Wahlordnung für die Landtags- und Kreistagswahlen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands

vom  11. September 1946

aufgehoben durch die
Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen in der DDR am 15. Oktober 1950 vom 9. August 1950 (GBl. S. 743)

§ 1. Tag der Wahlen. Die Wahlen zu den Landtagen und Kreistagen finden am 20. Oktober 1946 statt.

§ 2. Wahlberechtigung und Wählbarkeit. 1. Wahlrecht haben alle Männer und Frauen deutscher Staatsangehörigkeit sowie Umsiedler, die am Wahltag das 21. Lebensjahr vollendet und am Tage des Abschlusses der Wählerliste ihren Wohnsitz im Gebiet des Landes/Kreises haben.

2. Ihr Wahlrecht ausüben können nur Personen, die in die Wählerlisten eingetragen sind oder eine Wahlberechtigungsbescheinigung (Wahlschein) haben.

3. Wählbar zum Landtag und Kreistag ist jeder Wähler, der am Wahltag das 23. Lebensjahr vollendet und am Tage der Aufforderung zur Einreichung von Wahlvorschlägen in Deutschland seinen Wohnsitz hat.

4. Ausgenommen von der Wählbarkeit sind alle früheren Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Gliederungen.

5. Wenn ehemalige Kriegsgefangene nach Abschluß der Wählerlisten ihren Wohnsitz in einem Ort des Landes/Kreises begründen, ist ihnen ein Wahlschein auszustellen.

§ 3. (1) Vom Wahlrecht ausgeschlossen sind:
1. Kriegsverbrecher; Das sind Personen welche auf Grund des Gesetzes Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates wegen Verbrechens gegen den Frieden, wegen Kriegsverbrechen oder wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Anklage stehen oder in Haft sind.
2. Ehemalige Angehörige
    a) der SS - mit Ausnahme solcher Angehöriger der Waffen-SS, die nachweisen können, daß sie zwangsweise in sie eingereiht worden sind und sich nicht als aktivistische Faschisten betätigt haben -, des Sicherheitsdienstes (SD) und der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und deren Agenten;
    b) der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (vom Ortsgruppenleiter aufwärts);
    c) des Nationalsozialistischen Frauenbundes (von der Kreisfrauenschaftsleiterin aufwärts);
    d) der SA, des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) und des Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK) (vom Truppführer oder Funktionen gleichen Ranges aufwärts);
    e) der Hitler-Jugend (vom Unterbannführer aufwärts);
    f) des Bundes Deutscher Mädel (BDM) (von der Ringführerin aufwärts).
3. Sonstige Aktivisten des Faschismus und Kriegsinteressenten, deren Namen der Gemeindebehörde auf Vorschlag der antifaschistisch-demokratischen Parteien der Gemeinden durch den Block der antifaschistischdemokratischen Parteien des Kreises namhaft gemacht werden.

(2) Ausgeschlossen vom Wahlrecht sind ferner:
a) Personen, die entmündigt sind oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen Geisteskrankheit unter Pflegschaft stehen;
b) Personen, die durch Richterspruch die bürgerlichen Ehrenrechte verloren haben, mit Ausnahme von solchen, die wegen antifaschistischer und antimilitaristischer Tätigkeit in der Zeit von 1933 bis zur Kapitulation Deutschlands verurteilt wurden.

§ 4. An der Ausübung ihres Wahlrechts behindert sind:
1. Geisteskranke und Schwachsinnige, die sich in Heil- und Pflegeanstalten befinden.
2. Straf- und Untersuchungsgefangene.
3. Personen, die sich auf Befehl richterlicher oder polizeilicher Organe in Haft befinden.

§ 5. Wahlbezirke, Wahlleitung, Wahlausschüsse. 1. Zur Durchführung der Wahlen zum Landtag kann das Land in Wahlbezirke geteilt werden.

2. Den Umfang der Wahlbezirke bestimmt das Präsidium der Landesverwaltung.

3. Für jeden Wahlbezirk werden Wahlvorschläge eingereicht. Sie müssen von der Landesorganisation der Parteien oder antifaschistisch-demokratischen Organisationen unterzeichnet sein. Das Präsidium der Landesverwaltung trifft die Bestimmungen über die Anzahl der in den Wahlbezirken zu wählenden Landtagsabgeordneten sowie über die Aufteilung der Reststimmen auf die Landeswahlvorschläge. Die Verteilung der Sitze erfolgt durch das Wahlzahlensystem.

