Ordnung über den Aufbau und die Arbeitsweise der staatlichen Organe der Bezirke

vom 24. Juli 1952

geändert durch
Verordnung vom 6. Januar 1955 (GBl. S. 18)

aufgehoben durch
Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 (GBl. S. 65)

Auf Grund § 3 des Gesetzes vom 23. Juli 1952 über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik (GBl: S. 613) erläßt der Ministerrat folgende Ordnung:

I. Organe und Aufgaben

(1) Die Organe der Staatsgewalt des Bezirkes sind:
a) der Bezirkstag;
b) der Rat des Bezirkes.

(2) Die Organe der Staatsgewalt des Bezirkes leiten auf ihrem Territorium den wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau, gewährleisten die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, sichern die Durchführung der Gesetze, schützen die Rechte der Bürger, bestätigen den Haushaltsplan und entscheiden andere Angelegenheiten des Bezirkes.

(3) Sie regeln nicht nur Angelegenheiten von bezirklicher Bedeutung, sondern beteiligen sich an der Lösung aller staatlichen Angelegenheiten auf der Grundlage der von den höchsten Organen der Staatsgewalt erlassenen Gesetze und beschlossenen Maßnahmen.

II. Der Bezirkstag

a) Zusammensetzung und Funktionen

(1) Der Bezirkstag ist das oberste Organ der Staatsgewalt im Bezirk. Er besteht aus den Abgeordneten des Volkes.

(2) Die Zahl der Abgeordneten des Bezirkstages beträgt bei einer Einwohnerzahl bis zu 500 000 Einwohnern 60. Auf je weitere 35 000 Einwohner erhöht sich die Zahl um einen Abgeordneten bis zur Höchstzahl von 90 Abgeordneten.

(3) Bis zur Neuwahl des Bezirkstages setzt sich dieser zusammen:
a) aus bisherigen Abgeordneten der Landtage,
b) aus den vom Landesausschuß der Nationalen Front des demokratischen Deutschland benannten Abgeordneten.

(4) Der Bezirkstag tritt bei vorliegender Notwendigkeit, jedoch mindestens einmal im Quartal, zusammen:

(5) Die erste Sitzung des Bezirkstages wird durch den ältesten Abgeordneten eröffnet. Nach der Eröffnung wählt der Bezirkstag aus seiner Mitte den Tagungsvorsitzenden und zwei Stellvertreter. Diese werden bei jeder Tagung neu gewählt.

(6) Die Beschlüsse des Bezirkstages sind verbindlich für alle Organe der Staatsgewalt, die dem Bezirkstag unterstehen.

(7) Die Beschlüsse des Bezirkstages können von der Volkskammer aufgehoben werden. Die Regierung kann die Durchführung der Beschlüsse des Bezirkstages vorläufig aussetzen.

b) Die Abgeordneten

(8) Die Abgeordneten sind ihren Wählern verantwortlich und unterstehen ihrer Kontrolle. Die Wähler sind berechtigt, die Abgeordneten abzuberufen.

(9) Die Abgeordneten haben die besondere Aufgabe, der Bevölkerung die Gesetze und Maßnahmen der Staatsgewalt zu erläutern und eine ständige, enge Verbindung mit ihren Wählern zu pflegen.

(10) Die Abgeordneten sind insbesondere verpflichtet, Sprechstunden in den Aufklärungslokalen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland abzuhalten, in denen die Werktätigen ihre Wünsche, Beschwerden und Vorschläge unterbreiten.

c) Die ständigen Kommissionen

(11) Der Bezirkstag wählt aus seiner Mitte ständige Kommissionen für folgende Arbeitsgebiete:
1. Haushalt,
2. Landwirtschaft und ländliches Bauwesen,
3. örtliche Industrie,
4. Gesundheitswesen und Sozialfürsorge,
5. Volksbildung,
6. Handel,
7. Verkehr,
8. Wohnungswesen und Kommunalwirtschaft,
9. Kulturelle Massenarbeit,
10. örtliche Volkspolizei und Justiz.

Soweit die Notwendigkeit besteht, sind für weitere Arbeitsgebiete gleichfalls ständige Kommissionen zu bilden.

(12) Die ständigen Kommissionen sind Organe des Bezirkstages. Sie haben dem Bezirkstag bei der Durchführung der ihm obliegenden Angelegenheiten Unterstützung zu gewähren. Ihre besondere Aufgabe ist die Heranziehung breitester Kreise der Bevölkerung zur Mitwirkung an der Durchführung staatlicher Aufgaben. Die ständigen Kommissionen sichern die enge Verbindung der Arbeit des Bezirkstages mit der Bevölkerung und fördern die Festigung und Entwicklung der staatlichen Ordnung. Sie unterstützen die Arbeit des Rates und arbeiten mit an der Vorbereitung von Beschlüssen des Bezirkstages und des Rates unter Berücksichtigung der Wünsche, Beschwerden, Vorschläge und Hinweise der Bevölkerung.

