Gesetz Nr. 951
zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
(Entschädigungsgesetz)

vom 16. August 1949

Auf Grund der Art. II und III der Proklamation Nr. 4 der amerikanischen Militärregierung vom 1. März 1947 in Verbindung mit der Proklamation Nr. 2 der amerikanischen Militärregierung vom 19. September 1945 wird das folgende vom Länderrat nach Anhörung des Parlamentarischen Rates beschlossene Gesetz erlassen und verkündet:

I. Allgemeine Vorschriften

1. Wiedergutmachungsanspruch

§ 1. (1) Ein Recht auf Wiedergutmachung nach diesem Gesetz hat, wer unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945) wegen seiner politischen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung verfolgt wurde und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat.

(2) Kein Recht auf Wiedergutmachung nach diesem Gesetz hat,
1. wer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Vorschub geleistet hat,
2. wem nach dem 8. Mai 1945 die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden,
3. wer nach dem 8. Mai 1945 rechtskräftig zu Zuchthausstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt wurde.

(3) In den Fällen des Abs. 2 steht der Anspruch auf Wiedergutmachung dem Lande zugunsten des Sonderfonds für Zwecke der Wiedergutmachung zu, sofern es gemäß § 6 Wiedergutmachung zu gewähren hätte. Das Land kann den Anspruch nicht mehr geltend machen, wenn nach Ablauf der in § 8 Abs. l bestimmten Frist sechs Monate verstrichen sind.

§ 2. (1) Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über den Schadensausgleich   bei mitwirkendem Verschulden und über die Anrechnung eines im Zusammenhang mit dem Schaden erlangten Vorteils finden entsprechende Anwendung.

(2) Ein Schaden, der auch ohne die Verfolgung entstanden wäre, wird nicht ersetzt.

§ 3. (1) Geldansprüche für die Zeit vor dem 21. Juni 1948 werden, soweit das Gesetz nichts Abweichendes bestimmt, in Reichsmark berechnet und im Verhältnis 10: 2 in Deutsche Mark umgerechnet.

(2) Im Zuge der Wiedergutmachung bereits bewirkte Leistungen sind, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, auf den Wiedergutmachungsanspruch mit dem in Abs. 1 bestimmten Betrag anzurechnen.

§ 4.Unbeschadet der Bestimmungen des Militärregierungsgesetzes Nr. 59 über die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände können andere Wiedergutmachungsansprüche, als sie nach diesem Gesetz geltend gemacht werden können, auf Grund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen nicht erhoben werden.

2. Wiedergutmachungspflicht

§ 5. (1) Die einem Wiedergutmachungsberechtigten gegen den nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts Wiedergutmachungspflichtigen zustehenden Ansprüche werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(2) Die einem Wiedergutmachungspflichtigen auf Grund einer Wiedergutmachungsleistung gegen Dritte zustehenden Ansprüche bemessen sich nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.

§ 6. (1) Unbeschadet der Wiedergutmachungspflicht des nach § 5 Wiedergutmachungspflichtigen gewährt das Land Württemberg-Baden Wiedergutmachung, wenn der durch die Verfolgung Geschädigte
1. am 1. Januar 1947 rechtmäßig seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiete des Landes Württemberg-Baden hatte oder seither dem Lande Württemberg-Baden als Flüchtling zugewiesen wurde,
2. vor dem 1. Januar 1947 gestorben oder ausgewandert ist, aber seinen letzten inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiete des Landes Württemberg-Baden hatte,
3. am 1. Januar 1947 sich in einem DP-Lager der amerikanisch besetzten Zone aufhielt und entweder
    beim Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Rechts- und Wirtschaftsordnung des Landes Württemberg-Baden eingegliedert ist oder sich innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingliedert oder
    von dem Lande Württemberg-Baden aus nach dem 21. Dezember 1946 ausgewandert ist oder auswandert. Im Falle der Auswanderung bleibt der Aufenthalt in einem Durchgangslager für Auswanderer außer Betracht.

(2) Für Schäden an Grundstücken gewährt das Land Württemberg-Baden Wiedergutmachung ohne Rücksicht auf Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten, wenn das Grundstück im Gebiete des Landes Württemberg-Baden gelegen ist.

(3) Das Land Württemberg-Baden behält sich vor, von den übrigen beteiligten Ländern oder einer etwaigen staatsrechtlichen Gesamtheit anteilmäßigen Ersatz seiner Wiedergutmachungsleistungen zu verlangen.

§ 7. (1) Der Wiedergutmachungsberechtigte kann in den Fällen des § 6 vom Lande Württemberg-Baden Feststellung des ihm erwachsenen Schadens und Wiedergutmachung verlangen, ohne daß es einer vorherigen Geltendmachung des Anspruchs gegen einen nach § 5 Wiedergutmachungspflichtigen bedarf. Er hat jedoch dem Lande alle ihm bekannten Anhaltspunkte zur Ermittlung des Wiedergutmachungspflichtigen anzugeben und bei dessen Ermittlung mitzuwirken, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbar ist. Auf Verlangen des Landes hat er die Richtigkeit seiner Angaben durch Eid oder Versicherung an Eidesstatt zu bekräftigen; das Land kann die Wiedergutmachung ablehnen, solange und soweit der Wiedergutmachungsberechtigte dieser Verpflichtung schuldhaft nicht nachkommt.

(2) Die Wiedergutmachungsleistungen des Landes beschränken sich auf die im Abschnitt II dieses Gesetzes bestimmten Leistungen.

(3) Soweit die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über unerlaubte Handlungen dem Wiedergutmachungsberechtigten weitergehende Ansprüche gewähren, kann dieser sie gegen den Wiedergutmachungspflichtigen (§ 5) geltend machen. Art. 2 Abs. 2 des Militärregierungsgesetzes Nr. 59 findet entsprechende Anwendung. Ein Beamter kann sich nicht darauf berufen, daß nach allgemeinen Vorschriften an seiner Stelle das Reich oder eine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts haftet.

(4) Leistet das Land Wiedergutmachung, so geht insoweit der Anspruch des Wiedergutmachungsberechtigten gegen den Wiedergutmachungspflichtigen auf das Land über; dies gilt auch für bereits bewirkte vorläufige Wiedergutmachungsleistungen (§ 3). Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Wiedergutmachungsberechtigten geltend gemacht werden.

3. Geltendmachung und Übertragung des Wiedergutmachungsanspruches

§ 8. (1) Der Anspruch auf Wiedergutmachung ist nach näherer Bestimmung des Abschnittes IV anzumelden und geltend zu machen.

(2) Soweit der Geltendmachung des Wiedergutmachungsanspruches Verjährung oder Verwirkung oder Ablauf von Ausschlußfristen nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts entgegenstehen würden, gilt die Verjährung, Verwirkung oder der Ablauf der Ausschlußfrist als bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, im Falle des § 1 Abs. 3 als bis zum Ablauf der dort bestimmten Frist nicht eingetreten.

(3) Wird der Wiedergutmachungsanspruch nicht fristgerecht geltend gemacht, so findet § 1 Abs. 3 entsprechende Anwendung, es sei denn, daß der Wiedergutmachungsberechtigte vor Ablauf der Frist auf seinen Anspruch gegen den Wiedergutmachungspflichtigen schriftlich verzichtet hat.

§ 9. (1) Der Wiedergutmachungsanspruch geht, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist, vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 auf die Erben über.

