Gesetz,
wegen Anordnung der Provinzialstände in der Provinz Sachsen

vom 27. März 1824

geändert durch
Allerhöchste Kabinetsorder vom 9. Februar 1825, die Wahl der städtischen Landtags-Deputirten im Herzogthum Sachsen betreffend  (GS. S. 12)
Verordnung wegen der nach dem Gesetze vom 27. März 1824, wegen Anordnung der Provinzialstände in der Provinz Sachsen, vorbehaltenen Bestimmungen betreffend vom 17. Mai 1827 (GS. S. 47)
Allerhöchste Kabinetsorder vom 27. Februar 1830, die Dauer der Wirksamkeit der Orts- und Bezirkswähler bei den Wahlen der Provinzial-Landtags-Abgeordneten des Standes der Landgemeinden betreffend (GS. S. 46)
Allerhöchste Kabinetsorder vom 22. Juni 1839, wegen der nachträglichen Bekanntmachung der von des Königs Majestät getroffenen Bestimmungen, wodurch in Betreff der Berechtigung zu Landtags-Stimmen oder Theilnahme an solchen, wie sie in den Stände-Gesetzen ursprünglich normirt worden, etwas abgeändert ist, die aber bis jetzt in der Gesetz-Sammlung nicht enthalten sind (GS. S. 226)
Verordnung wegen Zusammenrechnung der Besitzzeit der Erblasser und der Erben bei der, zur Ausübung ständischer Rechte erforderlichen Dauer des Grundbesitzers vom 29. November 1844 (GS. S. 706)

aufgehoben durch
die Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung vom 11. März 1850 (GS 251)

wiederhergestellt
vorläufig durch Erlaß des kgl. preuß. Ministeriums des Innern vom 28. Mai 1851,
vorläufig durch Allerh. Erlaß vom 19. Juni 1852 (GS. S. 388),
endgültig durch Gesetz über die Aufhebung der ... Provinzial-Ordnung vom 11. März 1850,  vom 24. Mai 1853 (GS 238)

geändert durch
Gesetz, betreffend die Erweiterung der Provinzialverbände der Provinz Sachsen und der Rheinprovinz vom 24. Februar 1872 (GS. S. 172)

aufgehoben durch
Provinzialordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 29. Juni 1875 (GS. S. 385)

 

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ec. ec.

ertheilen, in Folge des wegen Anordnung der Provinzialstände in Unserer Monarchie am 5ten Juni d. J. erlassenen allgemeinen Gesetzes, für den ständischen Verband in der Provinz Sachsen nachstehende besondere Vorschriften.

§ 1. I. Bestimmung der in diesem Verbande begriffenen Landestheile. Dieser Verband umfaßt, mit alleiniger Ausnahme der in ständischer Beziehung zur Mark Brandenburg gewiesenen Altmark, alle diejenigen Landestheile, welche nach der Verordnung vom 30sten April 1815 die Provinz Sachsen bilden.

Durch Gesetz vom 24. Februar 1872 wurde zu § 1 als Zusatz bestimmt:
"§ 1. Der im § 1 des Gesetzes vom 27. März 1824 (Gesetz-Samml. S. 70) festgestellte ständische Verband der Provinz Sachsen wird auf die durch das Gesetz vom 24. Dezember 1866 (Gesetz-Samml. S. 876) mit der Preußischen Monarchie vereinigte vormals Bayerische Enklave Kaulsdorf ... ausgedehnt."

§ 2. II. Benennung der Provinzial-Stände. Die Stände dieses Verbandes bestehen und zwar:

I. Der erste Stand:

1) aus dem Dom-Kapitel zu Merseburg;
2) aus dem Dom-Kapitel zu Naumburg;
3) aus dem Grafen zu Stolberg-Wernigerorde;
4) aus dem Grafen zu Stolberg-Stolberg;
5) aus dem Grafen zu Stolberg-Roßla;
6) aus dem Besitzer des Amts-Walternienburg.

II. Der zweite Stand:

aus der Ritterschaft.

III. Der dritte Stand:

aus den Städten.

IV. Der vierte Stand:

aus den übrigen Gutsbesitzern, Erbpächtern und Bauern.

