Verfassung der Provinz Sachsen-Anhalt

vom 10. Januar 1947

geändert durch
Gesetz vom 21. Juli 1947 (GBl. S. 127)

Der Landtag hat folgendes Gesetz beschlossen:

A. Demokratischer Aufbau der Provinz

Artikel 1

1. Die Provinz Sachsen-Anhalt ist ein Glied der Deutschen Demokratischen Republik.

2. Alle öffentlichen Angelegenheiten der Provinz werden im Rahmen der Verfassung und der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik geregelt.

3. Die Farben der Provinz Sachsen-Anhalt sind Schwarz-Gelb.

Artikel 2

1. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, wird durch das Volk ausgeübt und hat dem Wohle des Volkes zu dienen.

2. Das Volk verwirklicht seinen Willen durch die Wahl der Volksvertretungen, durch Volksbegehren, durch Volksentscheid, durch die Mitwirkung an Verwaltung und Rechtsprechung und durch die umfassende Kontrolle der öffentlichen Verwaltungsorgane.

Artikel 3

Die Volksvertretungen, die das demokratische Bestimmungsrecht des Volkes ausüben, sind:
a) der Landtag,
b) der Kreistag im Landkreis,
c) die Stadtverordnetenversammlung im Stadtkreis,
d) die Stadtverordnetenversammlung in der Stadtgemeinde,
e) die Gemeindevertretung in der Gemeinde.

Artikel 4

1. Alle Bürger ohne Unterschied werden entsprechend ihrer Befähigung zum öffentlichen Dienst zugelassen.

2. Ein Arbeitsverhältnis darf die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Obliegenheiten nicht hindern.

Artikel 5

Die Angestellten des öffentlichen Dienstes sind Diener des Volkes, nicht einer Partei, Ihre Rechte und Pflichten werden durch Gesetze geregelt.

Artikel 6

Alle Einwohner der Provinz, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sind Bürger der Provinz.

Artikel 7

Die Organe der Provinz, die Selbstverwaltungskörperschaften und jeder Angestellte im öffentlichen Dienste haben die Aufgabe, die Demokratie zu festigen und das Allgemeinwohl zu fördern.

B. Grundrechte und Grundpflichten der Bürger

Artikel 8

1. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

2. Alle Bürger haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte, es sei denn, daß sie ihnen wegen Begehung eines Verbrechens oder wegen ihrer nationalsozialistischen oder militaristischen Betätigung aberkannt worden sind.

3. Jede Bekundung nationalen oder religiösen Hasses und jede Rassenhetze ist verboten und wird auf das strengste bestraft. Personen, die militaristische oder nationalsozialistische Anschauungen verbreiten oder unterstützen, sind aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Sie dürfen leitende Stellungen in der Wirtschaft oder im kulturellen Leben nicht bekleiden. Auch kann ihnen das Wahlrecht entzogen werden. Volksvertretern kann wegen einer solchen Tätigkeit durch Beschluß der Volksvertretung mit einer Zweidrittelmehrheit das Mandat aberkannt werden.

Artikel 9

1. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.

2. Personen, denen die Freiheit entzogen wird, sind spätestens am darauf folgenden Tage in Kenntnis zu setzen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung der Freiheit angeordnet worden ist; unverzüglich soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen gegen ihre Freiheitsentziehung vorzubringen.

Artikel 10

1. Jeder Bürger hat das Recht, sich an einem beliebigen Ort in der Provinz niederzulassen. Er ist berechtigt, sie zu verlassen.

2. Ausnahmen sind nur auf Grund von Gesetzen zulässig.

Artikel 11

Jeder Bürger hat das Recht, innerhalb der Schranken der Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern und sich an Versammlungen und Demonstrationen zu beteiligen. An der Ausübung dieses Rechtes darf ihn kein Arbeitsverhältnis hindern, und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht. Jeder Bürger hat das Recht, Eingaben an die Volksvertretungen und an die Regierung zu machen.

Artikel 12

1. Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.