(2) Ein Übergang im Erbwege findet nicht statt auf
1. Personen, die zu den gesetzlichen Erben der dritten und entfernteren Ordnungen gehören, sowie auf den Fiskus,
2. Personen, deren Recht auf Wiedergutmachung nach § 1 Abs. 2 ausgeschlossen ist,
3. Personen, die gem. § 5 Abs. 1 gegenüber dem Verstorbenen wiedergutmachungspflichtig wären oder denen nach dem offenkundigen Willen des Verstorbenen der Wiedergutmachungsanspruch versagt sein soll.

(3) Soweit der Übergang des Wiedergutmachungsanspruches im Erbwege gern. Abs.2 nicht eintritt, findet § 1 Abs. 3 entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, daß für das Land weder eine Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten noch eine Ausgleichungspflicht besteht.

(4) Den Erben in ihrer Person - unabhängig von ihrer Eigenschaft als Erben des Wiedergutmachungsberechtigten - zustehende Wiedergutmachungsansprüche bleiben unberührt.

§ 10. (1) War der Wiedergutmachungsberechtigte eine juristische Person, eine Anstalt, eine Vermögensmasse oder eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die aus den in § 1 Abs. 1 genannten Gründen aufgelöst oder zur Auflösung gezwungen wurde, so kann der Anspruch auf Wiedergutmachung innerhalb der in § 8 Abs. 1 bezeichneten Frist von derjenigen juristischen Person, Anstalt, Vermögensmasse oder nichtrechtsfähigen Personenvereinigung' geltend gemacht werden, die nach ihrer Verfassung, Zusammensetzung, Zweckbestimmung oder organisatorischen Stellung als Nachfolgerin der aufgelösten anzusehen ist. Ob dies der Fall ist, entscheidet im Streitfalle die oberste Landesbehörde. Sie kann in besonderen Fällen auch eine Einzelperson als Nachfolgerin anerkennen.

(2) Ist eine Nachfolgerin nicht vorhanden oder macht sie den Anspruch nicht fristgerecht geltend, so findet § 1 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Dies gilt nicht, soweit der Anspruch einer aufgelösten nichtrechtsfähigen Personenvereinigung infolge der Auflösung den Mitgliedern zusteht.

§ 11. Der Anspruch auf Wiedergütmachung kann unbeschadet der seine Übertragung ausschließenden Bestimmungen des II. Abschnittes dieses Gesetzes nur mit Genehmigung der Wiedergutmachungsbehörde durch Rechtsgeschäft übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.

§ 12. Soweit in Befriedigung von Reparationsforderungen Wiedergutmachungsleistungen für die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Schäden bewirkt werden, geht der Anspruch des Wiedergutmachungsberechtigten gegen den Wiedergutmachungspflichtigen (§ 5) und gegen das Land Württemberg-Baden (§ 6) auf den zur Befriedigung der Reparationsforderungen Verpflichteten über. Der Wiedergutmachungsberechtigte hat insoweit bereits erlangte Wiedergutmachungsleistungen zurückzugewähren.

II. Wiedergutmachungsfälle

1. Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit

§ 13. (1) Schaden am Leben ist wiedergutzumachen, wenn der Verfolgte (§ 1 Abs. 1) in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verfolgung auf Veranlassung oder mit Billigung
1. einer Dienststelle des Reiches, eines deutschen Landes oder einer sonstigen Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder
2. einer Dienststelle oder eines Amtsträgers der NSDAP sowie einer ihrer Gliederungen oder angeschlossenen Verbände vorsätzlich oder leichtfertig getötet oder in den Tod getrieben wurde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird zu Gunsten des Wiedergutmachungsberechtigten vermutet, wenn der Verfolgte während der Deportation oder während einer politischen Haft (§ 15 Abs. 2) oder im unmittelbaren Anschluß daran gestorben ist.

(2) Das Land Württemberg-Baden gewährt Wiedergutmachung, wenn der Verfolgte (Abs. 1) seinen letzten inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiete des Landes Württemberg-Baden hatte (§6 Abs. 1 Ziff. 2) oder wenn auf den Hinterbliebenen (Abs. 3) die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 zutreffen.

(3) Die Wiedergutmachung erfolgt durch Gewährung von Geldrenten an
1. die Witwe bis zu ihrer Wiederverheiratung oder bis zu ihrem Tode,
2. die Kinder, die nach dem Beamtenbesoldungsrecht Kinderzuschläge erhalten können, und an die elternlosen Enkel, die der Verfolgte zur Zeit seines Todes unentgeltlich unterhalten hat, bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres,
3. Verwandte der aufsteigenden Linie, deren Lebensunterhalt ganz oder überwiegend durch den Verfolgten bestritten wurde, auf die Dauer der Bedürftigkeit.

Der Anspruch und die Anwartschaft auf eine Geldrente ist weder übertragbar noch vererblich.

(4) Die Geldrenten werden in einem Hundertsatz der Versorgungsbezüge festgesetzt, die der Witwe, den Kindern, Enkeln und Verwandten aufsteigender Linie eines mit dem Verfolgten nach seiner wirtschaftlichen und sozialen Stellung vergleichbaren Beamten einer Besoldungsgruppe mit aufsteigenden Gehältern im Falle seines durch Dienstunfall herbeigeführten Todes nach den jeweils geltenden beamtengesetzlichen Vorschriften, über die Unfallversorgung der Beamten gewährt würden. Der Hundertsatz ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Versorgungsempfänger, der Steuerfreiheit der Geldrenten (Abs. 8) sowie der Beträge festzusetzen, die der Versorgungsempfänger zu erwerben unterläßt, obwohl ihm der Erwerb zuzumuten ist. Bei wesentlicher Änderung der der Festsetzung zugrundeliegenden Verhältnisse ist der Hundertsatz neu festzusetzen.

(5) Die Geldrenten nach Abs. 3 und 4 ruhen, soweit und solange dem Versorgungsempfänger Versorgungsbezüge oder sonstige laufende Leistungen, die nicht ausschließlich auf eigenen Geldleistungen des Verfolgten beruhen, auf Grund eines Dienstverhältnisses des Verfolgten oder auf Grund anderer gesetzlicher, insbesondere sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften gewährt werden.

(6) Die Geldrenten werden vom Ersten des dem Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an in monatlich vorauszahlbaren Teilbeträgen gewährt.

(7) Für die zwischen dem Tode des Verfolgten und dem Beginn der Gewährung von Geldrenten liegende Zeit wird den in Abs. 3 genannten Hinterbliebenen eine nach den Grundsätzen der Abs. 4 und 5 zu berechnende Kapitalentschädigung gewährt.

(8) Die Geldrenten und Kapitalentschädigungen sind von der Einkommen- und Lohnsteuer befreit.

(9) Die näheren Bestimmungen trifft eine von der Landesregierung zu erlassende Verordnung.

§ 14. (1) Schaden an Körper oder Gesundheit ist wiedergutzumachen, wenn ein Verfolgter (§ 1 Abs. 1) in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verfolgung auf Veranlassung oder mit Billigung einer Dienststelle oder eines Amtsträgers der im § 13 Abs. l bezeichneten Art an seinem Körper oder an seiner Gesundheit nicht nur unerheblich beschädigt wurde. § 13 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Als unerheblich gelten Schäden, die weder die geistige noch die körperliche Leistungsfähigkeit des Verfolgten nachhaltig gemindert haben und nach menschlicher Voraussicht auch künftig nicht mindern werden.

(2) Das Land Württemberg-Baden gewährt unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. l als Wiedergutmachung
1. ein Heilverfahren nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Vorschriften über die Unfallfürsorge;
2. im Falle und auf die Dauer einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v. H. vom Ersten des dein Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats an eine nach Abs. 3 festzusetzende Geldrente;
3. für die Zeit vor dem Beginn der Geldrente eine nach den Grundsätzen des Abs. 3 festzusetzende Kapitalentschädigung;
4. Fürsorge für den Hinterbliebenen nach näherer Bestimmung des Abs. 4.

