Gesetz der Arbeit
zur Förderung und Pflege der Arbeitskräfte, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage der Arbeiter und Angestellten

vom 19. April 1950

aufgehoben durch
Einführungsgesetz zum Gesetzbuch der Arbeit der DDR vom 12. April 1961 (GBl. S. 49)

In der Deutschen Demokratischen Republik sind nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes grundlegende sozial-ökonomische Veränderungen vor sich gegangen. Die Herrschaft der Monopole und Großgrundbesitzer wurde beseitigt und eine neue demokratische Ordnung geschaffen. Die Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher wurden Volkseigentum. Die Staatsmacht und die Schlüsselpositionen in der Wirtschaft befinden sich in den Händen des werktätigen Volkes. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen für einen aktiven Anteil der Millionen Arbeiter, Bauern und der Intelligenz am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Auf der Grundlage dieser historischen Veränderungen erfolgt der Aufbau unserer Friedenswirtschaft nach einheitlichen Volkswirtschaftsplänen.

Die Erfüllung und Übererfüllung der Wirtschaftspläne durch die gemeinsame Arbeit der Arbeiter, Angestellten, Betriebsleiter, Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler hat die Voraussetzung für eine ständige Verbesserung der Lebenslage der Werktätigen in der Deutschen Demokratischen Republik geschaffen. In den volkseigenen Betrieben ist ein neues Verhältnis der Werktätigen zur Arbeit entstanden. Aus ihm entwickelt sich die Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung zu einer neuen gesellschaftlichen Kraft. Die Einheit der Arbeiterklasse, die Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien und Organisationen und die großzügige politische und materielle Hilfe der Sowjet-Union bilden die Grundlage für diese Entwicklung.

Im Gegensatz zu der Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik wurde in Westdeutschland unter der Herrschaft der anglo-amerikanischen Imperialisten die Macht der Monopole und Junker aufrechterhalten. Die Wirtschaft steht vor einer Krise. Die Erwerbslosigkeit, Ausbeutung und Verelendung der Werktätigen wächst.

Die große Initiative breiter Arbeitermassen, insbesondere der Aktivisten, bei der Entfaltung der Wettbewerbe zur Steigerung der Produktion, der Verbesserung der Qualität, der Senkung der Selbstkosten und der Erhöhung der technisch begründeten Arbeitsnormen in den volkseigenen Betrieben ist der Weg zu einer ständigen Steigerung der Arbeitsproduktivität. Die Deutsche Demokratische Republik sieht es als ihre Pflicht an diese Masseninitiative mit allen Mitteln zu fördern und den Arbeitern und Angestellten die Erfolge ihrer Arbeit zu sichern.

Zur weiteren Festigung des Einflusses der Arbeiterschaft 2m Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik. der der Arbeitsproduktivität als der Grundbedingung für die erfolgreiche Entwicklung der Volkswirtschaft und damit der Erhöhung des materiellen Wohlstandes der Bevölkerung sowie zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Gesundheit der Arbeiter und Angestellten beschließt die Provisorische Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik dieses Gesetz:

I. Das Recht auf Arbeit

§ 1. Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hei das Recht auf Arbeit. Es muß ihm ein seinen Fähigkeiten entsprechender und zumutbarer Arbeitsplatz nachgewiesen werden.

(2) Das Ministerium für Planung ist verpflichtet, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen und den Fachministerien jährlich im Rahmen des Volkswirtschaftsplanes einen Arbeitskräfteplan aufzustellen.

(3) Der Facharbeiternachwuchses wird jährlich durch den zu erstellenden Nachwuchsplan geregelt.

(4) Die staatlichen Organe sind verpflichtet, die erforderlichen Bedingungen zu schaffen, die es Frauen ermöglichen, in größerem Maße von ihrem Recht auf Arbeit in allen Zweigen der Volkswirtschaft Gebrauch zu machen.

§ 2. Unbeschadet des Anspruchs der erwerbstätigen Männer und Frauen auf Altersrente, ist ihnen nach freiem Ermessen die Fortführung ihrer Berufstätigkeit gemäß ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu sichern. Die reichen Erfahrungen langer Berufstätigkeit versetzen sie in die Lage, Anregungen für alle zum Wohl aller zu geben.