2. Das Erbrecht wird nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts gewährleistet. Der Anteil des Staates am Erbe bestimmt sich nach den Gesetzen.

3. Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und nur auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit ein Gesetz nichts anderes bestimmt.

Artikel 13

1. Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Die Provinz gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.

2. Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießen den Schutz und die Fürsorge der Provinz.

Artikel 14

Die Wohnung jedes Bürgers ist für ihn eine Freistätte und unverletzlich. Ausnahmen sind nur auf Grund von Gesetzen zulässig.

Artikel 15

Das Briefgeheimnis das Post-, Telegrafen- und Fernsprechgeheimnis sind unverletzlich.

Ausnahmen sind nur auf Grund von Gesetzen zulässig.

Artikel 16

1. Alle Bürger haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen und die nicht der Verbreitung nationalsozialistischer und militaristischer Anschauungen dienen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden. Dieses Recht kann auch nicht durch Vorbeugungsmaßnahmen beschränkt werden

2. Das Recht, Vereinigungen zur Förderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu bilden, ist für jedermann gewährleistet. Das Streikrecht wird anerkannt. Alle Abreden und Maßnahmen, welche diese Freiheit einzuschränken oder zu behindern suchen, sind rechtswidrig und verboten. Die anerkannten Gewerkschaften stehen unter dem Schutz der Provinz.

Artikel 17

1. Jeder Bürger hat das Recht auf Arbeit und freie Berufswahl. Es ist Aufgabe der Provinz, jedem Bürger Arbeit und Lebensunterhalt zu sichern. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt.

2. Jeder Bürger hat unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die sittliche Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit erfordert.

Artikel 18

1. Jeder Arbeitende hat ein Recht auf Urlaub und Erholung, auf Versorgung bei Krankheit und im Alter nach Maßgabe der Gesetze.

2. Zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der arbeitenden Bevölkerung und zum Schutze der Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und sonstigen Wechselfällen des Lebens schafft die Provinz ein einheitliches und umfassendes Versicherungswesen auf der Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten.

3. Der Sonntag, die Feiertage und der 1. Mai sind Tage der Arbeitsruhe und stehen unter dem Schutz des Gesetzes.

Artikel 19

Die Arbeiter und Angestellten sind an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen und an der wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte gleichberechtigt mit den Unternehmern beteiligt. Die Arbeiter und Angestellten nehmen diese Rechte durch Gewerkschaften und Betriebsräte wahr.

Artikel 20

Jeder Bürger hat das gleiche Recht auf Bildung. Sie wird ihm durch öffentliche Einrichtungen gewährleistet.

Artikel 21

Die Familie steht unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Die Ehe beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter.

Artikel 22

1. Die Frau wird auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens dem Manne gleichgestellt.

2. Für gleiche Arbeit oder Leistung hat die Frau das Recht auf gleiche Entlohnung wie der Mann. Die Frau genießt besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis.

3. Die Mutterschaft hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Provinz. Die außereheliche Mutter steht insoweit der ehelichen Mutter gleich.

4. Die Tatsache der außerehelichen Geburt darf dem Kinde nicht zum Nachteil gereichen. Ihm sind die gleichen Bedingungen für die leibliche, geistige und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie dem ehelichen Kinde.

Artikel 23

1. Die Jugend hat das Recht auf Arbeit und Erholung, gesichert durch entsprechende Gesetze des Landtages.

2. Für gleiche Arbeit oder Leistung hat der Jugendliche das Recht auf gleiche Entlohnung wie der Erwachsene.

3. Die Jugend hat das Recht auf Freude und Frohsinn. Ihr werden die Kulturstätten und Kulturgüter zugängig gemacht. Die Jugend wird gegen Ausbeutung sowie sittliche, geistige und körperliche Verwahrlosung geschützt.

