Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden

vom 22. August 1818

geändert durch
Gesetz vom 14. April 1825 (RegBl. Nr. 6)
Gesetz vom 13. Juni 1831 (RegBl. Nr. 10)
Gesetz vom 28. Dezember 1831 (RegBl. S. 62)
Gesetz vom 5. August 1841 (RegBl. S. 213)
Gesetz vom 17. Februar 1849 (RegBl. S. 75)
Gesetz vom 17. Juni 1862 (RegBl. S. 233)
Gesetz vom 21. Oktober 1867 (RegBl. S. 423)
Gesetz vom 20. Februar 1868 (RegBl. S. 345)
Gesetz vom 21. Dezember 1869 (GVBl. S. 571)
Gesetz vom 16. April 1870 (GVBl. S. 299)
Gesetz vom 24. Juli 1888 (GVBl. S. 399)
Gesetz vom 24. August 1904 (GVBl. S. 339)

Neubekanntmachung vom 26. August 1904 (GVBl. S. 374)

aufgehoben in Folge des
Gesetzes, die badische Verfassung betreffend vom 21. März 1919 (GVBl. S. 279)

Carl,
von Gottes Gnaden Großherzog zu Baden, Herzog zu Zähringen, Landgraf zu Nellenburg, Graf von Hanau, etc. 

Als Wir bereits im Jahr 1816 Unsern Unterthanen wiederholt bekannt machten, dem Großherzogthum eine Landständische Verfassung geben zu wollen, so hegten Wir den Wunsch, und die Hoffnung, daß sämmtliche Bundesglieder über eine unabänderliche, wesentliche Grundlage dieser allen deutschen Völkern zugesicherten Einrichtungen übereinkommen und nur in Entwicklung der aufgestellten Grundsätze ein jeder einzelner Staat seinen besonderen Bedürfnissen, mit Rücksicht auf bestehende Verhältnisse, folgen möchte. 

Da sich jedoch, nach den letzten, über diesen Gegenstand bey dem Bundestage abgelegten Abstimmungen der Zeitpunkt noch nicht bestimmt voraussehen läßt, in welchem die Gestaltung der Ständischen Verfassung einen Gegenstand gemeinschaftlicher Berathungen bilden dürfte, so sehen Wir Uns nunmehr veranlaßt, die Unsern Unterthanen gegebene Zusicherung auf die Art und Weise in Erfüllung zu setzen, wie sie Unserer innern freyen und festen Ueberzeugung entspricht.

Von dem aufrichtigsten Wunsche durchdrungen, die Bande des Vertrauens zwischen Uns und Unserm Volke immer fester zu knüpfen, und auf dem Wege, den Wir hierdurch bahnen, alle Unsre Staats-Einrichtungen zu einer höhern Vollkommenheit zu bringen, haben Wir nachstehende Verfassungsurkunde gegeben, und versprechen feierlich für Uns und Unsre Nachfolger, sie treulich und gewissenhaft zu halten und halten zu lassen. 

I. Von dem Großherzogthum und der Regierung im Allgemeinen 

§ 1. Das Großherzogthum bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes.

§ 2. Alle organischen Beschlüsse der Bundes-Versammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Deutschlands oder die Verhältnisse deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, machen einen Theil des badischen Staatsrechts aus, und werden für alle Classen von Landesangehörigen verbindlich, nachdem sie von dem Staatsoberhaupt verkündet worden sind.

§ 3. Das Großherzogthum ist untheilbar und unveräußerlich in allen seinen Theilen.

§ 4. Die Regierung des Landes ist erblich in der großherzoglichen Familie nach den Bestimmungen der Declaration vom 4. October 1817, die als Grundlage des Hausgesetzes einen wesentlichen Bestandtheil der Verfassung bilden und als wörtlich in gegenwärtiger Urkunde aufgenommen betrachtet werden soll.

§ 5. Der Großherzog vereinigt in Sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus.

Seine Person ist heilig und unverletzlich.

§ 6. Das Großherzogthum hat eine ständische Verfassung.

II. Staatsbürgerliche und politische Rechte der Badener und besondere Zusicherungen 

§ 7. Die staatsbürgerlichen Rechte der Badener sind gleich in jeder Hinsicht, wo die Verfassung nicht namentlich und ausdrücklich eine Ausnahme begründet.

Die großherzoglichen Staatsminister und sämmtliche Staatsdiener sind für die genaue Befolgung der Verfassung verantwortlich.

§ 8. Alle Badener tragen ohne Unterschied zu allen öffentlichen Lasten bey. Alle Befreyungen von directen oder indirecten Abgaben bleiben aufgehoben.

§ 9. Alle Staatsbürger von den drey christlichen Confessionen haben zu allen Civil- und Militärstellen und Kirchenämtern gleiche Ansprüche.

Alle Ausländer, welchen Wir ein Staatsamt conferiren, erhalten durch diese Verleihung unmittelbar das Indigenat.

Durch Gesetz vom 17. Februar 1849 erhielt der § 9 folgende Fassung:
"§ 9. Alle Staatsbürger, ohne Unterschied der Religion, haben zu allen Civil- und Militairstellen und Kirchenämtern gleiche Ansprüche."

§ 10. Unterschied in der Geburt und der Religion begründet, mit der für die standesherrlichen Familien durch die Bundesacte gemachten Ausnahme, keine Ausnahme der Militärdienstpflicht.

§ 11. Für die bereits für ablöslich erklärten Grundlasten und Dienstpflichten und alle aus der aufgehobenen Leibeigenschaft herrührenden Abgaben soll durch ein Gesetz ein angemessener Abkaufsfuß regulirt werden.

§ 12. Das Gesetz vom 14. August 1817, über die Wegzugsfreyheit, wird als ein Bestandtheil der Verfassung angesehen.

§ 13. Eigenthum und persönliche Freyheit der Badener stehen für alle auf gleicher Weise unter dem Schutze der Verfassung.

§ 14. Die Gerichte sind unabhängig innerhalb der Grenzen ihrer Competenz.

Alle Erkenntnisse in bürgerlichen Rechtssachen müssen von den ordentlichen Gerichten ausgehen.

Der großherzogliche Fiscus nimmt in allen aus privatrechtlichen Verhältnissen entspringenden Streitigkeiten Recht vor den Landesgerichten.

Niemand kann gezwungen werden, sein Eigenthum zu öffentlichen Zwecken abzugeben, als nach Berathung und Entscheidung des Staatsministeriums, und nach vorgängiger Entschädigung.

§ 15. Niemand darf in Criminalsachen seinem ordentlichen Richter entzogen werden.

Niemand kann anders als in gesetzlicher Form verhaftet und länger als zweymal 24 Stunden im Gefängniß festgehalten werden, ohne über den Grund seiner Verhaftung vernommen zu seyn.

Der Großherzog kann erkannte Strafen mildern oder ganz nachlassen, aber nicht schärfen.

§ 16. Alle Vermögens-Confiscationen sollen abgeschafft werden.

§ 17. Die Preßfreyheit wird nach den künftigen Bestimmungen der Bundesversammlung gehandthabt werden.

§ 18. Jeder Landeseinwohner genießt der ungestörten Gewissensfreyheit und in Ansehung der Art seiner Gottesverehrung des gleichen Schutzes.

§ 19. Die politischen Rechte (der drey christlichen Religionstheile) sind gleich.

Durch Gesetz vom 17. Februar 1849 wurden die Worte "(der drey christlichen Religionstheile)" ersetzt durch: "aller Religionsteile".

§ 20. Das Kirchengut und die eigenthümlichen Güter und Einkünfte der Stiftungen, Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten dürfen ihrem Zwecke nicht entzogen werden.

§ 21. Die Dotationen der beyden Landesuniversitäten und anderer höherer Lehranstalten, sie mögen in eigenthümlichen Gütern und Gefällen oder in Zuschüssen aus der allgemeinen Staatscasse bestehen, sollen ungeschmälert bleiben.

§ 22. Jede, von Seite des Staats gegen seine Gläubiger übernommene Verbindlichkeit ist unverletzlich.

Das Institut der Amortisationscasse wird in seiner Verfassung aufrecht erhalten.