§ 3. Allen Arbeitenden ist unabhängig von Geschlecht und Alter für gleiche Arbeit gleicher Lohn zu zahlen.

II. Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten

§ 4. In unserer neuen demokratischen Ordnung, in der die Schlüsselbetriebe dem Volke gehören, wird das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten, als die entscheidene Kraft im Staate, in der Führung der Wirtschaft durch die demokratischen staatlichen Organe verwirklicht.

(2) Die freien deutschen Gewerkschaften sind in den Betrieben und Verwaltungen die gesetzlichen Vertreter der Arbeiter und Angestellten zum Schutz ihrer Arbeitsrechte und Interessen in der Produktion, auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes, der Einhaltung der im Gesetz festgelegten Arbeitsbedingungen und des Lohnes.

§ 5. Alle Organe der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Landesregierungen, der Verwaltungen und der volkseigenen Wirtschaft sind verpflichtet, die engste Zusammenarbeit mit den zuständigen Organen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Gewerkschaften herzustellen.

§ 6. Die Betriebsgewerkschaftsleitung ist die Vertretung der Arbeiter und Angestellten im Betrieb. Mitglieder der Betriebsgewerkschaftsleitung dürfen durch die Ausübung des Mitbestimmungsrechtes und ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit keinen Nachteilen ausgesetzt sein. Auf der Grundlage der Beschlüsse des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Gewerkschaften nimmt die Betriebsgewerkschaftsleitung teil an der Arbeit der öffentlichen Organe der Volkskontrolle, indem sie auf die Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften im Betrieb achtet.

§ 7. (1) In den volkseigenen Betrieben werden die gegenseitigen Verpflichtungen der Belegschaft und der Werksleitung die sich aus dem VEB-Plan ergeben, jährlich im Betriebsvertrag niedergelegt.

(2) Die Betriebsgewerkschaftsleitung wirkt bei der richtigen Verteilung und Ausnutzung des Direktorenfonds mit.

(3) Die Arbeiter und Angestellten der volkseigenen Betriebe üben ihr Mitbestimmungsrecht bei der Erörterung der VEB-Pläne auf den Belegschaftsversammlungen und in den Produktionsberatungen aus; sie machen entsprechende Vorschläge, die der Entwicklung der Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik dienen.

§ 8. Die Direktionen der volkseigenen Betriebe tragen die volle Verantwortung Air die Erfüllung des Produktionsplanes, für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen über Arbeit, Lohn und Arbeitsschutz.

§ 9. Die privaten Industrie-, Landwirtschafts-, Handels- und Verkehrsbetriebe sind verpflichtet, mit der Betriebsgewerkschaftsleitung Betriebsvereinbarungen, in denen die Durchführung des Mitbestimmungsrechtes geregelt wird, abzuschließen und der über die Fragen der Produktion und der Geschäftsführung Auskunft zu geben.

III. Steigerung der Arbeitsproduktivität

§ 10. (1) Die Steigerung der Arbeitsproduktivität der volkseigenen Betriebe ist die die Grundvoraussetzung für die Erfüllung der Volkswirtschaftspläne. Die Arbeiter und Angestellten der volkseigenen Betriebe übernehmen ihre Verantwortung durch Abschluß des Betriebsvertrages. Alle leitenden Organe der volkseigenen Betriebe sind für die Erreichung der im Plan vorgesehenen Steigerung der Arbeitsproduktivität verantwortlich. Es ist ihre Aufgabe, die Arbeitsorganisation und den Arbeitsablauf ständig zu verbessern, alle Voraussetzungen zur Entfaltung der Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung zu schaffen, technisch begründete Arbeitsnormen weiter zu entwickeln und die Produktionstechnik laufend zu verbessern.

(2) Die leitenden Organe sind verpflichtet, die bisher gemachten Erfahrungen in der Arbeitsinstruktion anzuwenden und alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitsmethoden und Erfahrungen der besten Arbeiter, besonders der Aktivisten, auf die anderen Arbeiter im Betrieb und im Industriezweig zu übertragen.