(3) Die Geldrente (Abs. 2 Ziff. 2) ist in einem Hundertsatz des Diensteinkommens (Grundgehalt und Wohnungsgeldzuschuß) eines mit dem Verfolgten vergleichbaren Beamten in einer Besoldungsgruppe mit aufsteigenden Gehältern festzusetzen. Bei der Bemessung des Hundertsatzes sind die persönlichen, wirtschaftlichen und. sozialen Verhältnisse des Verfolgten, insbesondere seine nachhaltigen Einkünfte einschließlich etwaiger Versorgungsbezüge und Leistungen aus der reichsgesetzlichen Sozialversicherung sowie jener Beträge, die zu erwerben er unterläßt, obwohl ihm der Erwerb zuzumuten ist, der Grad seiner Erwerbsbeschränkung und seiner Belastung mit der Sorge für unterhaltsberechtigte Angehörige sowie die Steuerfreiheit der Geldrenten (Abs. 5) angemessen zu berücksichtigen. Bei wesentlicher Änderung der der Festsetzung zugrundeliegenden Verhältnisse ist der Hundertsatz neu festzusetzen.

(4) Ist der nach Abs. l Wiedergutmachungsberechtigte an den Folgen der Beschädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen Leistungen nach Maßgabe der Absätze 3-5 des § 13.

(5) § 13 Abs. 8 gilt auch für die Leistungen nach Abs. 2-4. (6) Die näheren Bestimmungen trifft eine von der Landesregierung zu erlassende Verordnung.

§ 15. (1) Entziehung der Freiheit ist wiedergutzumachen, wenn ein Verfolgter (§ 1 Abs. 1) in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 im Zuge der Verfolgung in politischer Haft gehalten wurde; gleichviel ob die Haft innerhalb oder außerhalb des Landes Württemberg-Baden verhängt oder vollzogen wurde.

(2) Als politische Haft im Sinne des Abs. 1 gelten polizeiliche oder militärische Inhaftnahme, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslagerhaft, Ghettohaft und Zuweisung zu einer Wehrmachtsstrafeinheit.

(3) Eine im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Verurteilung erlittene Haft gilt nur insoweit als auf Verfolgung beruhend, als die Verurteilung nach einem zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege ergangenen Gesetz aufgehoben oder geändert worden ist oder aufzuheben oder zu ändern gewesen wäre, wenn der Verurteilte nicht vor Ablauf der Antragsfrist nach diesem Gesetz gestorben wäre oder die Antragsfrist, ohne daß ihn ein grobes Verschulden traf, versäumt hätte.

(4) Das Land Württemberg-Baden gewährt in den Fällen der Absätze 1-3 unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 als Wiedergutmachung eine Geldentschädigung. Diese beträgt für jeden vollen Monat der Haftzeit 150 DM.

(5) Der Anspruch auf Geldentschädigung ist weder übertragbar noch vererblich.

§ 16. (1) Die Geldentschädigung für Freiheitsentziehung (§ 15 Abs. 4) ist von der Einkommen-, Lohn- und Erbschaftssteuer befreit.

(2) Die Geldentschädigung wird unabhängig von den sonstigen Wiedergutmachungsleistungen gewährt.

(3) Nähere Bestimmungen trifft eine von der Landesregierung zu erlassende Verordnung. Sie kann sonstige nach Art und Wirkung nicht minder schwere und empfindliche Freiheitsentziehungen, insbesondere Zwangsarbeit, den Fällen der politischen Haft im Sinne des § 15 Abs. 2 gleichstellen.

2. Schaden an Eigentum und an Vermögen

§ 17. (1) Schaden an Eigentum ist wiedergutzumachen, wenn ein Verfolgter (§ 1 Abs. l) in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verfolgung auf Veranlassung oder mit Billigung einer der in § 13 Abs. 1 aufgeführten Dienststellen oder Amtsträger im Eigentum einer Sache durch Zerstörung oder Verunstaltung beeinträchtigt wurde.

(2) Wiedergutmachung durch das Land Württemberg-Baden wird nur für Schäden an Eigentum, das sich im Reichsgebiet nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 befand, und nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und 2 gewährt. Ersatz ` in Geld ist nur dann zu gewähren, wenn die Wiederherstellung des Zustandes, der ohne das zur Wiedergutmachung verpflichtende Ereignis bestehen würde, nicht möglich ist und eine andere Regelung entweder nicht zweckmäßig oder dem Lande nicht zumutbar ist. Der Aufwand des Landes für die Wiedergutmachung darf im Einzelfall 75 000 DM nicht übersteigen.

(3) Steht hinsichtlich der in Abs. 1 genannten Sache ein Rückerstattungsanspruch nach dem Militärregierungsgesetz Nr. 59 einer von der Militärregierung bestimmten Nachfolgeorganisation zu, so kann diese auch den Anspruch nach Abs. 1 und 2 geltend machen. § 9 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 findet in diesem Falle keine Anwendung.

(4) Durch Verordnung der Landesregierung kann der Ausgleich entgangener Nutzungen und Gewinne wert- und summenmäßig näher geregelt werden, wobei insbesondere auch Merkmale wirtschaftlicher und sozialer Art (wirtschaftliche Lebensgrundlage und Unterhaltspflichten der Verfolgten) angemessen zu berücksichtigen sind.

§ 18. (1) Schaden am Vermögen ist wiedergutzumachen, wenn ein Verfolgter (§ 1 Abs. l) in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 im Zuge der Verfolgung durch eine gegen ihn gerichtete Maßnahme einer Dienststelle oder eines Amtsträgers (§ 13 Abs. l) in seinem Vermögen schwer geschädigt wurde. Einer Schädigung nach Satz 1 steht eine besonders schwere Schädigung gleich, die durch Sondermaßnahmen gegen die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Personenkreise herbeigeführt worden ist.

(2) § 17 Abs. 2 und 4 findet entsprechende Anwendung.

§ 19. (1) Sonderabgaben, die einem Verfolgten ausschließlich aus einem der in § 1 Abs. 1 genannten Gründe durch Rechtsvorschrift oder durch Willkürakt einer der im § 13 Abs. 1 aufgeführten Dienststellen oder Amtsträger auferlegt wurden, werden vom Land Württemberg-Baden unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. l erstattet, auch wenn sie nicht in die Kasse des Landes geflossen sind. Hat eine andere Kasse `als eine Reichs- oder Landeskasse die erstattete Sonderabgabe vereinnahmt, so ist sie verpflichtet, dem Land Württemberg-Baden Ersatz zu leisten. Durch eine von der Landesregierung zu erlassende Verordnung kann bestimmt werden, daß die Erstattung von Sonderabgaben von mehr als 10 000 RM in mehreren, jedoch höchstens fünf Jahresteilbeträgen erfolgt oder auf Antrag landesgebundene Steuergutscheine bis zu 50 v. H. des Anspruchs ausgegeben werden.

(2) Auf die nach Abs. 1 zu erstattenden Beträge können rückständige Steuern und öffentliche Abgaben, die nicht zu den Sonderabgaben im Sinne des Abs. l gehören, angerechnet werden, auch wenn sie bereits verjährt sind.

(3) Reichsfluchtsteuer wird erstattet, soweit sie von Verfolgten erhoben wurde, die aus den in § 1 Abs. l genannten Gründen nach dem 30. Januar 1933 zur Auswanderung genötigt waren. Durch Verordnung der Landesregierung kann die Erstattung von Steuerbeträgen über 50 000 RM summenoder quotenmäßig und auf Jahresbeträge verteilt werden.