§ 23. Die Berechtigungen, die durch das Edict vom 23. April 1818 den dem Großherzogthum angehörigen, ehemaligen Reichsständen und Mitgliedern der vormaligen unmittelbaren Reichsritterschaft verliehen worden sind, bilden einen Bestandtheil der Staatsverfassung.

§ 24. Die Rechtsverhältnisse der Staatsdiener sind in der Art, wie sie das Gesetz vom Heutigen festgestellt hat, durch die Verfassung garantirt.

Durch Gesetz vom 24. Juli 1888 wurde der § 24 aufgehoben.

§ 25. Die Institut der weltlichen und geistlichen Witwencasse und der Brandversicherung sollen in ihrer bisherigen Verfassung fortbestehen und unter den Schutz der Verfassung gestellt seyn.

Durch Gesetz vom 24. Juli 1888 wurde der § 25 aufgehoben.

III. Ständeversammlung. Rechte und Pflichten der Ständeglieder 

§ 26. Die Landstände sind in zwey Kammern abgetheilt.

§ 27. Die erste Kammer besteht: 
1. aus den Prinzen des großherzoglichen Hauses, 
2. aus den Häuptern der standesherrlichen Familien, 
3. aus dem Landesbischoff und einem vom Großherzog lebenslänglich ernannten protestantischen Geistlichen mit dem Range eines Prälaten, 
4. aus acht Abgeordneten des grundherrlichen Adels, 
5. aus zwey Abgeordneten der Landes-Universitäten, 
6. aus den vom Großherzog, ohne Rücksicht auf Stand und Geburt zu Mitgliedern dieser Kammer ernannten Personen.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 27 folgende Fassung:
"§ 27. Die erste Kammer besteht:
1. aus den Prinzen des großherzoglichen Hauses,
2. aus den Häuptern der Standesherrlichen Familien,
3. aus dem katholischen Landesbischof und dem Prälaten der evangelischen Landeskirche,
4. aus acht Abgeordneten des Grundherrlichen Adels,
5. aus je einem Abgeordneten der drei Hochschulen,
6. aus sechs Abgeordneten, die von den gesetzlich organisierten Berufskörperschaften gewählt werden, und zwar drei von den Handelskammern, zwei von den Landwirtschaftskammern und einer von den Handwerkskammern,
7. aus zwei Oberbürgermeistern der der Städteordnung unterstehenden Städte, aus einem Bürgermeister einer sonstigen Stadt mit mehr als 3000 Einwohnern und aus einem Mitglied eines der Kreisausschüsse; die Oberbürgermeister und der Bürgermeister werden von den Mitgliedern der Stadträte und der Gemeinderäte, das Mitglied des Kreisauschusses von sämtlichen Mitgliedern der Kreisausschüsse des Landes gewählt,
8. aus den vom Großherzog ernannten Mitgliedern."

§ 28. Die Prinzen des Hauses und die Standesherren treten, nach erlangter Volljährigkeit, in die Ständeversammlung ein. Von denjenigen standesherrlichen Familien, die in mehrere Zweige sich theilen, ist das Haupt eines jeden Familienzweigs, der im Besitz einer Standesherrschaft sich befindet, Mitglied der ersten Kammer.

Während der Minderjährigkeit des Besitzers einer Standesherrschaft ruhet dessen Stimme.

Die Häupter der adelichen Familien, welchen der Großherzog eine Würde des hohen Adels verleihet, treten, gleich den Standesherren, als erbliche Landstände in die erste Kammer. Sie müssen aber ein nach dem Rechte der Erstgeburt und der Linealerbfolge erbliches Stamm- oder Lehngut besitzen, das in der Grund- und Gefällsteuer, nach Abzug des Lastencapitals, wenigstens zu 300 000 Gulden angeschlagen ist.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 28 folgende Fassung:
"§ 28. Die Prinzen des Hauses und die Standesherren treten, nach erlangter Volljährigkeit, in die Ständeversammlung ein. Von denjenigen Standesherrlichen Familien, die in mehrere Zweige sich teilen, ist das Haupt eines jeden Familien-Zweigs, der im Besitz einer Standesherrschaft sich befindet, Mitglied der ersten Kammer.
Den Häuptern adliger Familien, deren im Großherzogtum befindlicher, als Stammsitz anerkannter, nach dem Recht der Erstgeburt und nach der Lineal-Erbfolge vererblicher liegenschaftlicher Besitz nach Abzug des Lastenkapitals im Kataster der direkten Steuern auf mindestens eine Million Mark veranschlagt ist, kann durch Entschließung des Großherzogs das erbliche Recht der Mitgliedschaft in der ersten Kammer (erbliche Landstandschaft) verliehen werden. Fallen die Voraussetzungen der Verleihung weg, so erlischt die erbliche Landstandschaft. Wer für den minderjährigen oder den wegen Geisteskrankheit entmündigten Besitzer eines standesherrlichen Guts als Vormund bestellt ist, kann, wenn er Agnat der Familie ist, an Stelle des Bevormundeten die Mitgliedschaft in der ersten Kammer ausüben.
Ist das Haupt einer standesherrlichen Familie aus anderen als den im dritten Absatz bezeichneten Gründen an der Ausübung der Mitgliedschaft verhindert, so kann es für die Dauer der Sitzungsperiode einen Agnaten als Stellvertreter mit der Ausübung der Mitgliedschaft betrauen. Die Bestellung des Stellvertreters ist dem Präsidenten der Ersten Kammer und, wenn der Landtag nicht versammelt ist, dem Präsidenten des Staatsministeriums schriftlich anzuzeigen."

§ 29. Bey der Wahl der grundherrlichen Abgeordneten sind sämmtliche adeliche Besitzer von Grundherrschaften, die das 21. Lebensjahr zurückgelegt und im Lande ihren Wohnsitz haben, stimmfähig. Wählbar sind alle stimmfähige Grundherren, die das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben. Jede Wahl gilt für acht Jahre. Alle vier Jahre tritt die Hälfte der grundherrlichen Deputirten aus.

Adelichen Güterbesitzern kann der Großherzog die Stimmfähigkeit und Wählbarkeit bey der Grundherrenwahl beylegen, wenn sie ein Stamm- oder Lehngut besitzen, das in der Grund- und Gefällsteuer, nach Abzug des Lastencapitals, wenigstens auf 60 000 Gulden angeschlagen ist, und nach dem Rechte der Erstgeburt nach der Linealerbfolge vererbt wird.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 29 folgende Fassung:
"§ 29. Bei der Wahl der grundherrlichen Abgeordneten sind alle adeligen Eigentümer oder Miteigentümer eines im Großherzogtum befindlichen Gutes wahlberechtigt, welchem im Jahre 1806 die Eigenschaft der Reichsunmittelbarkeit oder das Recht der Patrimonialgerichtsbarkeit zustand.
Adeligen Grundbesitzern, deren im Großherzogtum befindlicher, als Stammgut anerkannter, nach dem Rechte der Erstgeburt und nach der Lineal-Erbfolge vererblicher liegenschaftlicher Besitz nach Abzug des Lastenkapitals im Kataster der direkten Steuern auf mindestens zweimalhunderttausend Mark veranschlagt ist, kann durch Entschließung des Großherzogs die vererbliche Berechtigung zur Teilnahme an der Wahl der grundherrlichen Abgeordneten beigelegt werden. Fallen die Voraussetzungen der Verleigung weg, so erlischt die Berechtigung."

§ 30. In Ermangelung des Landesbischoffs tritt der Bisthumsverweser in die Ständeversammlung.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 30 folgende Fassung:
"§ 30. In Ermangelung des katholischen Landesbischofs tritt der Bistumsverweser in die Erste Kammer ein."

§ 31. Jede der beyden Landesuniversitäten wählt ihren Abgeordneten auf vier Jahre aus der Mitte der Professoren oder aus der Zahl der Gelehrten oder Staatsdiener des Landes nach Willkühr. Nur die ordentlichen Professoren sind stimmfähig.

siehe hierzu die Wahlordnung vom 23. Dezember 1818.

Durch Gesetz vom 5. August 1841 wurde dem § 31 folgender Absatz angefügt:
"Beide Abgeordneten der Universitäten, sie mögen die zunächst Gewählten, oder wegen deren Austritt der regelmäßigen Erneuerung an deren Stelle gewählt worden sein, treten mit der Hälfte der grundherrlichen Abgeordneten gleichzeitig aus."

