiausschluß.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 11 faktisch aufgehoben.

§ 12. (1) Die Vorstände leiten die Partei bzw. die territorialen Struktureinheiten der Partei. Sie vertreten die Partei im Rechtsverkehr gemäß der Satzung (dem Statut). Ihr Handeln berechtigt und verpflichtet die Partei unmittelbar.

(2) Der Vorstand handelt durch seinen Vorsitzenden, im Verhinderungsfalle durch einen gewählten Stellvertreter.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 12 faktisch aufgehoben.

§ 13. Eine Partei kann sich durch Beschluß der Mitgliederversammlung öder Delegiertenkonferenz (Parteitag) auflösen. Gleichzeitig ist zu beschließen, an wen das Vermögen zur Nutzung für einen gemeinnützigen Zweck zu überweisen bzw. zu übertragen ist.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 13 faktisch aufgehoben.

Durch Gesetz vom 22. Juli 1990 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 13a. Der Zusammenschluß (Fusion) von Parteien, die auf dem Gebiet der DDR wirken, mit Parteien der Bundesrepublik Deutschland ist zulässig. Die durch einen solchen Zusammenschluß entstandenen gesamtdeutschen Parteien treten die Gesamtrechtsnachfolge der Vorgängerparteien an."

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 13a faktisch aufgehoben.

§ 14. (1) Die Parteien haben eine Einnahmen und Ausgabenrechnung sowie eine Vermögensrechnung jährlich zu führen und im Finanzbericht der Partei auszuweisen.

(2) Einnahmen sind:
- Mitgliedsbeiträge und ähnliche regelmäßige Beiträge  Einnahmen aus Vermögen
- Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit  Einnahmen aus Schenkungen
- Einnahmen aus 'Wahlkampfkostenerstattung
- sonstige Einnahmen (aufgegliedert nach Hauptpositionen).

(3) Ausgaben sind:
- Personalausgaben
- Ausgaben für politische Arbeit
- Ausgaben für Verwaltungsaufgaben
- Ausgaben für Wahlen
- sonstige Ausgaben (aufgegliedert nach Hauptpositionen).

(4) Die Vermögensrechnung umfaßt
- unbewegliche und bewegliche Grundmittel,
- Umlaufmittel
- Forderungen
- Verbindlichkeiten.

(5) Im Finanzbericht sind die Anzahl der beitragspflichtigen Mitglieder sowie die Wirtschaftseinheiten der Partei mit Angabe der an die Partei abgeführten Gewinne zum Jahresende auszuweisen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 14 faktisch aufgehoben.

§ 15. Parteien dürfen nur solche Betriebe und Unternehmen betreiben, die der politischen Willensbildung dienen. Gestattet sind auch Bildungseinrichtungen, Ferienheime und andere soziale Einrichtungen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 15 faktisch aufgehoben.

§ 16. Parteien sind hinsichtlich ihrer politischen Tätigkeit von Steuern befreit. Das gilt auch für die Verwaltung, Schulung und Erziehung: Unterhalten sie jedoch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (z. B, Produktion, Handel, Dienstleistungen, Druckerei, Verlag, Erholungsobjekt), so sind sie insoweit steuerpflichtig. Für die Besteuerung der Umsätze und Gewinne sowie dieses Vermögens gelten die bestehenden steuerrechtlichen Vorschriften.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 16 faktisch aufgehoben.

§ 17. (1) Über Einzelschenkungen (Spenden) im Wert von mehr als 10 000 Mark ist innerhalb von 14 Tagen der Präsident der Volkskammer zu informieren. Dieser macht die Schenkung unter Angabe ihrer Höhe und des Spenders unverzüglich im Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik bekannt.

(2) Schenkungen in Erwartung eines wirtschaftlichen Vorteils dürfen weder gewährt noch angenommen 'werden: Solche Schenkungen_ sind gegebenenfalls dem Präsidenten der Volkskammer zu überweisen, der sie gemeinnützigen Zwecken zuführt.

(3) Eine Partei darf keine Schenkungen oder anderweitige wirtschaftliche Unterstützung von einem anderen Staat oder von außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes annehmen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 17 faktisch aufgehoben.

§ 18. (1) Zur Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit der Parteien wird jeder Partei ein staatlicher Finanzierungszuschuß gewährt, per Zuschuß wird auf Antrag der Parteien quartalsweise in angemessener Höhe gezahlt. Die Höhe des Finanzierungszuschusses für das 1. und 2. Quartal 1990 wird durch den Ministerrat im Zusammenwirken mit den Parteien und Gruppierungen des Runden Tisches festgelegt. Die im 1. Halbjahr 1990 gezahlten Zuschüsse werden in keinem Fall zurückgefordert. Diese Bestimmungen gelten nur für Parteien, die sich an den Wahlen beteiligen oder die sich bis zum 28. Februar 1990 gegründet haben und mindestens 500 Mitglieder nachweisen. 

