Gesetz über Rechtsverhältnisse der Abgeordneten der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik

vom 31. Mai 1990

faktisch geändert durch
Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (GBl. I S. 332);
Umstellung der Währungsbezeichnung vom "M" auf "DM"
Gesetz vom 20. Juli 1990 (GBl. I S. 897)

geändert durch
Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (GBl. I S. 1627),
Anl. II, Kap. II, Sachgebiet A, Abschn. III. Nr. 2

Das Gesetz gilt als Bundesrecht fort, solange noch ein Abgeordneter der 10. Wahlperiode der Volkskammer der DDR lebt, auf den die Maßgaben des Einigungsvertrags Anwendung finden

§ 1. Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft in der Volkskammer. Beginn und Beendigung der Mitgliedschaft in der Volkskammer regelt sich nach § 41 des Gesetzes vom 20. Februar 1990 über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 18. März 1990 (GBl. I Nr. 9 S. 60).

Durch Gesetz vom 20. Juli 1990 erhielt der § 1 folgende FAssung:
"§ 1. Beginn und Ende der Rechte und Pflichten der Abgeordneten. (1) Die Rechte und Pflichten der Abgeordneten der Volkskammer beginnen mit der Feststellung ihrer Wahl und enden mit dem Tag der Wahl einer neuen Volksvertretung bzw. mit der Auflösung der Volkskammer.
(2) Während der Legislaturperiode erlischt das Mandat eines Abgeordneten durch Tod, durch Verlust der Wählbarkeit oder durch Niederlegung des Mandats. Das Erlöschen des Mandats wird durch das Präsidium der Volkskammer festgestellt.
(3) Scheidet ein Abgeordneter aus, so rückt der Nächstplazierte auf der betreffenden Liste nach. Ist diese erschöpft, bleibt das Mandat unbesetzt."

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 1 faktisch aufgehoben.

§ 2. Schutz der freien Mandatsausübung. Im Zusammenhang mit der Annahme und Ausübung des Mandats dürfen dem Abgeordneten keinerlei Nachteile am Arbeitsplatz entstehen. Eine Kündigung und Entlassung wegen der Annahme und Ausübung des Mandats ist unzulässig. Dieser Schutz gilt ein Jahr nach Beendigung des Mandats fort.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 2 faktisch aufgehoben.

§ 3. Mandat und Beruf. (1) Der Abgeordnete ist berechtigt, mit seinem Beschäftigungsbetrieb das Ruhen der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsrechtsverhältnis, der Mitgliedschaft in einer Genossenschaft oder aus einem Dienstverhältnis schriftlich zu vereinbaren.

(2) Nach Beendigung der Mitgliedschaft in der Volkskammer leben die Rechte und Pflichten des ehemaligen Abgeordneten in seinem früheren Beschäftigungsverhältnis wieder auf, wenn er dies innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft in der Volkskammer beantragt. Die ihm zu übertragende Tätigkeit muß in ihrer Art und Bezahlung der früheren Tätigkeit vergleichbar sein.

(3) Neben dem Mandat kann der Abgeordnete in seinem bisherigen oder einem neuen Arbeitsverhältnis tätig sein. Sein Einkommen darf jedoch 25 v. H. des Einkommens nicht übersteigen, das er bei Vollbeschäftigung erzielen würde. Nach Beendigung der Mitgliedschaft in der Volkskammer hat der Abgeordnete Anspruch auf Beschäftigung, die seiner Arbeitszeit vor Eintritt in die Volkskammer entspricht.

(4) Absatz 3 gilt nicht für Mitglieder des Ministerrates und Staatssekretäre.

(5) Die Zeit der Mitgliedschaft in der Volkskammer ist nach Beendigung des Mandats auf die Berufs-, Betriebs- bzw. Zugehörigkeit zu einem Wirtschaftszweig anzurechnen.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 3 faktisch aufgehoben.

§ 4. Entschädigung. (1) Ein Abgeordneter der Volkskammer erhält eine monatliche Entschädigung von 3 600 M.

(2) Der Präsident der Volkskammer erhält monatlich eine Amtszulage von 3 600 M, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtszulage von 1 800 M.

