Die Verfassung für Anhalt

vom 18. Juli 1919

geändert durch
Gesetz über Abänderung der Verfassung für Anhalt vom 6. Oktober 1922 (GS S.141)
Gesetz über Abänderung der Verfassung für Anhalt vom 15. März 1923 (GS S.9)
Gesetz über Abänderung der Verfassung für Anhalt und des Gesetzes über die Veranstaltung von Wahlen zu Gemeinde- und Kreisvertretungen vom 8. Juli 1923 (GS S.103)
Gesetz vom 13. April 1933 (GS S. 34)
Gesetz vom 19. August 1933 (GS S. 95)

Die konstituierende Landesversammlung hat das nachstehende Verfassungsgrundgesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

I. Staatsform, Staatsgebiet.

§ 1. Anhalt bildet einen selbständigen Freistaat innerhalb des Deutschen Reiches. Seine Grenzen können nur durch Gesetz oder Staatsvertrag geändert werden.

Die Landesfarben sind rot-grün-weiß.

II. Staatsgewalt, Volksentscheid, Wahlen

§ 2. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.

§ 3. Der Volkswille wird kundgegeben durch Volksentscheid und durch Wahl.

§ 4. Der Volksentscheid erfolgt mit "Ja" oder "Nein". Die Abstimmung ist geheim.

Das Nähere wird durch das Gesetz geregelt.

§ 5. Die Volksvertretung (Landtag) wird in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Die Grundsätze für die Wahl zur Volksvertretung gelten auch für die Gemeindewahl.

Die Wahl findet an einem Sonntag oder gesetzlichen Ruhetage statt.

§ 6. Stimm- und wahlberechtigt ist jeder Deutsche ohne Unterschied des Geschlechts, der am Tage der Abstimmung oder Wahl mindestens zwanzig Jahre alt ist und in Anhalt seinen Wohnsitz hat.

Das Stimm- und Wahlrecht ruht, wenn der Berechtigte nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte, wenn er entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist.

III. Der Landtag

§ 7. Der Landtag wird vom Volke auf die Dauer von drei Jahren (Wahlperiode) nach Maßgabe des Wahlgesetzes gewählt. Er wird spätestens am zweiundzwanzigsten Tage nach der Wahl vom Staatsrat einberufen.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 7 das Wort "Staatsrat" ersetzt durch: "Staatsministerium".

Durch Gesetz vom 15. März 1923 wurde im § 7 das Wort "drei" ersetzt durch: "vier".

Wahlen fanden statt am 6. Juli 1920, am 22. Juni 1924, am 9. November 1924, am 20. Mai 1928 und am 24. April 1932.

§ 8. Der Landtag beschließt über die Gesetzesvorlagen, bewilligt Einnahmen und Ausgaben des Staatshaushalts und überwacht die gesamte Politik und Verwaltung des Staates.

Er hat das Recht und auf Verlangen von einem Viertel der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht, zur Untersuchung von tatsächlichen Vorgängen und Verhältnissen in der öffentlichen Verwaltung des Staates und der Gemeinden Ausschüsse einzusetzen. Diese Untersuchungsausschüsse sind berechtigt, Beweise zu erheben. Alle Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, den Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebung Folge zu leisten; die Akten der Behörden sind ihnen auf Verlangen vorzulegen. Die Behandlung der Ausschüsse sind öffentlich; der Ausschluß der Öffentlichkeit kann mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden.

Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäße Anwendung. Die Wahrung des Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnisses bleibt hiervon unberührt.

§ 9. Das Recht, Gesetze vorzuschlagen, steht dem Landtage sowohl wie dem Staatsrat zu.

Das Begehren nach Vorlegung eines Gesetzentwurfes kann von einem Viertel der bei der letzten Landtagswahl Stimmberechtigten gestellt werden. Den Begehren muß ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf zu Grunde liegen. Er ist vom Staatsrat unter Darlegung seiner Stellungnahme dem Landtag zur Beschlußfassung zu unterbreiten.