4. Im übrigen finden die Bestimmungen dieser Wahlordnung Anwendung auf die Durchführung der Wahlen in den Wahlbezirken.

§ 6. 1. Als Wahlleiter für die Landtagswahl bestellt das Präsidium der Landesverwaltung den Präsidenten oder einen Vizepräsidenten und bestimmt seinen Stellvertreter

§ 7. 1. Für die Landtagswahl wird durch das Präsidium der Landesverwaltung ein Landeswahlausschuß, für die Kreistagswahl durch den Landrat ein Kreiswahlausschuß gebildet. In den einzelnen Gemeinden beruft der Bürgermeister einen Wahlausschuß.

2. Diese Wahlausschüsse sind 30 Tage vor der Wahl zu bilden.

3. Sie bestehen aus sechs Beisitzern aus dem Kreise der Wahlberechtigten sowie einem nicht stimmberechtigten Schriftführer. Für jeden Beisitzer ist ein Vertreter zu bestellen. Vorsitzender des Landes/Kreiswahlausschusses ist der Wahlleiter des Landes/Kreises. Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses der Bürgermeister. Der Stellvertreter hat bei Behinderung oder beim Ausscheiden des Beisitzers für ihn einzutreten. Die Beisitzer und ihre Vertreter sollen aus verschiedenen in der Gemeinde, im Kreis, im Land vertretenen Parteien berufen werden.

Die Mitglieder der Wahlausschüsse werden durch den Vorsitzenden durch Handschlag verpflichtet. Unterzeichner der Wahlvorschläge und Kandidaten können nicht Beisitzer oder Stellvertreter im Wahlausausschuß sein. Die Tätigkeit der Wahlausschuß-Mitglieder ist ehrenamtlich.

§ 8. 1. Der Gemeindeausschuß hat folgende Aufgaben: Entscheidung über Einsprüche gegen die Wählerlisten, insbesondere auch über Einsprüche gegen die Aberkennung des Wahlrechts, Entscheidung über die Einsprüche gegen die Wählbarkeit.

2. Der Landes-Kreiswahlausschuß entscheidet über die Beschwerden gegen Entscheidungen des Gemeindewahlausschusses (§ 22) sowie über die Zulassung der Wahlvorschläge. Er stellt das Abstimmungsergebnis für das Land/Kreis fest und verteilt die Sitze auf die Wahlvorschläge.

§ 9. Der Wahlausschuß ist beschlußfähig, wenn außer dem Vorsitzenden oder seinem Vertreter mindestens die Hälfte der Beisitzer oder Stellvertreter anwesend ist. Er beschließt mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden..

§ 10. Die Wahlvorbereitungen in den einzelnen Gemeinden leitet der Bürgermeister.

Er hat folgende Aufgaben:
a) Aufstellen von Wählerlisten;
b) Auslegen Auslegen der Wählerlisten und deren Bekanntgabe;
c) die Wählerlisten abzuschließen und sie an den Wahlvorsteher zu übersenden;
d) die Wahlscheine auszustellen und in Fällen, in denen die Entgegennahme von Anträgen auf Ausstellung von Wahlscheinen schon am zweitletzten Tage vor dem Wahltage geschlossen wird, die Schließung der Wahlscheinausgabe bekanntzugeben;
e) die Abstimmungsbezirke zu bilden;
f) die Wahlvorsteher und deren Stellvertreter zu ernennen;
g) die Wahlräume zu bestimmen;
h) Ort und Zeit der Wahlhandlung sowie die Abgrenzung der Abstimmungsbezirke bekanntzugeben;
i) die für die Einreichung der Wahlvorschläge erforderlichen Bescheinigungen auszustellen;
j) die Bestellung des Gemeindewahlausschusses bekanntzugeben;
k) das Abstimmungsergebnis dem Landrat zu übermitteln.

Der Bürgermeister kann mit der Führung dieser Geschäfte seinen Vertreter oder einen anderen Verwaltungsangestellten beauftragen,

§ 11. Abstimmungsbezirke und Wahlvorstand. 1. Die Stimmenabgabe ist in den Abstimmungsbezirken vorzunehmen. Jede Gemeinde bildet mindestens einen Abstimmungsbezirk. Soweit erforderlich, hat der Bürgermeister den Gemeindebezirk zur Stimmenabgabe in Bezirke von angemessener Größe einzuteilen. Kein Abstimmungsbezirk soll mehr als 2500 Einwohner umfassen.

2. Für Kranken- und Pflegeanstalten mit einer größeren Zahl von Wahlberechtigten können selbständige Wahlbezirke gebildet werden.