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 31 folgende Fassung:
"§ 31. Vom Großherzog werden in die erste Kammer berufen:
1. zwei höhere richterliche Beamte,
2. weitere Mitglieder, jedoch nicht mehr als sechs, ohne Rücksicht auf Stand und Geburt."

§ 32. Die Zahl der vom Großherzog ernannten Mitglieder der ersten Kammer darf niemals acht Personen übersteigen.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 32 folgende Fassung:
"§ 32. Die zwei höheren richterlichen Beamten werden auf die Dauer ihres Amtes ernannt. Im übrigen erfolgt die Ernennung der vom Großherzog berufenen Mitglieder und ebenso die Wahl der Abgeordneten der Grundherren, der Hochschulen und der Berufskörperschaften und der Städte und Kreise für die vierjährige Landtagsperiode."

Durch Gesetz vom 24. August 1904 wurden an dieser Stelle folgende Paragrafen eingefügt:
"§ 32a. Bei den Wahlen der im § 27 Ziffer 4 bis 7 bezeichneten Mitglieder sind nur solche Personen wahlberechtigt, welche die badische Staatsangehörigkeit besitzen, im Großherzogtum einen Wohnsitz haben, mindestens fünfundzwanzig Jahre alt sind, und bei denen keine der im § 35 bezeichneten Tatsachen vorliegen.
Die bei diesen Wahlen Wahlberechtigten sind auch wählbar, sofern sie das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt haben. Das Ruhen der Wahlberechtigung gemäß § 35 Ziffer 4 schließt die Wählbarkeit nicht aus. Diesen Voraussetzungen der Wählbarkeit müssen auch die in § 28 bezeichneten Stellvertreter entsprechen.
Außerdem ist bei den Wahlen der Abgeordneten der Hochschulen die Wahlberechtigung auf die ordentlichen Professoren der betreffenden Hochschule und bei den Wahlen der Grundherren die Wählbarkeit auf die nach § 29 Wahlberechtigten beschränkt.

§ 32b. Wer Mitglied der Zweiten Kammer ist, kann nicht als Mitglied in die Erste Kammer eintreten. Nimmt ein Mitglied der Ersten Kammer die Wahl als Abgeordneter zur Zweiten Kammer an, so hört damit die Mitgliedschaft in der Ersten Kammer auf. "

§ 33. Die zweyte Kammer besteht aus 63 Abgeordneten der Städte und Aemter nach der dieser Verfassungsurkunde angehängten Vertheilungsliste.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 33 folgende Fassung:
"§ 33. Die Zweite Kammer besteht aus dreiundsiebzig Abgeordneten. Die Abgeordneten werden, jeder in einem besonderen Wahlkreis, in allgemeiner, unmittelbarer und geheimer Abstimmung gewählt."

§ 34. Diese Abgeordneten werden von erwählten Wahlmännern erwählt.

siehe hierzu die Wahlordnung vom 23. Dezember 1818.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 34 folgende Fassung:
"§ 34. Zur Abstimmung bei der Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer sind die männlichen Personen über fünfundzwanzig Jahre berechtigt, welche im Zeitpunkt der Wahl im Großherzogtum einen Wohnsitz haben und seit mindestens zwei Jahren die badische Staatsangehörigkeit besitzen. Jedoch genügt ein einjähriger Besitz der badischen Staatsangehörigkeit, falls der Wohnsitz im Großherzogtum unmittelbar vor der Wahl mindestens ein Jahr gedauert hat."

§ 35. Wer wirkliches Mitglied der ersten Kammer oder bey der Wahl der Grundherren stimmfähig oder wählbar ist, kann weder bey Ernennung der Wahlmänner ein Stimmrecht ausüben, noch als Wahlmann oder Abgeordneter der Städte und Aemter gewählt werden.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 35 folgende Fassung:
"§ 35. Die Befugnis zur Ausübung der Wahlberechtigung ruht:
1. Wenn der Wahlberechtigte unter Vormundschaft oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft steht;
2. wenn über das Vermögen eines Wahlberechtigten der Konkurs eröffnet ist, während der Dauer des Konkursverfahrens;
3. wenn der Wahlberechtigte, den Fall eines vorübergehenden Unglücks ausgenommen, eine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln bezieht oder im letzten der Wahl vorausgegangenen Jahre bezogen hat; die Befreiung von der Entrichtung des für den Besuch öffentlicher Unterrichtsanstalten schuldigen Entgelts und der unentgeltlichen Beschaffung der für die Besucher solcher Anstalten erforderlichen Unterrichtsmittel gilt nicht als Armenunterstützung;
4. wenn der Wahlberechtigte trotz rechtzeitiger Mahnung und ohne Stundung erhalten zu haben bei Abschluß der Wählerliste mit der Entrichtung einer ihm für das vorausgegangene Steuerjahr gegenüber dem Staat oder der Gemeinde obliegenden direkten Steuern im Rückstand ist."

§ 36. Alle übrigen Staatsbürger, die das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben, im Waldistrict als Bürger angesessen sind oder ein öffentliches Amt bekleiden, sind bey der Wahl der Wahlmänner stimmfähig und wählbar.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 erhielt der § 36 folgende Fassung:
"§ 36. Alle übrigen Staatsbürger, die das 25. Lebensjahr zurückgelegt und in dem Wahlbezirk ihren Wohnsitz haben, sind - vorbehältlich der besonderen gesetzlichen Ausnahmen - bei der Wahl der Wahlmänner stimmfähig und wählbar."

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 36 folgende Fassung:
"§ 36. Alle Wahlberechtigten Staatsangehörigen sind wählbar, ausgenommen diejenigen, welche im Zeitpunkte der Wahl das dreißigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder auf welche §§ 35 Ziffer 1 bis 3 Anwendung findet.
Die Vorsteher und Beamten der Bezirksämter, der Amtsgerichte und Notariate, sowie der Bezirksbehörden der Steuer-, Zoll-, Domänen-, Forstverwaltung, der staatlichen Hochbau-, Wasserbau-, Straßenbau- und Eisenbahnverwaltung, die Bezirksärzte, Bezirkstierärzte und die Ortsgeistlichen sind in einem Wahlbezirke nicht wählbar, welchem ihr Dienstbezirk ganz oder teilweise angehört."

§ 37. Zum Abgeordneten kann ernannt werden, ohne Rücksicht auf Wohnort, jeder durch den § 35 nicht ausgeschlossene Staatsbürger, der 
1. einer der drey christlichen Confessionen angehört, 
2. das 30. Lebensjahr zurückgelegt hat, und 
3. in dem Grund-, Häuser- und Gewerbssteuer-Kataster wenigstens mit einem Capital von 10 000 Gulden eingetragen ist, oder eine jährliche lebenslängliche Rente von wenigstens 1500 Gulden von einem Stamm- oder Lehnguts-Besitze oder eine fixe ständige Besoldung oder Kirchenpfründe von gleichem Betrag als Staats- oder Kirchendiener bezieht, auch in diesen beyden letztern Fällen wenigstens irgend eine directe Steuer aus Eigenthum zahlt.

Landes-, standes- und grundherrliche Bezirksbeamte, Pfarrer, Physici und andere geistliche oder weltliche Localdiener können als Abgeordnete nicht von den Wahlbezirken gewählt werden, wozu ihr Amtsbezirk gehört.

Durch Gesetz vom 17. Februar 1849 wurde der § 37 Abs. 1 Nr. 1 aufgehoben.

Durch Gesetz vom 21. Oktober 1867 wurde der § 37 Abs. 1 Nr. 3 aufgehoben.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 erhielt der § 37 Abs. 1 folgende Fassung:
"Zum Abgeordneten kann ohne Rücksicht auf Wohnort ernannt werden jeder Staatsbürger, welcher das 30. Lebensjahr zurückgelegt hat und eine Wählbarkeit zum Wahlmann besitzt.".

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 37 folgende Fassung:
"§ 37. Sämtliche Abgeordnete der Zweiten Kammer werden in Zeiträumen von vier Jahren neu gewählt (Landtagsperiode).
Die periodische Wahl findet gleichzeitig für sämtliche Abgeordnete an einem vom Großherzog zu bestimmenden Tage statt.
Die Eigenschaft als Abgeordneter erlischt, wenn seit dem Tage der periodischen Neuwahl vier Jahre umflossen sind."