(3) Die Entschädigung der Abgeordneten und die Amtszulage des Präsidenten sowie der Stellvertreter werden besteuert.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 4 als fortgeltend bezeichnet, jedoch nur mit folgenden Maßgaben:
"a) Abgeordnete der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik erhalten Übergangsgeld für die Dauer von drei Monaten gemäß § 8 Abs. 1 in Höhe der Entschädigung nach § 4 Abs. 1. Übersteigt die Dauer der Mitgliedschaft in der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik in der 10. Legislaturperiode drei Monate, so wird für jeden weiteren Monat der Mitgliedschaft, längstens für drei weitere Monate, ein um 30 vom Hundert gekürztes Übergangsgeld nach Satz 1 gewährt.
b) Bezüge aus der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag, im Europäischen Parlament oder in einem Landesparlament, aus einem Amtsverhältnis, aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst, aus einem sonstigen Beschäftigungsverhältnis, aus einer selbständigen Tätigkeit sowie Renten werden angerechnet. Beim Zusammentreffen eines Übergangsgeldes nach Nummer 1 mit einem Übergangsgeld aus einer Tätigkeit als Mitglied des Ministerrates/Staatssekretär ist § 10 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
c) Die Leistungen unterliegen der Beitragspflicht zur Sozialversicherung.
d) Die Zeiten des Bezugs dieser Leistungen sind wie Arbeitsrechtsverhältnisse im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung einzutragen.
e) Die Zeiten des Bezugs dieser Leistungen gelten bei der Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung als versicherungspflichtige Tätigkeit. Im Berechnungszeitraum für Alters- und Invalidenrenten liegende Zeiten des Bezugs dieser Leistungen bleiben bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes unberücksichtigt, wenn es für den Rentner günstiger ist.
f) Die von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik in das Europäische Parlament entsandten Abgeordneten erhalten für die laufende Legislaturperiode des Europäischen Parlaments die Rechtsstellung eines Mitglieds des Europäischen Parlaments nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vom 6. April 1979 (BGBl. I S. 413) in der jeweils geltenden Fassung unter Beibehaltung ihrer beratenden Funktion, soweit und solange der gesamtdeutsche Gesetzgeber keine andere Regelung getroffen hat."

§ 5. Amtsausstattung. (1) Ein Abgeordneter der Volkskammer erhält zur Abgeltung der mit dem Mandat verbundenen Aufwendungen eine Amtsausstattung als Aufwandsentschädigung. Die Amtsausstattung umfaßt Geld- und Sachleistungen und besteht aus der
- Kostenpauschale (Abs. 2)
- Unterkunft am Sitz der Volkskammer (Abs. 3)
- Erstattung der Aufwendungen für Mitarbeiter (Abs. 4)
- Bereitstellung eines eingerichteten Büros, der Benutzung von öffentlichen . Verkehrsmitteln, der Benutzung der Dienstfahrzeuge und der Fernmeldeanlagen der Volkskammer und sonstigen Leistungen (Abs. 5)
- Amtsaufwandsentschädigung für den Präsidenten und seine Stellvertreter (Abs. 6).

(2) Ein Abgeordneter erhält eine monatliche Kostenpauschale in Höhe von 2 300 M für
- die Unterhaltung eines Büros außerhalb des Sitzes der Volkskammer, Büromaterial, Post, Telefon außerhalb des Sitzes der Volkskammer, Wahlkreisbetreuung,
- Mehraufwendungen für Verpflegung am Sitz der Volkskammer und bei Reisen mit Ausnahme von Auslandsdienstreisen,
- Kosten für Fahrten in Ausübung des Mandats unbeschadet der Regelungen der §§ 6 und 7.

(3) Die  Volkskammer hat zu gewährleisten, daß dem Abgeordneten, der nicht am Tagungsort wohnt, eine Übernachtungsmöglichkeit als Amtsausstattung zur Verfügung steht.

(4) Aufwendungen der Abgeordneten für die Beschäftigung von Mitarbeitern werden nach Maßgabe des Haushaltsplanes der Volkskammer und Ausführungsbestimmungen, die das Präsidium erläßt, ersetzt.

(5) Zur Amtsausstattung gehören auch die Bereitstellung und Nutzung eines eingerichteten Büros am Sitz der Volkskammer; die Benutzung von Verkehrsmitteln gemäß § 6, die Benutzung der Dienstfahrzeuge und der Fernmeldeanlagen der Volkskammer sowie die sonstigen Leistungen der Volkskammer.

(6) Der Präsident der Volkskammer erhält eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 1 000 M, seine Stellvertreter erhalten eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung von 300 M. Die Amtsaufwandsentschädigung wird nicht besteuert.

(7) Der Abgeordnete; dem ein Dienstwagen zur ausschließlichen Verfügung steht, erhält eine um fünfundzwanzig von Hundert verminderte Kostenpauschale.

(8) Trägt sich ein Abgeordneter an einem vom Präsidium festgelegten Sitzungstag nicht in eine der Anwesenheitslisten ein, so wird die Kostenpauschale gekürzt, wenn der Abgeordnete
- unentschuldigt fehlt um 60 Mark
- über den Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion entschuldigt wird um 30 Mark.

Bei Abwesenheit durch Dienstreisen gemäß § 7 erfolgt kein Abzug.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 5 faktisch aufgehoben.

§ 6. Freifahrberechtigung und Erstattung von Fahrkosten. (1) Ein Mitglied der Volkskammer hat das- Recht auf freie Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel innerhalb der DDR mit Ausnahme von Luftfahrzeugen und Mietwagen.

(2) Benutzt der Abgeordnete in Ausübung des Mandats Flugzeuge oder Schlafwagen innerhalb der DDR und der BRD, werden die Kosten ersetzt.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 6 faktisch aufgehoben.

§ 7. Dienstreisen. (1) Dienstreisen im ausschließlichen Interesse der Volkskammer bedürfen der vorherigen Zustimmung des Präsidiums.

