(II. Beilage zur Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818)
ursprüngliche Fassung
geändert und ergänzt durch
Gesetz vom 1. Juli 1834, die bürgerlichen
und politischen Rechte der griechischen Glaubensgenossen wurde neben den
drei christlichen Glaubens-Confessionen
Art. 2 des Gesetzes
vom 4. Juni 1848, die Grundlagen der Gesetzgebung über die Gerichtsorganisation
betreffend
Art. 76 des Gesetzes vom 10. November 1861, die
Gerichtsverfassung betreffend
Gesetz
vom 8. August 1878, die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das
Verfahren in Verwaltungsrechtssachen betreffend
Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen über Religions-Verhältnisse.
Erstes Kapitel.
Religions- und Gewissensfreiheit.
§ 1. Jedem Einwohner des Reiches ist durch den 9. § des vierten Titels der Verfassungsurkunde eine vollkommene Gewissensfreiheit gesichert.
§ 2. Er bedarf demnach in Gegenständen des Glaubens und Gewissens keinem Zwange unterworfen, auch darf Niemandem, zu welcher Religion er sich bekennen mag, die einfache Hausandacht untersagt werden.
§ 3. Sobald aber mehrere Familien zur Ausübung ihrer Religion sich verbinden wollen; so wird jederzeit hierzu die königliche ausdrückliche Genehmigung nach den im II. Abschnitte folgenden nähern Bestimmungen erlassen.
§ 4. Alle heimliche Zusammenkünfte unter dem Vorwande des häuslichen Gottesdienstes sind verboten.
Zweites Kapitel.
Wahl des Glaubensbekenntnisses.
§ 5. Die Wahl des Glaubensbekenntnisses ist jedem Staatseinwohner nach seiner eigenen freien Ueberzeugung überlassen.
§ 6. Derselbe muß jedoch das hierzu erforderliche Unterscheidungsalter, welches für beide Geschlechter auf die gesetzliche Volljährigkeit bestimmt wird, erreicht haben.
§ 7. Da diese Wahl eine eigene freie Ueberzeugung voraussetzt; so kann sie nur solchen Individuen zustehen, welche in keinem Geistes- oder Gemüthszustande sich befinden, der sie derselben unfähig macht.
§ 8. Keine Partei darf Mitglieder der andern durch Zwang oder List zum Uebergange verleiten.
§ 9. Wenn von denjenigen, welche die Religionserziehung zu leiten haben, eine solche Wahl aus einem der obigen Gründe angefochten wird; so hat die betreffende Regierungsbehörde den Fall zu untersuchen, und an das königliche Staatsministerium des Innern zu berichten.
§ 10. Der Uebergang von einer Kirche zu einer andern muß allezeit bei dem einschlägigen Pfarrer oder geistlichen Vorstande sowohl der neu gewählten, als der verlassenen Kirche persönlich erklärt werden.
§ 11. Durch die Religionsänderung gehen alle kirchlichen Gesellschaftsrechte der verlassenen Kirche verloren; dieselbe hat aber keinen Einfluß auf die allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte, Ehren und Würden; ausgenommen, es geschehe der Uebertritt zu einer Religionspartei, welcher nur eine beschränkte Theilnahme an dem Staatsbürgerrechte gestattet ist.
Durch Reichsgesetz vom 3. Juli 1869, die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehungs betreffend, in Bayern durch Reichsgesetz vom 21. April 1871 eingeführt, hat im § 11 die Worte "; ausgenommen, es geschehe der Uebertritt zu einer Religions-Parthey, welcher nur eine beschränkte Theilnahme an dem Staatsbürger-Rechte gestattet ist" faktisch aufgehoben.
Drittes Kapitel.
Religionsverhältnisse der Kinder aus gemischten Ehen.
§ 12. Wenn in einem gültigen Ehevertrage zwischen Aeltern, die verschiedenen Glaubensbekenntnissen zugethan sind, bestimmt worden ist, in welcher Religion die Kinder erzogen werden sollen; so hat es hierbei sein Bewenden.
§ 13. Die Gültigkeit solcher Eheverträge ist sowohl in Rücksicht ihrer Form, als der Zeit der Einrichtung, lediglich nach den bürgerlichen Gesetzen zu beurtheilen.
§ 14. Sind keine Ehepacten oder sonstige Verträge hierüber errichtet, oder ist in jenen über die religiöse Erziehung der Kinder nichts verordnet worden; so folgen die Söhne der Religion des Vaters, die Töchter werden in dem Glaubensbekenntnisse der Mutter erzogen.
§ 15. Uebrigens benimmt die Verschiedenheit des kirchlichen Glaubensbekenntnisses keinem der Aeltern die ihm sonst wegen der Erziehung zustehenden Rechte.
§ 16. Der Tod der Aeltern ändert nichts in den Bestimmungen der §§ 12. und 14. über die religiöse Erziehung der Kinder.