§ 3. III. Ernennung der Mitglieder des Landtags. Auf dem Landtage erscheinen die beiden Dom-Kapitel zu Merseburg und Naumburg jedes durch einen aus seiner Mitte zu  ernennenden Bevollmächtigten und die Grafen zu Stolberg-Wernigerorde, Stolberg-Stolberg, und Stolberg-Roßla, sobald sie die Majorennität erreicht haben, in der Regel in Person, mit der Befugniß, sich in erheblichen Verhinderungsfällen durch ein Mitglied aus ihrer Familie oder einem sonst geeigneten Bevollmächtigten aus dem zweiten Stande vertreten zu lassen

Wegen des Amts Walternienburg, welches von dem herzoglichen Hause Anhalt-Dessau besessen wird, findet aber unbedingt die Vertretung durch einen Bevollmächtigten aus dem zweiten Stande statt.

Alle übrigen Stände erscheinen durch Abgeordnete, welche von ihnen durch Wahl bestimmt werden.

§ 4. IV. Bestimmung der Anzahl der Mitglieder des Landtags. Die Anzahl der Mitglieder eines jeden der im § 2 benannten Stände bestimmen Wir:

I. Für den ersten Stand            auf 6
    wie solche § 2 bereits namentlich aufgeführt sind.
II. für den zweiten Stand            auf 29
III. für den dritten Stand            auf 24
IV. für den vierten Stand            auf 13

Hieraus ergiebt sich die Gesammtzahl von 72 Mitgliedern für diesen ganzen ständischen Verband.

Die speziellere Vertheilung der Abgeordneten des 2ten, 3ten und 4ten Standes, sowie die Bildung der hierzu erforderlichen Wahlbebzrike, wird eine besondere Verordnung festsetzen.

siehe hierzu die Verordnung vom 17. Mai 1827 (GS. S. 47).

Durch Allerhöchste Kabinetsorder vom 22. Juni 1839 wurde zum § 4 Ziffer II bestimmt:
"3) a) Die nach § 4 der Ritterschaft beigelegten Neun und Zwanzig Stimmen sind durch die von Mir nach dem Vorbehalte im § 7 für die Besitzer größerer Familien-Fideikommisse gestiftete Kollektivstimme auf Dreißig vermehrt. Der von den Fideikommißbesitzern aus ihrer Mitte zu wählende Abgeordnete muß alle im § 5 vorgeschriebene Eigenschaften haben und nimmt unter diese Voraussetzung den ersten Platz unter den ritterschaftlichen Abgeordneten ein. Die Diäten und Reisekosten desselben bringen die Betheiligten unte rsich auf. Den Fideikommißbesitzern verbleibt das Recht der Wahl und Wählbarkeit in den ritterschaftlichen Wahl-Bezirken, in welchen die zu ihrem Fideikommißbesitz gehörigen Güter belegen sind.
b) Dem Freiherrn von der Asseburg ist für das aus den Falkenstein-Meisdorfschen Gütern ein Theilnahmerecht an dieser Kollektivstimme verliehen. Derselbe führt einstweilen die gedachte Stimme auf dem Sächsischen Provinzial-Landtage allein und hat demzufolge für jetzt auch die desfallsigen Kosten allein zu tragen. Seine Machtbefugniß und Wählbarkeit im Stande der Ritterschaft ruht, so lange dies Verhältniß währt."

§ 5. V. Bedingungen der Wählbarkeit. 1) der Abgeordneten aller Stände. Bei der Wählbarkeit der Abgeordneten aller Stände zum Provinzial-Landtage werden folgenden Bedingungen vorausgesetzt:
1) Grundbesitz in auf- und absteigender Linie ererbt, oder auf andere Weise erworben, und zehn Jahre lang nicht unterbrochen. Im Vererbungsfalle wird die Zeit des Besitzes des Erblassers und des Erben zusammengerechnet;
2) die Gemeinschaft mit einer der christlichen Kirchen;
3) die Vollendung des dreißigsten Lebensjahres;
4) der unbescholtene Ruf.

Durch Verordnung vom 29. November 1844, § 4, wurden im § 5 Ziff. 1 die Worte "in auf- und absteigender Linie" gestrichen.