Über den Haushalt, über Abgabengesetze und Besoldungsordnungen der Staatsbeamten ist ein Volksbegehren nicht zulässig.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 9 das Wort "Staatsrat" (2x) ersetzt durch: "Staatsministerium".

§ 10. Der Landtag tritt in jedem Jahre am ersten Dienstag des März in Dessau zusammen. Der Landtagspräsident muß ihn berufen, wenn es der Staatsrat oder ein Drittel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten verlangt. Der Landtag bestimmt den Schluß der Tagung (Sitzungsperiode) und den Tag des Wiederzusammentritts.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurden im § 10 die Worte "der Staatsrat" ersetzt durch: "das Staatsministerium".

§ 11. Der Landtag kann vor Ablauf der Wahlperiode durch Volksentscheid aufgelöst werden.

Die Frage der Auflösung des Landtags ist zum Volksentscheid zu bringen, wenn der Staatsrat es beschließt, oder wenn ein Drittel der bei der letzten Landtagswahl Stimmberechtigten es begehrt. Das Begehren darf frühestens nach Beendigung der ersten Tagung gestellt werden.

Hat der Staatsrat den Volksentscheid beschlossen, so ruht das Recht des Landtags zur Abberufung des Staatsrats (§ 35) bis nach dem Volksentscheid.

Im Falle der Auflösung des Landtags finden die Neuwahlen spätestens am sechzigsten Tage nach der Auflösung statt.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde der § 11 wie folgt geändert:
- im Absatz 2 wurden die Worte "der Staatsrat" ersetzt durch: "das Staatsministerium".
- der Absatz 3 erhielt folgende Fassung:
"Hat das Staatsministerium den Volksentscheid beschlossen, so ruht das Recht des Landtags zur Abberufung des Staatsministeriums (§ 35) bis nach dem Volksentscheid."

Durch (verfassungsdurchbrechendes) Gesetz vom 9. Juli 1924 (einstimmiger Beschluß des Landtages) wurde der am 22. Juni 1924 gewählte Landtag aufgelöst.

§ 12. Der Landtag ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder anwesend ist. Er faßt seine Beschlüsse, sofern nichts anderes im Gesetze bestimmt ist, mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

Für die vom Landtag vorzunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.

§ 13. Die Vollsitzungen des Landtags sind öffentlich. Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen sind von jeder Verantwortung frei.

Der Landtag tritt auf den Antrag des Staatsrats oder von einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten zu einer geheimen Sitzung zusammen, in welcher zunächst über diesen Antrag zu beschließen ist. Der Beschluß bedarf zu seiner Gültigkeit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 13 Absatz 2 das Wort "Staatsrats" ersetzt durch: "Staatsministeriums".

§ 14. Der Landtag kann die an ihn gerichteten Eingaben dem Staatsrat überweisen und von diesem Auskunft über eingehende Beschwerden verlangen.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 14 das Wort "Staatsrat" ersetzt durch: "Staatsministerium".

§ 15. Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglieder des Staatsrats verlangen. Die Mitglieder des Staatsrats und die zu ihrer Vertretung und Unterstützung bestellten Beamten müssen im Landtag und in seinen Ausschüssen auf Verlangen jederzeit gehört werden. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 15 das Wort "Staatsrats" (2x) ersetzt durch: "Staatsministeriums".

§ 16. Der Landtag regelt seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung; er wählt seinen Präsidenten und zwei Stellvertreter.

§ 17. Dem Landtagspräsidenten unterstehen die Verwaltung der für den Landtag bestehenden besonderen Einrichtungen und die Angestellten des Landtags. Er verfügt über die Einnahmen und Ausgaben des Hauses nach Maßgabe des Staatshaushalts und vertritt den Staat in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten, die diese Verwaltung betreffen.

§ 18. Beamte bedürfen zur Teilnahme an den Landtagsverhandlungen keines Urlaubs.

§ 19. Die Abgeordneten sind bei der Vertretung des Volkes nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden.