§ 20. (1) Geldstrafen, Bußen und Kosten, die auf Grund einer im Gebiet des Landes Württemberg-Baden oder im Herkunftsgebiet der zugewiesenen Flüchtlinge erfolgten Verurteilung gezahlt oder beigetrieben worden sind, sind dem Verurteilten unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 auf Antrag vom Land Württemberg-Baden zurückzuerstatten.

(2) Notwendige, außergerichtliche Kosten sind im Falle der Aufhebung ganz, bei Änderung des Urteils zu einem angemessenen Teil zu ersetzen.

3. Schaden im wirtschaftlichen Fortkommen

§ 21. (1) Schaden im wirtschaftlichen Fortkommen ist wiedergutzumachen, wenn der Verfolgte (§ 1 Abs. l) in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 im Zuge einer innerhalb des Reichsgebiets nach dem Stande vom 31: Dezember 1937 begonnenen Verfolgung auf Veranlassung einer der in § 13 Abs. 1 aufgeführten Dienststellen oder Amtsträger in seinem wirtschaftlichen Fortkommen nicht nur geringfügig benachteiligt wurde, Dies gilt auch dann, wenn die Benachteiligung in Anwendung von Ausnahmegesetzen erfolgt ist. Ausnahmegesetze in diesem Sinne sind insbesondere
1. das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I S. 175) in der Fassung der Gesetze vom 23. Juni, 20. Juli und 22. September 1934 (RGBl. I S.203, 604, 845) sowie der Verordnung vom 16. April 1940 (RGBl. I S.666) und des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 (RGBl. I S.1146),
2. das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 6. Juli 1938 (RGBl. I S.823),
3. die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 (RGBl. I S.1580),
4. die Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 (RGBl. I S.1709),
5; die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl.  I S.722).

(2) Schäden im wirtschaftlichen Fortkommen ist die Einbuße oder Benachteiligung, die ein Verfolgter
l. in seiner beruflichen Laufbahn im öffentlichen und im privaten Dienst (§§ 22-31),
2. in seiner freiberuflichen Tätigkeit, als Arzt, Rechtsanwalt, Architekt, Ingenieur, Dentist, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Buchsachverständiger usw. (§ 32) oder
3. in seiner land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Tätigkeit (§ 33),
erlitten hat.

(3) Dem Schaden im wirtschaftlichen Fortkommen stehen die Schäden gleich, die durch Entziehung von Versorgungsrenten (§ 35) und durch Benachteiligung auf dem Gebiete der reichsgesetzlichen Sozialversicherung (§ 36) und der privaten Versicherung (§ 37) entstanden sind.

§ 22. (1) Ein im Zuge der Verfolgung entlassener oder vorzeitig in den Ruhestand versetzter Beamter, der die Altersgrenze noch nicht erreicht hat, und noch dienstfähig ist; hat Anspruch auf vorzugsweise Wiedereinstellung.

(2) Dem Beamten ist bei der Wiedereinstellung möglichst die Rechtsstellung zu gewähren, die er voraussichtlich erreicht hätte, wenn er nicht entlassen worden wäre, insbesondere sollen alle unterbliebenen Beförderungen, die der Beamte bei regelmäßigem Verlauf erfahren hätte, nachgeholt werden. Für Beförderungen, die von der Ablegung einer Prüfung abhängig sind, ist dem Beamten Gelegenheit zur nachträglichen Ablegung der Prüfung zu geben, wenn nicht im Hinblick auf das Lebensalter und die nachgewiesene Befähigung und Erprobung des Beamten für das höhere Amt ausnahmsweise auf die Ablegung der Prüfung verzichtet werden kann. Die Zeit, während der der Beamte entlassen war, ist nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Vorschriften auf sein Besoldungsdienstalter anzurechnen.

(3) Zum Ausgleich des mit der Entlassung eingetretenen Verlustes der Dienstbezüge erhält der Beamte eine Entschädigung, die den Versorgungsbezügen entspricht, die ihm für die Zeit von der Entlassung bis zur Wiedereinstellung zugestanden hätten, wenn er im Zeitpunkt der Entlassung in den Ruhestand versetzt worden wäre, mindestens aber zwei Drittel seiner letzten Dienstbezüge. Einem entlassenen Beamten, der im Zeitpunkt der Entlassung noch keinen Versorgungsanspruch erworben hatte, kann nach billigem Ermessen eine entsprechende Entschädigung gewährt werden. Auf die Entschädigung sind die für die genannte Zeit gewährten Ruhegelder sowie das Einkommen anzurechnen, das 'der Beamte durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft in dem genannten Zeitraum erzielt hat, soweit es zusammen mit dem ihm gewährten Ruhegeld das Diensteinkommen übersteigt, das er bei Belassung im Dienst in regelmäßiger Dienstlaufbahn erzielt hätte. Über die Höhe des erzielten Einkommens hat der Beamte bei Mangel anderer Nachweise eine eidesstattliche Erklärung abzugeben.

(4) Die nach Abs. 3 zu gewährende Entschädigung darf im Einzelfall 25 000 DM nicht übersteigen.

(5) Kommt der Beamte nach Geltendmachung seiner Wiedergutmachungsansprüche einer Aufforderung zur Wiederaufnahme des Dienstes in einem seiner Laufbahn entsprechenden Amt und mit den ihm nach Abs. 2 zustehenden Dienstbezügen innerhalb einer Frist von drei Monaten nicht nach, so wird ihm eine Wiedergutmachung nicht gewährt. Dies gilt nicht für einen im Ausland lebenden Beamten, dem die Rückkehr in das Inland im Hinblick auf seine persönlichen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann.

§ 23. (1) Ist die Wiedereinstellung des Beamten gemäß § 22 nicht möglich, so ist der Beamte unter Bewilligung des Ruhegehalts, der ihm im Falle der Wiedereinstellung nach dem Stand vom 1. Juni 1945 zustehen würde, mit Wirkung vom 1. Juni 1945 an, in den Ruhestand zu versetzen, oder, wenn er sich bereits im Ruhestand befindet, unter Neufestsetzung des Ruhegehaltes im Ruhestand zu belassen. Für die Zeit vor dem 1. Juni 1945 ist nach § 22 Abs. 3 und 4 zu verfahren.

(2) Bis zur Erreichung der Altersgrenze oder bis zum Eintritt nachgewiesener Dienstunfähigkeit ist auf den nach Abs. 1 zu bewilligenden oder neu festzusetzenden Ruhegehalt das Einkommen anzurechnen, das der Beamte durch die anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erzielt oder ohne triftigen Grund zu erzielen unterläßt.

§ 24. (1) Hat der entlassene oder vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte die Altersgrenze überschritten oder ist er nicht mehr dienstfähig, so ist er vom Ersten des Kalendermonats an, der dem Tag der Erreichung der Altersgrenze oder des Eintritts der Dienstunfähigkeit folgt, in den Ruhestand zu versetzen oder, wenn er sich bereits im Ruhestand befindet, unter Neufestsetzung des Ruhegehalts im Ruhestand zu belassen.

(2) Der Ruhegehalt bemißt sich nach dem ruhegehaltsfähigen Diensteinkommen, das dem Beamten, wenn er in dem in Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkt nach Maßgabe des § 22 Abs. l, 2 wiedereingestellt worden wäre, zustehen würde. Für die Zeit zwischen der Entlassung und dem vorgenannten Zeitpunkt gilt § 22 Abs. 3 und 4 entsprechend.