§ 6. Von der Bedingung des zehnjährigen Besitzes zu dispensiren, behalten Wir uns Allerhöchst Selbst vor. In Ansehung der übrigen Bedingungen findet keine Dispension statt.

§ 7. 2) Der Abgeordneten der einzelnen Stände, und zwar: a) des zweiten Standes. Das Recht zu dem zweiten Stande als Abgeordneter gewählt zu werden, wird durch den Besitz eines Ritterguts in der Provinz, ohne Rücksicht auf die adelige Geburt des Besitzers, begründet. Wir behalten Uns jedoch vor, den Besitz bedeutender Familien-Fideikommiß-Güter auf angemessene Weise hierbei zu bevorrechten.

§ 8. Der Besitz eines Ritterguts in einer andern Unseren Provinzen wird auf die bestimmte Dauer von zehn Jahren angerechnet.

§ 9. Wenn Geistliche, Militair- und Zivilbeamte, die durch den mit vorstehenden Bedingungen verknüpften Besitz eines Ritterguts dem zweiten Stande angehören, als Abgeordnete desselben gewählt werden, so bedürfen sie der Beurlaubung ihrer Vorgesetzten.

§ 10. b) des dritten Standes. Als Abgeordnete des dritten Standes können nur städtische Grundbesitzer gewählt werden, welche entweder zeitige Magistrats-Personen sind, oder ein bürgerliches Gewerbe treiben.

Bei den letztern muß der Grundbesitz mit dem Gewerbe zusammen einen nach der Verschiedenheit der Städte abzumessenden Werth haben, welchen die § 4 vorbehaltene besondere Verordnung bestimmen wird.

§ 11. c) des vierten Standes. Bei dem vierten Stande wird zu der Eigenschaft eines Landtags-Abgeordneten der Besitz eines als Hauptgewerbe selbst bewirthschafteten Landguts erfordert, dessen Größe ebenfalls die besondere Verordnung (§ 4) festsetzen wird.

§ 12. VI. Bedingungen des Wahlrechts. Die vorbemerkten Bedingungen der Wählbarkeit treten auch für die Befugniß zur Wahl ein, mit dem Unterschiede, daß für die Wählenden oder Wahlmänner, die Vollendung des vier und zwanzigsten Lebensjahres genügt, und nicht zehnjähriger, sondern nur eigenthümlicher Besitz, ohne Rücksicht auf die bei dem vierten Stande nach § 11 zu bestimmende Größe des Grundbesitzes, erforderlich ist.

Bei den Städten steht das Wahlrecht denjenigen zu, welche den Magistrat wählen.

Durch Allerhöchste Kabinetsorder vom 9. Februar 1825 wurde zu § 12 bestimmt:
"daß gegenwärtig die Wahlen in der erst gedachten Art, folglich von den Magistraten geschehen soll. Jedoch sollen diese sowohl, als die nach § 13 in Sachsen und den anderen Provinzen getroffenen und noch zu treffenden Wahlen nur so lange gültig seyn, bis die Verfassung der Städte gesetzlich neu geordnet seyn wird, in dem sodann in jenen Orten eine neue Wahl der städtischen Deputirten nach Maaßgabe der dann bestehenden gesetzlichen Vorschriften und zwar das erstemal auf so viele Jahre getroffen werden soll, als die frühere Wahl noch gültig gewesen seyn würde, wenn sie selbst, oder ihre Vorgänger gleich anfangs mit sämmtlichen übrigen Deputirten erwählt worden wären."

§ 13. In denjenigen Städten, wo die Bestellung der Magistratsmitglieder Unsern Regierungen oder einem Dominio zusteht, wird das Wahlrecht von den mit Grundeigenthum angesessenen Bürgern ausgeübt. Die Wahl des Landtagsabgeordneten ist aber auch bei diesen Städten immer an die Bedingungen der Wählbarkeit gebunden, welche der § 5 für alle drei Stände und der § 10 für die Städte festsetzt.

§ 14. Das Wahlrecht und die Wählbarkeit ruhen, wenn über das Vermögen dessen, dem diese Befugnisse zustehen, der Konkurs eröffnet ist, imgleichen, während eines nicht einer moralischen Person zuständigen gesellschaftlichen Besitzes.