§ 20. Kein Abgeordneter darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs getanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

§ 21. Kein Mitglied des Landtags kann ohne dessen Genehmigung während der Tagung wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß das Mitglied bei Ausübung der tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen ist. Die gleiche Genehmigung ist bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit erforderlich, die die Ausübung des Abgeordnetenberufs beeinträchtigt.

Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied des Landtags und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Landtags für die Dauer der Tagung aufgehoben.

§ 22. Die Mitglieder des Landtags sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertrauen, oder denen sie in Ausübung ihres Abgeordnetenberufs solche anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Auch in Beziehung auf Beschlagnahme von Schriftstücken sowie auf Durchsuchungen stehen sie den Personen gleich, die ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht haben.

§ 23. Gegen Abgeordnete kann wegen Bestechung und wegen schwerer Verletzung der Schweigepflicht über Tatsachen, die in geheimer Sitzung des Landtags mitgeteilt sind, auf Antrag des Landtags Anklage vor dem Staatsgericht (§ 39) erhoben werden. Die Schweigepflicht erstreckt sich auch auf solche Verhandlungen der Ausschüsse, für die der Ausschuß Vertraulichkeit beschlossen hat.

Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten unterzeichnet sein und wenigstens drei Tage vor der Beratung auf die Tagesordnung gesetz werden. Die Erhebung der Anklage kann nur von einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten beschlossen werden.

Die Erhebung der Anklage muß erfolgen, wenn ein Abgeordneter sie gegen sich selbst verlangt.

§ 24. Der Abgeordnete kann auf seine Mitgliedschaft zum Landtag verzichten. Der Verzicht muß beim Landtagspräsidenten schriftlich angezeigt werden und wird wirksam mit der Ausfertigung der Empfangsbestätigung durch diesen.

§ 25. Die Abgeordneten erhalten aus der Staatskasse Reisekosten und Tagegelder nach Maßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht ist unstatthaft.

1927 waren das monatlich 75 bis 150 RM.

§ 26. Der Landtag prüft die Gültigkeit der Wahl seiner Mitglieder.

Auf Antrag von einem Sechstel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten erfolgt diese Prüfung durch ein Wahlprüfungsgericht. Das Wahlprüfungsgericht besteht aus den beiden richterlichen, den beiden vom Landtag gewählten Mitgliedern des Oberverwaltungsgerichts und einem vom Staatsrat zu ernennenden Richter. Es erkennt auf Grund öffentlicher mündlicher Verhandlung und regelt im übrigen sein Verfahren selbst.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 26 das Wort "Staatsrat" ersetzt durch: "Staatsministerium".

IV. Der Staatsrat

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der IV. Abschnitt die Überschrift

"IV. Das Staatsministerium".

§ 27. Die Regierung wird vom Staatsrat für Anhalt geführt.

Der Staatsrat besteht in der Regel aus fünf, höchstens aus sieben Mitgliedern. Die Mitglieder des Staatsrats werden vom Landtag in getrennten Wahlgängen in geheimer Wahl gewählt. Zuerst wird der Präsident des Staatsrats gewählt. Wählbar in den Staatsrat ist jeder Wahlberechtigte, der das dreißigste Lebensjahr vollendet hat; zum Präsidenten des Staatsrats kann auch ein Deutscher gewählt werden, der nicht in Anhalt seinen Wohnsitz hat, sofern die sonstigen Voraussetzungen der Wählbarkeit gegeben sind. Gewählt ist, wer die Mehrheit von allen abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Ist eine solche Mehrheit nicht vorhanden, so findet engere Wahl zwischen den beiden Bewerbern statt, die die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 27 folgende Fassung:
"§ 27. Die Regierung des Landes wird vom Staatsministerium geführt.
Das Staatsministerium besteht aus dem Ministerpräsidenten und einem oder mehreren Staatsministern."