(3) Die leitenden Organe sind verpflichtet, das Vorschlags- und Erfindungswesen auf breiter Basis zu entwickeln und alle technischen Neuerungen in Übereinstimmung mit den Interessen der Deutschen Demokratischen Republik anzuwenden.

§ 11. Die Leiter der volkseigenen Betriebe und Vereinigungen sind verpflichtet, bei der Erstellung der technisch begründeten Arbeitsnormen die Richtlinien des Zentralausschusses für technische Arbeitsnormen (Z TAN) beim Ministerium für Industrie der Deutschen Demokratischen Republik anzuwenden. Die technisch begründeten Arbeitsnormen sind im Betriebsvertrag festzulegen:

§ 12. Das Ministerium für Industrie kann im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen und dem Zentralvorstand der zuständigen Gewerkschaft technisch begründete Arbeitsnormen für Gruppen von volkseigenen Betrieben oder für volkseigene ganze Industriezweige für verbindlich erklären.

§ 13. Die Anwendung der hochproduktiven Leistungslohnarbeit (Stücklohnarbeit) auf der Grundlage technisch begründeter Arbeitsnormen ist ständig zu erweitern.

§ 14. Die Fachministerien sind verpflichtet, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen und den zuständigen Gewerkschaften den ihnen unterstehenden volkseigenen Betrieben und Vereinigungen laufend Anweisungen für Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität zu geben.

§ 15. Die Fachministerien sind verantwortlich für die Erstellung von Lohngruppenkatalogen für die einzelnen Wirtschaftszweige und von Betriebs-Lohngruppenkatalogen für die volkseigenen Betriebe. Die Lohngruppenkataloge für die einzelnen Wirtschaftszweige sind vom Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen kurzfristig zu bestätigen.

§ 16. (1) Das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen hat die Aufgabe, darüber zu wachen, daß bei. dem Abschluß von Kollektiv-Verträgen für die volkseigenen Betriebe und Vereinigungen ein Lohnsystem entwickelt wird, das dem Unterschied zwischen einfachen und komplizierten, leichten und schweren Arbeiten sowie zwischen den volkswirtschaftlich entscheidenden Industriezweigen und den übrigen Wirtschaftszweigen zu Gunsten der höher qualifizierten Arbeit und der größeren Volkswirtschaftlichen Bedeutung Rechnung trägt.

(2) Die Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Betrieben und Verwaltungen werden durch Kollektiv-Verträge geregelt. Bis zum 1. Juni 1950 legt das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen dem Ministerrat eine Verordnung über den Abschluß von Kollektiv-Verträgen zur Verabschiedung vor.

§ 17. (1) Die planmäßige Steigerung der Arbeitsproduktivität sichert die ständige Erhöhung des Reallohnes.

(2) Das Ministerium für Planung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen und dem Ministerium der Finanzen gliedert die geplante Gesamt-Lohnsumme auf und arbeitet ein dem Volkswirtschaftsplan entsprechendes Lohngefüge für jedes Planjahr aus.

IV. Förderung der Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung

§ 18. (1) Die Aktivistenbewegung ist die wichtigste gesellschaftliche Kraft bei der Erfüllung der Wirtschaftspläne zur Festigung der demokratischen Ordnung. Sie wird von den Gewerkschaften organisiert und geführt. Ihre Förderung ist eine nationale Aufgabe.

(2) Die Direktionen der volkseigenen Betriebe und das technische Personal sind an der Aktivistenbewegung aktiv beteiligt und tragen für ihre weitere Entwicklung eine hohe Verantwortung.

(3) Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, die Landesregierungen und alle staatlichen und wirtschaftlichen Organe sind verpflichtet diese Bewegung allseitig zu fördern.

§ 19. Zum Tag der Aktivisten, den 13. Oktober, werden jährlich Ehrenzeichen verliehen für:
a) Helden der Arbeit - Silber-Ehrenzeichen.
    Die Verteilung erfolgt durch Beschluß der Regierung auf gemeinsamen Vorschlag der Gewerkschaften und der entsprechenden Ministerien. Die mit dem Titel "Held der Arbeit" Ausgezeichneten zählen zu dem Personenkreis, dessen Förderung die Kulturverordnungen regeln.
b) Verdiente Aktivisten - Bronze-Ehrenzeichen,
    Verdiente Erfinder - Bronze-Ehrenzeichen.
    Die Verleihung erfolgt durch das zuständige Fachministerium auf Vorschlag der Gewerkschaften und der Direktion des Betriebes.