Bei dem zweiten Stande hören Wählbarkeit und Wahlrecht auf, wenn durch Zerstückelung die Eigenschaft eines Rittergutes vernichtet wird.

§ 15. In mehreren Wahlbezirken Angesessene können in jedem derselben, in welchem sie ansässig sind, wählen und gewählt werden. In letzterm Falle bleibt es dem Gewählten überlassen, für welchen Bezirk er eintreten will.

§ 16. Ein Abgeordneter kann auch Mitglied des Landtags einer anderen Provinz seyn, wenn die Zeit der Versammlung es zuläßt.

§ 17. VII. Ausübung des Rechts der Standschaft. a) von den gewählten Abgeordneten. Wer durch Wahl bestimmt ist, als Abgeordneter auf dem Landtage zu erscheinen, kann keinen Andern für sich bevollmächtigen.

§ 18. b) von den Wählern. Auch das Wahlrecht muß in  Person ausgeübt werden.

§ 19. c) bei Vollziehung des Wahlakts. 1) vom zweiten Stande. Die Wahlen der Abgeordneten zum Landtage werden von dem zweiten Stande nach den, durch die Verordnung (§ 4) zu bestimmenden Bezirken dergestalt vollzogen, daß alle in einem Bezirke begriffene ältere Landestheile gegenseitig an der Wahl der Abgeordneten Theil nehmen..

§ 20. 2) vom dritten Stande. Jede einzelne derjenigen Städte, welche durch die besondere Verordnung (§ 4) Virilstimmen erhalten, wählt ihre Abgeordneten zum Landtage in sich; alle übrigen Städte ohne Unterschied, ob sie Immediat- oder Mediatstädte sind, wählen in sich Wähler; diese treten kollektiv in Wahlversammlungen nach Bezirken zusammen, und wählen die Landtagsabgeordneten.

Die Zahl der Wähler wird die bemerkte Verordnung nach der Größe der Städte bestimmen.

§ 21. 3) Vom vierten Stande. Von den Dorfgemeinden wählt in Schlesien eine jede nach ihrer für andere Dorfangelegenheiten hergebrachten Weise einen Wähler; die Wähler versammeln sich mit den Besitzern der einzeln liegenden, zu keiner  bestimmten Dorfgemeinde angehörigen Güter des vierten Standes, welche aber das Maaß der Wahlfähigkeit (§ 11) haben müssen, bezirksweise zur Wahl des Bezirkswählers; die Bezirks-Wähler treten dann zusammen und wählen den Landtagsabgeordneten.

Durch Verordnung vom 27. Februar 1830 wurde zu § 21 bestimmt, daß "nach Ablauf einer jeden, von den Wahlen für die ersten Provinzial-Landtage anhebenden sechsjährigen Wahlperiode die Wahl neuer Bezirkswähler angeordnet werde, durch welche demnach alle während der Dauer dieser Wahlperiode nöthig werdenden Wahlen der Provinzial-Landtags-Abgeordneten des Standes der Landgemeinden und der Stellvertreter derselben bewirkt werden müssen. Sollte aber der eine oder der andere Bezirkswähler im Laufe einer Wahlperiode durch den Tod oder andere Umstände ausschieden, so muß an seine Stelle ein anderer für die noch übrige Zeit der Wahlperiode erwählt werden."

§ 22. Die Zusammenlegung der Bezirke, sowohl für die kollektivwählenden Städte, als für den vierten Stand, wird die besondere Verordnung (§ 4) festsetzen.

§ 23. 4) In Ansehung des 2., 3. und 4ten Standes. Die Wahlen der Abgeordneten zum Landtage geschehen auf Sechs Jahre, dergestalt, daß alle drei Jahre die Hälfte der Abgeordneten eines jeden Standes ausscheidet, und alle drei Jahre zu neuen Wahlen geschritten wird.

§ 24. Die für das erstemal Ausscheidenden werden nach drei Jahren durch das Loos bestimmt. Alle Ausscheidenden sind wieder wählbar.

§ 25. Für jeden Abgeordneten wird gleichzeitig ein Stellvertreter gewählt.