§ 38. Die Abgeordneten der Städte und Aemter werden auf acht Jahre ernannt und so, daß die Kammer alle zwey Jahre zu einem Viertel erneuert wird.

Durch Gesetz vom 14. April 1825 wurde bestimmt:
"1. Die Abgeordneten der Grundherren, der Universitäten, der Städte und Ämter zur Ständeversammlung werden auf sechs Jahre gewählt. Nach Ablauf dieser Zeit, und so immer von sechs zu sechs Jahren, treten die gewählten Mitglieder sämmtlich wieder aus, wenn nicht die Kammern früher aufgelöst worden ist. Diese gesetzliche Bestimmungen dehnen sich auch auf die gewählten Mitglieder der gegenwärtigen Ständeversammlung aus."
Dadurch wurde der § 38 abgeändert.

Durch Gesetz vom 13. Juni 1831 wurde das Gesetz vom 14. April 1825 wieder aufgehoben, wodurch der ursprüngliche Wortlaut des § 38 wieder in Geltung kam.

Durch Gesetz vom 16. April 1870 erhielt der § 38 folgende Fassung:
"§ 38. Die Abgeordneten der Städte und Ämter werden auf vier Jahre gewählt. Sie werden alle zwei Jahre zur Hälfte erneuert."

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 38 folgende Fassung:
"§ 38. Im übrigen werden die Vorschriften über die Ausübung des Wahlrechts der beiden Kammern, insbesondere über die Wahlkreise und das Wahlverfahren, durch besonderes Gesetz geregelt."

§ 39. Jede neue Wahl eines Abgeordneten, die wegen Auflösung der Versammlung oder wegen des regelmäßigen Austritts eines Mitglieds nöthig wird, zieht eine neue Wahl der Wahlmänner nach sich.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 39 folgende Fassung:
"§ 39. Auf die durch Wahl, durch Ernennung oder durch Berufung als Stellvertreter begründete Mitgliedschaft im Landtag kann durch schriftliche Erklärung Verzicht geleistet werden. Dieselbe ist bei versammeltem Landtage dem Präsidenten der betreffenden Kammer, sonst dem Präsidenten des Staatsministeriums abzugeben. Ein Widerruf des rechtsgültig erklärten Verzichts findet nicht statt.
Ist ein gewähltes oder ernanntes Mitglied des Landtages durch Tod, Verzicht oder durch Wegfall einer der für die Wählbarkeit maßgebenden Voraussetzungen ausgeschieden, so hört die Mitgliedschaft des zu seinem Ersatz in den Landtag Eingetretenen in dem Zeitpunkte auf, in welchem der Ausgeschiedene ohne den Eintritt jener besonderen Tatsachen die Mitgliedschaft im Landtag verloren haben würde."

§ 40. Jeder Austretende ist wieder wählbar.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 40 folgende Fassung:
"§ 40. Die aus dem Landtag ausgetretenen gewählten Mitglieder sind wieder wählbar, sofern im Zeitpunkt der Wahl die gesetzlichen Voraussetzungen der Wählbarkeit vorliegen.".

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 40a. Wenn ein durch Wahl ernanntes Mitglied einer Kammer ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienst in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch neue Wahl wieder erlangen."

§ 41. Jede Kammer erkennt über die streitigen Wahlen der ihr angehörigen Mitglieder.

§ 42. Der Großherzog ruft die Stände zusammen, vertagt sie und kann sie auflösen.

§ 43. Die Auflösung der Stände bewirkt, daß alle durch Wahl ernannte Mitglieder der ersten und zweyten Kammer, die Abgeordneten der Grundherren, der Universitäten und der Städte und Aemter ihre Eigenschaft verlieren.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 43 folgende Fassung:
"§ 43. Die Auflösung der Ständeversammlung bewirkt, daß alle für diese eine Landtagsperiode Gewählten oder Ernannten ihre Mitgliedschaft verlieren."

§ 44. Erfolgt die Auflösung, ehe der Gegenstand der Berathung erschöpft ist, so muß längstens innerhalb drey Monaten zu einer neuen Wahl geschritten werden.

§ 45. Der Großherzog ernennt für jeden Landtag den Präsidenten der ersten Kammer; die zweyte Kammer wählt für die Präsidentenstelle drey Candidaten, wovon der Großherzog für die Dauer der Versammlung Einen bestätigt.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 erhielt der § 45 folgende Fassung:
"§ 45. Der Großherzog ernennt für jeden Landtag den Präsidenten der ersten Kammer; die zweite Kammer wählt selbst ihren Präsidenten."

§ 46. Alle zwey Jahre muß eine Ständeversammlung statt finden.

Durch Gesetz vom 14. April 1825 wurde bestimmt:
"2. Alle drei Jahre muß eine Ständerversammlung Statt finden."
Dadurch wurde der § 46 abgeändert.

Durch Gesetz vom 13. Juni 1831 wurde das Gesetz vom 14. April 1825 wieder aufgehoben, wodurch der ursprüngliche Wortlaut des § 38 wieder in Geltung kam.

§ 47. Die Mitglieder beyder Kammern können ihr Stimmrecht nicht anders als in Person ausüben.

§ 48. Die Ständeglieder sind berufen, über die Gegenstände ihrer Berathungen nach eigener Ueberzeugung abzustimmen. Sie dürfen von ihren Committenten keine Instructionen annehmen.

Durch Gesetz vom 21. Oktober 1867 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 48a. Kein Kammermitglied kann wegen seiner Abstimmungen oder wegen seiner Äußerungen bei Kammer-, Abtheilungs- und Kommissions-Verhandlungen anders als nach Maßgabe der Geschäftsordnung der Kammer zur Verantwortung gezogen werden.
Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen beider Kammern bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei."

§ 49. Kein Ständeglied kann während der Dauer der Versammlung, ohne ausdrückliche Erlaubniß der Kammer, wozu es gehört, verhaftet werden; den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bey begangenen peinlichen Verbrechen ausgenommen.

§ 50. Die Stände können sich nur mit den nach gegenwärtigem Grundgesetz zu ihrer Berathung geeigneten oder vom Großherzog besonders an sie gebrachten Gegenständen beschäftigen.

§ 51. Es besteht ein ständischer Ausschuß aus dem Präsidenten der letzten Sitzung und drey andern Mitgliedern der ersten und sechs Mitgliedern der zweyten Kammer, dessen Wirksamkeit auf den namentlich in dieser Urkunde ausgedrückten Fall, oder auf die von dem letzten Landtag mit Genehmigung des Großherzogs an ihn gewiesenen Gegenstände beschränkt ist.

Dieser Ausschuß wird vor dem Schlusse des Landtags, auch bei jeder Vertagung desselben, in beyden Kammern durch relative Stimmenmehrheit gewählt. Jede Auflösung des Landtags zieht auch die Auflösung des, wenn gleich schon gewählten Ausschusses nach sich.

§ 52. Die Kammern können sich weder eigenmächtig versammeln, noch nach erfolgter Auflösung oder Vertagung beysammen bleiben und berathschlagen.

IV. Wirksamkeit der Stände 

§  53. Ohne Zustimmung der Stände kann keine Auflage ausgeschrieben und erhoben werden.

§ 54. Das Auflagengesetz wird in der Regel für zwey Jahre gegeben. Solche Auflagen jedoch, mit denen auf längere Zeit abgeschlossene Verträge in unmittelbarer Verbindung stehen, können vor Ablauf des betreffenden Contractes nicht abgeändert werden.

§ 55. Mit dem Entwurf des Auflagengesetzes wird das Staatsbudget und eine detaillirte Uebersicht über die Verwendung der verwilligten Gelder von den frühern Etatsjahren übergeben. Es darf darin kein Posten für geheime Ausgaben vorkommen, wofür nicht eine schriftliche, von einem Mitglied des Staatsministeriums contrasignirte Versicherung des Großherzogs beygebracht wird, daß die Summe zum wahren Besten des Landes verwendet worden sey, oder verwendet werden solle.

§ 56. Die Stände können die Bewilligung der Steuern nicht an Bedingungen knüpfen.