(2) Die Höhe des Finanzierungszuschusses für jede Partei für das Jahr 1990 ist nach den Wahlen zur Volkskammer und den Kommunalwahlen unter Berücksichtigung insbesondere der
- Zahl der auf die Parteien entfallenen Wählerstimmen,
- Einnahmen der Parteien,
- unbedingt erforderlichen Personalkosten,
- Anzahl der Mitglieder der Partei
durch Beschluß der Volkskammer festzulegen. Dabei ist auch der besondere Bedarf der neugebildeten Parteien für die Schaffung der notwendigen personellen, materielltechnischen und organisatorischen Arbeitsvoraussetzungen zu berücksichtigen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 18 faktisch aufgehoben.

§ 19. (1) Parteien, die sich an der Volkskammerwahl mit eigenen Wahlvorschlägen beteiligen, haben Anspruch auf eine anteilige Erstattung der Wahlkampfkosten gemäß  Abs. 2.

(2) Der zu bildende staatliche Wahlkampffonds beträgt 5 Mark je Wahlberechtigten. Die Erstattung der Wahlkampfkosten erfolgt anteilmäßig nach den auf die Partei oder auf ein Wahlbündnis entfallenen gültigen Wählerstimmen.

(3) In Vorbereitung auf die Volkskammerwahlen können auf Antrag Abschlagszahlungen in Anspruch genommen werden.

(4) Die Auszahlung der Beträge, die zur Erstattung von Wahlkampfkosten einer Partei zustehen, erfolgt durch den Präsidenten der Volkskammer.

(5) Parteien, die nicht mindestens 0,25 % der gültigen Wählerstimmen auf sich vereinen, erhalten keine Wahlkampfkosten erstattet. Das gilt auch für Wahlbündnisse, Parteien, die nationale Minderheiten vertreten, erhalten in jedem Fall Wahlkampfkosten gemäß Abs. 2 erstattet.

(6) Abschlagszahlungen sind nach der Wahl zurückzuzahlen, soweit sie den Erstattungsbetrag gemäß Abs. 2 übersteigen oder wenn ein Erstattungsanspruch nicht entstanden ist.

(7) Für die Wählen zu den anderen Volksvertretungen werden gesonderte Regelungen getroffen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 19 faktisch aufgehoben.

§ 20. (1) Bis zum 30. Juni eines jeden Jahres hat jede Partei öffentlich Rechenschaft über das Vermögen, die Einnahmen und Ausgaben des vergangenen Kalenderjahres zu legen. Der Bericht ist mit dem Prüfungsvermerk eines unabhängigen Revisionsorgans an den Präsidenten der Volkskammer zu übergeben.

(2) Der Präsident der Volkskammer macht die Finanzberichte im Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik bekannt.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 20 faktisch aufgehoben.

Durch Gesetz vom 31. Mai 1990 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf mit Wirkung vom 1. Juni 1990 eingefügt:
"§ 20a. (1) Der Ministerpräsident setzt eine unabhängige Kommission ein, die einen Bericht über die Vermögenswerte aller Parteien und mit ihnen verbundenen Organisationen, juristischen Personen und Massenorganisationen der DDR im In- und Ausland erstellt.
(2) Die Parteien und die ihnen verbundenen Organisationen, juristischen Personen und Massenorganisationen haben unbeschadet der Pflichten gemäß Absatz 1 eingesetzten Kommission vollständig Rechenschaft zu legen,
a) welche Vermögenswerte seit dem 8. Mai 1945 in ihr Vermögen oder das einer Vorgänger- oder Nachfolgeorganisation durch Erwerb, Enteignung oder auf sonstige Weise gelangt sind oder veräußert, verschenkt oder auf sonstige Weise abgegeben wurde;
b) insbesondere ist eine Vermögensübersicht nach dem Stand vom 7. Oktober 1989 sowie über die seitdem erfolgten Veränderungen zu erstellen.
(3) Die Rechenschaftspflicht erstreckt sich auf sämtliche Vorgänge und Unterlagen, die für die Beurteilung der Vermögenssituation von Bedeutung sein können, insbesondere auch auf rechtliche, wirtschaftliche oder sonstige Beteiligungen an Unternehmen und geschäftliche Verbindungen, auch wenn sie über andere natürliche oder juristische Personen abgewickelt wurden, wobei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist.
(4) Die vom Ministerpräsidenten eingesetzte unabhängige Kommission hat zur Durchführung ihrer Arbeit das Recht zur Beweisaufnahme, entsprechend den Verfahrensregeln der Strafprozeßordnung Zeugen zu vernehmen, Hausdurchsuchungen, sonstige Durchsuchungen und Beschlagnahmen vornehmen zu lassen. Alle Behörden, Organisationen und Bürger der DDR sind verpflichtet, die Kommission zu unterstützen.
(5) Der Ministerpräsident leitet der Volkskammer den Bericht der Kommission bis zum 30. Juni 1990 zu."