§ 26. Wenn bei den Wahlen zu Wählern, Bezirkswählern und Abgeordneten gleiche Stimmen entstehen; so giebt die Stimme des Ältesten der Wählenden unter den Wählern den Ausschlag.

§ 27. Alle Wahlen stehen unter der Aufsicht des Landraths, in dessen Kreise sie vorgenommen werden. Die Wahlen der Bezirkswähler und der Landtagsabgeordneten leitet er unmittelbar, oder durch einen von ihm zu ernennenden Stellvertreter; die Wahlen in den einzelnen Städten und Dorfgemeinden aber werden zunächst von der Ortsobrigkeit geleitet.

In den Grafschaften Wernigerode, Stolberg und Roßla wird das Wahlgeschäft von den dortigen Behörden besorgt.

§ 28. Die geschehene Wahl der Wähler ist dem Landrath, die Wahl der Bezirkswähler und Landtagsabgeordneten aber dem Landtagskommissarius, mit Einsendung der Wahlprotokolle, anzuzeigen. Letzterer hat zu prüfen, ob solche in der Form und nach den Eigenschaften der Abgeordneten, der Vorschrift gemäß, geschehen sind. Nur wenn derselbe in dieser Beziehung Mängel findet, ist er berechtigt, eine andere Wahl zu verlangen.

§ 29. 5) Ernennung des Landtags-Marschalls und dessen Stellvertreters. Den Vorsitzenden auf dem Landtage, welchem Wir den Karakter eines Landtags-Marschalls beilegen, so wie dessen Stellvertreter, wollen Wir für die Dauer eines jeden Landtags aus den Mitgliedern des ersten oder zweiten Standes Selbst ernennen.

Durch Verordnung vom 21. Juni 1842 wurde zum § 29 bestimmt:
"§ 6. Der Landtags-Marschall, dessen Amt zu diesem Zwecke künftig bis zur Eröffnung des nächstfolgenden Provinzial-Landtages fortdauern soll, ist jederzeit Mitglied und Vorsitzender des Ausschusses. ...";
damit wurde im § 30 die Worte "für die Dauer eines jeden Landtages" gestrichen.

§ 30. VIII. Berufung und Dauer des Provinzial-Landtags. Für die ersten sechs Jahre werden Wir die Stände zum Provinzial-Landtage alle zwei Jahre berufen, nach Ablauf dieses Zeitraums aber ferner hierüber bestimmen.

§ 31. Die Dauer des Landtags wird jedesmal nach den Umständen von Uns festgesetzt werden.

§ 32. Die Ladung der Mitglieder zu dem für die Eröffnung des Landtags bestimmten Tage geschieht zu gehöriger Zeit durch Unseren Kommissarius.

§ 33. Die Abgeordneten müssen sich spätestens an dem Tage vor der Eröffnung des Landtags einfinden, und sich sowohl bei dem Kommissarius, als dem Landtags-Marschall, melden.

§ 34. A. Eröffnung desselben durch den Landtags-Kommissarius und sonstige amtliche Bestimmungen des letztern. Der Provinzial-Landtag wird nach gehaltenem Gottesdienste von Unserm Kommissarius eröffnet.

§ 35. Derselbe ist die Mittelsperson aller Verhandlungen; an ihn allein haben sich daher die Stände wegen jeder Auskunft, oder wegen der Materialien, deren sie für ihre Geschäfte bedürfen, zu wenden. Er theilt den Ständen, in Gemäßheit Unserer Instruktion, die Propositionen mit, und empfängt die von ihnen abzugebenden Erklärungen und Gutachten, so wie ihre sonstigen Vorstellungen, Bitten und Beschwerden.

§ 36. Den Berathungen wohnt er nicht bei; er kann aber den Eintritt zu mündlichen Eröffnungen verlangen, oder eine Deputation zu sich entbieten, so wie die Stände Deputationen an ihn absenden können.

§ 37. Er schließt den Landtag, reicht Uns die Verhandlungen desselben ein, und publizirt den hierauf zu ertheilenden Landtagsabschied den Ständen.

§ 38. B. Geschäftsgang. Bei Eröffnung des Landtags, sowohl, als zur Fassung gültiger Beschlüsse, müssen wenigstens drei Viertheile der Gesammtheit der Abgeordneten auf demselben gegenwärtig seyn.