§ 57. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Anlehen gültig gemacht werden. Ausgenommen sind die Anlehn, wodurch etatsmäßige Einnahmen zu etatsmäßigen Ausgaben nur anticipirt werden, so wie die Geldaufnahmen der Amortisationskasse, zu denen sie, vermöge ihres Fundationsgesetzes, ermächtigt ist.

Für Fälle eines außerordentlichen, unvorhergesehenen dringenden Staatsbedürfnisses, dessen Betrag mit den Kosten einer außerordentlichen Versammlung der Stände nicht im Verhältniß steht, und wozu das Creditvotum der Stände nicht reicht, ist die Zustimmung der Mehrheit des Ausschusses hinreichend, eine Geldaufnahme gültig zu machen. Dem nächsten Landtag werden die gepflogenen Verhandlungen vorgelegt.

§ 58. Es darf keine Domaine ohne Zustimmung der Stände veräußert werden. Ausgenommen sind die zu Schuldentilgungen bereits beschlossenen Veräußerungen, Ablösungen von Lehen, Erbbeständen, Gülten, Zinsen, Frohndiensten, Verkäufe von entbehrlichen Gebäuden, von Gütern und Gefällen, die in benachbarten Staaten gelegen sind, und alle Veräußerungen, die aus staatswirthschaftlichen Rücksichten zur Beförderung der Landes-Cultur oder zur Aufhebung einer nachtheiligen eigenen Verwaltung geschehen. Der Erlös muß aber zu neuen Erwerbungen verwendet oder der Schuldentilgungscasse zur Verzinsung übergeben werden.

Ausgenommen sind auch Täusche und Veräußerungen zum Zwecke der Beendigung eines, über Eigenthums- oder Dienstbarkeitsverhältnisse anhängigen Rechtsstreits; ferner die Wiedervergebung heimgefallener Thron-, Ritter- und Kammerlehen, während der Zeit der Regierung des Regenten, dem sie selbst heimgefallen sind.

Da durch diesen und den § 57 der Zweck der pragmatischen Sanction über Staatsschulden und Staatsveräußerungen vom 1. Oktober 1806 und vom 18. November 1808 vollständig erreicht ist, so hört die Verbindlichkeit derselben mit dem Tage auf, wo die landständische Verfassung in Wirksamkeit getreten seyn wird.

§ 59. Ohngeachtet die Domainen nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Staats- und Fürstenrechts unstreitiges Patrimonialeigenthum des Regenten und seiner Familie sind, und Wir sie auch in dieser Eigenschaft, vermöge obhabender Pflichten, als Haupt der Familie, hiermit ausdrücklich bestätigen, so wollen Wir dennoch den Ertrag derselben, außer der darauf radicirten Civilliste und außer andern darauf haftenden Lasten, so lang als Wir Uns nicht durch Herstellung der Finanzen in dem Stand befinden werden, Unsere Unterthanen nach Unserm innigsten Wunsche zu erleichtern, der Bestreitung der Staatslasten ferner belassen.

Die Civilliste kann, ohne Zustimmung der Stände, nicht erhöhet, und ohne Bewilligung des Großherzogs, niemals gemindert werden.

§ 60. Jeder die Finanzen betreffende Gesetzesentwurf geht zuerst an die zweyte Kammer, und kann nur dann, wenn er von dieser angenommen worden, vor die erste Kammer zur Abstimmung über Annahme oder Nichtannahme im Ganzen ohne alle Abänderung gebracht werden.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 60 folgende Fassung:
"§ 60. Nachstehende, die Finanzen betreffende Vorlagen gehen zunächst an die Zweite Kammer:
1. die Nachweisungen über den Vollzug der Staatsausgaben und -Einnahmen (Rechnungsnachweisungen) und die vergleichenden Darstellungen der Budgetsätze mit den Rechnungsergebnissen;
2. Gesetzentwürfe, welche über die Verwaltung der Staatsausgaben und -Einnahmen oder über die direkten und indirekten Staatssteuern dauernde Bestimmungen treffen;
3. den Entwurf des Finanzgesetzes (Auflagengesetze, §§ 54 und 55) nebst dem Staatsvorschlag (Staatsbudget), sowie sonstige Entwürfe über Bestimmung der Steuersätze für eine Budgetperiode, über Veräußerung, Belastung oder Verwendung des Staats- oder Domänenvermögens, über Aufnahme von Anleihen, Übernahme von Staatsbürgschaften oder von sonstigen Staatsverbindlichkeiten ähnlicher Art."

§ 61. Tritt die Mehrheit der ersten Kammer dem Beschluß der zweyten nicht bey, so werden die bejahenden und verneinenden Stimmen beyder Kammern zusammen gezählt, und nach der absoluten Mehrheit sämmtlicher Stimmen der Ständebeschluß gezogen.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 61 folgende Fassung:
"§ 61. Über die in § 60 Ziffer 1 bezeichneten Vorlagen findet eine Beschlußfassung der Ersten Kammer statt, nachdem die Zweite Kammer darüber beschlossen hat.
Über die in § 60 Ziffer 2 und 3 bezeichneten Entwürfe wird von der Ersten Kammer erst beschlossen, nachdem sie von der Zweiten Kammer angenommen worden sind, unbeschadet der Befugnis der Ersten Kammer, über die einzelnen Teile des Staatsvoranschlags gesondert zu beschließen, sobald die Beschlußfassung der Zweiten Kammer darüber erfolgt ist.
Weichen hinsichtlich der einzelnen Positionen des Staatsvoranschlags (Staatsbudgets) die Beschlüsse der Ersten Kammer von denen der Zweiten ab und ist auch bei wiederholter Beschlußfassung beider Kammern und nach vorausgegangenem Verständigungsversuch gemäß § 75 Absatz 2 eine Ausgleichung der Verschiedenheiten nicht zu erzielen, so werden diese Positionen in den dem Finanzgesetz anzuschließenden Staatsvoranschlag so eingestellt, wie sich bei der endgültigen Beschlußfassung die zweite Kammer dafür ausgesprochen hat.
Lehnt die Erste Kammer einen von der Zweiten Kammer angenommenen Entwurf der in § 60 Ziffer 3 bezeichneten Art im ganzen ab, so wird auf Verlangen der Regierung oder der Zweiten Kammer in einer Gesamtabstimmung mit Durchzählung der in beiden Kammer abgegebenen Stimmen darüber beschlossen, ob der Entwurf in der ihm von der zweiten Kammer gegebenen Fassung anzunehmen sei."

§ 62. Die alten auch nicht ständigen Abgaben dürfen nach Ablauf der Verwilligungszeit noch sechs Monate fort erhoben werden, wenn die Stände-Versammlung aufgelöset wird, ehe ein neues Budget zu Stande kommt, oder wenn sich die ständischen Berathungen verzögern.

§ 63. Bey Rüstungen zu einem Kriege und während der Dauer eines Kriegs kann der Großherzog, zur schleunigen und wirksamen Erfüllung seiner Bundespflichten, auch vor eingeholter Zustimmung der Stände, gültige Staatsanlehen machen, oder Kriegssteuern ausschreiben. Für diesen Fall wird den Ständen eine nähere Einsicht und Mitwirkung in der Verwaltung in der Art eingeräumt:
1. daß der alsdann zusammen zu berufende Ausschuß zwey Mitglieder an die Ministerien der Finanzen und des Kriegs und einen Commissär zur Kriegscasse abordnen darf, um darauf zu wachen, daß die zu Kriegszwecken erhobenen Gelder auch wirklich und ausschließlich zu diesem Zwecke verwendet werden, und daß derselbe
2. zu der jeweils, wegen Kriegsprästationen aller Art aufzustellenden Kriegscommission eben so viele Mitglieder abzugeben hat, als der Großherzog, ohne den Vorstand zu rechnen, zur Leitung des Marsch-, Verpflegungs- und Lieferungswesens ernennt. Auch soll der Ausschuß das Recht haben, zu gleichem Zweck einer jeden Provinzialbehörde, aus der Zahl der in dem Provinzbezirk wohnenden Ständeglieder zwey Abgeordneten beyzugeben.

§ 64. Kein Gesetz, das die Verfassungsurkunde ergänzt, erläutert oder abändert, darf ohne Zustimmung einer Mehrheit von zwey Drittel der anwesenden Ständeglieder einer jeden der beyden Kammern gegeben werden. 