§ 17. Die Ehescheidungen, oder alle sonstigen rechtsgültigen Auflösungen der Ehe können auf die Religion der Kinder keinen Einfluß haben.
§ 18. Wenn ein das Religionsverhältniß der Kinder bestimmender Ehevertrag vorhanden ist; so bewirkt der Uebergang der Aeltern zu einem andern Glaubensbekenntniß darin in so lange keine Veränderung, als die Ehe noch gemischt bleibt. Geht aber ein Ehegatte zur Religion des andern über, und die Ehe hört dadurch auf, gemischt zu seyn; so folgen die Kinder der nun gleichen Religion der Aeltern, ausgenommen sie waren - dem bestehenden Ehevertrage gemäß - durch die Confirmation oder Communion bereits in die Kirche einer andern Confession aufgenommen, in welchem Falle sie bis zum erlangten Unterscheidungsjahre darin zu belassen sind.
§ 19. Pflegekinder werden nach jenem Glaubensbekenntniß erzogen, welchem sie in ihrem vorigen Stande zu folgen hatten.
§ 20. Durch Heirath legitimirte natürliche Kinder werden in Beziehung auf den Religionsunterricht ehelichen Kindern gleichgeachtet.
§ 21. Die übrigen natürlichen Kinder, wenn sie von einem Vater anerkannt sind, werden in Ansehung der Religionserziehung gleichfalls wie die ehelichen behandelt. Sind sie aber von dem Vater nicht anerkannt; so werden sie nach dem Glaubensbekenntnisse der Mutter erzogen.
§ 22. Findlinge und natürliche Kinder, deren Mutter unbekannt ist, folgen der Religion desjenigen, welcher das Kind aufgenommen hat, sofern er einer der öffentlich eingeführten Kirchen angehört, oder der Religionspartei des Findlings-Instituts, worin sie erzogen werden. Außer diesen Fällen richtet sich ihre Religion nach jener der Mehrheit der Einwohner des Findungs-Orts.
§ 23. Die geistlichen Obern, die nächsten Verwandten, die Vormünder und Pathen haben das Recht, darüber zu wachen, daß vorstehende Anordnungen befolgt werden. Sie können zu diesem Behufe die Einsicht der betreffenden Bestimmungen der Eheverträge und der übrigen auf die Religionserziehung sich beziehenden Urkunden fordern.
siehe hierzu auch Art. 8 Z. 4 und Art. 9 des Gesetzes vom 8. August 1878, die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen betreffend
Zweiter Abschnitt.
Von Religions- und Kirchengesellschaften
Erstes Kapitel.
Ihre Aufnahme und Bestätigung
§. 24. Die in dem Königreiche bestehende drei christlichen Glaubens-Confessionen sind als öffentliche Kirchengesellschaften mit gleichen bürgerlichen und politischen Rechten, nach den unten folgenden nähern Bestimmungen anerkannt.
Durch Gesetz vom 1. Juli 1834, die bürgerlichen und politischen Rechte der griechischen Glaubensgenossen wurde neben den drei christlichen Glaubens-Confessionen (Katholiken, Lutheraner, Reformierte) auch die orthodoxen Christen als gleichberechtigt anerkannt (wissenschaftlich wurde dies aber teilweise bestritten).
§ 25. Den nicht christlichen Glaubensgenossen ist war nach §§ 1. und 2. eine vollkommene Religions- und Gewissensfreiheit gestattet; als Religionsgesellschaften und in Beziehung auf Staatsbürgerrechte aber sind sie nach den über ihre bürgerlichen Verhältnisse bestehenden besondern Gesetzen und Verordnungen zu behandeln.
§ 26. Religions- und Kirchengesellschaften, die nicht zu den bereits gesetzlich aufgenommenen gehören, dürfen ohne ausdrückliche königliche Genehmigung nicht eingeführt werden.
§ 27. Sie müssen vor der Aufnahme ihre Glaubensformeln und innere kirchliche Verfassung zur Einsicht und Prüfung dem Staatsministerium des Innern vorlegen.
Zweites Kapitel.
Rechte und Befugnisse der aufgenommenen und bestätigten Religions-
und Kirchen-Gesellschaften
§ 28. Die mit ausdrücklicher königlicher Genehmigung aufgenommenen Kirchengesellschaften genießen die Rechte öffentlicher Corporationen.
§ 29. Die zur Ausübung ihres Gottesdienstes gewidmeten Gebäude sollen; wie andere öffentliche Gebäude, geschützt werden.
hierzu siehe aber die §§ 167, 243, 304, 306 und 366 Ziffer 1 des Reichs-Strafgesetzbuches über die Bestrafung von Lärmerregung, Entwendung, Beschädigung, Brandstiftung.