§ 39. In der Versammlung nehmen die Mitglieder der vier Stände ihren Sitz nach der § 2 bestimmten Reihenfolge.

§ 40. Sobald die Propositionen mitgetheilt sind, ernennt der Landtags-Marschall in der Plenar-Versammlung, mit Berücksichtigung des Stimmenverhältnisses, nach Verschiedenheit der Gegenstände, besondere Ausschüsse, welche die an den Landtag gelangenden Angelegenheiten zur Berathung und Beschlußnahme gehörig vorzubereiten haben. Das Direktorium dieser Ausschüsse führt dasjenige Mitglied aus dem ersten oder zweiten Stande, welches der Landtags-Marschall dazu bestimmt.

§ 41. Den Geschäftsgang auf dem Landtage leitet überhaupt der Landtags-Marschall. Von seiner Anordnung hängt auch zunächst alles ab, was auf Ruhe und Ordnung in den Versammlungen Beziehung hat. Besonders hat er darauf zu sehen, daß die Berathungen und Arbeiten der Stände möglichst beschleunigt werden.

§ 42. Ohne gültige Ursachen und Vorwissen des Landtags-Marschalls darf kein Mitglied aus der Versammlung wegbleiben; Verhinderung der fernern Theilnahme an dem Landtage durch Krankheit oder andere dringende Ursachen, fordert die Anzeige des Landtags-Marschalls bei dem Landtags-Kommissarius, welcher alsdann beim 1sten STande die erforderliche Bevollmächtigung veranlaßt, bei dem 2ten, 3ten und 4ten Stande aber den Stellvertreter sofort einberuft.

§ 43. Wenn ein Mitglied über einen besondern Gegenstand einen Antrag an die Versammlung richten will, so hat dasselbe solches vor der Versammlung schriftlich, mit Bemerkung des Gegenstandes, dem Landtags-Marschall anzuzeigen. Letzterer ruft dann den Abgeordneten zur Haltung des Vortrags auf. Der Inhalt desselben muß schriftlich zu Protokoll gegeben werden.

§ 44. Die Abfassung der ständischen Schriften trägt der Landtags-Marschall den hierzu geeigneten Mitgliedern des Landtages auf. Jede solche Schrift wird in der Versammlung verlesen, und, nach der Vereinigung über die Fassung, die Reinschrift von dem Landtags-Marschall und den Ständen vollzogen.

§ 45. Alle Schriften, welche nicht einen Antrag an den Kommissarius enthalten, sind an Uns zu richten, und demselben durch eine ständische Deputation zu übergeben.

§ 46. Die Mitglieder aller Stände dieses Provinzial-Verbandes bilden eine ungetheilte Einheit, sie verhandeln die Gegenstände gemeinschaftlich. Zu einem gültigen Beschlusse über solche Gegenstände, welche von Uns zur Berathung an sie gewiesen, oder ihrem Beschlusse mit Vorbehalt Unserer Sanktion überlassen, oder sonst zu Unserer Kenntniß zu bringen sind, wird eine Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen erfordert; ist diese bei einer Sache, worüber von den Ständen das Gutachten erfordert worden, nicht vorhanden; so wird solches, mit Angabe der Verschiedenheit der Meinungen, ausdrücklich bemerkt.

Alle andere ständische Beschlüsse können durch die einfache Mehrheit ihre Bestimmung erhalten.

§ 47. Bei Gegenständen, bei denen das Interesse der Stände gegen einander geschieden ist, findet Sonderung in Theile statt, sobald zwei Drittheile der Stimmen eines Standes, welcher sich durch einen Beschluß der Mehrheit verletzt glaubt, darauf dringen.

In einem solchen Falle verhandelt die Versammlung nicht mehr in der Gesammtheit, sondern nach den § 2 bestimmten Ständen. Die auf diese Weise hervorgehende Verschiedenheit der Gutachten der einzelnen Stände wird dann zu Unserer Entscheidung vorgelegt.

Gegen Beschlüsse, welche die besonderen Rechte der einzelnen zum ersten Stande gehörigen Mitglieder berühren, bleibt ihnen der Rekurs an Uns vorbehalten.

