Landeverordnung über die Landtagswahlen und den Volksentscheid

vom 10. April 1947

geändert durch
Gesetz über den Volksentscheid vom 26. August 1948 (GVBl. S. 161)

aufgehoben durch
Landesgesetz über die Landtagswahlen, Kreiswahlen und Gemeindewahlen vom 7. Juli 1948

Nach Beratung in der Landesversammlung und nach Annahme durch das Staatssekretariat verkündet der Präsident des Staatssekretariats folgende

Landesverordnung

über die Landtagswahlen und den Volksentscheid.

I. Abschnitt Wahlen zum Landtag.

1. Wahlberechtigung und Wählbarkeit

§ 1. Wahlberechtigt bei den Wahlen zum Landtag sind alle Männer und Frauen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, am 1. Januar des Wahljahres das 21. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens 1 Jahr, bezogen auf den 1. Januar des Wahljahres, ihren Wohnsitz in Baden haben.

§ 2. Nichtwahlberechtigt ist, wer nicht in die Wählerliste oder Wahlkartei aufgenommen ist.

§ 3. Jeder Wahlberechtigte hat nur eine Stimme und darf nur an einem Ort abstimmen.

§ 4. Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der am Wahltag das 25. Lebensjahr vollendet hat und nicht von einem Grunde der Unwählbarkeit betroffen ist, sofern er auf der Wahlvorschlagsliste einer politischen Partei aufgeführt ist. Für die Wahlvorschlagsliste des Wahlkreises, in dem sie ihr Amt ausüben, können sich nicht aufstellen lassen:
a) die Landräte und die höheren Beamten der Landratsämter;
b) die Polizeidirektoren in den Stadtkreisen Freiburg und Baden-Baden.

Beamte und Angestellte des Landes oder eines öffentlichen Dienstes können, auch wenn auf sie der vorstehende Absatz nicht zutrifft, nicht gleichzeitig ihr Abgeordnetenmandat und ihr öffentliches Amt während der Dauer der Sitzungsperiode ausüben. Während dieser Dauer müssen sie von ihrer vorgesetzten Behörde beurlaubt werden, dürfen aber dadurch keinen Nachteil in ihrer Laufbahn oder in ihren Bezügen erleiden.

§ 5. Ein Abgeordneter verliert seinen Sitz im Landtag
1. durch Verzicht auf sein Mandat;
2. durch nachträglichen Verlust der Wählbarkeit;
3. durch gerichtliche Aberkennung der Rechte aus öffentlichen Wahlen;
4. durch Ungültigkeitserklärung der Wahl oder sonstiges Ausscheiden im Wahlprüfungsverfahren;
5. durch nachträgliche Berichtigung des Wahlergebnisses.

Der Verzicht ist dem Präsidenten des Landtags schriftlich zu erklären; er kann nicht widerrufen werden.

2. Wahlkreise und Wahlleiter

§ 6. Für die Wahl wird das Land in folgende 12 Wahlkreise eingeteilt:
1. Wahlkreis: Überlingen - Stockach
2. Konstanz
3. Donaueschingen - Neustadt 
4. Säckingen - Waldshut
5  Lörrach
6. Freiburg - Müllheim
7. Stadt Freiburg
8. Emmendingen
9. Offenburg - Lahr
10. Wolfach - Villingen
11. Bühl  - Kehl
12. Rastatt - Baden-Baden

Jeder Wahlkreis besteht aus den in seiner Bezeichnung genannten Kreisen; Wahlkreis 2 aus dem Stadt- und Landkreis Konstanz; Wahlkreis 6 aus den Landkreisen  Freiburg und Müllheim.

