Verordnung Nr. 54 des französischen Oberkommandos in Deutschland
über die Gemeindewahlen im Saargebiet

vom 5. August 1946

Der Général Commandant en Chef Français en Allemagne erläßt auf Vorschlag des Administrateur Général, Adjoint pour le Gouvernement Militaire de la Zone Français  d'Occupation nach Anhörung des Comité Juridique unter Bezugnahme auf

Dekret vom 15. Juni 1945 über die Errichtung eines Commandement en Chef Français en Allemagne, abgeändert durch Dekret vom 18. Oktober 1945,

Verordnung Nr. 1 des Commandant en Chef Francais en Allemagne vom 28. Juli 1945 übet Aufrechterhaltung der vom Commandement Suprême Interallié oder in seinem Namen erlassenen Verordnungen und Bestimmungen,

Verordnung Nr. 45 über Aufstellung von Wählerlisten für die Wahlen im Saargebiet,

Verordnung Nr. 49 vom 5. August 1946 betreffend Wahlgeheimnis und Wahlfreiheit sowie Gesetzmäßigkeit und Wahrhaftigkeit der Abstimmung bei den deutschen Wahlen im französischen Besetzungsgebiet

folgende

VERORDNUNG:

TITEL 1
Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1. Die Personen, die in die Wählerlisten eingeschrieben sind, die gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 45 vom 28. Mai 1946 auf. gestellt worden sind, werden aufgerufen, am 15. September 1946 in jeder Gemeinde einen Gemeinderat zu wählen.

Die Wahl findet von 8 Uhr bis 18 Uhr statt.

Die Wahlhandlungen gehen nach Maßgabe der Bestimmungen der Verordnung Nr. 49 vom 5. August 1946 vor sich.

Artikel 2. In den Gemeinden, in denen mehrere Wahllokale notwendig sind, bestimmt der Wahlausschuß deren Anzahl und Ort und verteilt die Wähler unter Berücksichtigung der Lage ihrer Wohnungen auf diese Wahllokale.

Artikel 3. Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern können in Wahlbezirke eingeteilt werden; jeder dieser Wahlbezirke wählt eine der Anzahl der eingeschriebenen Wähler entsprechende Zahl von Gemeinderatsmitgliedern.

Die Einteilung in Wahlbezirke erfolgt gemäß Verfügung des Direktors des Innern des Regierungspräsidiums.

Diese Verfügung ist in den in Betracht kommenden Gemeinden vor der Aufforderung zur Wahl zu veröffentlichen und hat entsprechend der Anzahl der in jedem Wahlbezirk eingeschriebenen Wähler die Zahl der zu wählenden Gemeinderatsmitglieder zu bestimmen.

Artikel 4. Die Wähler werden mindestens einen Monat vor dem Wahltage mittels der für die allgemeinen Wahlen üblichen Veröffentlichungen vom Tage der Wahlen in Kenntnis gesetzt. Sie müssen spätestens am dritten Tage vor dem Wahltage mit ihrer Wahlkarte versehen werden.

Artikel 5. Falls, gleichviel aus welchem Grunde, ein zweiter Wahlgang notwendig sein sollte, um alle Mitglieder oder einen Teil der Mitglieder der durch die Wahl vom 15. September 1946 nicht vollständig gebildeten Gemeinderäte zu wählen, findet der zweite Wahlgang am 29. September 1946 statt.

In diesem Falle wird die Veröffentlichungsfrist auf eine Woche und die Frist für die Niederlegung der Wahlvorschläge auf fünf Tage abgekürzt.

TITEL II
Gemeinderäte.

Artikel 6. Die Zahl der Gemeinderatsmitglieder wird folgendermaßen festgesetzt.,

für Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern 10 Mitglieder
für Gemeinden mit 501 bis 1500 Einwohnern 12 Mitglieder
für Gemeinden mit 1501 bis 2500 Einwohnern 16 Mitglieder
für Gemeinden mit 2501 bis 3500 Einwohnern 21 Mitglieder
für Gemeinden mit 3501 bis 10000 Einwohnern 23 Mitglieder
für Gemeinden mit 10001 bis 30000 Einwohnern 27 Mitglieder
für Gemeinden mit 30001 bis 40000 Einwohnern 30 Mitglieder
für Gemeinden mit 40001 bis 50000 Einwohnern 32 Mitglieder
für Gemeinden mit 50001 bis 60000 Einwohnern 34 Mitglieder
für Gemeinden mit über 60000 Einwohnern 36 Mitglieder

Artikel 7. Die Mitglieder des Gemeinderats werden für die Dauer von zwei Jahren gewählt und zwar vom 1. Oktober 1946 an gerechnet.