§ 30. Die zur Feier des Gottesdienstes und zum Religionsunterrichte bestellten Personen genießen die Rechte und Achtung öffentlicher Beamter.
hierzu siehe auch Artikel XIV des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 31. Ihr Eigenthum steht unter dem besondern Schutze des Staats.
hierzu siehe auch Artikel VIII des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 32. Eine Religionsgesellschaft, welche die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften bei ihrer Genehmigung nicht erhalten hat, wird nicht als eine öffentliche Corporation, sondern als eine Privatgesellschaft geachtet.
§ 33. Es ist derselben die freie Ausübung ihres Privatgottesdienstes gestattet.
§ 34. Zu dieser gehört die Anstellung gottesdienstlicher Zusammenkünfte in gewissen dazu bestimmten Gebäuden, und die Ausübung der ihren Religionsgrundsätzen gemäßen Gebräuche sowohl in diesen Zusammenkünften, als in den Privatwohnungen der Mitglieder.
§ 35. Den Privat-Kirchengesellschaften ist aber nicht gestattet, sich den Glocken oder sonstiger Auszeichnungen zu bedienen, welche Gesetze oder Gewohnheit den öffentlichen Kirchen angeeignet haben.
§ 36. Die von ihnen zur Feier ihrer Religionshandlungen bestellten Personen genießen, als solche, keine besondern Vorzüge.
§ 37. Die ihnen zustehenden weitern Rechte müssen nach dem Inhalte ihrer Aufnahmeurkunde bemessen werden.
§ 38. Jeder genehmigten Privat- oder öffentlichen Kirchengesellschaft,
kommt unter der obersten Staatsaufsicht, nach den im dritten Abschnitte
enthaltenen Bestimmungen, die Befugniß zu, nach der Formel und der
von der Staatsgewalt anerkannten Verfassung ihrer Kirche, alle innern Kirchenangelegenheiten
anzuordnen.
Dahin gehören die Gegenstände:
a) der Glaubenslehre,
b) der Form und Feier des Gottesdienstes,
c) der geistlichen Amtsführung,
d) des religiösen Volksunterrichts,
e) der Kirchen-Disciplin,
f) der Approbation und Ordination der Kirchendiener,
g) der Einweihung der zum Gottesdienste gewidmeten Gebäude und
der Kirchhöfe,
h) der Ausübung der Gerichtsbarkeit in rein geistlichen Sachen;
nämlich des Gewissens oder der Erfüllung der Religions- und Kirchenpflichten
einer Kirche, nach ihren Dogmen, symbolischen Büchern und darauf gegründeten
Verfassung.
zu § 38 lit. f) siehe auch Artikel XII
b. des Konkordats vom 5.
Juni 1817
zu § 38 lit. h) siehe auch Artikel XII
c. des Konkordats vom 5.
Juni 1817
§ 39. Den kirchlichen Obern, Vorstehern oder ihren Repräsentanten, kommt demnach das allgemeine Recht der Aufsicht mit den daraus hervorgehenden Wirkungen zu, damit die Kirchengesetze befolgt, der Cultus diesen gemäß aufrecht erhalten, der reine Geist der Religion und Sittlichkeit bewahret, und dessen Ausbreitung befördert werde. Der Antheil, welcher jedem Einzelnen an dieser Aufsicht zukommt, wird durch seine Amtsvollmacht bestimmt.
hierzu siehe auch Artikel V und XII c. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 40. Die Kirchengewalt übt das rein geistliche Correctionsrecht nach geeigneten Stufen aus.
§ 41. Jedes Mitglied einer Kirchengesellschaft ist schuldig, der darin eingeführten Kirchenzucht sich zu unterwerfen.
§ 42. Keine Kirchengewalt ist daher befugt, Glaubensgesetze gegen ihre Mitglieder mit äußerem Zwange geltend zu machen.
§ 43. Wenn einzelne Mitglieder durch öffentliche Handlungen eine Verachtung des Gottesdienstes und der Religionsgebräuche zu erkennen geben, oder andere in ihrer Andacht stören; so ist die Kirchengesellschaft befugt, dergleichen unwürdigen Mitgliedern den Zutritt in ihre Versammlungen zu versagen.
hierzu siehe auch Artikel XII d. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 44. Die in dem Königreiche als öffentliche Corporationen aufgenommene Kirchen sind berechtigt, Eigenthum zu besitzen, und nach den hierüber bestehenden Gesetzen auch künftig zu erwerben.
hierzu siehe auch Artikel VIII und XVI des Konkordats vom 5. Juni 1817 und die Art. 7 und 10 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vom 9. Juni 1899
§ 45. Die Eigenthumsfähigkeit der nicht öffentlichen Kirchengesellschaften wird nach ihrer Aufnahmeurkunde, oder, wenn in dieser darüber nichts festgesetzt ist, nach den Rechten der Privatgesellschaften bestimmt.