§ 7. Die Sitze werden nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vom Landeswahlausschuß in folgender Weise verteilt:
1. Die Stimmen, welche die verschiedenen Parteien in jedem Wahlkreis erhalten haben, werden für das ganze Land zusammengezählt.
2. Die Gesamtzahl der gültig abgegebenen Stimmen wird durch 60 geteilt, wodurch man den Wahlquotienten erhält, der zur nächsten durch 100 teilbaren Zahl abgerundet wird.
3. Die Zahl der Sitze; die jeder Partei im Lande insgesamt zugeteilt werden, ergibt sich, indem man die Gesamtzahl der von einer Partei in allen Wahlkreisen erzielten Stimmen durch den Wahlquotienten teilt, der in der vorstehenden Ziffer angegeben ist. Wenn die auf diese Weise verteilte Zahl der Sitze unter 60 bleibt, wird sie ergänzt durch die Zuteilung weiterer Sitze an diejenige Partei oder diejenigen Parteien, welche die größten Reststimmenzahlen aufweisen und zwar in der Reihenfolge der Größe dieser Reste.
4. In jedem Wahlkreis erfolgt die Zuteilung der Sitze, die auf jede Partei nach dein Verteilungsverfahren in Ziffer 3 entfallen, in nachstehender Weise:
    a) Die Wahlvorschlagslisten, welche den Wahlquotienten erreicht haben, erhalten soviele Sitze, als der Wahlquotient in der Zahl der abgegebenen Stimmen enthalten ist.
    b) In jedem Wahlkreis wird ein weiterer Sitz auf die Wahlvorschlagslisten zugeteilt, für welche ein, in der ersten Verteilung nicht verwendeter Stimmenrest vorhanden ist, der drei Viertel des Wahlquotienten erreicht oder übersteigt.
5. Die Sitze, welche auf eine Partei nach der Bein Ziffer 3 entfallen, aber nicht in einem Wahlkreis zugeteilt werden, entfallen für die betreffende Partei auf die Bewerber, welche auf der Landeswahlvorschlagsliste aufgeführt sind, und zwar in der Reihenfolge ihrer Aufführung.

Die Landeswahlvorschlagslisten müssen für jede Partei 60 Namen enthalten. Landeswahlleiter ist der Leiter des Ministeriums des Innern oder ein von ihm bestellter Beamter der inneren Verwaltung.

Beim Landeswahlleiter wird ein Landeswahlausschuß gebildet, der aus dem Landeswahlleiter als Vorsitzendem und je einem Vertrauensmann jeder zugelassenen Partei besieht,

§ 9. Kreiswahlleiter ist für jeden Wahlkreis ein vom Landeswahlleiter ernannter Landrat dieses Wahlkreises, im Wahlkreis 7 der Oberbürgermeister der Stadt Freiburg.

Bei jedem Kreiswahlleiter wird ein Kreiswahlausschuß gebildet, der aus dein Kreiswahlleiter als Vorsitzendem und je einem Vertrauens­Mann jeder zugelassenen Partei besteht.

§ 10. Bei Abstimmungen im Landeswahlausschuß oder in den Kreiswahlausschüssen entscheidet Stimmenmehrheit. Im Falle von Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Über die Sitzungen der Wahlausschüsse sind Niederschriften anzufertigen.

§ 11. Für die Stimmabgabe wird jeder Wahlkreis in Wahlbezirke eingeteilt. Die Wahlbezirke fallen grundsätzlich mit den Gemeinden zusammen. Große Gemeinden können -in mehrere Wahlbezirke - zerlegt, kleine Gemeinden    oder Teile

von Gemeinden mit benachbarten Gemeinden oder Gemeindeteilen zu- einem Wahlbezirk vereinigt werden. Kein Wählbezirk soll mehr als 2500 Einwohner umfassen. Die Bildung eigener Wahlbezirke für Anstalten oder Heime mit einer größeren Zahl von Wahlberechtigten ist zulässig. Die Einwohnerzahl darf bei keinem Wahlbezirk so gering sein, daß sich die Wahlentscheidung der einzelnen Wahlberechtigten Wahlberechtigten ermitteln ließe.

Zuständig zur Einteilung in Wahlbezirke ist der Landrat, in den Städten Freiburg, Konstanz und Baden-Baden der Oberbürgermeister. Die zuständigen Behörden berichten die Einteilung in Wahlbezirke dem Kreiswahlleiter, der sie .dein Landeswahlleiter weiterzureichen hat.

§ 12. Der Kreiswahlleiter beruft für jeden Wahlbezirk einen Wahlvorsteher und seinen Stellvertreter.

Der Wahlvorsteher beruft aus der Zahl der Wahlberechtigten seines Wahlbezirks einen Schriftführer und drei bis sechs Beisitzer. Wahl­Vorsteher, Stellvertreter, Schriftführer und Beisitzer bilden zusammen den Wahlvorstand. Bei der Auswahl der Mitglieder des Wahlvorstandes ist darauf Bedacht zu nehmen, daß nach Möglichkeit die im Wahlbezirk vertretenen Parteien daran beteiligt sind.

Die Wahlleiter und die Mitglieder der Wahlausschüsse und der Wahlvorstände werden jeweils unmittelbar nach Festsetzung des Wahltermins für diese Wahl berufen. Sie Führen ihr Amt so lange, bis alle Arbeiten für diese Wahl abgewickelt sind,

Die Vertrauensmänner der Parteien werden von diesen benannt. Sie führen ihr Amt so lange, bis von der Partei andere Vertrauensmänner benannt werden.