§ 65. Zu allen anderen, die Freyheit der Personen oder das Eigenthum der Staatsangehörigen betreffenden allgemeinen neuen Landesgesetzen, oder zur Abänderung oder authentischen Erklärung der bestehenden, ist die Zustimmung der absoluten Mehrheit einer jeden der beyden Kammern erforderlich.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 65a. Das Recht, Gesetze vorzuschlagen, steht dem Großherzog sowie jeder Kammer zu."

§ 66. Der Großherzog bestätigt und promulgirt die Gesetze, erläßt die zu deren Vollzug und Handhabung erforderlichen - die aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrecht abfließenden - und alle für die Sicherheit des Staats nöthigen Verfügungen, Reglements und allgemeinen Verordnungen. Er erläßt auch solche, ihrer Natur nach zwar zur ständischen Berathung geeignete, aber durch das Staatswohl dringend gebotene Verordnungen, deren vorübergehender Zweck durch jede Verzögerung vereitelt würde.

§ 67. Die Kammern haben das Recht der Vorstellung und Beschwerde; Verordnungen, worinnen Bestimmungen eingeflossen, wodurch sie ihr Zustimmungsrecht für gekränkt erachten, sollen, auf ihre erhobene gegründete Beschwerde sogleich außer Wirksamkeit gesetzt werden. Sie können den Großherzog unter Angabe der Gründe um den Vorschlag eines Gesetzes bitten. Sie haben das Recht, Mißbräuche in der Verwaltung, die zu ihrer Kenntniß gelangen, der Regierung anzuzeigen. (Sie haben das Recht, Minister und die Mitglieder der obersten Staatsbehörden wegen Verletzung der Verfassung oder anerkannt verfassungsmäßiger Rechte förmlich anzuklagen. Ein besonderes Gesetz soll die Fälle der Anklage, die Grade der Ahndung, die urtheilende Behörde und die Procedur bestimmen.

Beschwerden einzelner Staatsbürger über Kränkung in ihren verfassungsmäßigen Gerechtsamen können von den Kammern nicht anders als schriftlich, und nur dann angenommen werden, wenn der Beschwerdeführer nachweißt, daß er sich vergebens an die geeigneten Landesstellen und zuletzt an das Staats-Ministerium um Abhülfe gewendet hat.

Keine Vorstellung, Beschwerde oder Anklage kann an den Großherzog gebracht werden, ohne Zustimmung der Mehrheit einer jeden der beyden Kammern.

Durch Gesetz vom 20. Februar 1868 wurde der § 67 wie folgt geändert:
- in § 67 wurden die Worte "Sie haben das Recht, Minister und die Mitglieder der obersten Staatsbehörden wegen Verletzung der Verfassung oder anerkannt verfassungsmäßiger Rechte förmlich anzuklagen. Ein besonderes Gesetz soll die Fälle der Anklage, die Grade der Ahndung, die urteilende Behörde und die Procedur bestimmen." gestrichen.
- der Absatz 3 wurde durch folgende Absätze ersetzt:
"Zu Beschwerden, welche die Beschuldigung einer Verletzung der Verfassung oder verfassungsmäßiger Rechte enthalten, ist die Zweite Kammer allein befugt. Jedoch steht der Ersten Kammer dasselbe Recht der Beschwerde an den Großherzog wegen Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte zu. Die Beschlüsse über derartige Beschwerden erfordern die in § 67a vorgeschriebene Stimmenmehrheit.
Zu anderen Vorstellungen an den Großherzog sind beide Kammern, sie es in Gemeinschaft, sei es jede für sich allein, berechtigt.
Eine Bitte um Vorlage eines Gesetzes darf nur dann von einer Kammer an den Großherzog gebracht werden, wenn dieselbe zuvor der anderen Kammer mitgetheilt und dieser Gelegenheit gegeben worden ist, sich darüber auszusprechen.".

Durch Gesetz vom 20. Februar 1868 wurde an dieser Stelle folgender Abschnitt eingefügt:

" IVa. Von den Anklagen gegen die Minister 

§ 67a. (1) Die zweite Kammer hat das Recht, die Minister und Mitglieder der obersten Staatsbehörde wegen einer durch Handlungen oder Unterlassungen wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit begangenen Verletzung der Verfassung oder anerkannter verfassungsmäßiger Rechte oder schweren Gefährdung der Sicherheit oder Wohlfahrt des Staates förmlich anzuklagen.
(2) Ein solcher Beschluß erfordert die in den §§ 64 und 74 für Verfassungsänderungen vorgeschriebene Stimmenzahl; die Zurücknahme desselben kann mit einfacher Stimmenmehrheit geschehen.
(3) Das Anklagerecht der zweiten Kammer wird durch die Entfernung des Angeklagten vom Dienste, mag sie vor oder nach erhobener Anklage erfolgen, nicht aufgehoben.
(4) Im Falle der Verurtheilung ist die Entlassung des Angeklagten aus dem Staatsdienste zu erkennen.
(5) Diese Folge der Verurtheilung kann nur auf Antrag oder mit Zustimmung der Stände wieder aufgehoben werden.
(6) Ueber etwaige Entschädigungsforderungen steht dem Staatsgerichtshof keine Entscheidung zu.

§ 67b. (1) Das Richteramt über die im vorigen Paragraphen erwähnte Anklage übt die Erste Kammer als Staatsgerichtshof in Verbindung mit dem Präsidenten des obersten Gerichtshofs und acht weitern Richtern aus, welche aus den Kollegialgerichten durch das Loos bezeichnet und der Ersten Kammer beigeordnet werden.
(2) Dem Angeklagten und den Vertretern der Anklage steht ein Ablehnungsrecht zu.
(3) Der Präsident der Ersten Kammer hat den Vorsitz. Sein Stellvertreter ist der Präsident des obersten Gerichtshofes.
(4) Das Nähere über die Bildung des Staatsgerichtshofes, sowie das Verfahren bei demselben, wird durch ein gemeines Gesetz bestimmt.

§ 67c. (1) Wird ein Minister oder ein Mitglied der obersten Staatsbehörde beschuldigt, zugleich mit den in § 67a erwähnten Verletzungen, oder auch ohne eine solche, ein Staatsverbrechen oder ein gemeines Verbrechen durch Mißbrauch seines Amts begangen zu haben, so ist die Zweite Kammer befugt, zu beantragen, daß der Staatsgerichtshof den Beschuldigten wegen dieses Vergehens vor das zuständige ordentliche Strafgericht zur Aburtheilung verweise.
(2) Dieser Antrag ist in den in § 67a vorgeschriebenen Formen zu beschließen und mit der Anklage, wo eine solche stattfindet, zu verbinden, andernfalls aber selbständig bei dem Staatsgerichtshof zu stellen.

§ 67d. (1) Die während der Ständeversammlung von der Zweiten Kammer beschlossene Anklage wird auch nach der Vertagung oder dem Schlusse des Landtages von den erwählten Kommissären verfolgt und die Erste Kammer gilt in Beziehung auf diesen Gegenstand nicht als vertagt oder geschlossen.
(2) Dasselbe gilt von der Auflösung der Ständeversammlung, jedoch wird die Schlußverhandlung und Entscheidung über die Anklage bis nach Ablauf der in § 44 der Verfassungsurkunde festgesetzten Frist verschoben.

§ 67e. (1) Hat zur Zeit der Einberufung einer neuen Ständeversammlung der Staatsgerichtshof das Urtheil noch nicht gefällt, so wird derselbe neu gebildet, und die Zweite Kammer wählt aufs Neue die Kommissäre zur Vertretung der Anklage.
(2) Erfolgt jetzt eine abermalige Auflösung, so bleibt die von der Zweiten Kammer gewählte Kommission zur Vertretung der Anklage ermächtigt und ebenso der Staatsgerichtshof in dem früheren Bestand.

§ 67f. (1) Das Recht der Anklage erlischt drei Jahre von dem Zeitpunkte, wo die verletzende Handlung zur Kenntniß des Landtages gekommen ist, wenn die Zweite Kammer jenes Recht nicht wenigstens durch den Beschluß, den Antrag auf Erhebung einer Anklage in Betracht zu ziehen, gewahrt hat.
(2) Die Anklage kann ferner nicht mehr erhoben werden, wenn die Mehrheit der Zweiten Kammer jene Handlung gebilligt hat.