§ 46. Allen Religionstheilen ohne Ausnahme ist dasjenige, was sie an Eigenthum gesetzmäßig besitzen, es sey für den Cultus oder für den Unterricht bestimmt, es bestehe in liegenden Gütern, Rechten, Capitalien, baarem Gelde, Pretiosen, oder sonstigen beweglichen Sachen, durch den § 9. im vierten Titel der Verfassungsurkunde des Reichs garantirt.
§ 47. Das Kirchenvermögen darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen eingezogen und in der Substanz zum Besten eines andern, als des bestimmten Stiftungszweckes, ohne Zustimmung der Betheiligten, und sofern es allgemeine Stiftungen betrifft, ohne Zustimmung der Stände nicht veräußert oder verwendet werden.
§. 48. Wenn bei demselben in einzelnen Gemeinden, nach hinlänglicher
Deckung der Local-Kirchenbedürfnisse, Ueberschüsse sich ergeben,
so sollen diese zum Besten des nämlichen Religionstheils nach folgenden
Bestimmungen verwendet werden:
a) zur Erhaltung und Wiederherstellung der Kirchen und geistlichen
Gebäude in andern Gemeinden, die dafür kein hinreichendes eigenes
Vermögen besitzen;
b) zur Ergänzung des Unterhaltes einzelner Kirchendiener, oder
c) zur Fundation neuer nothwendiger Pfarrstellen;
d) zur Unterstützung geistlicher Bildungsanstalten;
e) zu Unterhaltsbeiträgen der durch Alter oder Krankheit zum Kirchendienst
unfähig gewordenen geistlichen Personen.
hierzu siehe auch Artikel VIII des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 49. Insofern für diese Zwecke vom Kirchenvermögen nach vollständiger Erwägung etwas entbehrt werden kann, wird dieser Ueberschuß, im Einverständnisse mit der betreffenden geistlichen Oberbehörde, vorzüglich zur Ergänzung von Schulanstalten, dann der Armenstiftungen (wohin auch jene der Krankenpflege zu rechnen sind) verwendet werden.
hierzu siehe auch Artikel VIII des Konkordats vom 5. Juni 1817
Dritter Abschnitt.
Verhältnisse der im Staate aufgenommenen Kirchengesellschaften
zur Staatsgewalt
Erstes Kapitel.
In Religions- und Kirchensachen.
§ 50. Seine Majestät der König haben in mehreren Verordnungen Ihren ernstlichen Willen ausgesprochen, daß die geistliche Gewalt in ihrem eigentlichen Wirkungskreise nie gehemmt werden, und die königliche weltliche Regierung in rein geistlichen Gegenstände des Gewissens und der Religionslehre sich nicht einmischen solle, als in soweit das königliche oberste Schutz- und Aufsichtsrecht dabei eintritt. Die königlichen Landesstellen werden wiederhohlt zur genauen Befolgung derselben angewiesen.
§ 51. So lange demnach die Kirchengewalt die Grenzen ihres eigentlichen Wirkungskreises nicht überschreitet, kann dieselbe gegen jede Verletzung ihrer REchte und Gesetze den Schutz der Staatsgewalt anrufen, der ihr von den königlichen einschlägigen Landesstellen nicht versagt werden darf.
§ 52. Es steht aber auch den Genossen einer Kirchengesellschaft, welche durch Handlungen der geistlichen Gewalt gegen die festgesetzte Ordnung beschwert werden, die Befugniß zu, dagegen den landesfürstlichen Schutz anzurufen.
§ 53. Ein solcher Recurs gegen einen Mißbrauch geistlicher Gewalt kann entweder bei der einschlägigen Religionsbehörde, welche darüber alsbald Bericht an das königliche Staatsministerium des Innern zu erstatten hat, oder bei Seiner Majestät dem Könige unmittelbar angebracht werden.
§ 54. Die angebrachten Beschwerden wird das königliche Staatsministerium des Innern untersuchen lassen, und, eilige Fälle ausgenommen, nur nach Vernehmung der betreffenden geistlichen Behörde das Geeignete darauf verfügen.
§ 55. der Regent kann bei feierlichen Anlässen in den verschiedenen Kirchen Seines Staates durch die geistlichen Behörden öffentliche Gebete und Dankfeste anordnen.
hierzu siehe auch Artikel XII g. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 56. Auch ist Derselbe befugt, wenn Er wahrnimmt, daß bei einer Kirchengesellschaft Spaltungen, Unordnungen oder Mißbräuche eingerissen sind, zur Wiederherstellung der Einigkeit und kirchlichen Ordnung unter Seinem Schutze Kirchenversammlungen zu veranlassen, ohne jedoch in Gegenstände der Religionslehre Sich selbst einzumischen.
§ 57. Da die hoheitliche Oberaufsicht über alle innerhalb der Grenzen des Staats verfallende Handlungen, Ereignisse und Verhältnisse sich erstreckt; so ist die Staatsgewalt berechtigt, von demjenigen, was in den Versammlungen der Kirchengesellschaften gelehrt und verhandelt wird, Kenntniß einzuziehen.