§ 12. In Gemeinden, die nur einen Abstimmungsbezirk bilden, ist der Bürgermeister Wahlvorsteher und sein Vertreter Stellvertreter des Wahlvorstehers. In Gemeinden, die mehrere Abstimmungsbezirke bilden, wird für jeden Abstimmungsbezirk ein Wahlvorsteher und ein Stellvertreter des Wahlvorstehers ernannt. Im Falle des § 39 ist für jeden Wahlraum und Wahltisch ein Wahlvorsteher und ein Stellvertreter zu ernennen.

§ 13. Für jeden Abstimmungsbezirk ist ein Wahlvorstand zu bilden. Der Wahlvorsteher wird durch den Bürgermeister ernannt. Er beruft unter Berücksichtigung der verschiedenen Parteien aus den Wahlberechtigten seines Abstimmungsbezirks, für den er bestellt ist, drei bis sechs Beisitzer und einen Schriftführer.

§ 14. Der Wahlvorsteher, sein Stellvertreter, die Beisitzer und der Schriftführer bilden den Wahlvorstand. Sie erhalten für ihre Tätigkeit keine Vergütung.

§ 15. Der Wahlvorstand tritt auf Einladung durch den Wahlvorsteher am Wahltage zu Beginn der Wahlhandlung im Wahlraum zusammen.

§ 16. Der Wahlvorstand ist bei Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern, unter denen sich stets der Wahlvorsteher oder sein Stellvertreter befinden muß, beschlußfähig. Er beschließt mit Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

§ 17. Der Wahlvorstand führt die Wahlhandlung im Abstimmungsbezirk durch und* stellt das Abstimmungsergebnis fest.

§ 18. Wählerlisten. Der Bürgermeister hat für das Gemeindegebiet eine Liste der im Gemeindebezirk wohnenden nach § 2 Wahlberechtigten so rechtzeitig aufzustellen, daß diese spätestens drei Wochen vor dem Wahltag ausgelegt werden kann. Soweit mehrere Abstimmungsbezirke gebildet werden, ist die Wahlliste für jeden Bezirk gesondert aufzustellen.

§ 19. Die Wählerliste hat Zu- und Vornamen, Alter und Wohnung der Wahlberechtigten in alphabetischer Ordnung unter fortlaufender Nummer zu enthalten. Vor der Eintragung jeder einzelnen Person ist ihr Wahlrecht genau zu prüfen.

Die Listen können nach Geschlechtern getrennt angelegt werden. Die Listen können auch in der Art angelegt werden, daß die Straßen nach der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen oder die Ortsbezirke nach der Reihenfolge ihrer Nummern oder Buchstaben, innerhalb der Straßen oder Ortsbezirke die Häuser nach ihren Nummern und innerhalb jedes Hauses die Wähler eingetragen werden.

§ 20. In die Wählerliste sind alle Wahlberechtigten einzutragen. Personen, die in der Ausübung ihres Wahlrechts behindert sind, sind gleichwohl in die Wählerliste aufzunehmen, jedoch ist bei ihrem Namen in der für den Vermerk der erfolgten Stimmabgabe vorgesehenen Spalte einzutragen "behindert". Fehlt die Ursache der Behinderung, so ist der Vermerk "behindert" zu streichen und in der Spalte "Bemerkungen" der Sachverhalt zu erläutern.

§ 21. Der Wahlleiter des Landes bestimmt den Tag, von dem ab und für welche Zeit die Wählerlisten auszulegen sind. Der Bürgermeister hat in ortsüblicher Weise bekanntzumachen, wo, wie lange und zu welchen Tagesstunden die Wählerliste zu jedermanns Einsicht ausgelegt wird, sowie innerhalb welcher Zeit und in welcher Weise Einspruch gegen die Wählerliste erhoben werden kann.

§ 22. 1. Einsprüche gegen die Wählerliste und gegen die Aberkennung des Wahlrechts oder der Wählbarkeit entscheidet der Gemeinde-Wahlausschuß.

2. Jeder Wahlberechtigte, der die Wählerliste für unrichtig oder unvollständig hält, kann dies bis zum Ablauf der Auslegefrist bei dem Bürgermeister oder seinem Vertreter schriftlich anzeigen oder zur Niederschrift geben. Soweit die Richtigkeit seiner Behauptungen nicht offenkundig ist, hat er für sie Beweismittel beizubringen. Betrifft der Einspruch die Streichung einer anderen Person, so ist dieser Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Erachtet der Ausschuß den Einspruch für begründet, so hat er diesem stattzugeben. Der Bürgermeister hat die getroffene Entscheidung den Beteiligten unverzüglich bekanntzugeben. Erachtet der Ausschuß den Einspruch für nicht begründet, so kann im Beschwerdewege die Entscheidung des Kreiswahlausschusses eingeholt werden. Das gleiche gilt für den Fall, daß der Ausschuß den Einspruch für begründet erachtet, der Betroffene aber der Streichung in der Wählerliste widerspricht. Die Entscheidung des Kreiswahlausschusses ist möglichst vor Abschluß der Wählerliste, jedenfalls aber so zeitig zu treffen, daß der Betroffene gegebenenfalls noch rechtzeitig die Ausstellung eines Wahlscheines beantragen.