§ 28. Die Mitglieder des Staatsrats dürfen nicht gleichzeitig dem Landtag angehören. Mitglieder des Landtags scheiden durch die Wahl in den Staatsrat für die Dauer ihrer Amtsführung aus dem Landtag dergestalt aus, daß für diese Zeit die nach dem Wahlgesetz berufenen nächsten Bewerber als Vertreter an ihre Stelle treten. Das Wahlgesetz bestimmt das Nähere.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 28 folgende Fassung:
"§ 28. Die Mitglieder des Staatsministeriums werden vom Landtag in getrennten Wahlgängen in geheimer Wahl gewählt. Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der das 30. Lebensjahr vollendet hat.
Gewählt ist, wer die Mehrheit von allen abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Ist eine solche Mehrheit nicht vorhanden, so findet eine Wahl zwischen den beiden Bewerbern statt, die die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los."

§ 29. Die Amtsdauer des Staatsrates entspricht der Wahlzeit des Landtags, von dem er gewählt ist.

Der Präsident des Staatsrats darf während der Amtsdauer ein anderes besoldetes Amt, einen Beruf oder ein Gewerbe nicht ausüben; durch besonderes Gesetz oder durch Vertrag kann ihm Anspruch auf Ruhegehalt sowie auf Witwen- und Waisenversorgung gewährt werden. Der Staatsrat wählt aus seiner Mitte den ersten und zweiten Vertreter seines Präsidenten.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 29 folgende Fassung:
"§ 29. Die Staatsminister dürfen nicht gleichzeitig dem Landtag angehören. Mitglieder des Landtags scheiden durch die Wahl in das Staatsministerium für die Dauer ihrer Amtszeit (§ 30 und 37) aus dem Landtag dergestalt aus, daß für diese Zeit die nach dem Wahlgesetz berufenen nächsten Bewerber als Vertreter an ihre Stelle treten. Das Wahlgesetz bestimmt das Nähere."

§ 30. Jedes Mitglied des Staatsrates leistet bei der Übernahme seines Amtes vor dem Landtage folgenden Eid:

"Ich schwöre, daß ich alle meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, die Verfassung und die Landesgesetze wahren und alle meine Pflichten gewissenhaft erfüllen werde."

Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 30 folgende Fassung:
"§ 30. Die Amtsdauer des Staatsministeriums entspricht der Wahlzeit des Landtags, von dem es gewählt ist."

§ 31. Der Staatsrat vertritt den Staat gegenüber dem Reiche und den anderen deutschen Ländern. Er ernennt den Vertreter im Reichsrat.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 31 folgende Fassung:
"§ 31. Die Staatsminister sind als solche im Hauptamte tätig.
Die Ansprüche der Staatsminister auf Gehalt, Aufwandsentschädigung, Wartegeld, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung werden durch Gesetz oder durch Vertrag geregelt."

§ 32. Der Staatsrat ernennt die Beamten. Er kann das Ernennungsrecht auf andere Behörden übertragen.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 32 folgende Fassung:
"§ 32. Jeder Staatsminister leistet beim Amtsantritte vor dem Landtage den Eid, daß er die Geschäfte unparteiisch zum Wohle des Volkes und getreu der Verfassung und den Gesetzen führen will."

§ 33. Das Recht der Begnadigung wird namens des Volkes vom Staatsrat ausgeübt. Zu einer Niederschlagung anhängiger Strafverfahren bedarf es einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.

Zugunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Mitgliedes des Staatsrats kann das Begnadigungsrecht nur auf Antrag des Landtags ausgeübt werden.

Allgemeine Begnadigungen können nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 33 folgende Fassung:
"§ 33. Das Staatsministerium vertritt den Staat gegenüber dem Reiche und den anderen deutschen Ländern und ernennt insbesondere den Vertreter im Reichsrate."