§ 48. Wenn Gegenstände, welche das provinzielle Interesse eines der einzelnen, in diesem ständischen Verbande begriffenen Landestheils betreffen, in der Gesammtberathung verhandelt werden, und die Stimmenmehrheit sich gegen dasselbe erklärt hat; so sind die Abgeordneten des Wahlbezirkes, zu welchem dieser Landestheil gehört, berechtigt, ihre abweichende Meinung, mit Berufung auf Unsere Entscheidung, zu den Landtagsverhandlungen zu geben, worauf sie dann jederzeit besondern Bescheid erhalten werden.

§ 49. Bitten und Beschwerden der Stände können nur aus dem besonderen Interesse der Provinzen und ihrer einzelnen Theile hervorgehen. Individuelle Bitten und Beschwerden hat der Landtag gleich an die betreffenden Behörden, oder an Uns unmittelbar, zu verweisen; wenn aber Mitglieder des Landtags von Bedrückungen einzelner Individuen bestimmte Überzeugung erhalten; so können sie bei dem Landtage, mit gehörig konstatirter Anzeige, darauf antragen, daß derselbe sich für die Abstellung bei Uns verwende.

§ 50. Alle bei dem Landtage eingehende, so wie von demselben ausgehende Anträge, müssen schriftlich eingegeben werden. Sind die letztern einmal zurückgewiesen; so dürfen sie nur alsdann, wenn wirklich neue Veranlassungen oder neue Gründe eintreten, und immer nur erst bei künftiger Berufung des Landtags, erneuert werden.

§ 51. C. Verhältniß der Provinzialstände. a) zu den Kommunen und Kreisständen. Die Stände stehen als berathende Versammlung eben so wenig mit den Ständen anderer Provinzen, als mit den Kommunen und Kreisständen ihrer Provinz in Verbindung; es finden daher keine Mittheilungen unter ihnen statt.

§ 52. b) zu den Abgeordneten. Die einzelnen Stände können ihren Abgeordneten keine bindende Instruktionen ertheilen; es steht ihnen aber frei, sie zu beauftragen, Bitten und Beschwerden anzubringen.

§ 53. D. Schließung des Landtags. Sobald der Kommissarius den Landtag geschlossen hat, ist das ständische Amt des Landtags-Marschalls beendigt, die landständischen Berathungen hören auf und die Stände gehen auseinander; auch bleibt kein fortbestehender Ausschuß zurück. Für solche Gegenstände der laufenden ständischen Verwaltung aber, welche Wir den Ständen künftig übertragen werden, können sie die geeigneten Personen wählen und bestellen, insofern die Geschäfte solches fordern.

Durch Verordnung vom 21. Juni 1842 wurde zum § 53 bestimmt:
"§ 1. Es soll für das Herzogthum Sachsen, so wie in allen übrigen Provinzen Unserer Monarchie, ein Ausschuß aus den auf dem Provinzial-Landtage versammelten Ständen gebildet werden, der sich auf Unseren Befehl zu versammeln hat, um Uns die Gelegenheit zu geben, auch zu der Zeit, wo die Provinzial-Landtage nicht versammelt sind, ständische Organe mit ihrem Gutachten zu hören.
...
§ 6. Der Landtags-Marschall, dessen Amt zu diesem Zwecke künftig bis zur Eröffnung des nächstfolgenden Provinzial-Landtages fortdauern soll, ist jederzeit Mitglied und Vorsitzender des Ausschusses. ...";
damit wurde im § 54 Abs. 1 die Worte "ist das ständische Amt des Landtags-Marschalls beendigt" und der letzte Halbsatz gestrichen.

§ 54. Das Resultat der Landtags-Verhandlungen wird durch den Druck bekannt gemacht.

§ 55. E. Versammlungsort. Zum Versammlungsorte des Landtags bestimmen Wir die Stadt Merseburg.

§ 56 F. Reisekosten und Tagegelder. Die Landtags-Abgeordneten sollen angemessene Reisekosten und Tagegelder erhalten.

Das Weitere hierüber, so wie wegen der allgemeinen durch den Landtag veranlaßten Kosten, wird die besondere Verordnung (§ 4) festsetzen.