3. Verweigert der Bürgermeister die Erteilung der Bescheinigung über die Wählbarkeit (§ 31 Abs. 2 Ziff. 2), so steht dem Betroffenen und den Unterzeichnern des Wahlvorschlages der Einspruch beim Gemeindewahlausschuß und gegen dessen Entscheidung die Beschwerde an den Landes/Kreiswahlausschuß zu.

§ 23. Erhält der Bürgermeister, auch ohne daß Einspruch eingelegt ist, Kenntnis davon, daß die Voraussetzungen der Wahlberechtigung bei einem eingetragenen Wähler nicht oder nicht mehr vorliegen, so hat er die Streichung in der Wählerliste von Amts wegen durchzuführen und den Wähler unverzüglich hiervon zu benachrichtigen. Die Streichung von Amts wegen ist unzulässig, wenn die Benachrichtigung nicht mehr so rechtzeitig erfolgen kann, daß der Betroffene noch Einspruch erheben kann.

§ 24. Im Falle einer Berichtigung der Wählerliste sind die Gründe in Spalte 2Bemerkungen" einzutragen, Ergänzungen in die Wählerliste aufzunehmen.

§ 25. Die berichtigte Wählerliste ist vom Bürgermeister abzuschließen, Hierbei hat er zu bescheinigen, wie lange die Wählerliste ausgelegen hat und wieviel wahlberechtigte Personen eingetragen sind.

§ 26. Der Bürgermeister hat die Wählerliste rechtzeitig dem Wahlvorsteher zu übersenden. Falls noch Entscheidungen über vorgelegte Einsprüche ausstehen, müssen die Entscheidungen den Beteiligten so zeitig zugestellt werden, daß sie die Ausstellung eines Wahlscheines beantragen können.

§ 27. Der Bürgermeister soll gegen Erstattung der Auslagen Abschriften aus der Wählerliste erteilen oder die Anfertigung von Abschriften gestatten.

§ 28. Wahlscheine. (1) Einen Wahlschein erhalten auf Antrag:
1. Wahlberechtigte, die am Wahltage aus zwingenden Gründen nicht in ihrem Abstimmungsbezirk anwesend sind.
2. Wahlberechtigte, die nicht in der Wählerliste eingetragen sind, wenn ihrem Einspruch erst nach Abschluß der Wählerliste stattgegeben wird.
3. Wahlberechtigte, die wegen Behinderung in der Ausübung der Wahlberechtigung in die Wählerliste nicht eingetragen oder gestrichen waren, wenn der Grund hierfür nach Ablauf der Einspruchsfrist weggefallen ist.
4. Ehemalige Kriegsgefangene, die nach Abschluß der Wählerliste zurückkehren und nach den Bestimmungen des § 2 wahlberechtigt sind.

(2) Wahlscheine können noch am Tag vor der Wahl ausgestellt werden. In den größeren Gemeinden kann die Entgegennahme von Anträgen auf Ausstellung von Wahlscheinen am zweitletzten Tag vor dem Wahltag geschlossen werden.

(3) Der Wahlschein ist nach dem beigefügten Vordruck auszustellen.

(4) Die Wahlscheine berechtigen zur Abstimmung in einem beliebigen Abstimmungsbezirk des Landes für die Landtagswahl, des Kreises für die Kreistagswahl.

§ 29. Wahlvorschläge. Der Wahlleiter des Landes fordert zur Einreichung der Wahlvorschläge für den Landtag, der Wahlleiter des Kreises zur Einreichung von Wahlvorschlägen für den Kreistag auf. Die Bekanntmachung muß spätestens 30 Tage vor dem Wahltag erfolgen.

§ 30. Die Wahlvorschläge sind beim Vorsitzenden des Landes- oder Kreiswahlausschusses spätestens am 17. Tage vor dem Wahltag schriftlich einzureichen. Eine telegraphische Erklärung gilt als schriftliche Erklärung, wenn sie durch eine spätestens am dritten Tage nach Ablauf der Frist eingegangene schriftliche Erklärung bestätigt wird.