§ 34. Gesetze bedürfen der Unterschrift des Präsidenten und mindestens zweier Mitglieder des Staatsrats. Für sonstige Willenserklärungen, die der Staatsrat kraft seines Amtes abgibt, genügt die Unterzeichnung durch den Präsidenten des Staatsrates oder seinen Vertreter, soweit nicht nach der Geschäftsordnung die Unterzeichnung durch einen beauftragten Beamten zulässig ist.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 34 folgende Fassung:
"§ 34. Das Staatsministerium regelt die Verteilung der Geschäfte unter die einzelnen Minister durch eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Landtags bedarf.
In der Geschäftsordnung sind insbesondere Bestimmungen zu treffen, inwieweit die in der Verfassung und in anderen Gesetzen dem Staatsministerium übertragenen Aufgaben von diesem in seiner Gesamtheit oder von den einzelnen Ministern zu erfüllen sind.
Jeder Staatsminister leitet die ihm anvertrauten Geschäfte unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtage."

§ 35. Der Staatsrat bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Landtags. Er muß zurücktreten, wenn ihm der Landtag durch ausdrücklichen Beschluß, dem die Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten zustimmt, sein Vertrauen entzieht.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 35 folgende Fassung:
"§ 35. Das Staatsministerium ernennt die Beamten."

§ 36. Der Staatsrat hat nach Ablauf seiner Amtszeit oder nach seiner Abberufung die Geschäfte bis zur Wahl eines neuen Staatsrats weiterzuführen.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 36 folgende Fassung:
"§ 36. Das Recht der Begnadigung wird namens des Volkes von dem Staatsministerium ausgeübt. Zu einer Niederschlagung anhängiger Strafverfahren bedarf es einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.
Zugunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Mitgliedes des Staatsministeriums kann das Begnadigungsrecht nur auf Antrag des Landtags ausgeübt werden.
Allgemeine Begnadigungen können nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen."

§ 37. Der Staatsrat regelt seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Landtags bedarf.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 37 folgende Fassung:
"§ 37. Das Staatsministerium bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Landtags. Es muß zurücktreten, wenn ihm der Landtag durch ausdrücklichen Beschluß, dem die Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten zustimmt, sein Vertrauen entzieht.
Der Landtag ist berechtigt, ach dem einzelnen Staatsminister das Vertrauen zu entziehen.
Ein solcher Beschluß erfolgt auf Antrag, der von wenigstens einem Drittel der Abgeordneten gestellt und mindestens drei Tage vor der Beratung auf die Tagesordnung gesetzt werden muß."

§ 38. Während der Dauer des Amtes führt der Vorsitzende des Staatsrats die Amtsbezeichnung "Präsident", die übrigen Mitglieder die Amtsbezeichnung "Staatsrat". Der Präsident erhält Gehalt, die Staatsräte erhalten Vergütung nach Maßgabe des Gesetzes oder des Vertrags.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 38 folgende Fassung:
"§ 38. Das Staatsministerium hat nach Ablauf seiner Amtszeit oder nach seiner Abberufung die Geschäfte bis zur Wahl eines neuen Staatsministeriums weiterzuführen.
Scheidet nur ein Staatsminister aus, so hat der Landtag unverzüglich eine Ersatzwahl vorzunehmen."

§ 39. Der Landtag ist berechtigt, die Mitglieder des Staatsrats vor dem Staatsgericht anzuklagen, daß sie schuldhafterweise die Verfassung oder ein Gesetz verletzt haben. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten unterzeichnet sein und bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten.

Das Nähere regelt das Gesetz über das Staatsgericht.

Das Staatsgericht entscheidet auch über Anklagen gegen Abgeordnete (§ 23).

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt der § 39 Absatz 1 Satz 1 folgende Fassung:
"Der Landtag ist berechtigt, die Staatsminister vor dem Staatsgericht anzuklagen, wenn sie schuldhafterweise die Verfassung oder ein Gesetz verletzt haben."

§ 40. Jedes Mitglied des Staatsrates kann jederzeit von seinem Amte zurücktreten.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922  erhielt der § 40 folgende Fassung:
"§ 40. Jeder Staatsminister kann jederzeit von seinem Amte zurücktreten."