§ 67g. Verordnungen und Verfügungen des Großherzogs, welche sich auf die Regierung und Verwaltung des Landes beziehen, sind in der Urschrift von den zustimmenden Mitgliedern der obersten Staatsbehörde zu unterzeichnen und gelten nur als vollziehbar, wenn die Ausfertigung von einem Minister gegengezeichnet ist."

V. Eröffnung der Ständischen Sitzungen, Formen der Berathungen

§ 68. Jeder Landtag wird in den für diesen Fall vereinigten Kammern, vom Großherzog in Person oder von einem von Ihm ernannten Commissär eröffnet und geschlossen.

§ 69. Sämmtliche neu eintretende Mitglieder schwören bey Eröffnung des Landtags folgenden Eyd: 
"Ich schwöre Treue dem Großherzog, Gehorsam dem Gesetze, Beobachtung und Aufrechterhaltung der Staatsverfassung, und in der Ständeversammlung nur des ganzen Landes allgemeines Wohl und Bestes, ohne Rücksicht auf besondere Stände oder Classen, nach meiner innern Ueberzeugung zu berathen: So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium".

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurden im § 69 die Worte "und sein heiliges Evangelium" gestrichen.

§ 70. Kein Landesherrlicher Antrag kann zur Discussion und Abstimmung gebracht werden, bevor er nicht in besondern Commissionen erörtert und darüber Vortrag erstattet worden ist.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurde der § 70 aufgehoben.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 70. Die Annahme eines Entwurfs, sowie die Ablehnung eines landesherrlichen Vorschlags können in jeder Kammer sowohl nach Vorberatung in einem besonderen Ausschusse, als auch ohne solche erfolgen, letzteres aber nur auf Grund einer zweimaligen, durch eine Zwischenzeit von mindestens drei Tagen getrennten Beratung und Abstimmung. Ein von der einen Kammer an die andere Kammer gebrachter Entwurf oder Vorschlag kann mit Verbesserungsvorschlägen an die anderen Kammer zurückgegeben werden."

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 70a. Die Annahme eines Gesetzentwurfes, sowie die Ablehnung eines Landesherrlichen Gesetzesvorschlags können in jeder Kammer, sowohl nach stattgefundener Vorberathung in einem besonderen Ausschuß, als auch ohne solche erfolgen, letzteres aber nur auf Grund einer zweimaligen, durch eine Zwischenzeit von mindestens drei Tagen getrennten Berathung und Abstimmung. Ein von der einen Kammer an die andere gebrachter Gesetzentwurf oder Vorschlag irgend einer Art kann, wenn er nicht Finanzgegenstände betrifft, mit Verbesserungsvorschlägen an die andere Kammer zurückgegeben werden."

Durch Gesetz vom 24. August 1904 wurde der § 70a aufgehoben.

§ 71. Die Landesherrlichen Commissarien treten zur vorläufigen Erörterung der Entwürfe mit ständischen Commissarien zusammen, so oft es von der einen oder andern Seite für nothwendig erachtet wird. Keine wesentliche Abänderung in einem Gesetz-Entwurf kann getroffen werden, die nicht mit den Landesherrlichen Commissarien in einem solchen gemeinschaftlichen Zusammentritt erörtert worden ist.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurde der § 71 aufgehoben.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 71. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung einer Kammer ist, soweit nicht ausdrücklich Ausnahmen festgesetzt sind, die Zustimmung der absoluten Mehrheit der in gesetzlicher Anzahl anwesenden Mitglieder erforderlich.
Bei gleicher Stimmenzahl gibt die Stimme des Präsidenten die Entscheidung."

§ 72. Die Kammern können einen zum Vortrag gebrachten Entwurf nochmals an die Commissionen zurückweisen.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurde der § 72 aufgehoben.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 72. Die Erste Kammer wird durch die Anwesenheit von mindestens fünfzehn, die zweite Kammer durch die Anwesenheit von mindestens siebenunddreißig Mitgliedern, einschließlich der Präsidenten, beschlußfähig."

§ 73. Ein von der einen Kammer an die andere gebrachter Gesetzes-Entwurf oder Vorschlag irgendeiner Art kann, wenn er nicht Finanz-Gegenstände betrifft, mit Verbesserungs-Vorschlägen, die in einer Commission nach § 71 erörtert worden, an die andere Kammer zurückgegeben werden.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 wurde der § 73 aufgehoben.

Durch Gesetz vom 24. August 1904 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 73. Zur gültigen Abstimmung über Entwürfe, durch welche diese Verfassung ergänzt, erläutert oder abgeändert werden soll, wird in beiden Kammern die Anwesenheit von mindestens drei Vierteln der Mitglieder erfordert. Bei Berechnung der drei Viertel werden in der ersten Kammer die im § 27 Ziffer 1 bis 3 genannten Mitglieder, wenn sie in der betreffenden Sitzungsperiode am Landtage weder in Person, noch durch Stellvertreter teilnehmen, nicht gezählt.".

§ 74. Jeder gültige Beschluß einer Kammer erfordert, wo nicht ausdrücklich eine Ausnahme festgesetzt worden ist, absolute Stimmenmehrheit bey vollzähliger Versammlung. Bey gleicher Stimmenzahl giebt die Stimme des Präsidenten die Entscheidung. Tritt der Fall ein, daß in Finanzsachen die Stimmen beyder Kammern zusammengezählt werden müssen, so entscheidet bey Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten der Zweiten Kammer.

Man stimmt ab mit lauter Stimme und den Worten: Einverstanden! oder: Nicht einverstanden! Nur bey der Wahl der Candidaten für die Präsidentenstelle der zweyten Kammer, der Ausschußglieder und der Glieder der Commissionen entscheidet relative Stimmenmehrheit bey Geheimer Stimmgebung.

Die erste Kammer wird durch die Anwesenheit von 10, die zweyte durch die Anwesenheit von 35 Mitgliedern, einschließlich der Präsidenten, vollzählig. Zur gültigen Berathschlagung über die Abänderung der Verfassung wird in beyden Kammern die Anwesenheit von drei Viertel der Mitglieder erfordert.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 erhielt der § 74 Abs. 2 folgende Fassung:
"Die Stimmenzahl und das Verfahren bei den von den Kammern vorzunehmenden Wahlen wird unbeschadet der in § 51 der Verfassungsurkunde enthaltenen Vorschrift durch die Geschäftsordnungen geregelt.".

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 74 folgende Fassung:
"§ 74. Zur Gültigkeit einer Gesamtabstimmung nach § 61 Absatz 4 wird erfordert, daß in jeder Kammer die zur Beschlußfassung nötige Zahl von Mitgliedern anwesend ist. Der Entwurf gilt als angenommen, wenn sich bei der Durchzählung die Mehrheit der in beiden Kammern abgegebenen Stimmen dafür ausgesprochen hat; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten der Zweiten Kammer.

Durch Gesetz vom 17. Juni 1862 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 74a. Die in § 27 Absatz 1, 2 und 3 der Verfassungsurkunde genannten Mitglieder der Ersten Kammer der Landstände sind derjenigen Zahl von Anwesenden, welche der § 74 zur gültigen Berathschlagung über die Abänderung der Verfassung vorschreibt, nur insofern beizurechnen, als sie an dem betreffenden Landtage theil nehmen."

Durch Gesetz vom 24. August 1904 wurde der § 74a aufgehoben.

§ 75. (1) Die beyden Kammern können weder im Ganzen noch durch Commissionen zusammentreten; sie beschränken sich in ihrem Verhältniß zu einander auf die gegenseitige Mittheilung ihrer Beschlüsse.

(2) Sie stehen nur mit dem Großherzoglichen Staatsministerium in unmittelbarer Geschäftsberührung; sie können keine Verfügungen treffen oder Bekanntmachungen irgend einer Art erlassen.

(3) Deputationen dürfen sie nur, jede besonders, nach eingeholter Erlaubniß, an den Großherzog abordnen.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 erhielt der § 75 Abs. 1 folgende Fassung:
"Die beiden Kammern können nicht zusammentreten; sie beschränken sich in ihrem Verhältnisse zueinander auf die gegenseitige Mittheilung ihrer Beschlüsse.".