§ 57. IX. Kommunal-Landtage. Die in jedem der einzelnen Landestheile dieses ständischen Verbandes bestehenden Kommunalverhältnisse gehen auf die Gesammtheit desselben nicht über, wenn solches nicht durch gemeinschaftliche Übereinkunft beschlossen wird.

Bis dahin dauern daher die bisherigen Kommunalverfassungen dieser einzelnen Landestheile in ihrer observanzmäßigen Einrichtung fort, und Wir gestatten, daß für diese Angelegenheiten, auf vorgängige Anzeige bei Unserm Landtagskommissarius und dessen Bewilligung, auch fernere Versammlungen, jedoch mit verhältníßmäßiger Zuziehung von Abgeordneten aller Stände, welchen das gegenwärtige Gesetz die Landstandschaft beilegt, gehalten werden.

Die Beschlüsse über Veränderungen in den Kommunaleinrichtungen und neue Kommunalauflagen bedürfen Unserer Sanktion.

Zur Festsetzung der deshalb nöthigen nähern Bestimmungen und Ordnungen, erwarten Wir die Vorschläge des nächsten Landtags.

§ 58. X. Kreisständische Versammlungen. Was die kreisständischen Versammlungen betrifft; so sollen solche, wo sie bis jetzt noch nicht statt finden, bis auf weitere Anordnung ferner bestehen, und da, wo sie früher bestanden haben, wieder eingeführt werden.

Von dem ersten Landtage, zu welchem dieser ständische Verband berufen werden wird, erwarten Wir die Vorschläge, wie die kreisständischen Versammlungen mit den Modifikationen, welche der Zutritt aller Stände erfordert, einzurichten seyn werden.

siehe hierzu die Kreisordnung für das Herzogthum Schlesien, die Grafschaft Glatz und das Preußische Markgrafthum Oberlausitz vom 2. Juni 1827 (GS. S. 71).

    Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und Beidrückung Unseres großen Königlichen Insiegels.

    Gegeben Berlin, den 27sten März 1824

Friedrich Wilhelm

v. Schuckmann

Die bereits bei Erlaß des Gesetzes als antiquiert geltende Provinzialordnungen der Jahre 1823 und 1824 galten bis zu dem großen Verwaltungsreformen der Jahre ab 1875 fort. Nur in der Zeit der Revolution von 1848 fanden sie keine Anwendung.

Der Provinziallandtag Sachsens, der nur aus Abgeordneten der Provinz Sachsen ohne der Altmark, also des nördlichen Teils der Provinz bestand, kam im Jahr 1825 erstmals zusammen. 1842 wurde erstmals ein ständischer Ausschuss bestellt, der im Oktober 1842 erstmals gemeinsam mit den ständischen Ausschüssen der anderen Provinzen zu einer "Versammlung der vereinigten ständischen Ausschüsse sämmtlicher Provinzen der Preußischen Monarchie" berufen wurde. Die Mitglieder des Provinziallandtags waren schließlich 1847 und 1848 Mitglieder des "Vereinigten Landtags der Preußischen Monarchie" nach der "Verfassung" vom 3. Februar 1847.

Die Sitzungsperioden des Provinziallandtags der Provinz Sachsen
1. 02.10.1825 bis 27.11.1825, Landtagsabschied vom 17. Mai 1827
2. 28.10.1827 bis 29.11.1827, Landtagsabschied vom 22. Februar 1829
3. 14.02.1830 bis 04.04.1830, Landtagsabschied vom 30. Dezember 1831
4. 13.01.1833 bis 24.02.1833, Landtagsabschied vom 22. Juni 1834
5. 29.01.1837 bis 04.04.1837, Landtagsabschied vom 20. November 1838
6. 28.02.1841 bis 04.05.1841, Landtagsabschied vom 6. August 1841
7. 05.03.1843 bis 05.05.1843, Landtagsabschied vom 30. Dezember 1843
8. 09.02.1845 bis 13.04.1845, Landtagsabschied vom 27. Dezember 1845
9. ...

 


Quellen:  Gesetzsammlung für die Königlichen Preußischen Staaten Jahrgang 1824 S. 70
© 12. April 2011 - 5. April 2015


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