4. Zwangserziehung kann nur nach Maßgabe der Gesetze angeordnet werden.

C. Der Landtag

Artikel 24

1. Der Landtag ist der höchste demokratische Willensträger der Provinz.

2. Der Landtag beschließt die Gesetze, soweit sie nicht durch Volksentscheid zustande kommen

3. Der Landtag übt die Kontrolle über die gesamte Verwaltung der Provinz einschließlich der Justizverwaltung aus.

Artikel 25

1. Der Landtag besteht aus den vom Volk gewählten Abgeordneten.

2. Die Abgeordneten werden durch allgemeine, gleiche, geheime und unmittelbare Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts auf die Dauer von drei Jahren gewählt.

3. Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes.

Artikel 26

1. Wahlberechtigt sind alle Bürger, die das 20. Lebensjahr vollendet haben.

2. Wählbar sind alle wahlberechtigten Bürger, die das 23. Lebensjahr vollendet haben.

3. Zur Einreichung von Wahlvorschlägen sind die zugelassenen politischen Parteien berechtigt. Wenn ein Abgeordneter aus der Partei ausscheidet, auf deren Liste er gewählt wurde, und zu einer anderen Partei übertritt, so entscheidet der Altestenrat über den Verlust des Mandats.

4. Das Nähere bestimmt ein Wahlgesetz.

Artikel 27

Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis sind gewährleistet.

Artikel 28

1. Die Wahl findet an einem Sonntag oder an einem gesetzlichen Feiertag statt.

2. Der Landtag versammelt sich am Sitz der Regierung.

3. Zur ersten Tagung nach jeder Neuwahl tritt der Landtag spätestens am 30. Tage nach der Wahl zusammen, falls er nicht von dem Präsidium des vorherigen Landtages früher einberufen wird.

Artikel 29

1. Der Landtag prüft das Recht der Mitgliedschaft und entscheidet über die Gültigkeit der Wahlen.

2. Der Landtag bestimmt den Schluß der Tagung und den Tag des Wiederzusammentritts.

3. Das Landtagspräsidium kann den Landtag früher berufen. Es muß ihn berufen, wenn die Regierung oder mindestens ein Fünftel der Mitglieder des Landtages dies verlangen.

Artikel 30

Die Verhandlungen des Landtages sind öffentlich. Ein Ausschluß der Öffentlichkeit findet im Landtag auf Verlangen von zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten statt.

Artikel 31

1. Der Landtag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die übrigen Mitglieder seines Vorstandes.

2. Bei der Wahl sind die Parteien entsprechend ihrer Stärke zu berücksichtigen.

Artikel 32

1. Der Präsident des Landtages leitet die Verhandlungen nach Maßgabe der vom Landtag beschlossenen Geschäftsordnung.

2. Er verpflichtet den vom Landtag gewählten Ministerpräsidenten sowie die vom Landtag bestätigten Minister.

Artikel 33

Der Landtag faßt seine Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit, soweit nicht in dieser Verfassung ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Die Beschlußfähigkeit wird durch die Geschäftsordnung geregelt.

Artikel 34

1. Der Landtag und jeder seiner Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Ministers und jedes Leiters einer zentralen Verwaltungsstelle zur Erteilung von Auskünften verlangen.

2. Die Minister und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen des Landtages und seiner Ausschüsse jederzeit Zutritt.

Artikel 35

Zur Wahrnehmung der Rechte des Landtages für die Zeit, in der er nicht versammelt ist und zwischen der Beendigung einer Wahlperiode oder der Auflösung des Landtages und dem Zusammentritt führt das Präsidium die Geschäfte.

Artikel 36

1. Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich halten.

2. Die Gerichte und Verwaltungen sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen nachzukommen und ihre Akten auf Verlangen vorzulegen.

3. Für die Beweiserhebungen der Ausschüsse gelten die Vorschriften der deutschen Strafprozeßordnung sinngemäß.

Artikel 37

Wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen des Landtages oder seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

Artikel 38

1. Abgeordnete des Landtages bedürfen zur Ausübung ihrer Tätigkeit keines Urlaubs. Gehalt oder Lohn sind weiterzuzahlen.

2. Die Abgeordneten des Landtages erhalten eine steuerfreie Aufwandsentschädigung. Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung ist unzulässig. Der Anspruch auf sie ist nicht übertragbar und nicht pfändbar.