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 75 folgende Fassung:
"§ 75. Außer bei der Eröffnung und Schließung des Landtages dürfen die beiden Kammern nicht zusammentreten.
Wenn aber die Beschlüsse beider Kammern voneinander abweichen, kann auf Anregung der einen oder anderen Seite durch Vermittlung der Präsidenten zum Zweck einer Verständigung ein Zusammentritt der beiderseitigen Kommissionen stattfinden.
Beide Kammern beschränken sich in ihrem Verhältnis zueinander auf die gegenseitige Mitteilung ihrer Beschlüsse.
Sie stehen nur mit dem Großherzoglichen Staatsministerium in unmittelbarer Geschäftsberührung; sie können keine Verfügungen treffen oder Bekanntmachungen irgend einer Art erlassen. Deputationen dürfen sie nur, jede besonders, nach eingeholter Erlaubnis, an den Großherzog abordnen.".

§ 76. Die Minister und Mitglieder des Staatsministeriums und Großherzoglichen Commissarien haben jederzeit bey öffentlicher und geheimer Sitzung Zutritt zu jeder Kammer und müssen bey allen Discussionen gehört werden, wenn sie es verlangen. Nur bey der Abstimmung treten sie ab, wenn sie nicht Mitglieder der Kammer sind. Nach ihrem Abtritt dürfen die Discussionen nicht wieder aufgenommen werden.

Durch Gesetz vom 21. Dezember 1869 erhielt der § 76 folgende Fassung:
"§ 76. Die Minister und Mitglieder des Staatsministeriums und großherzogliche Commissarien haben jederzeit bei öffentlicher und geheimer Sitzung Zutritt und müssen bei allen Discussionen gehört werden, wenn sie es verlangen. Wenn eine Vorberatung in einem besonderen Ausschuß stattfindet, so treten zur vorläufigen Erörterung der Entwürfe die landesherrlichen Kommissarien mit den ständischen Ausschüssen zusammen, so oft es von der einen oder anderen Seite für notwendig erachtet wird. Keine wesentliche Abänderung in einem Gesetzentwurf kann getroffen werden, die nicht mit den landesherrlichen Kommissarien in einem solchen gemeinschaftlichen Zusammentritt erörtert worden ist."

§ 77. Nur den landesherrlichen Commissarien und den Mitgliedern der ständischen Commissionen wird gestattet, geschriebene Reden abzulesen; allen übrigen Mitgliedern sind blos mündliche Vorträge gestattet.

§ 78. Die Sitzungen beyder Kammern sind öffentlich. Sie werden geheim auf das Begehren der Regierungscommissarien bey Eröffnungen, für welche sie die Geheimhaltung nöthig erachten, und auf das Begehren von drey Mitgliedern, denen nach dem Abtritt der Zuhörer aber wenigstens ein Viertel der Mitglieder über die Nothwendigkeit der geheimen Berathung beitreten muß.

§ 79. Die Reihenfolge, wonach die Abgeordneten der Grundherren und der Städte und Aemter aus der Versammlung austreten, wird auf dem ersten Landtage für die einzelnen Wahlbezirke ein für allemal durch das Loos bestimmt. Die Hälfte der Grundherrlichen Abgeordneten tritt im Jahr 1823 aus und dann alle vier Jahre wieder die Hälfte. Im Jahr 1821 tritt ein Viertel der Abgeordneten der Städte und Aemter und dann alle zwey Jahre wieder ein Viertel aus.

Durch Gesetz vom 28. Dezember 1831 erhielt der § 79 folgende Fassung:
"§ 79. Fassung unbekannt."

Durch Gesetz vom 5. August 1841 erhielt der § 79 folgende Fassung:
"§ 79. Fassung unbekannt."

Durch Gesetz vom 16. April 1870 erhielt der § 79 folgende Fassung:
"§ 79. Nach jeder Gesamterneuerung der Kammern, im Fall des § 43 der Verfassungsurkunde, wird auf dem ersten Landtage die Reihenfolge des regelmäßigen Austritts der Abgeordneten der Grundherrn, der Städte und Ämter durch das Loos ein für allemal bis zu einer wieder eintretenden Gesammterneuerung bestimmt.
Von den Abgeordneten der Städte und Ämter sollen erstmals nur 31 und in der zweiten Periode 32 Mitglieder austreten.
Die theilweise Erneuerung geschieht jeweils am 1. Juli des zweiten Jahres einer Budgetperiode, und nach einer Gesammterneuerung der Kammern der erste theilweise Austritt der grundherrlichen Abgeordneten am 1. Juli des vierten, der erste theilsweise Austritt der Abgeordneten der Städte und Ämter aber am 1. Juli des zweiten Jahres, überall unter der Voraussetzung, daß an diesem Tage die Kammern weder zu einem ordentlichen, noch zu einem au0erordentlichen Landtage versammelt sind. Niemals darf jedoch ein solcher, nach der vorigen Periode angehörender Landtag das Budget auch für die folgende votieren, sondern es muß hierzu der regelmäßig zur Hälfte erneuerte berufen werden. Findet die Auflösung einer Ständeversammlung vor Bewilligung des der laufenden Landtagsperiode angehörenden Budgets statt, so wird die Dauer ihrer Sitzung dem neu einberufenen Landtage eingerechnet, so daß die erste Hälfte der grundherrlichen Abgeordneten und der Mitglieder der Zweiten Kammer mit dem 30. Juni des nämlichen Jahren austritt, an welchem der betreffende Theil der Mitglieder der aufgelösten Kammer hätte austreten müssen.
Findet dagegen die Auflösung erst nach Bewilligung des betreffenden Budgets statt, so wird die bis zur regelmäßigen nächsten Erneuerung noch verlaufende Zeit der neu einzuberufenden Ständeversammlung nicht eingerechnet, sondern es dauert die Vollmacht der Letzteren so lange fort, als wäre sie erst im Zeitpunkt jener regelmäßigen (theilweisen) Erneuerung berufen worden.".

Durch Gesetz vom 24. August 1904 erhielt der § 79 folgende Fassung:
"§ 79. Die vierjährige Landtagsperiode zuerfällt in zwei Sitzungsperioden von je zweijähriger Dauer.
In jeder Sitzungsperiode wird über das Finanzgesetz Beschluß gefaßt
Ist der Landtag während der Sitzungsperiode aufgelöst worden, ehe über das Finanzgesetz Beschluß gefaßt war, so wird für den neu berufenen Landtag die Dauer der ersten Sitzungsperiode und der Mitgliedschaft so berechnet, wie wenn die Wahl bei Beginn derjenigen Sitzungsperiode, in welcher der letzte Landtag aufgelöst wurde, stattgefunden hätte.
Ist die Auflösung nach der Beschlußfassung über das Finanzgesetz erfolgt, so wird der Rest der noch nicht abgelaufenen Sitzungsperiode der vierjährigen Landtagsperiode des neuen Landtags zugeschlagen. Die Vorschrift des § 37 Absatz 2 findet auch im Fall der Auflösung Anwendung."

§ 80. Bey der ersten Wahlhandlung erkennt über alle, wegen Gültigkeit der Wahlen entstehenden Streitigkeiten die Landesherrliche Central-Commission, die mit der ersten Vollziehung des Constitutions-Gesetzes beauftragt werden wird.

§ 81. Die Zeit der Eröffnung des ersten Landtags wird auf den ersten Februar 1819 festgesetzt.

§ 82. (1) Der zur Zeit der Eröffnung des ersten Landtags, wo die Constitution in Wirksamkeit tritt, bestehende Zustand in allen Zweigen der Verwaltung und Gesetzgebung dauert fort, bis die erste Verabschiedung mit dem Landtage in den Gegenständen, die sich dazu eignen, getroffen seyn wird.

(2) Insbesondere wird das erste Budget bis zur Vereinbarung mit den Ständen provisorisch in Vollzug gesetzt.

§ 83. Gegenwärtige Verfassung wird unter die Garantie des deutschen Bundes gestellt.

    Griesbach, den 22. August 1818. 

Carl
F. A. Wielandt


Quelle: Regierungsblatt für das Großherzogthum Baden 1818, S. 101 ff.
Universität Würzburg
E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Band 1
K.H.L. Pölitz, Die Verfassungen des deutschen Staatenbundes, Brockhaus Leipzig 1833,1847
© 23. September 2000 - 4. November 2004


Home                Zurück                Top