Verordnung Nr. 45 des französischen Oberkommandos in Deutschland
über Aufstellung von Wählerlisten für die Wahlen im Saargebiet

vom 8. Oktober 1946

Der Général Commandant en Chef Français en Allemagne erläßt auf Vorschlag des Administrateur Général, Adjoint pour le Gouvernement Militaire de la Zone Français  d'Occupation nach Anhörung des Comité Juridique unter Bezugnahme auf

Das Dekret vom 15. Juni 1945 über die Errichtung eines Commandement en Chef Français en Allemagne, abgeändert durch Dekret vom 18. Oktober 1945,

Die Verordnung Nr. 1 des Commandant Suprême Interallié oder in seinem Namen erlassenen Verordnungen und Bestimmungen,

Die Verordnung Nr. 45 vom 28. Mai 1946 über die Aufstellung von Wählerlisten für die Wahlen im Saargebiet zusammen mit der Verfügung Nr. 62 des Administrateur General vom 29. Mai 1946 über die Durchführung der Verordnung Nr. 45,

Die Verordnung Nr. 93 vom 6 Juni 1947 über die Neuorganisation der Verwaltung der Rhein-Pfalz und des Saargebietes zusammen mit der Verfügung Nr. 215 des Administrateur General vom 7. Juni 1947 über die Durchführung der Verordnung Nr. 93, auf Vorschlag des Administrateur Général, Adjoint pour le Gouvernement Militaire da la Zone Française d'Occupation und noch Anhörung des Comité  Juridique;

folgende

VERORDNUNG:

TITEL I
Recht auf Eintragung in die Wählerliste

Artikel 1. Absatz 1. Jede Person ohne Unterschied des Geschlechts, die am 1. August 1947 das 21. Lebensjahr vollendet hat, aus keinem der in Titel II dieser Verordnung aufgeführten Gründe wahlunfähig ist und ihre örtliche Wahlberechtigung nachweist, hat den Anspruch darauf, in die Wählerliste einer Gemeinde des Saarlandes eingetragen zu werden.

Absatz 2. Das örtliche Wahlrecht im Saarland genießen die Personen, die ihren tatsächlichen Wohnsitz in der Gemeinde am 1. Juni 1947 seit wenigstens 6 Monaten ohne Unterbrechung innehaben und zu einer der folgenden Gruppen gehören, und zwar,
1. Wer im Saargebiet innerhalb der durch die Verordnung Nr. 93 des Commandant en Chef Francais en Allemagne vom 6. Juni 1947 festgesetzten Grenzen geboren ist,
2. Wer von Eltern abstammt, von denen der eine Elternteil im Saargebiet geboren ist,
3. Wer seinen tatsächlichen Wohnsitz im Saargebiet dem 29. Juni 1919 und dem 30. Januar 1933 gehabt hat und ihn hier während wenigstens 10 aufeinander folgender Jahre aufrechterhalten hat,
4. Wer der Ehegatte einer Person ist, die unter eine der drei vorhergehenden Gruppen fällt.

Absatz 3. Ausländer können ihre Eintragung in die Wählerliste nicht verlangen.

Artikel 2. Ebenfalls Anspruch auf Eintragung in die Wählerliste einer Gemeinde des Saarlandes haben die ehemaligen Angehörigen des Saargebietes, die durch Naturalisation Franzosen geworden sind und am 1. Juni 1947 im Saarland ihren Wohnsitz gehabt haben.

TITEL II
Unfähigkeit zum Wählen

Artikel 3. In die Wählerliste dürfen nicht eingetragen werden:
1. gerichtlich entmündigte Personen,
2. wegen Geisteskrankheit provisorisch entmündigte Personen,
3. Personen, die ihre bürgerlichen Rechte wegen Vergehen des gemeinen Rechts auf Grund rechtskräftigen Urteils verloren hoben.

Artikel 4. Von der Eintragung in die Wählerliste sind diejenigen Personen ausgeschlossen, welche die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem 12. März 1938, sei es durch Naturalisation, sei es durch Wiederverleihung der Staatsangehörigkeit, sei es durch Eingehung der Ehe, sei es durch eine einseitige Entscheidung nationalsozialistischen Regierung, erworben haben.