§ 20. Zur Auszeichnung der besten Qualitätsbrigaden verleiht das zuständige Ministerium der Deutschen Demokratischen Republik auf Vorschlag der Gewerkschaften und der Direktion des Betriebes den Titel "Brigade der besten Qualität".

§ 21. Zur Entfaltung der Wettbewerbsbewegung in den entscheidenden Industrie- und Wirtschaftszweigen verleiht die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes Wanderfahnen an die Siegerbetriebe.

§ 22. (1) Zur Prämiierung der Titelträger, der Brigaden der besten Qualität und der Siegerbetriebe im Wettbewerb werden jährlich im Haushaltsplan Mittel zur Verfügung gestellt. Im Jahre 1950 stehen dafür erstmalig 3 750 000,- DM zur Verfügung.

(2) Das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen erläßt hierzu in  Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und dem Ministerium der Finanzen und den Fachministerien bis zum 30. Juni 1950 Durchführungsbestimmungen.

§ 23. Die Fachministerien sind verpflichtet, Maßzahmer. zur Ausbildung geeigneter Aktivisten für qualifizierte und leitende Arbeiten durchzuführen.

(2) Die Kulturdirektoren der volkseigenen Betriebe sind verpflichtet, in Zusammenarbeit mit der Betriebsgewerkschaftsleitung und den technischen Aktivs die fachliche Schulung der Aktivisten im Betrieb zu organisieren.

§ 24. Für das technische Studium von Aktivisten sind in den Stipendienfonds der Regierung Mittel bereitgestellt. Darüber hinaus stellen die volkseigenen Betriebe zusätzliche Mittel zur Verfügung.

§ 25. Die Wohnungsämter sind verpflichtet, den Aktivisten bevorzugt angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

V. Planmäßige Verwendung der Arbeitskräfte

§ 26. (1) Die Erfüllung der Volkswirtschaftspläne erfordert die ständige Bereitstellung neuer Arbeitskräfte.

(2) Die Fachministerien der Deutschen Demokratischen Republik sowie der Länder haben Maßnahmen in Verbindung mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen zu. treffen, um die Bereitstellung von Arbeitskräften in den Schwerpunkten der Wirtschaft, insbesondere im Bergbau, planmäßig zu. sichern. Diese Maßnahmen müssen gerichtet sein auf:
a) Einsparung von Arbeitskräften durch, bessere Arbeitsorganisation und weitestgehende Mechanisierung des Arbeitsprozesses,
b) Werbung von Arbeitskräften aus dem Kreis der nicht erwerbstätigen Frauen,
c) Verbesserung der betrieblichen Einrichtungen, um eine feste Verbundenheit der Arbeiter mit ihrem Betrieb zu erreichen.

§ 27. Alle Betriebe und, Verwaltungen sind verpflichtet, in weitestem Umfang Arbeitsplätze mit weiblichen Arbeitskräften zu besetzen.

(2) Das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen legt dem Ministerrat Durchführungsbestimmungen über die Einbeziehung von Frauen in die Produktion vor. Hierin müssen Verpflichtungen enthalten sein über die Schaffung von Kindergärten und anderen sozialen Einrichtungen, die den Frauen die Arbeit im Betrieb ermöglichen und erleichtern.

§ 28. Alle Betriebe und Verwaltungen sind verpflichtet, Schwerbeschädigte einzustellen. Das Nähere regelt das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen in Durchführungsbestimmungen.

VI. Heranbildung von fachlichem Nachwuchs und beruflich qualifizierter Frauen

§ 29. Die Heranbildung von Facharbeitern wird durch das Gesetz vom 8. Februar 1950 über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. S. 95) geregelt.

§ 30. Das Lehrverhältnis ist ein Ausbildungsverhältnis in einem anerkannten Lehrberuf.