3. Wahlvorbereitung

§ 14. In jeder Gemeinde wird für die dort wohnenden Wahlberechtigten eine Wählerliste oder Wahlkartei geführt.

Jeder Wahlberechtigte muß von der Gemeinde in die Wählerliste (Wahlkartei) aufgenommen werden.

§ 15. Ein, Wahlberechtigter kann nur in dem Wahlbezirk wählen, in dessen. Wählerliste oder Wahlkartei er eingetragen ist.

§ 16. Beim Kreiswahlleiter können spätestens am 20. Tage vor dem Wahltag die Kreiswahlvorschläge eingereicht werden. Kreiswahlvorschläge können nur von einer zugelassenen Partei eingereicht werden.

§ 17. Beim Landeswahlleiter können spätestens am 20: Tag vor dem Wahltag Landeswahlvorschläge eingereicht werden. Landeswahlvorschläge können nur von einer zugelassenen Partei eingereicht werden.

§ 18. In Kreis- und Landeswahlvorschlägen müssen die Namen der Bewerber in erkennbarer Reihenfolge aufgeführt sein. In den Wahlvorschlag darf nur aufgenommen werden, wer seine Zustimmung hierzu schriftlich erteilt hat; die Erklärung muß gleichzeitig mit den Wahlvorschlägen eingereicht werden.

Auf einer Wahlvorschlagsliste darf der Name eines Bewerbers nur einmal vorkommen. Die gleichzeitige Aufnahme in die Landeswahlvorschlagsliste und in die Kreiswahlvorschlagslisten ist zulässig.

§ 19. Der Kreiswahlausschuß prüft die Kreiswahlvorschläge. Der Landeswahlausschuß prüft die Landeswahlvorschläge.

Die Wahlausschüsse prüfen von Amts wegen die Zulässigkeit der Vorschläge und setzen auf Grund ihrer Prüfung die Wahlvorschläge fest. Nach ihrer Festsetzung durch die Wahlausschüsse können die Wahlvorschläge und die Zustimmungserklärungen nicht mehr geändert oder zurückgenommen werden.

Die Wahlausschüsse geben die von ihnen festgesetzten Wahlvorschläge spätestens am 12. Tage vor der Wahl in der zugelassenen Form öffentlich bekannt:

4. Wahlhandlung und Ermittlung des Wahlergebnisses

§ 20. Jeder kann für einem Wahlvorschlag abgeben.

Jeder Stimmzettel enthält alle zugelassenen Kreiswahlvorschläge unter Angabe der Partei und unter Hinzufügung der ersten vier Namen der Bewerber . Die Stimmabgabe erfolgt derart, daß der Wahlberechtigte durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz kenntlich macht, welchem Kreisvorschlag er seine Stimme geben will.

§ 21. Die Wahlhandlung findet in der Zeit von 8 bis 18 Uhr unter denselben Bedingungen, die bei der Wahl der Mitglieder der Kreisversammlungen anzuwenden waren, statt.

§ 22. Nach Abschluß der Wahlhandlung wird die Urne geöffnet und die Anzahl der Umschläge festgestellt. Der Wahlvorsteher bestimmt ans der Zahl der Beisitzer die Stimmzähler.

Ungültig sind Stimmzettel,
1. die als nicht amtlich hergestellt erkennbar sind;
2. die mit einem besonderen Merkmal versehen sind,
3. aus deren Kennzeichnung der Wille des Wählers nicht unzweifelhaft zu erkennen ist,
4. die einen Zusatz, eine Verwahrung oder einen Vorbehalt enthalten.

Mehrere von einem Wähler zugleich abgegebene,nicht verschieden gekennzeichnete Stimmzettel, gelten als eine Stimme. Sind sie verschieden gekennzeichnet, so sind sie ungültig.

§ 23. Die Zählung der Stimmen im Wahlbezirk hat in unmittelbarem Anschluß an die Wahlhandlung stattzufinden und ist ohne, Unterbrechung bis zum Abschluß durchzuführen. Jeder Wahlvorsteher meldet das Ergebnis sofort dem Kreiswahlleiter.

Der Kreiswahlausschuß stellt fest, wie viele gültige Stimmen insgesamt und wie viele Stimmen für jeden Wahlvorschlag im Wahlkreis abgegeben  worden sind.

§ 24. Innerhalb einer Wahlvorschlags werden die Sitze in der Reihenfolge verteilt, in der die Bewerber aufgeführt sind.

§ 25. Der Landeswahlleiter hat alle Gewählten sofort vom Ergebnis der Wahl zu verständigen.

§ 26. Sobald die Namen aller Abgeordneten feststehen, hat der Landeswahlleiter sämtliche Namen alsbald öffentlich bekanntzugeben.