V. Gesetzgebung.

§ 41. Gesetze bedürfen der Zustimmung des Landtags und des Staatsrats.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 41 das Wort "Staatsrats" ersetzt durch: "Staatsministeriums".

§ 42. Will der Staatsrat ein von dem Landtage beschlossenes Gesetz nicht annehmen, so hat er dies innerhalb zweier Monate nach der Beschlußfassung des Landtags diesem anzuzeigen. Der Landtag beschließt dann über das Gesetz  noch einmal. Erhält es dabei eine Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten, so steht dem Staatsrat ein weiterer Widerspruch nicht zu; er hat jedoch das Recht, innerhalb zweier Monate einen Volksentscheid über Ablehnung oder Annahme des Gesetzes anzuordnen. Erhält das Gesetz diese Mehrheit nicht, so gilt es als abgelehnt, es sei denn, daß ein durch Beschluß der einfachen Mehrheit innerhalb zweier Monate veranlaßter Volksentscheid sich für die Annahme ausspricht.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 erhielt § 42 Sätze 1 und 2 folgende Fassung:
"Will das Staatsministerium ein von dem Landtage beschlossenes Gesetz nicht annehmen, so hat es dies innerhalb zweier Monate nach der Beschlußfassung des Landtags diesem anzuzeigen. Der Landtag beschließt dann über das Gesetz  noch einmal. Erhält es dabei eine Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten, so steht dem Staatsministerium ein weiterer Widerspruch nicht zu; es hat jedoch das Recht, innerhalb zweier Monate einen Volksentscheid über Ablehnung oder Annahme des Gesetzes anzuordnen.".

§ 43. Endgültig angenommene Gesetze werden durch den Staatsrat in der Gesetzsammlung veröffentlicht und treten, sofern in dem Gesetz kein anderer Zeitpunkt angegeben ist, mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages in Kraft, an dem das betreffende Stück der Gesetzsammlung in Dessau ausgegeben worden ist.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurden im § 43 die Worte "den Staatsrat" ersetzt durch: "das Staatsministerium".

§ 44. Wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder die Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes es dringend erfordern, können, sofern der Landtag nicht versammelt ist, vom Staatsrat Verordnungen, die der Verfassung nicht zuwiderlaufen, mit Gesetzeskraft erlassen werden. Diese Verordnungen sind dem Landtage bei seinem nächsten Zusammentreten zur Genehmigung vorzulegen. Wird die Genehmigung versagt, so tritt die Verordnung außer Kraft.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 44 das Wort "Staatsrat" ersetzt durch: "Staatsministerium".

VI. Finanzwesen.

§ 45. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und in den Haushalt eingestellt werden.

Der Haushalt wird jährlich durch eine Gesetz festgestellt.

Wenn bis zum Schlusse eines Rechnungsjahrs der Haushalt für das folgende Jahr nicht zustande kommt, ist der Staatsrat ermächtigt, bis zum Inkrafttreten die bisherigen Steuern und sonstigen Abgaben zu erheben, sowie alle Ausgaben zu leisten, die zur Erhaltung gesetzlich bestehender Einrichtungen oder zur Durchführung gesetzlich beschlossener Maßnahmen erforderlich sind, ferner die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Staates zu erfüllen und endlich Bauten und Beschaffungen vorzunehmen oder fortzusetzen, für die durch den Haushalt des Vorjahres bereits Bewilligungen stattgefunden haben.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurden im § 45 Absatz 3 die Worte "der Staatsrat" ersetzt durch: "das Staatsministerium".

§ 46. In den Haushalt können Einnahmen und Ausgaben, die im Entwurf nicht vorgesehen sind, oder Erhöhungen von Einnahme- oder Ausgabeposten über die Höhe des vom Staatsrat vorgeschlagenen Betrags vom Landtag ohne Zustimmung des Staatsrats nicht eingesetzt werden.  Geschieht dies dennoch, so sind die Ansätze nur in der vom Staatsrat genehmigten Höhe gültig. Die im § 42 vorgesehene Zurückverweisung an den Landtag zu nochmaliger Abstimmung findet nicht statt.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 46 das Wort "Staatsrat" bzw. "Staatsrats" ersetzt durch: "Staatsministerium" bzw. "Staatsministeriums".