§ 25. (1) Ist der entlassene oder vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte vor der Wiedereinstellung (§ 22) oder vor der Versetzung in den Ruhestand oder Belassung im Ruhestand unter Neufestsetzung der Versorgungsbezüge (§§ 23, 24) gestorben, so bemessen sich die Hinterbliebenenbezüge nach dem Ruhegehalt, der dem verstorbenen Beamten im Zeitpunkt des Todes nach den genannten Bestimmungen und den zu diesem Zeitpunkt in Geltung gewesenen allgemeinen beamtengesetzlichen Vorschriften zugestanden hätte.

(2) Die Ansprüche des verstorbenen Beamten auf Ausgleich für den Verlust des Diensteinkommens (§ 22 Abs. 3 und 4, § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 24 Abs. 2 Satz 2), gehen auf die Erben nur insoweit über, als hierdurch ein Ausfall ausgeglichen wird, den die Angehörigen des Verstorbenen infolge des Wegfalls seiner Dienstbezüge in Bezug auf Unterhalt, Ausstattung oder Versorgung erlitten haben.

§ 26. Auf Beamte, die im Zuge der Verfolgung in ein Amt mit geringerem Rang und Gehalt versetzt wurden, finden die §§ 22-25 sinngemäß Anwendung.

§ 27. (1) Die Wiedergutmachung nach den §§ 22-26 obliegt dem letzten unmittelbaren Dienstherrn des Beamten. War das Reich oder ein nicht mehr bestehendes deutsches Land letzter unmittelbarer Dienstherr, so trifft die Verpflichtung das Land Württemberg-Baden, wenn der Beamte im Landesgebiet entlassen oder nach dem 8. Mai 1945 im Landesdienst verwendet wurde.

(2) Wurde der Beamte im Herkunftsgebiet der dem Lande Württemberg-Baden zugewiesenen Flüchtlinge entlassen, so trifft die Wiedergutmachungspflicht unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. l das Land.

(3) Abs. 2 findet auf Beamte entsprechende Anwendung, die in einem vom deutschen Reich einverleibten Land im Sinne der §§ 22 Abs. 1, 26 verfolgt worden sind.

§ 28. (1) Angestellte und Arbeiter in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben, die während ihrer Tätigkeit in Auswirkung einer sinngemäßen Anwendung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums oder anderer typisch nationalsozialistischer Gesetze oder Maßnahmen durch Entlassung oder durch vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis geschädigt wurden, sind, wenn sie noch dienst- oder arbeitsfähig sind, wieder in ihr früheres oder in ein gleichwertiges Dienst- oder Arbeitsverhältnis einzustellen. Die Einreihung in die Vergütungs- oder Lohngruppe hat entsprechend ihrer überwiegenden Tätigkeit oder Arbeitsleistung nach § 3 der Tarifordnung A oder nach § 5 der Tarifordnung B zu erfolgen. Die Zeit, während der sie entlassen waren, ist auf ihre tarifliche Dienstzeit nach. § 7 der Allgemeinen Tarifordnung anzurechnen.

(2) Arbeiter und Angestellte, die ausschließlich aus den in § 1 Abs. l genannten Gründen trotz der sonst gegebenen Voraussetzungen nicht in das Beamtenverhältnis übergeführt wurden, sind - soweit irgend möglich - nachträglich in das Beamtenverhältnis zu überführen. Das Besoldungsdienstalter und die ruhegehaltfähige Dienstzeit sind so festzusetzen, als wenn der Angestellte oder Arbeiter rechtzeitig in das Beamtenverhältnis übergeführt worden wäre.

(3) Für die Zeit zwischen der Entlassung und der Wiedereinstellung erhält der Angestellte oder Arbeiter zum Ausgleich des mit der Entlassung eingetretenen Verlustes der Dienstbezüge in sinngemäßer Anwendung des § 22 Abs. 3 und 4 eine Entschädigung in Höhe der dienstvertraglichen Versorgungsbezüge mindestens jedoch in Höhe von zwei Dritteln des Arbeitsentgeltes, das er für diesen Zeitraum bei Zugrundelegung des in den der Entlassung vorangegangenen zwölf Monaten erzielten Arbeitseinkommens erhalten hätte. Auf diese Entschädigung ist das innerhalb dieses Zeitraums bezogenen Arbeitseinkommen, über dessen Höhe bei Mangel anderer Nachweise der Angestellte oder Arbeiter eine eidesstattliche Erklärung abzugeben hat, ferner der Betrag der öffentlich-rechtlichen Leistungen anzurechnen, die aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung (bzw. Arbeitslosenhilfe) oder der öffentlichen Fürsorge gewährt wurden, soweit sie nicht nach Eintritt in ein Arbeitsverhältnis oder nach Aufnahme einer sonstigen Tätigkeit zurückerstattet wurden. Für Zeiträume, innerhalb deren der Angestellte oder Arbeiter schuldhaft den Abschluß eines ihm zumutbaren Arbeitsvertrages oder die Aufnahme einer ihm zumutbaren Tätigkeit unterlassen hat, wird eine Entschädigung nicht gewährt; § 615 Satz 2 BGB findet entsprechende Anwendung.

(4) § 22 Abs. 5 findet auf entlassene Angestellte oder Arbeiter sinngemäß Anwendung.

§ 29. (1) Angestellte und Arbeiter, die die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 erfüllen, aber nicht mehr dienst- oder arbeitsfähig sind, oder das 65. Lebensjahr vollendet haben, erhalten für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tage des Eintritts der Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit oder der Vollendung des 65. Lebensjahres zum Ausgleich des mit der Entlassung eingetretenen Verlustes der Dienstbezüge die in § 28 Abs. 3 bestimmte Entschädigung.

(2) § 25 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 30. Die Verpflichtung zur Wiedergutmachung nach den §§ 28, 29 obliegt dem letzten Arbeitgeber des entlassenen Angestellten oder Arbeiters. § 27 findet entsprechende Anwendung.

§ 31. Auf die übrigen Angestellten und Arbeiter, die infolge von Verfolgungsmaßnahmen in der Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 ihre frühere Berufsstellung durch Entlassung oder Versetzung in eine erheblich geringer entlohnte Beschäftigung eingebüßt haben, finden die §§ 28-30 sinngemäß Anwendung. Die Wiedergutmachungspflicht trifft unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 das Land Württemberg-Baden, wenn und soweit der letzte Arbeitgeber zur Wiedergutmachung wirtschaftlich nicht in der Lage ist oder sich der Entlassung nicht ohne Gefährdung seiner Person entziehen konnte.

§ 32. (1) Personen, die im Reichsgebiet nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 freiberuflich tätig gewesen sind und infolge von Verfolgungsmaßnahmen der in § 13 Abs. 1 genannten Stellen oder Amtsträger, auch wenn diese Maßnahmen in Anwendung von Gesetzen nationalsozialistischer Prägung, insbesondere des Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 6. Juli 1938 durchgeführt wurden, aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit verdrängt wurden, ist, soweit sie sich nicht einem anderen Berufe zugewendet haben, der ihnen eine ausreichende Lebensgrundlage bietet, die Aufnahme ihrer früheren Tätigkeit durch Erteilung der hierfür erforderlichen Genehmigungen, Zulassungen und Bezugsberechtigungen zu ermöglichen, sofern die für die Berufsausübung vorgeschriebenen fachlichen und persönlichen, Voraussetzungen erfüllt sind. In begründeten Ausnahmefällen kann die zuständige oberste Landesbehörde von der Nachholung zwischenzeitlich eingeführter Prüfungen oder Ergänzungsprüfungen absehen.

(2) Abs. l gilt entsprechend für die Beseitigung der den aufgeführten Personen auferlegten wesentlichen Beschränkungen in der Berufsausübung.