Wenn ein Abgeordneter ausscheidet, so stellt der Landeswahlausschuß fest, wer an seiner Stelle berufen ist. Hierbei wird nach § 24 verfahren.

§ 28. Findet gemäß  § 31 eine Nachwahl statt, so verteilt der Landeswahlausschuß auf Grund des Ergebnisses der  Nachwahl von neuem die gesamten Reststimmen.

§ 29. Die Kosten für die Aufstellung der Wählerlisten oder Wahlkarteien sowie für- die Bereitstellung der Abstimmungsräume und der für die Abstimmung nötigen Gegenstände tragen die Gemeinden alle übrigen Kosten trägt der Staat.

Die zur Durchführung der Wahlen vorgesehenen Ämter sind Ehrenämter; eine Vergütung hierfür wird nicht gewährt.

§ 30. Jeder Wahlberechtigte kann Einspruch gegen die Wahl einlegen, falls von ihm Unregelmäßigkeiten in den Mahlhandlungen geltend gemacht werden, die geeignet sind, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Der Einspruch ist innerhalb einer Woche nach Veröffentlichung des Wahlergebnisses beim Verwaltungsgerichtshof einzulegen.

Die rechtskräftigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs sind für die vom Landtag vorzunehmende Prüfung der Vollmacht seiner Mitglieder bindend.

§ 31. Werden die Wahlhandlungen infolge von Unregelmäßigkeiten ganz oder teilweise für nichtig erklärt, so sind die notwendig werdenden Wahlen innerhalb von 45 Tagen, von der endgültig getroffenen Entscheidung an gerechnet, abzuhalten.

II. Abschnitt Volksentscheid

§ 32. Auf den Volksentscheid finden die Vorschriften des Abschnitts I entsprechende Anwendung. Den Tag des Volksentscheids bestimmt die Landesregierung. Er darf nicht länger als sechs Wochen über den Tag hinaus festgesetzt werden, an dem sich die Notwendigkeit des Volksentscheids ergeben hat.

Durch Gesetz vom 26. August 1948 wurde der § 32 aufgehoben.

§ 33. Die dem Volksentscheid zu unterstellende Frage ist von der Landesregierung in der Weise zu fassen, daß sie mit „Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann.

Durch Gesetz vom 26. August 1948 wurde der § 33 aufgehoben.

§ 34. Die Stimmenaufzeichnung geschieht durch den Schriftführer in der Weise, daß die zur Abstimmung gestellten Fragen in die Niederschrift aufgenommen werden und die Zahl der mit „Ja" und der mit „Nein" abgegebenen Stimmen fortlaufend für sich vermerkt und laut verlesen wird.

Durch Gesetz vom 26. August 1948 wurde der § 34 aufgehoben.

§ 35. Ungültig sind auch Stimmzettel, die weder „Ja noch „Nein" oder beides zugleich als Antwort zu der gleichen Frage enthalten.

Mehrere in einem Umschlag enthaltene gleichlautende gültige Stimmzettel für die gleiche Frage gelten als einer; mehrere verschieden lautende Stimmzettel für die gleiche Frage sind ungültig.

Durch Gesetz vom 26. August 1948 wurde der § 35 aufgehoben.

§ 36. Der Landeswahlleiter beruft den Landeswahlausschuß auf den dritten Tag nach dem Abstimmungstag zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses. Der Landeswahlausschuß stellt das Abstimmungsergebnis auf Grund der Niederschriften in den Stimmbezirken und der Zusammenstellungen der Kreiswahlleiter nach der Gesamtzahl der gültig abgegebenen "Ja" und „Nein" fest. Bei Gleichheit der Stimmen für die Bejahung und für die Verneinung einer Frage ist die Frage verneint.

Über die Verhandlung des Landeswahlausschusses ist eine Niederschrift anzufertigen. Der Landeswahlleiter veröffentlicht das Abstimmungsergebnis. Nach Abschluß aller Verhandlungen werden die Akten im Ministerium des Innern hinterlegt.

Durch Gesetz vom 26. August 1948 wurde der § 36 aufgehoben.

Schlußbestimmung

§ 37. Diese Landesverordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Die Durchführungsvorschriften werden vom Ministerium des Innern erlassen

    Die vorstehende Landesverordnung hat Gesetzeskraft als badisches Landesgesetz.

Freiburg i. Br., den 10. April 1947.

Der Präsident des Staatssekretariats Baden
gez. Wohleb

Der Staatssekretär des Bad. Ministeriums des Innern
gez. Dr. Nordmann


Quellen: Amtsblatt der Landesverwaltung Baden 1947 S. 77
© 19. Juli 2004


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