§ 58. Hiernach dürfen keine Gesetze, Verordnungen oder sonstige Anordnungen der Kirchengewalt, nach den hierüber in den königlichen Landen schon längst bestehenden Generalmandaten, ohne Allerhöchste Einsicht und Genehmigung publicirt und vollzogen werden. Die geistlichen Obrigkeiten sind gehalten, nachdem sie die königliche Genehmigung zur Publication (Placet) erhalten haben, im Eingange der Ausschreibungen ihrer Verordnungen von derselben jederzeit ausdrücklich Erwähnung zu thun.
hierzu siehe auch Artikel XII e. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 59. Ausschreiben der geistlichen Behörden, die sich blos auf die ihnen untergeordnete Geistlichkeit beziehen, und aus genehmigten allgemeinen Verordnungen hervorgehen, bedürfen keiner neuen Genehmigung.
hierzu siehe auch Artikel XII e. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 60. Die Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit kommt zwar nach § 38. lit. h. der Kirchengewalt zu; die dafür angeordneten Gerichte, so wie ihre Verfassung müssen aber vor ihrer Einführung von dem Könige bestätigt werden. Auch sollen sie einschlägigen königlichen Landesstellen aufmerksam seyn, damit die königlichen Unterthanen von den geistlichen Stellen nicht mit gesetzwidrigen Gebühren beschwert, oder in ihren Angelegenheiten auf eine für sie lästige Art aufgehalten werden.
hierzu siehe auch Artikel XII c. des Konkordats vom 5. Juni 1817 und § 15 des Reichsgesetzes vom 27. Januar 1877, die Gerichtsverfassung betreffend, wonach die Ausübung einer geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten ohne bürgerliche Wirkung ist.
§ 61. Die vorgeschriebenen Genehmigungen können nur von dem Könige selbst, mittelst des königlichen Staatsministeriums des Innern ertheilt werden, an welches die zu publicirenden kirchlichen Gesetze und Verordnungen eingesendet, und sonstige Anordnungen ausführlich angezeigt werden müssen.
Zweites Kapitel.
In ihren bürgerlichen Handlungen und Beziehungen.
§ 62. Die Religions- und Kirchengesellschaften müssen sich in Angelegenheiten, die sie mit andern bürgerlichen Gesellschaften gemein haben, nach den Gesetzen des Staates richten.
§ 63. Diesen Gesetzen sind in ihren bürgerlichen Beziehungen sowohl die Obern der Kirche, als einzelne mitglieder derselben, auf gleiche Art unterworfen.
hierzu siehe auch Artikel XII c. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 64. Zur Beseitigung aller künftigen Anstände
werden nach solchen Beziehungen als weltliche Gegenstände erklärt:
a) alle Verträge und letztwillige Dispositionen der Geistlichen;
b) alle Bestimmungen über liegende Guter ect., fahrende Habe,
Nutzung, Renten, Rechte der Kirchen und kirchlichen Personen;
c) Verordnungen und Erkenntnisse über Verbrechen und Strafen der
Geistlichen, welche auf ihre bürgerlichen Rechte einen Einfluß
haben;
d) Ehegesetze, insofern sie den bürgerlichen Vertrag und dessen
Wirkungen betreffen;
e) Privilegien, Dispensationen, Immunitäten, Exemtionen, zum Besten
ganzer Kirchengesellschaften, einzelner Gemeinden oder Gesellschaftsgenossen,
oder der dem Religionsdienste gewidmeten Orte und Guter, insofern sie politische
oder bürgerliche Verhältnisse berühren;
f) allgemeine Normen über die Verbindlichkeit zur Erbauung und
Erhaltung der Kirchen und geistlichen Gebäude;
g) Bestimmungen über die Zulassung von Kirchenpfründen;
h) Vorschriften über die Einrichtung der Kirchenlisten, als Quellen
der Bevölkerungs-Verzeichnisse, als Register des Civilstandes und
über die Legalität de pfarrlichen Documente.
hierzu siehe auch Artikel XII c. des Konkordats vom 5. Juni 1817, hinsichtich des lit. g) auch Artikel XI., XII c. und d. des Konkordats vom 5. Juni 1817; hinsichtlich des lit. h) auch das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875, die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung betreffend, können die Kirchenlisten nur für die Zeit vor der Wirksamkeit dieses Gesetzes als Civilstandsregister in Frage kommen.
§ 65. In allen diesen Gegenständen kommt der Staatsgewalt allein die Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit zu.
hierzu siehe auch Artikel XII c. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 66. Hiernach sind alle Geistliche in bürgerlichen Personal-Klagsachen, in allen aus bürgerlichen Contracten hervorgehenden Streitsachen, in den Verhandlungen über ihre Verlassenschaften ect. einzig den weltlichen Gerichten untergeben.
hierzu siehe auch Artikel XII c. des Konkordats vom 5. Juni 1817; nach 1879 kraft Reichsrechts aufgehoben.