§ 31. (1) In den Wahlvorschlägen sollen die Bewerber mit Zu- und Vornamen aufgeführt und ihr Beruf sowie ihre Wohnung so deutlich angegeben werden, daB über ihre Persönlichkeit kein Zweifel besteht. Sie sind in erkennbarer Reihenfolge aufzuführen.

(2) Mit den Wahlvorschlägen sind einzureichen:
1. Die schriftliche Erklärung der Bewerber, daß sie der Aufnahme ihrer Namen in den Wahlvorschlag zustimmen. Die Abgabe dieser Erklärung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Vertreter ist zulässig.
2. Die Bescheinigung des Bürgermeisters, daß die Erfordernisse der Wählbarkeit der Bewerber erfüllt sind. § 32 Der Vorsitzende des Wahlausschusses hat die einreichenden Organisationen aufzufordern, bis spätestens zum vierzehnten Tage vor dem Wahltage Mängel der Wahlvorschläge zu beseitigen oder etwa fehlende Bescheinigungen nachzubringen.

§ 33. (1) Der Wahlausschuß entscheidet nach Ablauf der Frist für Beseitigung der Mängel, spätestens im Laufe des zehnten Tages vor dem Wahltage in öffentlicher Sitzung über die Zulassung- der Wahlvorschläge und setzt sie fest.

(2) Die Wahlvorschläge können nach ihrer Festsetzung nicht mehr geändert oder zurückgenommen werden.

(3) In den Wahlvorschlägen werden die Namen der Bewerber gestrichen, deren Persönlichkeit nicht feststeht, deren Zustimmungserklärung fehlt oder die nachgewiesenermaßen nicht wählbar sind. Nicht zuzulassen sind Wahlvorschläge, die verspätet eingereicht sind oder den gesetzlichen Erfordernissen nicht entsprechen.

§ 34. Die Wahlvorschläge sind mit fortlaufender Nummer zu versehen.

§ 35. Der Vorsitzende des Wahlausschusses hat spätestens am neunten Tage vor der Wahl die Wahlvorschläge in der zugelassenen Form bekanntzugeben.

§ 36. (1) Zur Abgabe von Wahlvorschlägen sind die in der sowjetischen Zone zugelassenen Parteien und antifaschistisch-demokratischen Organisationen berechtigt. Das Einreichen einer gemeinsamen Vorschlagsliste durch mehrere Parteien oder antifaschistisch-demokratische Organisationen ist zulässig, Die Wahlvorschläge müssen von mindestens fünf Mitgliedern der vertretungsberechtigten Organe der Landes- oder Kreisorganisationen der Parteien oder antifaschistisch-demokratischen Organisationen unterzeichnet sein.

(2) Mehrere Vorschlagslisten können miteinander verbunden werden. Die Verbindungserklärung muß spätestens am 14. Tage vor dem Wahltage beim Vorsitzenden des Landeskreiswahlausschusses eingereicht werden. Sie muß von allen Unterzeichnern der zu verbindenden Vorschläge unterschrieben sein,

§ 37. (1) Die Zahl der Landtagsabgeordneten beträgt:
für das Land Mecklenburg-Vorpommern 90 Abgeordnete,
für die Provinz Mark Brandenburg 100 Abgeordnete,
für das Land Thüringen 100 Abgeordnete,
für die Provinz Sachsen 110 Abgeordnete,
für das Land Sachsen 120 Abgeordnete.

(2) Die Zahl der Kreistagsabgeordneten beträgt:
bis 50 000 Einwohner 30 Abgeordnete,
bis 70 000 Einwohner 40 Abgeordnete,
bis 100 000 Einwohner 50 Abgeordnete.

Bei mehr als 100000 Einwohnern entfällt zusätzlich auf jede volle 20 000 Einwohner ein Abgeordneter. Die Abgeordneten zum Landtag und zum Kreistag werden für die Dauer von drei Jahren gewählt.

§ 38. Wahlhandlung. Die Wahlen zu den Landtagen und Kreistagen sind unmittelbar und geheim. Sie erfolgen hach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes. Die Wahlen erfolgen am gleichen Tage mit je einem Stimmzettel für die Landtags- und die Kreistagswahl. Die Stimmzettel sind durch Farbe zu unterscheiden.

§ 39. Innerhalb jedes Abstimmungsbezirkes wird von dem Bürgermeister ein geeigneter Wahlraum bestimmt. In großen Abstimmungsbezirken, in denen sieh eine Teilung der Wählerliste als zweckmäßig erweist sowie in Abstimmungsbezirken, für welche die Wählerliste nach Geschlechtern getrennt aufgestellt ist, können die Wahlen gleichzeitig an zwei verschiedenen Wahltischen in demselben Wahlraum oder in zwei verschiedenen Räumen desselben Gebäudes oder in zwei verschiedenen Gebäuden vorgenommen werden.