(2) Bei Inlandsdienstreisen gelten die Tagegelder durch die Kostenpauschale als abgegolten; Die Übernachtungskosten werden erstattet:

(3) Bei Auslandsdienstreisen erhält ein Abgeordneter Tagegeld sowie Ersatz seiner Übernachtungs- und Fahrkosten nach Ausführungsbestimmungen des Präsidiums.

(4) Bei Benutzung des privaten Personenkraftwagens für Dienstreisen wird die Wegestreckenentschädigung vom Präsidium festgelegt.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 7 faktisch aufgehoben.

§ 8. Übergangsgeld. (1) Ein ehemaliges Mitglied der Volkskammer erhält ein Überbrückungsgeld. Das Überbrückungsgeld wird in Höhe der Entschädigung nach § 4 Abs. 1 für die Dauer von drei Monaten nach dem Ausscheiden gezahlt. Beim Ausscheiden infolge Auflösung der Volkskammer wird Übergangsgeld für die Dauer von sechs Monaten gewährt.

(2) Bezüge aus einem Beschäftigungsverhältnis und einer selbständigen Tätigkeit sowie Renten für die Zahlungszeiträume nach Abs. 1 werden angerechnet.

(3) Auf Antrag ist das Übergangsgeld nach Abs. 1 in einer Summe oder monatlich zum halben Betrag für den doppelten Zeitraum zu zahlen. Bei der Anrechnung nach Abs. 2 verbleibt es bei den Zahlungszeiträumen nach Abs. 1.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 8 als fortgeltend bezeichnet, jedoch nur mit den nach § 4 zu findenden Maßgaben.

§ 9. Sozialversicherung. (1) Die Mitglieder der Volkskammer werden für die Dauer ihrer Mitgliedschaft in der Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten und in der freiwilligen Zusatzrentenversicherung der Sozialpflichtversicherung -FZR- versichert, soweit sie die allgemeinen Voraussetzungen erfüllen. Auf Antrag können sie ihre bisherige zusätzliche Altersversorgung fortführen. Die Gesamtbeiträge übernimmt die Volkskammer. Grundlage der Beitragsbemessung ist die Entschädigung nach § 4 einschließlich Amtszulage.

(2) Die vor Eintritt in die Volkskammer erworbenen Ansprüche in die Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten und der zusätzlichen Altersversorgung bleiben unberührt.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 9 faktisch aufgehoben.

§ 10. Anrechnung. (1) Hat ein Mitglied der Volkskammer neben der Entschädigung nach § 4 Einkommen aus einer Tätigkeit als Mitglied des Ministerrates/Staatssekretär, so wird die Entschädigung nach § 4 um 50 v. H. gekürzt. Der Kürzungsbetrag darf jedoch 50 v. H. des Einkommens nicht übersteigen.

(2) Renten aus der Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten und freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung werden neben der Entschädigung nach § 4 nur zur Hälfte gezahlt.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 10 als fortgeltend bezeichnet, jedoch nur mit den nach § 4 zu findenden Maßgaben.

§ 11. Beginn und Ende der Ansprüche, Zahlungsvorschriften. (1) Die in den §§ 4 und 5 geregelten Ansprüche entstehen mit dem Tag der Annahme der Wahl. Die Entschädigung nach § 4 und die Geldleistungen nach § 5 Abs. 2 und 6 werden monatlich im voraus gezahlt. Ist nur ein Teil zu leisten, so wird für jeden Kalendertag ein Dreißigstel gezahlt.

(2) Ausgeschiedene Mitglieder erhalten die Entschädigung nach § 4 und die Amtsaufwandsentschädigung nach § 5 Abs. 6 bis zum Ende des Monats, in dem sie ausgeschieden sind, und die Kostenpauschale nach § 5 Abs. 2 bis zum Ende des darauf folgenden Monats. Die Rechte nach § 6 erlöschen vierzehn Tage nach dem Ablauf der Wahlperiode.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 11 faktisch aufgehoben.

§ 12. Verzicht, Übertragbarkeit. Ein Verzicht auf die Entschädigung nach § 4 und auf die Amtsausstattung nach § 5 ist unzulässig. Die Ansprüche aus § 5 sind nicht übertragbar. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 4 einschließlich Amtszulage ist nur zur Hälfte übertragbar.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 12 faktisch aufgehoben.

§ 13. Ausführungsbestimmungen. Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz erläßt das Präsidium.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 13 faktisch aufgehoben.

§ 14. Übergangsregelung. Auf Rückforderungen, die sich aus der Durchführung des Gesetzes für die Zeit bis zur Beschlußfassung ergeben, wird verzichtet.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 14 faktisch aufgehoben.

§ 15. Inkrafttreten. Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 18. März 1990 in Kraft. § 3 tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde der § 15 faktisch aufgehoben.

Das vorstehende, von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am einunddreißigsten Mai neunzehnhundertneunzig beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den einunddreißigsten Mai neunzehnhundertneunzig

Die Präsidentin der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik
Bergmann-Pohl


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1990 Teil I. S. 274
© 3. April 2005 - 29. April 2005

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