§ 67. Sie genießen, nach Titel V. § 5. der Verfassungsurkunde, in bürgerlichen und strafrechtlichen Fällen den befreiten Gerichtsstand.
Durch Art. 2 des Gesetzes vom 4. Juni 1848, die Grundlagen der Gesetzgebung über die Gerichtsorganisation betreffend und Art. 76 des Gesetzes vom 10. November 1861, die Gerichtsverfassung betreffend wurde der Titel V § 5 der Verfassungsurkunde (und somit auch der § 67) faktisch aufgehoben.
§ 68. Bei Sterbefällen der Geistlichen soll darauf Rücksicht genommen werden, daß die geistlichen Verrichtungen, wenn der Verstorbene dergleichen versehen hat, nicht gehemmt werden; alles, was darauf Bezug hat, und zum Gottesdienste gehört, als heilige Gefäße ect., soll von der Sperre ausgenommen, und mittelst Verzeichnisses entweder dem Nachfolger im Beneficium sogleich verabfolgt oder andern sichern Händen einstweilen übergeben werden, wenn nicht zu ihrer Uebernahme ein Abgeordneter der geistlichen Behörde sich einfindet, welche zu diesem Ende von dem weltlichen Richter bei jedem Sterbefalle eines im Beneficium stehenden Geistlichen davon in Kenntniß zu setzen ist.
hierzu siehe auch Artikel XII c. und XVII des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 69. Die Criminal-Gerichtsbarkeit auch über Geistliche kömmt nur den einschlägigen königlichen weltlichen Gerichten zu.
hierzu siehe auch § 15 des Reichsgesetzes vom 27. Januar 1877, die Gerichtsverfassung betreffend, wonach die Ausübung einer geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten ohne bürgerliche Wirkung ist.
§ 70. Diese sollen aber die einschlägige geistliche Behörde jederzeit von dem Erfolge der Untersuchung in Kenntniß setzen, um auch von ihrer Seite gegen die Person des Verbrechers in Beziehung auf seine geistlichen Verhältnisse das Geeignete darnach verfügen zu können.
hierzu siehe auch Artikel XII d. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 71. Keinem kirchlichen Zwangsmittel wird irgend ein Einfluß auf das gesellschaftliche Leben und die bürgerlichen Verhältnisse, ohne Einwilligung der Staatsgewalt im Staate gestattet.
hierzu siehe auch Artikel XII c. und d. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 72. Das Verfahren der weltlichen Gerichte in Gegenständen, welche nach den obigen Bestimmungen zu ihrer Gerichtsbarkeit gehören, darf durch die Einschreitungen geistlicher Stellen weder unterbrochen noch aufgehoben werden.
hierzu siehe auch Artikel XII c. und d. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 73. Die Kirchen und Geistlichen können in Ansehung des ihnen zustehenden Vermögens weder von Landesunterthänigkeit, weder von Gerichtsbarkeit, noch von öffentlichen Staatslasten irgend eine Befreiung ansprechen.
§ 74. Alle ältern Befreiungen, die hierüber mögen verliehen worden seyn, werden als nichtig erklärt.
§ 75. Die Verwaltung des Kirchenvermögens stehet, nach den hierüber gegebenen Gesetzen, unter dem königlichen obersten Schutze und Aufsicht.
Drittes Kapitel.
Bei Gegenständen gemischter Natur.
§ 76. Unter Gegenständen gemischter Natur werden diejenigen
verstanden, welche zwar geistlich sind, aber die Religion nicht wesentlich
betreffen, und zugleich irgend eine Beziehung auf den Staat und das weltliche
Wohl der Einwohner desselben haben:
Dahin gehören:
a) alle Anordnungen über den äußern Gottesdienst, dessen
Ort, Zeit, Zahl ect.
b) Beschränkung oder Aufhebung der nicht zu den wesentlichen Theilen
des Cultus gehörigen Feierlichkeiten, Processionen, Nebenandachten,
Ceremonien, Kreuzgänge und Brüderschaften;
c) Errichtung geistlicher Gesellschaften und sonstiger Institute und
Bestimmung ihrer Gelübde;
d) organische Bestimmungen über geistliche Bildungs-, Verpflegs-
und Strafanstalten;
e) Eintheilung der Diöcesen, Decanats- und Pfarrsprengen;
f) alle Gegenstände der Gesundheitspolizei, insoweit diese kirchliche
Anstalten mit berühren.
hierzu siehe auch Artikel V, VII und XII f. und g. des Konkordats vom 5. Juni 1817; hinsichtlich des lit. b) auch Artikel XII g. des Konkordats vom 5. Juni 1817 und lit. d) auch Artikel V und XII d. des Konkordats vom 5. Juni 1817
§ 77. Bei diesen Gegenständen dürfen von der Kirchengewalt ohne Mitwirkung der weltlichen Obrigkeit keine einseitigen Anordnungen geschehen.