3. Die Abgeordneten des Landtages erhalten das Recht zur freien Fahrt auf sämtlichen öffentlichen Verkehrsmitteln in der Provinz.

Artikel 39

Kein Mitglied des Landtages darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seiner Tätigkeit als Abgeordneter getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

Artikel 40

1. Kein Mitglied des Landtages kann während der Sitzungsperiode wegen einer strafbaren Handlung in Untersuchung gezogen oder verhaftet oder anderweitig in seiner persönlichen Freiheit beeinträchtigt werden, es sei denn, daß er bei Ausübung der Tat festgenommen wird oder der Landtag mit Zweidrittelmehrheit seine Zustimmung erteilt.

2. Die gleiche Genehmigung ist bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit erforderlich, die die Ausübung der Abgeordnetentätigkeit beeinträchtigt.

3. Jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten des Landtages und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Landtages für die Dauer der Sitzungsperiode ausgesetzt.

Artikel 41

1. Die Mitglieder des Landtages sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertraut haben oder über diese Tatsachen selbst, das Zeugnis zu verweigern. Auch wegen der Beschlagnahme von Schriftstükken stehen sie den Personen gleich, die ein gesetzliches Recht der Zeugnisverweigerung haben.

2. Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme in den Räumen des Landtages darf nur mit Zustimmung des Präsidenten vorgenommen werden.

Artikel 42

Der Landtag kann vor Ablauf der Wahlperiode aufgelöst werden:
a) durch eigenen Beschluß,
b) durch Volksentscheid.

Die Auflösung des Landtages durch eigenen Beschluß bedarf der Zustimmung von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl.

Artikel 43

1. Spätestens am 60. Tag nach dem Ablauf der Wahlperiode oder am 45. Tag nach der Auflösung des Landtages haben Neuwahlen stattzufinden.

2. Das Landtagspräsidium beraumt den Termin für Neuwahlen an.

D. Die Regierung der Provinz

Artikel 44

Die Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern. Sie vertritt die Provinz rechtsverbindlich.

Artikel 45

1. Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten.

2. Die vom Ministerpräsidenten vorgeschlagenen Minister bedürfen der Bestätigung des Landtages.

Artikel 46

Die Mitglieder der Regierung leisten bei Übernahme ihrer Tätigkeit vor dem Landtag den Eid, daß sie ihre Tätigkeit unparteiisch zum Wohle des Volkes getreu der Verfassung und den Gesetzen ausüben werden.

Artikel 47

Die Minister haben Anspruch auf Besoldung nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes.

Artikel 48

Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre Geschäfte. Er ernennt die der Regierung unterstellten öffentlichen Angestellten.

Artikel 49

Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik nach Maßgabe der vom Landtag gebilligten Grundsätze. Er ist dafür dem Landtag verantwortlich. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.

Artikel 50

Die Minister haben der Regierung der Provinz alle Gesetzentwürfe, ferner Angelegenheiten, für welche die Verfassung oder das Gesetz dieses vorschreiben sowie Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Minister berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.

Artikel 51

Die Regierung faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Ministerpräsidenten.

Artikel 52

1. Die Regierung in ihrer Gesamtheit und jeder einzelne Minister bedürfen zu ihrer Tätigkeit des Vertrauens des Landtages.

2. Ein Minister, dem das Vertrauen entzogen wird, muß zurücktreten. Der Beschluß auf Entziehung des Vertrauens ist nur wirksam, wenn ihm mindestens die Hälfte der Abgeordneten zustimmt, aus denen zur Zeit der Abstimmung die Volksvertretung besteht.

3. Der Antrag auf Herbeiführung des Beschlusses auf Entziehung des Vertrauens muß von mindestens einem Fünftel der gesetzlichen Mitgliederzahl unterzeichnet sein.

4.Über den Antrag darf höchstens am zweiten Tage nach seiner Besprechung abgestimmt werden Er muß binnen einer Woche nach seiner Einbringung zur Erledigung kommen.