Artikel 8. Der Gemeinderat tritt nach seiner Wahl unter dem Vorsitz des ältesten Mitgliedes am 1. Sonntag nach den Wahlen zwecks Amtsergreifung und Bestellung des Bürgermeisters und seiner Beigeordneten zusammen.

Artikel 9. Wenn der Gemeinderat ein Drittel seiner Mitglieder infolge Wegfalls einbüßt, sind innerhalb von zwei Monaten seit dem letzten Wegfall eines Mitgliedes Ergänzungswahlen vorzunehmen.

In dem vollständiger Neuwahl vorangehenden Jahre finden Ergänzungswahlen jedoch nur dann statt, wenn der Gemeinderat mehr als die Hälfte seiner Mitglieder eingebüßt hat.

In den in Wahlbezirke eingeteilten Gemeinden finden Teilwahlen stets dann statt, wenn in dem Wahlbezirk die Hälfte seiner Gemeinderatsmitglieder ausgefallen ist.

Artikel 10. Ein Gemeinderat kann nur durch eine im Amtsblatt zur veröffentlichenden Verfügung des Direktors des Innern des Regierungspräsidiums aufgelöst werden.

In Dringlichkeitsfällen kann er durch Verfügung des Landrates, der hierüber unverzüglich dem Regierungspräsidium Bericht zu erstatten hat, vorübergehend seines Amtes enthoben werden. Die Dauer der vorläufigen Amtsenthebung darf einen Monat nicht übersteigen.

Artikel 11. Im Falle der Auflösung eines Gemeinderates oder der Amtsniederlegung seiner sämtlichen Mitglieder ebenso im Falle der Unmöglichkeit der Bildung eines Gemeinderates hat ein kommissarisch eingesetzter Spezialrat die Aufgaben des Gemeinderates zu erfüllen.

Dieser Spezialrat ist durch Verfügung des Direktors des Innern des Regierungspräsidiums binnen 8 Tagen nach der Auflösung oder der Annahme der Amtsniederlegung zu bestellen.

Die Zahl der Mitglieder des Spezialrates wird für Gemeinden mit weniger als 35 000 Einwohnern auf drei festgesetzt. Diese Zahl kann für Städte mit einer größeren Einwohnerschaft bis auf sieben erhöht werden,

Der Spezialrat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und gegebenenfalls einen stellvertretenden Vorsitzenden.

Die Befugnisse dieses Spezialrates sind auf Handlungen beschränkt, die die Führung der Verwaltung betreffen, der Aufrechterhaltung bestehender Verhältnisse dienen und dringender Natur sind.

Der Spezialrat darf keinesfalls die Gemeinde über die verfügbaren Geldmittel des laufenden Haushaltsjahres hinaus finanziell verpflichten.

Artikel 12. Nach der Auflösung des Gemeinderates gemäß vorstehendem Artikel hat die Wahl des neuen Gemeinderates binnen zwei Monaten nach der Auflösung oder der Einsetzung des Spezialrates zu erfolgen.

Wenn jedoch die Auflösung oder die Einsetzung des Spezialrates während der den allgemeinen Neuwahlen der Gemeinderäte vorangehenden 3 Monate stattfindet, wird der neue Gemeinderat im Laufe der allgemeinen Neuwahl gewählt.

Die Befugnisse des Spezialrates enden Kraft Gesetzes mit der Neubestellung des Gemeinderates.

TITEL III.
Wahlvorschläge und Wahlverfahren.

Artikel 13. Die Wahlvorschläge dürfen höchstens so viele Namen enthalten, wie es der Anzahl der zu wählenden Mitglieder entspricht. Diese Wahlvorschläge werden entweder von einer zugelassenen demokratischen Partei oder von den Einwohnern selbst eingereicht und müssen, um angenommen zu werden, von mindestens 10 Wählern der Gemeinde unterzeichnet sein. Ein Wähler darf nicht mehr als eine Vorschlagsliste unterzeichnen.