(2) Die Verkürzung der Lehrzeit ist anzustreben. Lehrlinge werden vorfristig zur Lehrabschlußprüfung zugelassen, wenn sie das Lehrziel erreich haben.

(3) Der Arbeitslohn der Lehrlinge geht über das Lohnkosten des Betriebes.

§ 31. Die zuständigen Fachministerien haben Maßnahmen zu treffen, um produzierende Lehrbetriebe zu errichten oder bereits vorhandene Lehrwerkstätten zu solchen zu entwickeln. Kommunale Lehrwerkstätten werden volkseigenen Betrieben angegliedert.

§ 32. In den volkseigenen Betrieben ist das Anlernen von Frauen für alle Tätigkeiten in umfassendem Maße zu organisieren. Das Anlernen soll in Etappen von einfachen zu komplizierten Arbeiten durchgeführt und durch Arbeitsinstruktion und fachliche Kurse gefördert werden. Die Facharbeiter sind verpflichtet, den Frauen und Jugendlichen ihre Fachkenntnisse zu vermitteln.

§ 33. Das Ministerium für Industrie sorgt für die Bereitstellung von geeigneten Arbeitspläten für Absolventen der technischen Schulen aller Art.

VII. Urlaub

§ 34. Zur Sicherstellung des verfassungsmäßigen Rechtes auf Erholung ist jedem Arbeitenden einmal im Kalenderjahr Urlaub gegen Entgelt nach folgenden Grundsätzen zu gewährleisten:
a) Arbeiter und Angestellte erhalten einen Grundurlaub von gleicher Dauer, und zwar 12 Arbeitstage. Schwerbeschädigte und Verfolgte des Naziregimes erhalten 3 Arbeitstage zusätzlich Urlaub.
b) Arbeiter, die heiße oder gesundheitsschädliche oder schwere Arbeiten verrichten, erhalten einen Urlaub in Höhe von 18 bis 24 Arbeitstagen.
c) Leitendes und technisches Personal mit verantwortlicher Tätigkeit erhält 18 bis 24 Arbeitstage Urlaub.
d) Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren erhalten 21 Arbeitstage.
e) Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren 18 Arbeitstage Urlaub.

§ 35. Die Verwaltungen in den Kurorten sind verpflichtet, einen Teil der vorhandenen Ferien- und Erholungsplätze dem Feriendienst des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und dem Zentralvorstand der Sozialversicherung zur Verfügung zu stellen. Durchführungsbestimmungen erläßt das Ministerium des Innern im Einverständnis mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen und dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes bis zum 31. Mai 1950.

§ 36. (1) Erholung ist vorbeugende Gesundheitsfürsorge.

(2) Neben den vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund zum Ausbau des Feriendienstes bereitgestellten Mitteln werden öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt. Die Sozialversicherungsanstalten werden verpflichtet, einen jährlichen Beitrag zu leisten. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gibt aus Haushaltsmitteln jährlich dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund einen Zuschuß. Für das Jahr 1951 werden erstmalig 10 Millionen DM vorgesehen.

§ 37. Den Arbeitern und Angestellten wird für Urlaubsreisen, vorerst nach FDGB-Heimen, bis zu 33 1/3 % Fahrpreisermäßigung gewährt. Durchführungsbestimmungen werden von dem Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen und dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes für das Jahr 1950 bis zum 15. Mai erlassen.

VIII. Kündigungsrecht

§ 38. Zum Schutz der Werktätigen wird das Kündigungsrecht nach folgenden Grundsätzen vereinheitlicht:
a) Das Recht zur Kündigung eines Arbeitsvertragsverhältnisses ist für alle Beteiligten gleich.
b) Kündigung ohne gleichzeitige Angabe von Gründen ist unzulässig und rechtsunwirksam.
c) Besonderer Kündigungsschutz steht den Mitgliedern der Betriebsgewerkschaftsleitung, den Verfolgten des Naziregimes, den Schwerbeschädigten und den werdenden und stillenden Müttern zu.

§ 39. Das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen legt dem Ministerrat bis zum 31. Juli 1950 eine Verordnung über das Kündigungsrecht vor.