Artikel 5. Von der Eintragung in die Wählerliste sind ebenfalls ausgeschlossen:
Absatz 1: die früheren Mitglieder der SS und Waffen-SS, mit Ausnahme derjenigen von ihnen, die nach dem 1. Januar 1943 von amtswegen eingegliedert wurden, mit der natürlichen Maßgabe, daß diese nicht aus einem anderen Grunde unfähig zum Wählen sind.
Absatz 2: Diejenigen Personen, gegen die vom oberen Säuberungsrat die Amtsenthebung oder das Verbot der Berufsausübung ausgesprochen worden ist.
Absatz 3: Die ehemaligen Mitglieder der N. S. D. A. P. oder einer ihrer Gliederungen, die sich an der Partei mehr als nur dem Namen nach beteiligt haben, je nach der Art ihres Ranges und ihrer Tätigkeit  gemäß der durch Artikel 1 der Verfügung Nr. 62 des Administrateur a Général vom 29. Mai 1946 für jede Gruppe getroffenen Bestimmungen.
Absatz 4: Diejenigen Personen, die ohne offiziell der Partei einer ihrer Gliederungen angehört zu haben, eine solche Haltung gezeigt und sich so betätigt haben, daß ihr Ausschluß aus der Wählerschaft gerechtfertigt erscheint, insbesondere diejenigen, Deutsche oder Fremde wegen ihrer politischen Gesinnung, Rasse oder Religion angezeigt oder verfolgt haben.

Artikel 6. Absatz 1. Auf ihren Antrag können diejenigen Personen von der im Artikel 5 Absatz 3 näher bezeichneten Unfähigkeit zum Wählen befreit werden, für die die Kommunal-Kommission,  deren Zusammensetzung im nachstehenden Artikel 8 bestimmt ist, ein günstiges Urteil abgibt, gestützt auf passives Verhalten oder besondere, namentlich im folgenden Absatz aufgezählte Gründe.  Der Antrag muß dem in Artikel 7 Absatz 1 dieser Verordnung vorgesehenen Formular zusammen mit allen für zweckmäßig erachteten Unterlagen beigefügt werden. Berufung gegen diese Entscheidung kann bei dem im nachfolgenden Artikel 9 Absatz 1 vorgesehenen Berufungsausschuß für die Einwendungen des Kreises unter den im Artikel 8 Absatz 1 festgesetzten Bedingungen eingelegt werden.

Absatz 2: Ausnahmsweise können auf ihren Antrag, der, wie im vorstehenden Absatz angegeben, vorzulegen ist, diejenigen Personen durch den Revisionsausschuß des Kreises auf Grund der Stellungnahme der Kommunal-Kommission von der im Artikel 5 Absatz 1 und 4 näher bezeichneten Wahlunfähigkeit befreit werden, die eine besondere Begründung für die Rechtfertigung ihrer Rehabilitierung haben, insbesondere wenn sie sich auf eine Inhaftierung oder eine Verwahrung in einem Konzentrationslager wegen Angriffs auf die Sicherheit des Regimes oder auf ihr Ausscheiden aus der Partei vor Juli 1939 oder auf besonders wichtige, den Alliierten geleistete Dienste berufen. Die in Betracht kommenden Anträge sind in der Zeit vom 3. bis 6. August 1947 durch die Kommunal-Kommission zu prüfen und sogleich an den Revisionsausschuß des Kreises weiterzuleiten, der in der Zeit vom 7. bis 9. August 1947 zu befinden und seine Entscheidung unverzüglich dem Bürgermeister vor dem 11. August 1947 mitzuteilen hat.

TITEL III
Aufstellung und Revision der Wählerlisten

Artikel 7. Absatz 1. Alle Personen, die die in den Artikeln 1 und 2 dieser Verordnung näher bestimmten Wahlbedingungen erfüllen, müssen, um in der Wählerliste zu stehen, beim Bürgermeisteramt ihres Wohnsitzes vor dem 1. August 1947 ein ihnen von der Gemeindeverwaltung zur Verfügung gestelltes Formular einreichen.

Absatz 2. Niemand kann seine Eintragung in die Wählerliste mehrerer Gemeinden nachsuchen. Jede Übertretung dieser Art wird entsprechend den geltenden Bestimmungen bestraft.

Artikel 8. In jeder Gemeinde wird eine Kommission, die sich aus dem Bürgermeister als Vorsitzender, zwei durch den Gemeinderat gewählten Mitgliedern und zwei durch den Landrat in den Landkreisen und durch den Ministerialdirektor des Innern im Stadtkreis Saarbrücken bestimmten Mitgliedern zusammensetzt, damit beauftragt:
1. vor dem 11. August 1947 eine vorläufige Wählerliste unter Berücksichtigung der im vorhergehenden Artikel erwähnten Formulare aufzustellen;
2. vor dem 11. August 1947 und unter Vorbehalt der Berufung, über die Befreiung von der Wahlunfähigkeit entsprechend dem im Artikel 6 Absatz 1 bestimmten Verfahren zu entscheiden;
3. vor dem 6. August 1947 ihre Stellungnahme zu den entsprechend den Vorschriften des vorerwähnten Artikels 6 Absatz 2 vorgelegten Anträgen auf Befreiung von der Wahlunfähigkeit niederzulegen.