Artikel 14. Die Vorschlagslisten dürfen nur Personen enthalten, die gemäß der Verordnung Nr. 45 vom 28. Mai 1946 oder gemäß den Bestimmungen der nachstehenden Artikel 15 und 16 in der Gemeinde das aktive und passive Wahlrecht besitzen.

Artikel 15. Gemeinderatsmitglieder können nicht sein:
1) Personen, die das aktive Wahlrecht nicht besitzen,
2) Personen, die unter Pflegschaft stehen,
3) Personen, die von der Verpflichtung zur Übernahme öffentlicher Ämter entbunden sind und diejenigen, die von der öffentlichen Fürsorge unterstützt werden.

Artikel 16. Nicht wählbar sind in dem Bezirk, In dem sie Ihre Ämter ausüben:
1) die Landräte,
2) die Kommissare und Beamte der Polizei,
3) die Richter.

Artikel 17. Die im vorangehenden Artikel aufgeführten Beamten haben, falls sie zu Gemeinderatsmitglieder gewählt worden sind, vom Tage der Veröffentlichung des Wahlergebnisses an eine Frist von 10 Tagen, um sich entweder für die Annahme der Wahl zum Gemeinderatsmitglied oder für das Verbleiben in ihrem Amt zu entscheiden.

Artikel 18. Die Wahlvorschläge müssen dem Vorsitzenden des Wahlausschusses am zwanzigsten Tage vor dem Tage der Wahl in drei Exemplaren übergeben werden.

Der Vorsitzende des Wahlausschusses läßt sofort zwei von diesen Exemplaren dem Landrat zugehen.

Artikel 19. Der Wahlausschuß prüft die eingereichten Wahlvorschläge und stellt lest, ob die in den Wahlvorschlägen genannten Personen wählbar sind. Er weist die nicht fristgemäß eingereichten Wahlvorschläge zurück, desgleichen diejenigen, die nicht mit der erforderlichen Anzahl von Unterschriften versehen sind; die Zurückweisung ist unverzüglich bekannt zu geben.

Wenn sich in einem Wahlvorschlag ein offensichtlich nicht wählbarer Bewerber befindet, hat der Wahlausschuß hiervon diejenigen, die für den Wahlvorschlag verantwortlich sind, sofort in Kenntnis zu setzen; diese können alsdann binnen 24 Stunden die namhaft gemachten Personen durch andere ersetzen.

Artikel 20. Die Zulassung der Wahlvorschlagslisten auf Grund der Prüfung durch den Wahlausschuß und den Landrat ist am zwölften Tage vor dem Wahltage endgültig abzuschließen.

Die zugelassenen Wahlvorschlagslisten müssen beim Bürgermeisteramt an dem üblichen, für amtliche Veröffentlichungen vorgesehenen Platz angeschlagen werden.

TITEL IV
Wahlverfahren.

Artikel 21. Falls mehrere Vorschlagslisten vorliegen, erfolgt die Verteilung der Sitze für alle Gemeinden nach den Grundsätzen der Verhältniswohl wie sie in der Zeit vor 1935 angewandt wurden.

Artikel 22. Ist nur ein einziger Wahlvorschlag zugelassen, so gelten die darin stehenden Bewerber als gewählt, wenn sie mindestens ein dem vierten Teil der eingeschriebenen Wähler entsprechende Anzahl von Stimmen erhalten. Der Wähler kann in diesem Falle an die Stelle eines Namens oder mehrere Namen der Vorschlagsliste nach seinem Belieben den Namen einer anderen Person oder mehrerer anderer Personen, die wählbar sind, setzen. Wenn auf die Ersatznamen eine Stimmenzahl entfällt, die höher ist, als die Zahl der Stimmen, die der am wenigsten begünstigste Bewerber der eingereichten Liste erhalten hat, bestimmt sich die Wahl nach den Grundsätzen der Stimmenmehrheit.

Als gewählt gelten nur Bewerber, die mindestens die Stimmen eines Viertels der eingeschriebenen Wähler und mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten haben. Im zweiten Wahlgang genügt die relative Stimmenmehrheit. Die Vorschriften des nachstehenden Artikels 23 gelten auch für die Bekanntgabe der Gewählten, deren Namen sich auf der eingereichten Liste nicht befinden.