5. Das Ministerium oder die Minister, denen das Vertrauen entzogen ist, führen die Geschäfte bis zur Ubernahme durch die Nachfolger fort, soweit der Landtag nichts anderes beschließt.

E. Gesetzgebung

Artikel 53

Gesetze werden beschlossen
a) vom Landtag,
b) vom Volke unmittelbar durch Volksentscheid.

Artikel 54

1. Die Gesetzentwürfe werden von der Regierung oder aus der Mitte des Landtages eingebracht. Die Entwürfe der Gesetze und des Haushaltsplanes sind vor der ersten Lesung allgemein zugängig zu machen

2. über Gesetzentwürfe finden mindestens zwei Lesungen statt.

Artikel 55

Der Präsident des Landtages hat die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze auszufertigen und unverzüglich im Gesetzblatt der Provinz zu veröffentlichen. Gesetze treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Gesetzblatt der Provinz ausgegeben worden ist.

Artikel 56

Die Verkündung eines Gesetzes ist um einen Monat auszusetzen, wenn ein Drittel der Mitglieder des Landtages es verlangt. Das Gesetz ist nach Ablauf dieser Frist zu verkünden, falls nicht ein Volksbegehren auf Volksentscheid gegen den Erlaß des Gesetzes eingeleitet ist.

Artikel 57

1. Ein Volksentscheid ist herbeizuführen, wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten oder Parteien, die glaubhaft machen, daß sie wenigstens ein Fünftel aller Stimmberechtigten vertreten, dies beantragen (Volksbegehren). Dem VoIksbegehren ist ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf zugrunde zu legen. Er ist von der Regierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme binnen zwei Wochen dem Landtag zu unterbreiten.

2. Der Volksentscheid findet nicht statt, wenn das begehrte Gesetz im Landtag in einer Fassung angenommen wird, mit der die Antragsteller oder ihre Vertretungen einverstanden sind.

3.Über den Haushaltsplan und die Besoldungsregelung findet kein Volksentscheid statt.

4. Soll auf Volksbegehren durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten, erforderlich.

5. Das Verfahren beim Volksbegehren und beim Volksentscheid regelt ein besonderes Gesetz.

Artikel 58

1. Beschlüsse des Landtages auf Änderung der Verfassung bedürfen der Zustimmung von zwei Drittel der Abgeordneten des Landtages. Verfassungsänderungen dürfen die demokratischen Grundgedanken der Verfassung und die republikanisch-parlamentarische Staatsform nicht antasten.

2. Soll durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich.

Artikel 59

1. Eine zukünftige Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist auch für die Provinz Sachsen-Anhalt bindende Rechtsnorm und setzt etwa entgegenstehende Bestimmungen der Provinzgesetze außer Kraft.

2. Gesamtdeutsches Recht bricht Landesrecht.

Artikel 60

1. Die Bestimmungen dieser Verfassung sind unmittelbar geltendes Recht.

2. Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts gelten als bindende Bestandteile des Rechts der Provinz.

3.Ordnungsgemäß verkündete Gesetze sind für jeden Richter bindend. Er hat über ihre Verfassungsmäßigkeit nicht zu entscheiden. Wird die Verfassungsmäßigkeit eines ordnungsgemäß verkündeten Gesetzes angezweifelt so können die Einwendungen an das Präsidium des Landtages gerichtet werden. Der Rechts- und Verfassungsausschuß nimmt unter Hinzuziehung des Präsidenten des Oberlandesgerichts, des Oberverwaltungsgerichts und des Dekans der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle (Saale) als Sachverständige dazu Stellung und unterbreitet dem Landtag seine Anträge zur Beschlußfassung.

F. Rechtspflege

Artikel 61

Die Rechtsprechung wird nach Maßgabe der Gesetze durch Berufs- und Laienrichter im Sinne sozialer Gerechtigkeit ausgeübt.

Artikel 62

Die Provinz sorgt dafür, daß Angehörigen aller Schichten des Volkes die Möglichkeit gegeben wird, die Fähigkeit zum Richteramt zu erlangen.