(3) Soweit für die Wiederaufnahme oder volle Entfaltung (Abs. 2) der freiberuflichen Tätigkeit Geldmittel benötigt, sind, die der Verfolgte sich nachweislich nicht anderweitig beschaffen kann, sind ihm diese als zinslose oder geringverzinsliche Darlehen zur Verfügung zu stellen. In besonders begründeten Fällen leistet das Land Württemberg-Baden unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 unter Berücksichtigung etwa bereits auf Grund des Gesetzes über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung gewährter Geldbeträge Zuschüsse, auf deren Rückzahlung bei Nachweis geordneter Verwendung verzichtet werden kann. Die näheren Bestimmungen trifft eine Verordnung der Landesregierung.

(4) Für die Zeit von der Verdrängung aus oder Beschränkung in der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit bis zur Wiederaufnahme oder vollen Entfaltung dieser Tätigkeit (Abs. 1, 2) gewährt das Land unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Wiedergutmachung durch Zahlung einer Entschädigung nach Maßgabe des in § 22 Abs. 3 und 4 vorgesehenen Ausgleichs des Verlustes der Dienstbezüge eines vergleichbaren Beamten unter Berücksichtigung der fehlenden Altersund Hinterbliebenenversorgung. Das nähere bestimmt eine Verordnung der Landesregierung. Soweit in der Wiedergutmachungsleistung für Schäden an Eigentum oder an Vermögen nach dem Gesetz Nr. 59 oder nach den §§ 17, 18 dieses Gesetzes bereits ein Ausgleich der durch die Verdrängung oder Beschränkung eingetretenen Einkommensminderung enthalten ist, findet jedoch Satz 1 keine Anwendung.

(5) § 25 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 33. Für Verfolgte, die infolge von Verfolgungsmaßnahmen der dort bezeichneten Art aus ihrer land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Tätigkeit verdrängt oder in der Ausübung dieser Tätigkeit wesentlich beschränkt wurden, findet § 32 sinngemäß Anwendung. Dies gilt insbesondere für die vom Reichserbhofgesetz und von den in § 21 Abs. 1 Ziff. 2 bis 5 genannten Gesetzen betroffenen Verfolgten. Soweit möglich ist den Verfolgten auch die Beschaffung der für einen land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betrieb benötigten Grundstücke, Räume, Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen durch Gewährung von unverzinslichen oder geringverzinslichen Darlehen, in besonders begründeten Ausnahmefällen auch von Zuschüssen zu ermöglichen.

§ 34. Für die Zeit, für die Verfolgte auf Grund der §§ 21 bis 33 für Schäden im wirtschaftlichen Fortkommen einen Ausgleich erhalten, werden den Verfolgten neben Dienstbezügen oder Arbeitsentgelten Wiedergutmachungsleistungen für Schäden an Körper und Gesundheit nach Maßgabe des § 14 nur insoweit gewährt, als diese Dienstbezüge oder Arbeitsentgelte mit Rücksicht auf die durch diese Schäden bewirkte Minderung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit niedriger bemessen sind oder bemessen werden als sie voll leistungsfähige Personen erhalten.

§ 35. (1) Ist einem Verfolgten oder seinen Hinterbliebenen eine Versorgungsrente entzogen worden, weil der Verfolgte aus einem der in § 1 Abs. l genannten Gründe nach dem 30. Januar 1933 in das Ausland ausgewandert oder in Haft genommen worden ist, so ist die Rente mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Entziehung dem Verfolgten oder seinen Hinterbliebenen wieder zu gewähren. Wechsel der Staatsangehörigkeit schließt den Anspruch nicht aus.

(2) Die Wiedergewährung erfolgt durch den Träger der Versorgungslast. Sofern und soweit dieser infolge von Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht mehr besteht oder zur Wiedergewährung ohne Gefährdung seiner Versorgungsaufgaben nicht in der Lage ist, obliegt sie unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. l dem Lande Württemberg-Baden. Die Wiedergutmachung durch das Land für die Zeit vor dem 1. Januar 1949 darf insgesamt 5000 DM, die für die Zeit nach dem 31. Dezember 1948 zu gewährende Rente darf 3000 DM im Jahre nicht übersteigen.

§ 36. (1) Wiedergutzumachen sind die Schäden, die ein Verfolgter oder seine Hinterbliebenen aus einem der in § 1 Abs. l genannten Gründe in der deutschen Sozialversicherung erlitten haben.

(2) Die Wiedergutmachung erfolgt unbeschadet der §§ 13 und 14 nach näherer Bestimmung einer Verordnung der Landesregierung.

(3) Die Verordnung regelt insbesondere
a) die Anerkennung einer Zeit der Verfolgung eines Versicherten als Versicherungs-(Ersatz-)zeit in der Krankenversicherung, der Rentenversicherung der Arbeiter, der Angestellten, der selbständigen Handwerker und der knappschaftlichen Versicherung;
b) die Wiederherstellung der Versicherungsberechtigung, auch soweit der Verfolgte von diesem Recht wegen Überschreitung der Altersgrenze keinen Gebrauch machen konnte;
c) die Gewährung von Steigerungsbeträgen für die Ersatzzeiten nach Buchstabe a) in den Rentenversicherungen, sowie in Zeiten nach Vollendung des 15. Lebensjahres, in denen ein Verfolgter eine versicherungspflichtige Beschäftigung wegen seiner Verfolgung nicht aufnehmen konnte;
d) die Nachversicherung Verfolgter in den Rentenversicherungen unter entsprechender Anwendung der Vorschriften des § 1242a der Reichsversicherungsordnung, des § 18 des Angestelltenversicherungsgesetzes je in der am 30. Januar 1933 geltenden Fassung;
e) die Nachentrichtung von Beiträgen in den Rentenversicherungen für Zeiten der Unterversicherung verfolgter Versicherter;
f) die Erfüllung der Wartezeit in den Rentenversicherungen, wenn der Tod eines Versicherten durch Verfolgungsmaßnahmen eingetreten ist;
g) die Nachzahlung der Renten, die während der Verfolgungszeit einbehalten worden sind unter Anrechnung der Beträge, die an Angehörige des Verfolgten bezahlt wurden;
h) die Berichtigung zu niedrig festgesetzter Leistungen, insbesondere der Unfallversicherung;
i) die Weitergeltung und Anwendung günstigerer Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze, insbesondere über Anschlußfristen, Übertragung von Leistungen, Berufsfürsorge und Krankenbehandlung;
k) die Zuständigkeit der Versicherungsträger und -behörden, das Verfahren, die Geltendmachung von Ansprüchen gegen nicht mehr vorhandene oder nicht erreichbare Versicherungsträger oder Wiedergutmachungspflichtige.

(4) Die Aufwendungen der Versicherungsträger für Wiedergutmachung werden diesen nach näherer Bestimmung der Landesregierung vom Lande Württemberg-Baden erstattet. Für die Erstattung können Pauschbeträge festgesetzt werden.

(5) Die Landesregierung kann Bestimmungen zum Ausgleich von Härten erlassen.

(6) Soweit es die Durchführung dieser Vorschriften erfordert, kann von den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze abgewichen werden.

(7) Die nach Abs. 2-6 erlassenen Vorschriften finden auf die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes festgesetzten Leistungen Anwendung. Soweit eine gleichwertig oder günstigere Regelung der Wiedergutmachung in einzelnen Fällen bereits erfolgt ist, hat es hierbei sein Bewenden.