In den Städten, wo Wahlbezirke bestehen, können Bezirks-Kommissionen, die sich wie vorstehend zusammensetzen, unter dem Vorsitz der Stellvertreter des Bürgermeisters gebildet werden.

Artikel 9. In jedem Kreis ist ein Revisionsausschuß zu bilden, der sich aus den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses der Spruchkammer unter dem Vorsitz des Landrates in den Landkreisen oder des Ministerialdirektors des Innern oder seines Delegierten für den Stadtkreis Saarbrücken zusammensetzt.

Dieser Ausschuß hat die Aufgabe:
1. vor dem 25. August 1947 über die Beanstandungen zu entscheiden, die im Anschluß an die Anträge wegen Befreiung von der Wahlunfähigkeit infolge der Entscheidungen der Kommunal­Kommission entsprechend den Bestimmungen des vorstehenden Artikels 6 Absatz 1 eingehen.
2. vor dem 11. August 1947 über die Anträge auf Befreiung von der Wahlunfähigkeit zu entscheiden, die entsprechend den Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 2 durch die Kommunal­Kommission vorgelegt worden sind.
3. in der Zeit vom 28. August bis 2. September 1947 über die Beanstandungen bezüglich Eintragungen in die vorläufige Wählerliste zu entscheiden.

Artikel 10. Die entsprechend den vorstehenden Artikeln aufgestellte vorläufige Wählerliste ist der Öffentlichkeit durch den üblichen Anschlag während der Dauer von sechs Tagen vom 12. August 1947 ab zur Kenntnis zu bringen.

Artikel 11. Die Beanstandungen bezüglich Unterlassung von Eintragungen oder von Eintragungen in die vorläufige Wählerliste müssen bis spätestens 20. August 1947 der zuständigen Dienststelle des Bürgermeisteramtes eingereicht werden, die sie unverzüglich der Kommunal-Kommission zur Stellungnahme bis 25. August 1947 vor­zulegen und alsdann sogleich an den Revisionsausschuß weiterzuleiten hat. Dieser letztere hat seine Entscheidungen dem Bürgermeister der betreffenden Gemeinde zwischen dem 3. und 5. September mitzuteilen.

Artikel 12. Die Wählerliste wird endgültig am 12. September 1947 geschlossen, vorbehaltlich der Bestimmungen des nachstehenden Artikels 13.

Artikel 13. Zurückgekehrte Kriegsgefangene und heimkehrende Deportierte, die die in den Artikeln 1 und 2 dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, ausgenommen die Voraussetzungen ihrer Anwesenheit in der Gemeinde am 1. Juni 1947, können sich bis zum 12. Tage vor der Wahl in eine Nachtragsliste eintragen lassen. Diese Liste ist zwei Tage lang zu veröffentlichen. Etwaige Beanstandungen sind am achten T age vor der Wahl durch die im Artikel dieser Verordnung vorgesehenen Kommunal-Kommission zu, prüfen und alsbald bekanntzugeben.

Auf Berufungen, die bis zum vierten Tage vor der Wahl zulässig sind, ist nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikels 11 zu entscheiden. Die Entscheidung ist dem Bürgermeister und den daran interessierten Personen alsbald bekannt zu geben.

Die Nachtragsliste ist dm Vorabend der Wohl um 20 Uhr schließen.

Artikel 14. Jede wahrheitswidrige Erklärung die unterzeichnet worden ist, um von einem der Unfähigkeitsgründe der Artikel 3, 4 und 5 nicht betroffen zu werden oder um sich die Bestimmungen der Artikel 9 und 10 zunutze zu machen, wird mit einer Geldstrafe von 50 bis 300 RM und einer Freiheitsstrafe von 1 bis 6 Monaten mit einer dieser Strafe bestraft.

Artikel 15. Diese Verordnung ist im Amtsblatt des Französischen Oberkommandos in Deutschland zu veröffentlichen und Gesetz im französischen Besetzungsgebiet durchzuführen.

    BADEN-BADEN, den 12. Juli 1947

Der Général d'Armée KOENIG
Commandant en Chef Français en Allemagne
P. KOENIG
 


Quellen: Amtsblatt des französischen Oberkommandos in Deutschland S. 875
© 6. Juli 2004


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