IX. Arbeitsschutz

a) Arbeitszeit

§ 40. Die tägliche Arbeitszeit beträgt acht Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden, für Jugendliche von 16 bis 18 Jahren 7 1/2 Stunden täglich oder 45 Stunden wöchentlich, für Jugendliche von 14 bis 16 Jahren 7 Stunden täglich oder 42 Stunden wöchentlich. Für gesundheitsschädliche Arbeiter kann im einzelnen Fall die Dauer der Arbeitszeit durch Beschluß der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik auf Vorschlag des entsprechenden Fachministeriums der Republik und der Länder auf weniger als 3 Stunden täglich festgesetzt werden. Die Wirtschaftspläne sind auf der Grundlage der 48-Stunden-Woche berechnet. Der Produktionsablauf muß in jedem Betrieb so organisiert werden, daß er in der gesetzlichen Arbeitszeit bewältigt werden kann. Überschreitungen der 48-Stunden-Woche sind nur in Ausnahmefällen zulässig nach Zustimmung der Betriebsgewerkschaftsleitung und nach Einholung der Genehmigung des zuständigen Arbeitsamts. Für Überstunden wird ein Zuschlag, in der Regel 25 % gezahlt. Die Zustimmung wird erteilt nach Richtlinien des Ministeriums für Arbeit und Gesundheitswesen,

b) Schutz der Arbeitskraft

§ 41. Für die technische Sicherheit in den Betrieben tragen die Werksleiter oder die Besitzer die Verantwortung.

§ 42. Die zuständigen Fachministerien errichten für Betriebe solcher Industriezweige, für die besondere Sicherheitsvorschriften bestehen, Sicherheitsinspektionen. Die Richtlinien der Fachministerien für die Sicherheitsinspektionen müssen mit dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen vereinbart werden.

§ 43. Für die gewissenhafte Anwendung und Durchführung der bestehenden Unfallverhütungs-, Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften in den Betrieben sind die Werksleiter oder die Besitzer verantwortlich.

§ 44. (1) Die Arbeitsschutzkommissionen (Arbeitsschutzobleute) sind gewerkschaftliche Organe der Arbeiter und Angestellten und unmittelbarer Ausdruck ihres Mitbestimmungsrechtes im Betrieb bei der Organisierung des Arbeitsschutzes und der Betriebshygiene Sie werden in ihrer Tätigkeit von den Arbeitsschutzinspektoren unterstützt. Die Aufgaben und Befugnisse der Abteilungen für Arbeit (Arbeitsschutz) und der Arbeitsschutzinspektoren werden durch Verordnung geregelt.

(2) Die staatliche Kontrolle über die Verwirklichung der gesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiete des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung übern die staatlichen Inspektionen des Ministeriums für Arbeit und Gesundheitswesen aus.

c) Besonderer Schutz der Jugendlichen und Frauen

§ 45. (1) Jugendliche unter 16 Jahren sowie werdende und stillende Mütter werden zur Nachtarbeit nicht zugelassen.

(2) Untertagearbeit im Bergbau ist für Jugendliche unter 16 Jahren sowie für werdende und stillende Mütter verboten.

§ 46. Für den Gesundheitsschutz der schwangeren Frauen wird die Dauer der Wochenhilfe auf fünf Wochen vor der Geburt und auf sechs Wochen nach der Geburt festgesetzt.

§ 47. Arbeitsschutzbestimmungen für erwerbstätige Frauen und Jugendliche sind durch das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen bis zum 31. Juli 1950 zu erlassen.

d) Arbeitsschutzkleidung

§ 48. Die Werksleitungen sind verpflichtet, die vom Ministerium für Handel und Versorgung nach den Anweisungen vom Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen zugeteilte Arbeitsschutzkleidung und Arbeitsschutzmittel nach den festgesetzten Normen an die Arbeiter und Angestellten kostenlos auszugeben. Die Kontrolle über die richtige Verteilung von Arbeitsschutzkleidung und Arbeitsschutzmitteln wird von den Arbeitsschutzkommissionen (Arbeitsschutzobleute) und von den Arbeitsschutzinspektoren ausgeübt.

e) Gesundheitsfürsorge

§ 49. Die Verbesserung der ärztlichen Betreuung der Arbeiter und Angestellten und die Arbeitsbefreiung im Krankheitsfalle sind durch die Verordnung vom 16. Oktober 1947 der früheren Deutschen Verwaltung für Arbeits- und Sozialversorgung und der früheren Deutschen Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen gesichert.