Artikel 63

1. Laienrichter sind bei der Rechtsprechung weitestgehend hinzuzuziehen.

2. Die Laienrichter werden im Rahmen der bestehenden Gesetze von den demokratischen Organisationen und Parteien vorgeschlagen und von den zuständigen Volksvertretungen gewählt.

Artikel 64

1. Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

2. Die Staatsanwälte sind an die Weisungen ihrer vorgesetzten Stellen gebunden.

3. Der Generalstaatsanwalt und der Präsident des Oberlandesgerichtes werden auf Vorschlag der Regierung vom Landtag bestätigt.

Artikel 65

Ausnahmegerichte sind unstatthaft; niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

Artikel 66

1. Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

2. Jeder wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte kann sich eines Verteidigers bedienen.

Artikel 67

Zum Schutze der Bürger gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden müssen Verwaltungsgerichte bestehen.

Artikel 68

1. Die Regierung übt das Begnadigungsrecht aus sowie das Recht der Niederschlagung anhängiger Strafverfahren.

2. Amnestien sind vom Landtag in Gesetzesform zu beschließen.

G. Verwaltung

Artikel 69

1. Die Provinz ist in Kreise, die Kreise sind in Gemeinden gegliedert. Durch Gesetz bestimmte größere Städte bilden jeweils einen Stadtkreis. Alle übrigen Gemeinden und Städte sind zu Landkreisen zusammengefaßt.

2. Die Kreise und Gemeinden sind Selbstverwaltungskörper.

3. In ihrer Hand liegt die Entscheidung und Durchführung aller öffentlichen Angelegenheiten, die das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben ihres Gebietes betreffen.

4. Die Organe der Kreise und Gemeinden sind ferner verpflichtet, die ihnen von den übergeordneten Organen übertragenen Angelegenheiten auszuführen.

Artikel 70

Die höchsten Organe der Kreise und Gemeinden sind:

im Landkreis der Kreistag, im Stadtkreis die Stadtverordnetenversammlung, in Stadtgemeinden die Stadtverordnetenversammlung, in den Gemeinden die Gemeindevertretung.

Artikel 71

1. Die Verwaltungsgeschäfte der Kreise und Gemeinden führen:
im Landkreis der Kreisrat, dem der Land rat vorsteht, im Stadtkreis der Stadtrat, dem der Oberbürgermeister vorsteht, in der Stadtgemeinde der Stadtrat, dem der Bürgermeister vorsteht, in der Gemeinde der Gemeinderat, dem der Gemeindevorsteher vorsteht.

2. Alle Mitglieder des Kreisrates, des Stadtrates und des Gemeinderates einschließlich deren Vorsitzende bedürfen des Vertrauens der Körperschaft, von der sie gewählt worden sind

3 Näheres bestimmt die Kreis- und Gemeindeordnung.

H. Wirtschaft

Artikel 72

Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit mit dem Ziel der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen.

In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen gewährleistet. Die selbständigen Gewerbetreibenden und Bauern sind in der Entfaltung ihrer privaten Initiative zu unterstützen. Die Freiheit des Handels und Gewerbes ist nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet.

Die Wirtschaft ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse deutscher Wirtschaftseinheit und der Erfordernisse der Provinz planvoll zu lenken. Sie hat den Bedürfnissen des Volkes zu dienen und die Leistungsfähigkeit der Betriebe zu steigern.

Artikel 73

Alle privaten Monopolorganisationen wie Kartelle, Syndikate, Konzerne, Trusts und gleichartige auf Gewinnsteigerung durch Produktions-, Preis- und Absatzregelung gerichtete private Organisationen sind verboten.

Artikel 74

1. Die Veräußerung von Grundbesitz und Produktionsstätten, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, bedarf der Zustimmung der zuständigen Volksvertretung (Landtag, Kreistag, Stadtverordnetenversammlung, Gemeindevertretung). Diese Zustimmung kann nur mit zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl erteilt werden.