§ 40. Die Wahlhandlung ist öffentlich. Die Wahlzeit dauert von 8 Uhr bis 19 Uhr.

§ 41. Der Wahlvorsteher leitet die Wahl.

§ 42. (1) Die Wahlhandlung wird damit eröffnet, daß der Wahlvorsteher seinen Vertreter, die Beisitzer und den Schriftführer durch Handschlag verpflichtet, und so den Wahlvorstand bildet.

(2) Ist zur Zeit des Beginns der Wahlhandlung die für eine vollständige Besetzung des Wahlvorstandes erforderliche Zahl eingeladener Beisitzer oder Stellvertreter nicht erschienen, so ernennt der Wahlvorsteher aus erschienenen Wählern die fehlenden Mitglieder.

(3) Der Wahlvorsteher und der Schriftführer dürfen sich während der Wahlhandlung nicht gleichzeitig entfernen.

Verläßt einer von ihnen vorübergehend den Wahlraum, so ist mit der Vertretung des Wahlvorstehers sein Stellvertreter, mit derjenigen des Schriftführers ein anderes Mitglied des Wahlvorstandes zu beauftragen.

§ 43. (1) Vor Beginn der Wahl hat sich der Wahlvorstand davon zu überzeugen, daß das zum Hineinlegen der Stimmzettel zu benutzende verdeckte Gefäß (Wahlurne) leer ist. Bis zur Herausnähme der Stimmzettel nach Schluß der Wahl darf die Wahlurne nicht wieder geöffnet werden.

(2) Die Stimmzettel werden amtlich hergestellt und an die Wahlberechtigten im Wahlraum ausgegeben.

(3) Zur Stimmabgabe dürfen nur die amtlich hergestellten, im Wahlraum ausgegebenen Stimmzettel benutzt werden. Der Wahlberechtigte hat durch ein auf dem Stimmzettel zu setzendes Kreuz oder in sonstiger Weise kenntlich zu machen, welchem Wahlvorschlag er seine Stimme geben will. Der Wahlberechtigte darf auf dem Stimmzettel nur einen Wahlvorschlag zu diesem Zweck ankreuzen oder in sonstiger Weise kenntlich machen.

§ 44. Zutritt zum Wahlraum hat jeder Wähler. Über die Wahlhandlung darf nur der Wahlvorstand beraten und beschließen. Der Wahlvorstand kann jeden aus dem Wahlraum verweisen, der die Ruhe und Ordnung der Wahlhandlung stört.

§ 45. (1) Der Wahlberechtigte erhält am Eingang des Wahlraumes je einen amtlich hergestellten Stimmzettel für beide Wahlen. Er begibt sich sodann in einen Nebenraum oder an den mit einer Vorrichtung gegen Sicht geschützten Nebentisch. Dort hat er auf den Stimmzetteln kenntlich zu machen, welchem Wahlvorschlag er seine Stimme geben will und die Stimmzettel einzeln zusammenzufalten. Er tritt alsdann an den Vorstandstisch, nennt seinen Namen und auf Aufforderung seine Wohnung und steckt, sobald sein Name in der Wählerliste aufgefunden ist, die einzeln gefalteten Stimmzettel selbst in die Wahlurne. Die Geheimhaltung der Wahl muß unbedingt gewährleistet sein. Inhaber von Wahlscheinen übergeben den Wahlschein dem Wahlvorsteher, der ihn nach Prüfung dem Schriftführer weiterreicht.

Entstehen Zweifel über die Echtheit oder den rechtmäßigen Besitz des Wahlscheines, so hat der Wahlvorstand über die Zulassung oder Abweisung des Wählers Beschluß zu fassen. Der Vorgang ist in die Wahlniederschrift aufzunehmen.

Wahlberechtigte, die des Lesens unkundig oder durch körperliche Gebrechen behindert sind, ihren Stimmzettel eigenhändig mit dem ihren Willen kenntlich machenden Zeichen zu versehen, dürfen sich der Beihilfe einer Vertrauensperson bedienen.

§ 46. Der Schriftführer vermerkt die Stimmabgabe jedes Wählers neben dessen Namen in der Wählerliste und sammelt die Wahlscheine.

§ 47. Nach Schluß der Wahlzeit dürfen nur noch die Wähler zur Stimmabgabe zugelassen werden, die zu diesem Zeitpunkt im Wahlraum schon anwesend waren. Hierauf erklärt der Wahlvorsteher die Abstimmung für geschlossen.