§ 78. Der Staatsgewalt steht die Befugniß zu, nicht nur von allen Anordnungen über diese Gegenstände Einsicht zu nehmen, sondern auch durch eigene Verordnungen dabei alles dasjenige zu hindern, was dem öffentlichen Wohle nachtheilig seyn könnte.
§ 79. Zu außerordentlichen kirchlichen Feierlichkeiten, besonders wenn dieselben an Werktagen gehalten werden sollen, muß allezeit die spezielle königliche Bewilligung erholt werden.
hierzu siehe auch Artikel XII g. des Konkordats vom 5. Juni 1817
Vierter Abschnitt.
Von dem Verhältnisse verschiedener Religionsgesellschaften
gegen einander.
Erstes Kapitel.
Allgemeine Staatspflichten der Kirchen gegen einander.
§ 80. Die im Staate bestehenden Religionsgesellschaften sind sich wechselseitig gleiche Achtung schuldig; gegen deren Versagung kann der obrigkeitliche Schutz aufgerufen werden, der nicht verweigert werden darf; dagegen ist aber auch keiner eine Selbsthülfe erlaubt.
§ 81. Jede Kirche kann für ihre Religionshandlungen von den Gliedern aller übrigen Religionsparteien vollkommene Sicherheit gegen Störungen aller Art verlangen.
hierzu siehe auch Artikel XIV. des Konkordats vom 5. Juni 1817 und die §§ 167, 243, 304, 306 und 366 Ziffer 1 des Reichs-Strafgesetzbuches über die Bestrafung von Lärmerregung, Entwendung, Beschädigung, Brandstiftung.
§ 82. Keine Kirchengesellschaft kann verbindlich gemacht werden, an dem äußern Gottesdienste der andern Antheil zu nehmen. Kein Religionstheil ist demnach schuldig, die besondern Feiertage des andern zu feiern, sondern es soll ihm frei stehen, an solchen Tagen sein Gewerbe und seine Handthierung auszuüben, jedoch ohne Störung des Gottesdienstes des andern Theiles, und ohne, daß die Achtung dabei verletzt werden, welche nach § 80. jede Religionsgesellschaft der andern bei Ausübung ihrer religiösen Handlungen und Gebräuche schuldig ist.
§ 83. Der weltlichen Staatspolizei kömmt es zu, in so weit als die Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zwischen verschiedenen Religionspartheien es erfordert, Vorschriften für äußere Handlungen, die nur zufälligen Bezug zum kirchlichen Zwecke haben, zu geben.
§ 84. Religionsverwandte einer öffentlich aufgenommenen Kirche, welche keine eigene Gemeinde bilden, können sich zu einer entfernteren Gemeinde ihres Glaubens innerhalb der Grenzen des Reichs halten.
§ 85. Auch ist ihnen freigestellt, von dem Pfarrer oder Prediger einer anderen Confession an ihrem Wohnorte jene Dienste und Amtsfunctionen nachzusuchen, welche sie mit ihren eigenen Religionsgrundsätzen leisten können.
§ 86. In dergleichen Fällen sollen dem Pfarrer oder Geistlichen der fremden Confession für die geleisteten Dienste die festgesetzten Stolgebühren entrichtet werden.
§ 87. Diesen auf solche Art der Orstpfarrei einverleibten fremden Religionsverwandten darf jedoch nichts aufgelegt werden, was ihrem Gewissen oder jedem Staatseinwohner garantirten Hausandacht entgegen ist.
§ 88. Den Mitgliedern der öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften steht die Bildung einer eigenen Gemeinde aller Orten frei, wenn sie das erforderliche Vermögen zum Unterhalte der Kirchendiener, zu den Ausgaben für den Gottesdienst, dann zur Errichtung und Erhaltung der nöthigen Gebäude besitzen, oder wenn sie die Mittel hierzu auf gesetzlich gestattetem Wege aufzubringen vermögen.
§ 89. Das Verhältniß der Staatseinwohner, welche einer Religion angehören, deren Mitgliedern nur eine Hausandacht oder nur ein Privatgottesdienst gestattet ist, muß aus dem Inhalte der Confessionsurkunde beurtheilt werden. Sie dürfen von den Dienern der Kirchengewalt des Ortes, wo sie wohnen, gegen den Sinn und Zweck der Confession weder beschränkt noch beeinträchtigt werden. Da sie mit der Ortskirche in keiner Verbindung stehen, so können von derselben keine pfarrlichen Rechte gegen sie ausgeübt werden; dagegen haben sie aber auch keinen Antheil an den Rechten und dem Eigenthume der Kirche.
Zweites Kapitel.
Vom Simultan-Gebrache der Kirchen.