2. Veräußerungen von Grundstücken geringen Umfanges, die im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung zum Zwecke des Straßenbaues, des Städtebaues, der Landeskultur und ähnlicher Maßnahmen notwendig sind, werden davon nicht betroffen. Das Nähere regelt ein besonderes Gesetz.

Artikel 75

Den Bauern wird das Eigentum an Grund und Boden gewährleistet. Das gilt auch für die Bauern, die auf Grund des Gesetzes der Provinz über die Bodenreform vom 3. September 1945 Boden erhalten haben.

Artikel 76

Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird überwacht, jeder Mißbrauch verhütet. Jedem Bürger und jeder Familie ist eine gesunde, ihren Bedürfnissen entsprechende Heimstätte zu sichern. Opfer des Faschismus, des Krieges und der Arbeit und Umsiedler sind dabei besonders zu berücksichtigen.

Artikel 77

Die Provinz und die Selbstverwaltungskörper können im Interesse der Befriedigung des Güterbedarfs an der Verwaltung wirtschaftlicher Unternehmungen beteiligt werden oder ihren Einfluß auf andere Weise sicherstellen.

Artikel 78

Die enteigneten Betriebe der aktiven Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher sind, soweit diese nicht an Private, Gemeinden oder Kreise übereignet werden, provinzeigene Betriebe.

Artikel 79

1. Die provinzeigenen Betriebe sind als wirtschaftlich selbständige Unternehmen zu führen.

2. Die provinzeigenen Betriebe werden nach Wirtschaftszweigen zusammengefaßt und von lndustrieverwaltungen geleitet. Ihre Verwaltung steht unter unmittelbarer Kontrolle des zuständigen Ministers.

I. Das Finanzwesen

Artikel 80

Abgaben oder Steuern dürfen nur auf Grund gesetzlicher Anordnungen erhoben werden.

Artikel 81

1.Über die Verwendung aller Einnahmen der Provinz legt der Finanzminister in dem folgenden Rechnungsjahr dem Landtag Rechnung ab.

2. Die Regelung der Rechnungsprüfung im einzelnen bleibt einem besonderen Gesetz vorbehalten.

Artikel 82

1. Alle Einnahmen und Ausgaben der Provinz müssen für jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingestellt werden.

2. Der Haushaltsplan wird vor Beginn jedes Rechnungsjahres durch Gesetz festgestellt.

Artikel 83

Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden. Eine solche Beschaffung darf nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen.

Artikel 84

Steuern und Abgaben sind in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu halten und nach sozialen Gesichtspunkten zu staffeln. Hierbei ist die Leistungsfähigkeit einerseits und die Aufrechterhaltung einer mittleren Lebenshaltung andererseits zu berücksichtigen.

K. Volksbildung

Artikel 85

Für die Bildung der Jugend und ihre schulische Erziehung sorgen öffentliche Anstalten. Bei ihrer Einrichtung wirken die Provinz und die Gemeinden zusammen. Die öffentliche Erziehung erfolgt durch eine für Knaben und Mädchen gleiche, organisch gegliederte Einheitsschule mit demokratischem Schulsystem auf der Grundlage der allgemeinen Schulpflicht. Dem natürlichen Recht und der obersten Pflicht der Eltern auf Erziehung des Nachwuchses entsprechend, wird die Mitwirkung der Eltern bei der schulischen Erziehung ihrer Kinder gewährleistet (z. B. Elternbeiräte).

Artikel 86

Die allgemeine Schulpflicht wird durch die Grundschule erfüllt. Nach Beendigung der Grundschule erfolgt die systematische Weiterbildung in der Berufs- oder Fachschule, in der Oberschule und in anderen Bildungseinrichtungen.

Der Besuch der Berufsschule ist Pflicht aller Jugendlichen, mindestens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn sie keine andere öffentliche Schule besuchen. Die Berufsschule dient in erster Linie der fachlichen Weiterbildung des Schülers. Die Oberschule vermittelt Wissen und entwickelt Fähigkeiten, die den Besuch der Hochschule ermöglichen.