Artikel 23. Falls keine Liste eingereicht ist, erfolgt die Wahl der Mitglieder des Gemeinderates durch die Wählerschaft nach Stimmenmehrheit. Nur die Personen, welche eine mindestens einem Viertel der eingeschriebenen Wähler entsprechende Anzahl von Stimmen und mehr als die Hälfte der gültig abgegebenen Stimmen erhalten haben, können vom Wahlvorsteher nach der Feststellung, daß die Vorschriften des Artikels 19 der Verordnung Nr. 45 vom 28. Mai 1946 ihnen nicht entgegenstehen, für gewählt erklärt werden. In diesem Falle hat der Wahlausschuß am Tage nach der Wahl die Niederschrift über den Wahlvorgang dem Landrat zu übermitteln. Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgt durch den Landrat am fünften Tage nach dem Wahltage.

TITEL V
Wahl des Bürgermeisters und der Beigeordneten

Artikel 24. Der Gemeinderat wählt aus seiner Mitte einen Bürgermeister und einen oder mehrere Beigeordnete.

Die Zahl der Beigeordneten wird folgendermaßen festgesetzt:
für Gemeinden bis 2500 Einwohnern     1 Beigeordneter
für Gemeinden von 2501 bis 10000 Einwohnern     2 Beigeordnete
für Gemeinden von 10001 bis 35000 Einwohnern    3 Beigeordnete
für Gemeinden von 35001 bis 70000 Einwohnern    4 Beigeordnete
für Gemeinden von 70001 bis 95000 Einwohnern    5 Beigeordnete
für Gemeinden von 95001 bis 120000 Einwohnern     6 Beigeordnete
für Gemeinden von 120001 bis 145000 Einwohnern     7 Beigeordnete
für Gemeinden von 145001 bis 170000 Einwohnern     8 Beigeordnete.

Der Gemeinderat kann durch Beschluß, der der Zustimmung des Landrates bedarf, eine oder mehrere Stellen für Hilfsbeigeordnete schaffen; die Gesamtzahl der Beigeordneten darf jedoch das Doppelte der vorstehend festgesetzten Anzahl von Beigeordneten nicht übersteigen.

Die Gesamtzahl der Beigeordneten darf nicht mehr betragen als ein Drittel des tatsächlichen Mitgliederbestandes des Gemeinderates.

Artikel 25. Der Bürgermeister und die Beigeordneten werden in den beiden ersten Wahlgängen nach absoluter Stimmenmehrheit, im dritten Wahlgang nach relativer Stimmenmehrheit gewählt.

In den Gemeinden mit mehreren Beigeordneten nimmt der mit der Höchstzahl der Stimmen zuerst gewählte die Stellung des Ersten Beigeordneten ein; dieser vertritt den Bürgermeister im Falle seiner Behinderung im vollen Umfange seiner Amtsbefugnisse.

Die Beigeordneten können vom Bürgermeister damit betraut werden, in seinem Namen gewisse, im Auftrag näher zu begrenzende Gemeindeangelegenheiten zu erledigen.

Im Falle gleichzeitiger Behinderung des Bürgermeisters und der Beigeordneten fällt die Vertretung dem der Reihenfolge nach ersten Gemeinderatsmitglied zu.

Diese Reihenfolge bestimmt sich nach der Liste der Gemeinderatsmitglieder entsprechend der Anzahl der erhaltenen Stimmen.

Artikel 26. Die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters und der Beigeordneten sind ehrenamtlich; die Bürgermeister und gegebenenfalls die Beigeordneten können jedoch Ersatz der Auslagen erhalten, die sie im Interesse der Gemeindeverwaltung gemacht haben.

Diese Erstattung erfolgt gemäß Beschluß des Gemeinderates und Zustimmung des Landrates.

In größeren Gemeinden können den Bürgermeistern, gegebenenfalls auch den Beigeordneten durch Beschluß des Gemeinderates, der vom Direktor des Innern des Regierungspräsidiums zu genehmigen ist, Aufwandsentschädigungen bewilligt werden.

Artikel 27. Der Administrateur General, Adjoint pour le Gouvernement Militaire de la Zone Francaise d'Occupation, wird mit der Durchführung dieser Verordnung beauftragt, die im Amtsblatt des französischen Oberkommandos In Deutschland zu veröffentlichen ist.

    BADEN-BADEN, den 5. August 1946.

Der Général d'Armée KOENIG
Commandant en Chef Français en Allemagne
P. KOENIG
 


Quellen: Amtsblatt des französischen Oberkommandos in Deutschland S. 277
© 5. Juli 2004 - 11. Juli 2004


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