§ 48. Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses. Nach Schluß der Wahl werden die Stimmzettel aus der Wahlurne genommen und gezählt. Zugleich wird die Zahl der Abstimmungsvermerke in der Wählerliste und die Zahl der Wahlscheine festgestellt. Ergibt sich dabei eine Verschiedenheit, so ist diese in der Wahlniederschrift anzugeben und soweit möglich, zu erläutern.

§ 49. Die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses und des Wahlergebnisses ist öffentlich.

§ 50. Unmittelbar nach der Zählung der Stimmzettel faltet ein Beisitzer die Stimmzettel auseinander und übergibt sie dem Wahlvorsteher, der sie laut vorliest und einem anderen Beisitzer zur Aufbewahrung bis zum Ende der Wahlhandlung gibt.

§ 51. Ungültig sind Stimmzettel:
1. die nicht als amtlich hergestellt erkennbar sind;
2. aus deren Kennzeichen der Wille des Wählers nicht unzweifelhaft erkennbar ist;
3. die mit einem unzulässigen Vermerk oder mit einem Vorbehalt versehen sind.

§ 52. (1) Der Schriftführer verzeichnet in der Zählliste jede dem einzelnen Wahlvorschlag zugefallene Stimme und addiert die Stimmen. Einer der Beisitzer führt gleichzeitig eine Gegenliste.

(2) Zählliste und Gegenliste sind von dem Wahlvorsteher und den Mitgliedern des Wahlvorstandes, die die Listen führen, zu unterzeichnen und der Wahlniederschrift als Anlage beizufügen.

§ 53. Die Stimmzettel, über deren Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahlvorstand Beschluß fassen muß sind mit fortlaufenden Nummern zu versehen und der Niederschrift beizufügen. In der Niederschrift sind die Gründe anzuführen, aus denen die Stimmzettel für ungültig erklärt worden sind. Alle übrigen Stimmzettel hat der Wahlvorsteher in Papier einzuschlagen, den Umschlag zu kennzeichnen, zu versiegeln und dem Bürgermeister zu übergeben, der alle Unterlagen dem Wahlleiter des Landes/Kreises zuleitet.

§ 54. Über die Wahlhandlung ist eine Niederschrift nach dem beigefügten Vordruck aufzunehmen. Die Wahlniederschrift mit sämtlichen zugehörigen, als Anlagen fortlaufend zu numerierenden Schriftstücken ist von dem Wahlvorsteher bis spätestens zum Mittag des auf den Wahltag folgenden Tages bei dem Bürgermeister einzureichen.

§ 55. Unmittelbar nach Ermittlung des Abstimmungsergebnisses hat der Wahlvorsteher dieses dem Bürgermeister mitzuteilen.

§ 56. Der Bürgermeister teilt auf dem schnellsten Wege dem Landrat das Ergebnis der Abstimmung mit. Die Landräte teilen in gleicher Weise das Ergebnis der Abstimmung zum Landtag dem Präsidenten des Landes.

§ 57. Der Wahlleiter des Landes/Kreises prüft nach den Wahlniederschriften die ordnungsmäßige Vollziehung der Wahl, die Berechnung der abgegebenen Stimmen und die Richtigkeit der über die Gültigkeit oder Ungültigkeit vom Wahlvorstand getroffenen Entscheidung, berichtigt Rechenfehler und andere offenbare Unrichtigkeiten, die bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses vorkommen können. Alsdann stellt er das Gesamtergebnis der Wahl fest.

§ 58. Für die Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschläge ist der Landeswahlausschuß/Kreiswahlausschuß zuständig.

§ 59. (1) Die zu verteilenden Sitze sind auf die Wahlvorschläge nach der Reihenfolge der Höchstzahl zu verteilen, die sich durch Vollrechnung, Halbteilung, Dritt Vierteilung usw. der auf die Wahlvorschläge entfallenden Stimmzettel ergeben. Über die Zuteilung des letzten Sitzes entscheidet bei gleichen Höchstzahlen das Los.

(2) Über die Verhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen.

(3) Wird zur Durchführung der Wahlen zum Landtag das Land in Wahlbezirke (§ 5) geteilt, so erfolgt die Verteilung der Sitze nach dem Wahlzahlensystem.

§ 60. Der Wahlleiter des Landes/Kreises hat die Gewählten von der auf sie gefallenen Wahl zu benachrichtigen und sie aufzufordern, sich binnen einer Woche nach Zustellung der Nachricht über die Annahme der Wahl zu erklären. Die Wahl gilt als angenommen, wenn innerhalb dieser Frist keine Erklärung eingeht. Annahme unter Vorbehalt gilt als Ablehnung.