Den Angehörigen aller Schichten des Volkes ist die Möglichkeit zu geben, auch ohne Unterbrechung der Berufstätigkeit die zum Studium an einer Hochschule erforderlichen Kenntnisse zu erwerben.

Artikel 87

Die Schule soll jedem, unabhängig von der sozialen Lage der Eltern und des Religionsbekenntnisses, die seinen Fähigkeiten und Anlagen entsprechende vollwertige Ausbildung geben. Beim Unterricht dürfen die religiösen Empfindungen Andersdenkender

nicht verletzt werden. Der Unterricht und die Lernmittel der Grundschule und Berufsschule sind unentgeltlich. Die weitere Bildung in der Oberschule, in der Fachschule und der Hochschule ist den Begabten aus allen Schichten des Volkes zu ermöglichen.

Artikel 88

Die Schulen sollen die Jugend zu selbständig denkenden und verantwortungsbewußt handelnden Menschen erziehen, die fähig und bereit sind, sich in das Leben der Gemeinschaft einzuordnen.

Als Mittlerin der Kultur hat die Schule die Aufgabe, die Jugend im Geiste des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker und einer echten Demokratie zu wahrer Humanität zu erziehen.

L. Religionsgesellschaften

Artikel 89

Alle Bewohner der Provinz genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz.

Artikel 90

1. Private oder staatsbürgerliche Rechte und Pflichten werden durch die Religionsausübung weder bedingt noch beschränkt. Die Ausübung privater oder staatsbürgerlicher Rechte oder die Zulassung zum öffentlichen Dienst sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.

2. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Verwaltungsorgane haben nur insoweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.

Artikel 91

1. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet.

2. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig im Rahmen der Gesetze. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung der Provinz oder der politischen Gemeinden.

3. Die Religionsgesellschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

4. Die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften sind berechtigt, von ihren Mitgliedern auf Grund der staatlichen Steuerlisten nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen Steuern zu erheben.

5. Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen, werden den Religionsgesellschaften gleichgestellt.

Artikel 92

Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden öffentlichen Leistungen an die Religionsgesellschaften werden durch Gesetz abgelöst.

Artikel 93

Die religiöse Unterweisung ist Angelegenheit der Religionsgesellschaften. Sie können dafür Schulräume in Anspruch nehmen, soweit dadurch der Klassenunterricht nicht beeinträchtigt wird.

Soweit das Verlangen nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen.

Artikel 94

Wer aus einer Religionsgesellschaft mit bürgerlicher Wirkung austreten will, hat den Austritt beim Standesamt zu erklären oder dort als Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.

Artikel 95

Die Entscheidung über die Zugehörigkeit der Kinder zu einer Religionsgesellschaft steht bis zu deren Vollendung des 14. Lebensjahres den Erziehungsberechtigten zu. Von diesem Alter an hat das Kind selbst die Freiheit der Entschließung über sein Verbleiben in der Religionsgesellschaft.

M. Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 96

Soweit in Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Bestimmungen Vorschriften erlassen und Einrichtungen getroffen sind, die dieser Verfassung widersprechen, treten an ihre Stelle die entsprechenden Vorschriften und Einrichtungen dieser Verfassung. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.

Artikel 97

Diese Verfassung tritt am Tage nach ihrer Annahme in Kraft.

    Halle (Saale), den 10. Januar 1947.

Der Präsident des Landtages der Provinz Sachsen-Anhalt
Böttge

Der Ministerpräsident
Dr. Hübener

Der Minister des Innern
Siewert


Quelle: Gesetzblatt der Provinz Sachsen-Anhalt Teil I. Jahrgang 1947, ausgegeben am 18. Januar 1947, S. 9-15
Gerhard Braas, Die Entstehung der Länderverfassungen in der SBZ 1946/47 (ISBN 3-8046-8687-7),
Wilhelm Wegener, Die neuen deutschen Verfassungen, West-Verlag 1947

© 15. Juni 2000 - 14. April 2004
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