§. 90. Wenn zwei Gemeinden verschiedener Religionspartheien zu einer Kirche berechtigt sind, so müssen die Rechte einer jeden hauptsächlich nach den vorhandenen besondern Gesetzen oder Verträgen beurtheilt werden.
§ 91. Mangelt es an solchen Bestimmungen; so wird vermuthet, daß eine jede dieser Gemeinden mit der andern gleiche Rechte habe.
§ 92. Die Entscheidung der über Ausübung dieser Rechte entstehenden Streitigkeiten, wenn die Betheiligten sie durch gemeinschaftliches Einverständniß nicht beizulegen vermögen, gehört an das Staatsministeriums des Innern, welches die Sache nach Verhältniß der Umstände vor den Staatsrath bringen wird.
Durch Art. 10 Ziffer 11 und Art. 45 des Gesetzes vom 8. August 1878, die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Verwaltungsrechtssachen betreffend, hinsichtlich der Zuständigkeit des Staatsrates geändert.
§ 93. Wird aber darüber gestritten, ob eine oder die andere Gemeinde zu der Kirche wirklich berechtigt sey; so gehört die Entscheidung vor den ordentlichen Richter.
§ 94. Wenn nicht erhellet, daß beide Gemeinden zu der Kirche wirklich berechtiget sind; so wird angenommen, daß diejenige, welche zu dem gegenwärtigen Mitgebrauche am spätesten gelangt ist, denselben als eine widerrufliche Gefälligkeit erhalten habe.
§ 95. Selbst ein vieljähriger Gebracht kann für sich allein die Erwerbung eines wirklichen Rechtes durch Verjährung künftig nicht begründen.
§ 96. Wenn jedoch, außer diesem Mitgebrauche, auch die Unterhaltung der Kirchen von beiden Gemeinden bestritten worden; so begründet dies die Vermuthung, daß auch der später zum Mitgebrauch gekommenen Gemeinde ein wirkliches Recht darauf zustehe.
§ 97. So lange eine Gemeinde den Mitgebrauch nur bittweise hat, muß sie, bei jedesmaliger Ausübung einer bisher nicht gewöhnlichen gottesdienstlichen Handlung die Erlaubniß der Vorsteher dazu nachsuchen.
§ 98. Den im Mitgebrauche einer Kirche begriffenen Gemeinden steht es jederzeit frei, durch freiwillige Uebereinkunft denselben aufzuheben, und das gemeinschaftliche Kirchenvermögen unter königlicher Genehmigung, welche durch das Staatsministerium des Innern eingeholt werden muß, abzutheilen, und für jede eine gesonderte gottesdienstliche Anstalt zu bilden.
§ 99. Auch kann eine solche Abtheilung von der Staatsgewalt aus polizeilichen oder administrativen Erwägungen, oder auf Ansuchen der Betheiligten verfügt werden.
§ 100. Wenn ein Religionstheil keinen eigenen Kirchhof besitzt, oder nicht bei der Theilung des gemeinschaftlichen Kirchenvermögens einen für sich anlegt; so ist der im Orte befindliche als ein gemeinschaftlicher Begräbnißplatz für sämmtliche Einwohner des Orts zu betrachten, zu dessen Anlage und Unterhaltung aber auch sämmtliche Religionsverwandte verhältnißmäßig beitragen müssen.
§ 101. Kein Geistlicher kann gezwungen werden, das Begräbniß eines fremden Religionsverwandten nach den Feierlichkeiten seiner Kirche zu verrichten.
§ 102. Wird derselbe darum ersucht, und er findet keinen Anstand, dem Begräbnisse beizuwohnen; so müssen ihm auch die dafür hergebrachten Gebühren entrichtet werden.
§ 103. Den Glocken auf den Kirchhöfen kann jede öffentlich aufgenommene Kirchengemeinde bei ihren Leichenfeierlichkeiten, gegen Bezahlung der Gebühr, sich bedienen.
Dieses allgemeine Staatsgrundgesetz bestimmt, in Ansehung der Religionsverhältnisse der verschiedenen Kirchengesellschaften, ihre Rechte und Verbindlichkeiten gegen den Staat, die unveräußerlichen Majestätsrechte des Regenten, und die jedem Unterthan zugesicherte Gewissensfreiheit und Religionsausübung.
In Ansehung der übrigen innern Kirchenangelegenheiten sind die weitern Bestimmungen, in Beziehung auf die katholische Kirche, in dem mit dem päpstlichen Stuhle abgeschlossenen Concordat vom 5. Junius 1817, und in Beziehung auf die protestantische Kirche in dem hierüber unterm heutigen Tage erlassenen eigenen Edicte enthalten.
siehe hierzu auch die k. Erklärung vom 7. November 1818 und k. Erklärung vom 15. September 1821 und die Allerhöchste Entschließung vom 2. Juli 1831, die Geschäftszuständigkeit des protestantischen Oberkonsistoriums betreffend.
München, den 26. May 1818.
Maximilian Joseph