§ 47. Steuern für die Staatskasse dürfen nur auf Grund besonderer Gesetze erhoben werden.

§ 48. Das Staatsgut ist in seinen wesentlichen Bestandteilen zu erhalten und auf eine den dauernden Ertrag sichernde Weise zu benutzen. Abweichungen von diesem Grundsatze, Veräußerungen oder Beschwerungen mit Schulden und anderen Lasten sind zulässig, wenn der Landtag damit einverstanden ist.

§ 49. Über die Einnahmen und Ausgaben des Staates ist dem Landtag im folgenden Rechnungsjahre zur Entlastung des Staatsrats Rechnung zu legen.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurde im § 49 das Wort "Staatsrats" ersetzt durch: "Staatsministeriums".

VII. Schluß- und Übergangsbestimmungen

§ 50. Die bisherigen Gesetze bleiben in Kraft, soweit ihnen nicht diese Verfassung entgegensteht.

Die staatsrechtlichen Befugnisse, die nach früherem Recht dem Herzog zustanden, gehen, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, auf den Staatsrat über.

Durch Gesetz vom 6. Oktober 1922 wurden im § 50 Absatz 2 die Worte "den Staatsrat" ersetzt durch: "das Staatsministerium".

§ 51. Die bestehenden Steuern und sonstigen Abgaben werden bis zu ihrer Änderung oder Aufhebung forterhoben.

§ 52. Die Anstellung der Beamten erfolgt auf Lebenszeit, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge werden gesetzlich geregelt. Die wohlerworbenen Rechte der Beamten sind unverletzlich. Für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten steht der Rechtsweg offen.

Die Beamten können nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und Formen entlassen, einstweilen oder endgültig in den Ruhestand oder in ein anderes Amt mit geringerem Gehalt oder Rang versetzt werden.

Gegen jedes Disziplinarerkenntnis muß eine Beschwerdeinstanz eröffnet werden.

§ 53. Die Verfassung kann auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung durch Beschluß des Landtags abgeändert werden. Der Beschluß bedarf zu seiner Gültigkeit einer Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten.

§ 54. Die auf Grund des Wahlgesetzes vom 15. November 1918 (Nr. 1501 der Gesetzsammlung) gewählte konstituierende Landesversammlung gilt bis zur Neuwahl als Landtag im Sinne der Verfassung.

§ 55. Die Verfassung tritt mit dem Tage der Veröffentlichung in Kraft.

geschehen am 19. Juli 1919.

Der Staatsrat für Anhalt
Deist, stellvertretender Vorsitzender
Dr. Cohn.
Hesse.
Lux.
Paulick.
Voigt.

Die Verfassung ist infolge der Gleichschaltungsgesetze des Reichs (vom 31. März 1933 und vom 7. April 1933) sowie dem Reichsgesetz über den Neubau des Reiches vom 30. Januar 1934 faktisch nicht mehr anwendbar. Das Land Anhalt wurde 1945 nicht mehr reorganisiert sondern wurde als Teil der preußischen Provinz Sachsen (ohne den Regierungsbezirk Erfurt) verwaltet, mit dieser wurde das Land Anhalt nach der Auflösung Preußens am 25. Februar 1947 formal zum Land Sachsen-Anhalt vereinigt.
 


Quelle: Gesetzsammlung für Anhalt 1919 Nr. 10 S. 79ff.
Otto Ruthenberg, Verfassungsgesetze des Deutschen Reiches und der deutschen Länder
nach dem Stande vom 1. Februar 1926
E.R.Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 Band 6 S. 821ff.
Weitere Infos: http://www.gonschior.de/weimar/Deutschland/index.htm
© 18. Januar 2002 - 14. April 2004
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