§ 50. Die Bevollmächtigten für die Sozialversicherung sind als gewerkschaftliche Organe für die Verbesserung der ärztlichen Betreuung und für die Wahrnehmung der Rechte der Versicherten des Betriebes mitverantwortlich.

§ 51. Die Werksleitungen und die Besitzer von Betrieben sind verpflichtet, die Sozialversicherungsbeiträge fristgemäß an die Sozialversicherungskassen abzuführen. Die nicht rechtzeitige Abführung von Beiträgen ist strafbar.

X. Die weitere Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage der Arbeiter und Angestellten

§ 52. (1) Die Werksleitungen sind verpflichtet, die Arbeit der Werksküchen zur Entlastung des Haushaltes der Arbeiter und Angestellten und zur Erhöhung ihres Reallohnes ständig zu verbessern. Die Verbesserung der Qualität des Essens, die größere Abwechselung und Auswahl im Speisezettel und die Belieferung zu angemessenen Preisen ist sicherzustellen.

(2) Die Arbeitsschutzinspektoren haben zur Unterstützung der Betriebsgewerkschaftsleitung die Qualität der in den Werksküchen verarbeiteten Lebensmittel und das Essen zu kontrollieren.

§ 53. Das Ministerium für Handel und Versorgung ist verantwortlich für bevorzugte Belieferung der Werksküchen mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln in abwechslungsreicher Folge.

§ 54. Das Ministerium für Handel und Versorgung wird beauftragt, für die Arbeiter in den Schwerpunktbetrieben, vor allen im Bergbau, besondere Verkaufsstellen einzurichten, um die bevorzugte Belieferung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sicherzustellen.

§ 55. Die Arbeiter in den Betrieben sind mit guter und preiswerter Berufskleidung zu versorgen. Das Ministerium für Handel und Versorgung trifft die erforderlichen Maßnahmen.

§ 56. Die Werksleiter (Besitzer) werden verpflichtet, Maßnahmen für den Bau von Wohnungen und für die Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiter und Angestellten des betreffenden Betriebes zu ergreifen.

§ 57. Die Werksleitungen der volkseigenen Betriebe sind verpflichtet, die kulturelle Gestaltung der Freizeit der Arbeiter und Angestellten durch entsprechende Einrichtungen zu fördern.

§ 58. Der Kulturdirektor in volkseigenen Betrieben ist verantwortlich für die Unterstützung und Förderung der kulturellen Bestrebungen der Arbeiter und Angestellten. Er führt in enger Zusammenarbeit mit der Betriebsgewerkschaftsleitung die Kontrolle über die Erstellung der im Investitionsplan vorgesehenen Kulturbauten und die richtige Verwendung der dafür bereitgestellten Materialien und Finanzmittel durch. Maßnahmen zur Verbesserung der kulturellen Einrichtungen sind im Betriebsvertrag festzulegen.

XI. Schlußbestimmung

§ 59. Das Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen kontrolliert die Einhaltung dieses Gesetzes und erläßt Durchführungsbestimmungen, soweit nicht die Zuständigkeit anderer Ministerien im Gesetz festgelegt ist.

(2) Erforderliche Strafbestimmungen werden in den Durchführungsbestimmungen getroffen. Bestimmungen, die diesem Gesetz oder den auf seiner Grundlage ergehenden Durchführungsbestimmungen widersprechen, treten mit dem Erlaß des Gesetzes und der Durchführungsbestimmungen außer Kraft.

§ 60. Dieses Gesetz tritt am 1. Mai 1950 in Kraft.

    Berlin, den 19. April 1950

Das vorstehende, vom geschäftsführenden Vizepräsidenten der Provisorischen Volkskammer unter dem einundzwanzigsten April neunzehnhundertundfünfzig ausgefertigte Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den 23. April 1950

Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik
In Vertretung:
J. Dieckmann
Präsident der Provisorischen Volkskammer


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1950 S. 349
© 9. November 2004 - 2. Dezember 2004

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