Durch Gesetz vom 31. Mai 1990 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf mit Wirkung vom 1. Juni 1990 eingefügt:
"§ 20b. (1) Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes können die Parteien und die ihnen verbundenen Organisationen, juristischen Personen und Massenorganisationen Vermögensveränderungen wirksam nur mit Zustimmung des Vorsitzenden der unabhängigen Kommission vorzunehmen.
(2) Zur Sicherung von Vermögenswerten von Parteien oder ihnen verbundenen Organisationen, juristischen Personen und Massenorganisationen wird das Vermögen der Parteien und der ihnen verbundenen Organisationen, juristischen Personen und Massenorganisationen, das am 7. Oktober 1989 bestanden oder seither an die Stelle dieses Vermögens getreten ist, unter treuhänderische Verwaltung gestellt.
(3) Die treuhänderische Verwaltung wird von der vom Ministerpräsidenten eingesetzten unabhängigen Kommission wahrgenommen."

Durch Gesetz vom 2. November 2000 wurde dem § 20b folgender Absatz angefügt:
"(4) Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die treuhänderische Verwaltung nach den Absätzen 2 und 3 in Verbindung mit der in Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III Buchstabe d Satz 1 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 885, 1150) angeführten Maßgabe auf eine Stelle des Bundes oder eine juristische Person des Privatrechts übertragen. Die Rechts- und Fachaufsicht obliegt dem Bundesministerium der Finanzen, das die Fachaufsicht im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem jeweils zuständigen Bundesministerium wahrnimmt."

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurden zu den §§ 20a und 20b folgende Maßgaben bestimmt:
"a) Die Kommission unterliegt der Rechtsaufsicht der Bundesregierung. Die Bundesregierung beruft nach Wirksamwerden des Beitritts im Benehmen mit dem Bundestagspräsidenten sechs weitere Mitglieder der Kommission. Die Bundesregierung kann von dem Wirksamwerden des Beitritts an im Benehmen mit dem Bundestagspräsidenten bis zu einer Entscheidung des 12. Deutschen Bundestages Mitglieder der Kommission aus wichtigem Grund abberufen und Ersatzmitglieder berufen.
b) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung unter Berücksichtigung der Bestimmungen in Buchstabe a) die Einrichtung der Kommission und das Verfahren regeln.
c) Die Kommission leitet über die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis zum 15. Januar 1991 einen Zwischenbericht zu.
d) Die treuhänderische Verwaltung nach § 20 b Abs. 3 wird der auf Grundlage des Gesetzes vom 17. Juni 1990 (GBl. I Nr. 33 S. 300) gebildeten Treuhandanstalt übertragen. Diese führt das Vermögen an die früher Berechtigten oder deren Rechtsnachfolger zurück. Soweit dies nicht möglich ist, ist das Vermögen zugunsten gemeinnütziger Zwecke, insbesondere der wirtschaftlichen Umstrukturierung, in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet zu verwenden. Nur soweit Vermögen nachweislich nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätze im Sinne des Grundgesetzes erworben worden ist, wird es den in § 20 a Abs. 2 genannten Institutionen wieder zur Verfügung gestellt. Die Treuhandanstalt nimmt die vorbezeichneten Aufgaben im Einvernehmen mit der Kommission wahr."

Amtl. Anmerkung zum Buchst. d): Die Parteien gehen davon aus, daß es sich bei dieser Regelung nicht um Enteignung handelt, sondern darum, daß die materielle Rechtslage bzw. der dieser Rechtslage entsprechende Rechtszustand zugunsten der früher Berechtigten wiederhergestellt wird.

siehe zu §§ 20a und 20b die Verordnung über die Einrichtung und das Verfahren der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (Parteivermögenskommissionsverordnung - PVKV) vom 14. Juni 1991 (BGBl. I S. 1243).

§ 21. (1) Das Verbot einer Partei gemäß § 3 Abs. 2 erfolgt in einem Verfahren vor dem Großen Senat des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik.

(2) Anträge auf Verbot einer Partei können das Präsidium der Volkskammer, der Ministerrat und der Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik stellen.

(3) Für das Verfahren vor dem Großen Senat des Obersten Gerichts gilt die Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit einzelner Mitglieder von Parteien bleibt vom Verbotsverfahren unberührt.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 21 faktisch aufgehoben.

§ 22. (1) Wird eine Partei entsprechend § 21 verboten, ist sie unverzüglich aufzulösen. Verantwortlich für die zur Auflösung zu ergreifenden Maßnahmen sind der Minister für Innere Angelegenheiten und der Minister der Finanzen und Preise.

(2) Das Vermögen der verbotenen Partei fällt an den Staat zur Verwendung für gemeinnützige Zwecke.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 22 faktisch aufgehoben.

§ 23. Betriebe und Unternehmen, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes entgegen den Regelungen des § 15 Eigentum von Parteien sind, sind bis spätestens 31. Dezember 1991 in anderes Eigentum zu überführen. Ehemaliges Volkseigentum ist dabei zurückzuführen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 23 faktisch aufgehoben.

§ 24. Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme des § 17 Abs. 3 am 21. Februar 1990 in Kraft. § 17 Abs. 3 tritt am 1. Januar 1991 in Kraft.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 24 faktisch aufgehoben.

Das vorstehende, von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am einundzwanzigsten Februar neunzehnhundertneunzig beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den zweiundzwanzigsten Februar neunzehnhundertneunzig

Der amtierende Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
Prof. Dr. Gerlach


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1990 Teil I. S. 66
© 24. Februar 2005 - 30. April 2005

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