(13) Die ständigen Kommissionen bestehen aus mindestens 5 Abgeordneten. Die Vorsitzenden werden vom 'Bezirkstag bestimmt. Jede Kommission wählt einen Stellvertreter des Vorsitzenden und den Sekretär.

(14) Jede ständige Kommission bildet um sich ein Aktiv aus den auf dem jeweiligen Fachgebiet erfahrensten Bürgern des Bezirkes, die der ständigen Kommission in der Durchführung ihrer Aufgaben allseitige Unterstützung gewähren.

(15) Die ständigen Kommissionen treten regelmäßig, mindestens aber einmal im Monat, zusammen. Sie berichten dem Bezirkstag regelmäßig über ihre Arbeit.

siehe hierzu auch die Vorläufige Direktive über Aufgaben und Arbeit der ständigen Kommissionen der Bezirkstage und Kreistage vom 18. September 1952 (GBl. S. 873)

III. Der Rat des Bezirkes

(1) Der Rat des Bezirkes ist das vollziehende und verfügende Organ des Bezirkstages. Er wird in der konstituierenden Sitzung des Bezirkstages aus dessen Mitte in folgender Zusammensetzung gewählt:
Der Vorsitzende,
fünf Stellvertreter des Vorsitzenden,
der Sekretär,
fünf bis acht weitere Mitglieder.

(2) Die weiteren Mitglieder sollen vorzugsweise aus dem Kreis der Nationalpreisträger, Helden der Arbeit, Verdienten Lehrer und Ärzte des Volkes, Meisterbauern, Betriebsleiter sowie der Vorsitzenden der Räte der Kreise, Städte oder Gemeinden oder anderen im gesellschaftlichen Aufbau erfahrenen Mitgliedern des Bezirkstages gewählt werden, um die Arbeit des Rates in fachlicher Hinsicht zu qualifizieren und die ständige Verbindung mit den Schwerpunkten der Arbeit im Bezirk zu sichern.

(3) Der Rat des Bezirkes arbeitet nach einem von ihm beschlossenen Arbeitsplan. Er tritt in der Regel einmal wöchentlich zusammen.

(4) Der Leiter der Bezirksinspektion der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle ist berechtigt, an den Sitzungen des Rates des Bezirkes mit beratender Stimme teilzunehmen.

(5) Der Rat des Bezirkes beachtet in seiner Arbeit die Kritik und die Anregungen der ständigen Kommissionen des Bezirkstages. Er hat für eine enge Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen mit den entsprechenden ständigen Kommissionen Sorge zu tragen. Er organisiert Vorträge und Seminare für die Abgeordneten.

(6) Der Rat des Bezirkes ist für die richtige und sorgfältige Behandlung der Beschwerden und Anregungen aus der Bevölkerung und für die Durchführung regelmäßiger Sprechstunden seiner Mitglieder verantwortlich.

(7) Der Rat des Bezirkes ist für die Anleitung, Aufsicht und Kontrolle der Arbeit der Räte der Kreise verantwortlich. Er hat einmal monatlich den Bericht über den Stand der Arbeit und die Probleme eines Kreises in seiner Sitzung zu behandeln. Zu dieser Sitzung sind die Vorsitzenden aller oder einzelner Räte der Kreise hinzuzuziehen.

(8) Die Beschlüsse des Rates des Bezirkes können vom Ministerrat aufgehoben werden.

Durch Verordnung vom 6. Januar 1955 erhielt der Abschnitt III. Abs. 1 mit Wirkung vom 15. Januar 1955 folgende Fassung:
"Der Rat des Bezirkes ist das vollziehende und verfügende Organ des Bezirkstages. Er wird durch den Bezirkstag in folgender Zusammensetzung gewählt:
    Der Vorsitzende,
    fünf Stellvertreter des Vorsitzenden,
    der Sekretär,
    sieben bis zehn weitere Mitglieder.
Die Mitglieder des Rates sollen Abgeordnete des Bezirkstages sein."

IV. Arbeitsorganisation des Rates

(1) Der Vorsitzende des Rates des Bezirkes leitet die Arbeit des Rates. Er bereitet die Vorschläge für die Tagesordnung des Bezirkstages vor, beruft diesen ein und eröffnet ihn.