§ 61. Wenn ein Gewählter die Wahl ablehnt, so hat der Wahlleiter des Landes/Kreises festzustellen, wer als Ersatzmann an seine Stelle tritt, und diesen zur Erklärung über die Annahme der Wahl aufzufordern.

§ 62. Prüfung und Gültigkeit der Wahl. Das festgesetzte Wahlergebnis wird von dem Wahlleiter des Landes/Kreises bekanntgegeben. Vom Tage der Bekanntmachung an läuft die Frist zur Erhebung von Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl.

§ 63. Gegen die Gültigkeit der Wahl kann von den Parteien und den antifaschistisch-demokratischen Organisationen, die Wahlvorschläge gemacht haben, binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung Einspruch erhoben werden.

§ 64. Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl hat der Wahlleiter des Landes/Kreises beim ersten Zusammentritt des Landtages/Kreistages diesem zur Beschlußfassung vorzulegen, Der Beschluß über den Einspruch ist dem Einspruchserheber unverzüglich zuzustellen.

§ 65. (1) Wird die Wahl eines oder mehrerer Gewählten mangels Wählbarkeit für ungültig erachtet, so ist nur die Wahl dieser Person für ungültig zu erklären.

(2) Wird festgestellt, daß bei der Durchführung der Wahlen Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sein können, ist die ganze Wahl für ungültig zu erklären.

(3) Wird die Feststellung des Wahlergebnisses für unrichtig erachtet, so ist die Feststellung aufzuheben und eine neue Feststellung des Wahlergebnisses anzuordnen.

§ 66. Ist die ganze Wahl endgültig für ungültig erklärt worden, so hat binnen längstens drei Monaten eine Neuwahl stattzufinden.

§ 67. Fällt eine Voraussetzung der Wählbarkeit während der Wahlzeit fort, so scheidet der Abgeordnete aus.

Gegen diesen Beschluß steht dem Abgeordneten binnen zwei Wochen das Beschwerderecht beim Landtag/Kreis Im Falle der Beschwerdeführung tritt der Ersatzmann nicht vor Ergehen einer Entscheidung des Landtags/Kreistags ein.

§ 68. Wenn ein Abgeordneter die Wahl ablehnt oder vor Ablauf dar Wahl ausscheidet oder wenn die Wahl eines einzelnen Abgeordneten für ungültig erklärt ist, tritt an seine Stelle der Bewerber, der in demselben Wahlvorschlag hinter dem ausscheidenden Abgeordneten an erster Stelle berufen ist.

§ 69. Die Reihenfolge, in der die Bewerber zu berufen sind, kann durch die zur Einreichung des Wahlvorschlages Berechtigten geändert werden, Die Änderung muß durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder erklärt werden, die am Tage dieser Erklärung die betreffende Organisation vertreten.

Die Änderung muß dem Präsidenten des Landes 1 dem Landrat bis zum Ablauf von vier Wochen nach Erledigung der Stelle mitgeteilt werden, Die Feststellung des Ersatzmannes erfolgt durch den Präsidenten des Landes/durch den Landrat. Ist ein weiterer Bewerber in demselben Wahlvorschlag nicht vorhanden, bleibt der Sitz unbesetzt.

§ 70. Wird die Wahl endgültig als gültig erklärt, so bedarf es keiner nochmaligen Bekanntmachung des Wahlergebnisses.

§ 71. Wird die ganze Wahl für ungültig erklärt, hat der Präsident des Landes / der Landrat dies bekanntzumachen und den Tag für die Neuwahl zu bestimmen (siehe § 66).

§ 72. Die Neuwahl findet nach denselben Vorschriften statt wie die Hauptwahl. Die Wahlvorstände, die Wahlausschüsse, die Abstimmungsbezirke, die Wahlräume bleiben unverändert, soweit nicht der Präsident des Landes oder Landrat eine Änderung für geboten hält.

§ 73. Für die Neuwahl ist dieselbe Wählerliste zugrunde zu legen, wie bei der Hauptwahl. Sie ist jedoch vorher zu berichtigen und neu auszulegen.

§ 74. Für die Neuwahl sind neue Wahlvorschläge einzureichen.

§ 75. Die Durchführungsbestimmungen erlassen die Landesverwaltungen.

    Berlin, den 11. September 1946.


Quelle: Verordnungsblatt der Provinzialregierung Mark Brandenburg 1946 S. 323
© 16. Januar 2005
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