§ 37. Das Land Württemberg-Baden gewährt unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Wiedergutmachung von Schäden, die ein Verfolgter als Versicherungsnehmer oder als Versicherter im Zuge einer innerhalb des Reichsgebiets nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 begonnenen Verfolgung durch Maßnahmen der in § 13 Abs. 1 aufgeführten Dienststellen oder Amtsträger in seinen Ansprüchen aus privaten oder öffentlich- rechtlichen Versicherungsverhältnissen, die nicht unter § 36 fallen, erlitten hat. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahmen in Anwendung gesetzlicher Vorschriften nationalsozialistischer Prägung durchgeführt wurden. Die Wiedergutmachung besteht in der Wiederherstellung der Rechtslage, die ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, auf Kosten des Landes. Der Aufwand des Landes darf im Einzelfalle 10 000 DM nicht übersteigen. Die beteiligten Versicherungsunternehmungen sind verpflichtet, auf Verlangen des Verfolgten, seiner Erben oder des Begünstigten bei dieser Wiederherstellung mitzuwirken. Soweit ein Versicherungsunternehmen durch die gegen den Verfolgten gerichteten Maßnahmen einen Vorteil erlangt hat, ist es dem Land zum Ersatz der für die Wiederherstellung erforderlichen Aufwendungen verpflichtet.

III. Rangfolge der Wiedergutmachungsleistungen und Deckungsmittel

§ 38. (1) Die nach Abschnitt II durch Geldleistungen zu befriedigenden Wiedergutmachungsansprüche werden vom Land Württemberg-Baden nach Maßgabe der verfügbaren Deckungsmittel in nachstehender Klassenfolge befriedigt:

Klasse I
1. Heilverfahren für Schäden an Körper und Gesundheit (§ 14 Abs. 2 Ziff. 1);
2. Geldrenten an
    a) Hinterbliebene des Getöteten oder in den Tod Getriebenen (§ 13 Abs. 3 bis 6);
    b) Verfolgte, die durch Schäden an Körper und Gesundheit um mindestens 30 v. H. erwerbsbeschränkt sind (§ 14 Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 3);
    c) Hinterbliebene eines an den Folgen der Beschädigung des Körpers oder der Gesundheit gestorbenen Verfolgten (§ 14 Abs. 2 Ziff. 4 und Abs. 4);
3. Versorgungsbezüge für Beamte gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. l und 25 Abs. l ;
4. Leistungen an nicht wieder eingestellte Angestellte und Arbeiter gemäß § 28 Abs. 3 und 4, § 29 Abs. 1 und § 31 sowie an freiberuflich tätig gewesene Verfolgte gemäß § 32 Abs. 3 und 4 und an ihre unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen, desgleichen an land- und forstwirtschaftlich oder gewerblich tätig gewesene Verfolgte und ihre unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen gemäß § 33;
5. Versorgungsrenten gemäß § 35;
in den Fällen der Ziff. 2-5 jedoch nur für die Zeit vom 1. Januar 1949 an;
6. die Hälfte der Entschädigung für Entziehung der Freiheit (§ 15 Abs. 4) bis zum Höchstbetrag von 3000 DM mit der Maßgabe, daß die Zahlung an die in der US-Zone befindlichen Berechtigten auf die Rechnungsjahre 1949 und 1950 verteilt und für die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits ausgewanderten Berechtigten spätestens in den Rechnungsjahren 1951 und 1952 bewirkt werden kann.

Klasse II
1. Restbetrag der Entschädigung für Freiheitsentziehung (§ 15 Abs. 4);
2. erster Teilbetrag bis zum Höchstbetrag von 10 000 DM a) der Geldleistungen zum Ausgleich von Schäden an Eigentum und Vermögen (§§ 17, 18),
b) der zu erstattenden Sonderabgaben, Geldstrafen und Bußen (§§ 19, 20),
c) der Geldleistungen an Beamte und Beamtenhinterbliebene, Angestellte und Arbeiter gemäß § 22 Abs. 3 ;  und 4, § 24 Abs. 2, Satz 2, § 25 Abs. 2, § 28 Abs. 3, § 31, soweit sie nicht unter Klasse I Ziff. 3 fallen,
d) der Geldleistungen an freiberuflich, land- und forstwirtschaftlich oder gewerblich tätig gewesene Verfolgte und ihre unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen gemäß § 32 Abs. 4 und 5 und § 33 für die Zeit nach dem 31. Dezember 1948,
e) der Versorgungsrenten gemäß § 35 für die Zeit nach dem 31. Dezember 1948.

Klasse III
Alle übrigen Geldleistungen nach Abschnitt II dieses Gesetzes.

(2) Die näheren Bestimmungen trifft eine von der Landesregierung zu erlassende Verordnung. Diese kann unbeschadet einer Regelung nach Abs. 3 für die Bewirkung der Leistungen nach Klasse II einen Zeitraum festsetzen, der vom Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes an gerechnet fünf Jahre nicht übersteigen soll, und die Reihenfolge bestimmen, in der innerhalb dieses Zeitraumes die Leistungen zu bewirken sind. Entsprechendes gilt für die Leistungen nach Klasse III, die spätestens bis zum Ablauf des Kalenderjahres 1960 bewirkt sein sollen.

(3) Das Finanzministerium wird ermächtigt, Geldleistungen nach Klasse II bis zum Hälftebetrag sowie Geldleistungen nach Klasse III bis zum vollen Betrag durch Hingabe verzinslicher Schuldverschreibungen zu bewirken. Die für Leistungen nach Klasse II ausgegebenen Schuldverschreibungen sollen bis spätestens 31. Dezember 1954, die übrigen Schuldverschreibungen bis spätestens 31. Dezember 1960 nach Maßgabe einer alljährlich durchzuführenden Auslosung getilgt werden.

§ 39. (1) Verfügbare Deckungsmittel (§ 38 Abs. 1) sind die Geldbeträge und die Sachwerte des Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung, die vom Lande Württemberg-Baden im Rahmen des § 28 des Umstellungsgesetzes alljährlich im Staatshaushalt zur Verfügung gestellten Beträge und die aus dem Lastenausgleich für Zwecke der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts bereitzustellenden Mittel.

(2) Den unter § 6 Abs. 1 Ziff. l fallenden Personen werden die in § 38 Abs. 1 Klasse I bezeichneten Leistungen aus Mitteln des Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung und den zur Ergänzung dieser Mittel im Staatshaushaltsplan bereitgestellten Beträgen mit Wirkung vom 1. Januar 1949 an gewährt.

(3) Die übrigen Leistungen (Klasse II und III) werden gewährt, sofern und soweit die hierzu erforderlichen Deckungsmittel aus dem Lastenausgleich zur Verfügung gestellt werden. Jedoch sind die Restbeträge der Entschädigungen für Freiheitsentziehung (§ 15 Abs. 4), sowie die zu erstattende Judenvermögensabgabe an Verfolgte, die diese selbst gezahlt haben (§ 19 Abs. 1) aus diesen Deckungsmitteln vorweg zu leisten.

IV. Verfahren

§ 40. Die Ansprüche aus diesem Gesetz müssen bei Meidung des Ausschlusses bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes förmlich erhoben werden. Die Frist kann durch Vereinbarung mit dem Anspruchsgegner verlängert werden.

(2) Die förmliche Erhebung erfolgt
a) bei Ansprüchen gegen das Land einschließlich der Ansprüche auf Wiedereinstellung in den öffentlichen Dienst, auf Erteilung einer Genehmigung und auf Vornahme sonstiger Verwaltungsakte sowie einschließlich des Anspruchs nach § 31 Satz 2:
    durch Anmeldung des Anspruchs bei der allgemeinen Anmeldungsbehörde oder bei der zuständigen Fachbehörde;
b) bei Ansprüchen gegen einen Träger der Sozialversicherung:
    durch Anmeldung des Anspruchs bei der allgemeinen Anmeldungsbehörde oder bei dem Versicherungsträger;
c) bei Ansprüchen gegen sonstige Anspruchsgegner:
    durch Klage bei der Wiedergutmachungskammer oder nach Wahl des Anspruchsstellers durch Anrufung der Gütebehörde.