(2) Dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes untersteht die Abteilung für Kader. Er. ist verantwortlich für die Arbeit der Plankommission, die dem Rat des Bezirkes untersteht.

(3) Dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes obliegt die Zusammenarbeit mit den Organen der Justiz, der Staatsanwaltschaft, der Staatlichen Kontrolle und der Volkspolizei im Bezirk:

(4) Der Vorsitzende des Rates des Bezirkes übt die staatliche Aufsicht über die zentral geleiteten staatlichen Einrichtungen und wirtschaftlichen Unternehmungen im Bezirk aus, insbesondere über die volkseigenen Betriebe (VEB) (Z), staatlichen Handel, Post, Fernmeldewesen, Eisenbahn, statistischen Dienst, Projektierungsbüros, volkseigene Forstbetriebe und über die Genossenschaften.

(5) Die übrigen Aufgabengebiete unterstellt der Vorsitzende seinen Stellvertretern, soweit er sich nicht die Durchführung bestimmter Aufgaben vorbehält. Die Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates tragen für die ihnen unterstellten Abteilungen und Einrichtungen des Rates des Bezirkes die Verantwortung. Sie haben ihnen gegenüber die Aufgabe der Anleitung, Aufsicht und Kontrolle.

(6) Der Sekretär des Rates bereitet die Sitzungen des Bezirkstages und der ständigen Kommissionen vor und unterstützt die Abgeordneten bei der Durchführung ihrer Aufgaben. Er ist insbesondere für die regelmäßige Durchführung der Tagungen des Bezirkstages verantwortlich.

(7) Der Sekretär des Rates arbeitet unter Hinzuziehung der Abteilungsleiter den Arbeitsplan des Rates aus.

(8) Der Sekretär des Rates koordiniert und kontrolliert die Arbeit aller Abteilungen und Einrichtungen des Rates und bereitet die Beschlußvorlagen für die Sitzungen des Rates vor.

siehe hierzu auch die Vorläufige Direktive für die Arbeit der Organisations-Instrukteur-Abteilungen bei den Räten der Bezirke und Kreise vom 18. September 1952 (GBl. S. 875).

(9) Beim Rat des Bezirkes besteht als besonderes Hilfsorgan des Rates die Organisations- und Instrukteurabteilung. Sie arbeitet unter der direkten Leitung des Sekretärs des Rates nach der entsprechenden Direktive des Ministerrates.

(10) Zur Erledigung seiner Aufgaben stehen dem Rat neben der Plankommission Abteilungen und Einrichtungen als ausführende Organe entsprechend dem von der Staatlichen Stellenplankommission bestätigten Struktur- und Stellenplan zur Verfügung. Diese Abteilungen bereiten die Beschlüsse Lies Rates vor. Ihnen obliegt die Durchführung der gefaßten Beschlüsse.

(11) Die Leiter der Abteilungen sind dein Rat des Bezirkes und dem Bezirkstag verantwortlich; Sie unterstehen gleichzeitig fachlich den entsprechenden Ministerien und Staatssekretariaten. Sie sind verpflichtet:
a) zur ständigen Berichterstattung vor dem Rat des Bezirkes;
b) zur schriftlichen- Rechenschaftslegung in Zeitabständen von 3 Monaten;
c) zur Berichterstattung vor dem Bezirkstag.

(12) Die Abteilungsleiter tragen die Verantwortung für die Arbeit ihrer Abteilung. Sie werden auf Vorschlag des Rates des Bezirkes nach Zustimmung des zuständigen Ministers oder Staatssekretärs vom Bezirkstag bestätigt.

Durch Verordnung vom 6. Januar 1955 erhielt der Abschnitt IV. Abs. 2 mit Wirkung vom 15. Januar 1955 folgende Fassung:
"Dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes unterstehen die Abteilung Kader und die Abteilung Jugendfragen.".

V.

Diese Ordnung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft.

    Berlin, den 24. Juli 1952

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik
Der Ministerpräsident
Grotewohl

Koordinierungs- und Kontrollstelle für die Arbeit der Verwaltungsorgane
Eggerath
Staatssekretär

Vorstehende "Bezirksordnung" wurde von der Regierung aufgrund des Gesetzes zur weiteren Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR vom 23. Juli 1952 und ersetzte faktisch die Landesverfassungen, die mit der Aufgliederung der fünf Länder in 14 Bezirke (durch die Länder selbst aufgrund des genannten Gesetzes vom 23. Juli 1952 durch Landesgesetze erfüllt), Die Ordnung wurde erst durch das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsgewalt vom 18. Januar 1957 (GBl. S. 65) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1952 S. 621
© 12. November 2004- 20. November 2004

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