§ 41. § 40 gilt auch für Ansprüche des Landes gegen den Wiedergutmachungspflichtigen (§ 1 Abs. 3; § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 3, § 10 Abs. 2) mit der Maßgabe, daß der Anspruch binnen 18 Monaten vom Inkrafttreten des Gesetzes an förmlich erhoben werden muß.

§ 42. (1) Die allgemeine Anmeldungsbehörde, die zur Vertretung des Landes zuständigen Fachbehörden und der nach § 36 zuständige Sozialversicherungsträger werden durch Verordnung der Landesregierung bestimmt. Diese kann die Anhörung oder Mitwirkung eines allgemeinen Vertreters des Landesinteresses vorschreiben.

(2) Die allgemeine Anmeldungsbehörde hat dem Anspruchssteller auf Antrag die zuständige Fachbehörde zu benennen.

§ 43. (1) Zur Entscheidung über die Ansprüche aus diesem Gesetz ist in erster Instanz die Wiedergutmachungskammer, in zweiter Instanz der Wiedergutmachungssenat zuständig.

(2) Wiedergutmachungskammer ist, soweit nicht eine Verordnung der Landesregierung eine anderweitige Bestimmung trifft, die nach Art. 66 des Militärregierungsgesetzes Nr. 59 gebildete Wiedergutmachungskammer. Wiedergutmachungssenat ist der nach Art. 68 des gleichen Gesetzes gebildete Wiedergutmachungssenat.

(3) Das Verfahren bestimmt sich nach den Vorschriften über das Verfahren in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Soweit Ansprüche auf Vornahme eines Verwaltungsaktes erhoben sind, soll der Kammer und dem Senat ein Mitglied angehören, das mindestens drei Jahre im höheren Verwaltungsdienst oder als Verwaltungsrichter tätig gewesen ist.

(4) Für das Land als Verfahrenspartei besteht kein Anwaltszwang, im übrigen besteht Anwaltszwang nur im Verfahren vor dem Wiedergutmachungssenat.

§ 44. Gütebehörde ist, sofern durch Verordnung der Landesregierung nichts anderes bestimmt wird, die auf Grund des Militärregierungsgesetzes Nr. 59 gebildete Wiedergutmachungsbehörde.

§ 45. (1) Ansprüche gegen das Land können bei der Wiedergutmachungskammer erst geltend gemacht werden, wenn die zuständige Fachbehörde den Anspruch abgelehnt oder wenn sie binnen sechs Monaten nach der Anmeldung keine Entscheidung darüber getroffen hat.

(2) Über Geldansprüche gegen das Land ist, wenn sie noch nicht zur Befriedigung heranstehen, durch Feststellungsurteil zu entscheiden; hierbei ist auch die Rangklasse festzustellen.

§ 46. (1) Das Verfahren vor der allgemeinen Anmeldungsbehörde und vor den Fachbehörden ist kostenfrei. Für unbegründete Anträge und Beschwerden können jedoch dem Antragsteller oder Beschwerdeführer Gebühren nach Maßgabe des Landesrechts auferlegt werden.

(2) Für die Gebühren im Verfahren vor der Gütebehörde gelten die auf Grund des Militärregierungsgesetzes Nr. 59 getroffenen Bestimmungen entsprechend.

(3) Im Verfahren vor der Wiedergutmachungskammer wird ein Gerichtskostenvorschuß nur erhoben, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint.

§ 47. Nähere Bestimmungen trifft, soweit erforderlich, eine von der Landesregierung zu erlassende Zuständigkeits und Verfahrensordnung. Diese kann insbesondere bestimmen, daß die förmliche Erhebung des Anspruchs in allen Fällen durch Anmeldung bei der allgemeinen Anmeldungsbehörde zu erfolgen hat.

V. Straf- und Schlußbestimmungen

§ 48. (1) Eine Wiedergutmachung auf Grund dieses Gesetzes kann ganz oder teilweise versagt werden,
1. wenn der Berechtigte wissentlich oder grobfahrlässig falsche Angaben über die Entstehung oder den Umfang des Schadens gemacht, veranlaßt oder zugelassen oder zum Zwecke der Täuschung sonstige für die Entscheidung erhebliche Tatsachen verschwiegen, entstellt oder vorgespiegelt hat;
2. wenn der Berechtigte einem Zeugen, einem Sachverständigen oder einem Mitglied der über die Wiedergutmachung entscheidenden Stelle Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, um ihn zu einer falschen Aussage, einem falschen Gutachten oder zu einer Handlung zu bestimmen, die eine gröbliche Verletzung seiner Dienst- und Amtspflicht zugunsten des Berechtigten enthält.

(2) Die Entscheidung, ob die Wiedergutmachung zu versagen ist, trifft auf Antrag des Anspruchsgegners die Wiedergutmachungskammer durch Beschluß. Gegen den Beschluß ist Beschwerde an den Wiedergutmachungssenat zulässig. Die Entscheidung ergeht kostenfrei.

§ 49. (1) Wer sich Leistungen nach diesem Gesetz vorsätzlich durch falsche oder irreführende Angaben oder durch Verheimlichung wesentlicher Tatsachen verschafft oder es unternimmt, sich solchen Leistungen durch unlautere Mittel zu entziehen, wird mit Gefängnis und Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein.

(3) Der Versuch ist strafbar.

§ 50. (1) Durch Landesgesetz oder durch Verordnung der Landesregierung können die Vorschriften dieses Gesetzes ganz oder teilweise auf andere Personen, die unter gröblicher Mißachtung der Menschenrechte verfolgt wurden, erstreckt werden.

(2) Der Landesgesetzgebung bleibt außerdem vorbehalten, für die Ansprüche der in Abs. l bezeichneten Personen eine anderweitige Regelung zu treffen.

§ 51. (1) Die Beseitigung oder Änderung dienststrafrechtlicher Entscheidungen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus den Gründen des § 1 Abs. l ergangen sind, bleibt gesonderter gesetzlicher Regelung vorbehalten.

(2) Solange eine solche Regelung nicht getroffen ist, stehen diese Entscheidungen einer Wiedergutmachung nach den §§ 22 bis 27 nicht entgegen.

§ 52. Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, soweit nicht die nähere Regelung durch Verordnung der Landesregierung vorgeschrieben ist, das Justizministerium und das Finanzministerium im Benehmen mit den sonst beteiligten Ministerien.

siehe hierzu u. a. die Verordnung Nr. 1079 der Landesregierung über die Zuständigkeits- und Verfahrensordnung zum Entschädigungsgesetz vom 8. Mai 1950 (RegBl. S. 33).

§ 53. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1949 in Kraft.

(2) Die den Leistungen nach § 38 Abs. l Klasse I entsprechenden Leistungen nach den Vorschriften des Gesetzes über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung kommen vom gleichen Zeitpunkt an in Fortfall; im übrigen werden die Leistungen aus dem Gesetz über die Bildung eines Sonderfonds zum Zwecke der Wiedergutmachung im Rahmen der Ansprüche aus dem vorstehenden Gesetz weiter gewährt.

(3) Die Leistungen aus dem vorstehenden Gesetz gelten für den Fall, daß den Verfolgten durch ein übergeordnetes Gesetz weitergehende Ansprüche zugebilligt werden, als Vorschußleistungen auf diese Ansprüche.

    Stuttgart, den 16. August 1949

Die Regierung des Landes Württemberg-Baden:
Dr. Reinhold Maier         J. Beyerle         Dr. Kaufmann
Stooß                                                  Otto Steinmayer


Quelle: Regierungsblatt für Württemberg-Baden 1949 S. 187
© 3. August 2004

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