Städte-Ordnung für die sechs östlichen Provinzen der den Preußischen Monarchie

vom 30. Mai 1853
 

ursprüngliche Fassung

Änderungen während der Monarchie und der Revolution (bis 1918/20)

Fassung und Änderungen während der Weimarer Zeit (1920-1933)
 

aufgehoben durch
Gemeindeverfassungsgesetz vom 15. Dezember 1933 (GS S. 427)
Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 (RGBl. I S. 49)
mit Ausnahme für die Stadt Berlin, die erst durch das Reichsgesetz über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt Berlin vom 1. Dezember 1936 (RGBl. I. S. 957) eine neue Stadtordnung erhielt.
 

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ec. ec.

verordnen, unter Zustimmung beider Kammern, was folgt:

§ 1. Die gegenwärtige Städte-Ordnung soll in den bisher auf dem Provinzial-Landtage, im Stande der Städte vertretenen Städten der Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Posen und Sachsen zur Anwendung kommen, desgleichen in den im Stande der Städte nicht vertretenen Ortschaften dieser Provinzen, in welchen bisher eine der beiden Städte-Ordnungen vom 19. November 1808 und vom 17. März 1831 gegolten hat.

In Ansehung derjenigen im Stande der Städte auf den Provinzial-Landtagen nicht vertretenen Ortschaften (Flecken), wo bisher weder eine dieser Städte-Ordnungen gegolten, noch die ländliche Gemeindeverfassung bestanden hat, bleibt die nähere Festsetzung ihrer Gemeindeverhältnisse mit Berücksichtigung der Vorschriften im Titel VIII der gegenwärtigen Städte-Ordnung der Bestimmung des Königs nach Anhörung des Provinzial-Landtages vorbehalten.

Wegen der Städte in Neuvorpommern und Rügen ergeht ein besonderes Gesetz.

Titel I.
Von den Grundlagen der städtischen Verfassung.

§ 2. Den städtischen Gemeindebezirk (Stadtbezirk) bilden alle diejenigen Grundstücke, welche demselben bisher angehört haben.

Grundstücke, welche bisher noch keinem Gemeinde- oder selbstständigen Gutsbezirke angehört haben, können nach Vernehmung der Betheiligten und nach Anhörung des Kreistages unter Genehmigung des Ministers des Innern mit dem Stadtbezirk vereinigt werden

Eine Vereinigung eines ländlichen gemeinde- oder eines selbstständigen Gutsbezirks mit einer Stadtgemeinde kann nur unter Zustimmung der Vertretungen der betheiligten Gemeinden, sowie des betheiligten Gutsbesitzers nach Anhörung des Kreistags mit Genehmigung des Königs erfolgen.

Die Abtrennung einzelner Grundstücke von einem Stadtbezirk und deren Vereinigung mit einem angrenzenden Gemeinde- oder selbstständigen Gutsbezirk, sowie die Abtrennung einzelner bisher zu einer andern Gemeinde oder zu einem selbstständigen Gute gehörender Grundstücke und deren Vereinigung mit einem angrenzenden Stadtbezirk kann nach Anhörung des Kreistages mit Genehmigung des Ministers des Innern vorgenommen werden, wenn außer den Vertretungen der betheiligten Gemeinden und den betheiligten Gutsbesitzern auch die Eigenthümer jener Grundstücke darin einwilligen. In Ermangelung der Einwilligung aller Betheiligten kann eine Veränderung dieser Art in den Gemeinde- oder Gutsbezirken nur in dem Falle, wenn dieselbe im öffentlichen Interesse als nothwendiges Bedürfniß sich ergiebt, und alsdann nur mit Genehmigung des Königs nach Vernehmung der Betheiligten und nach Anhörung des Kreistages stattfinden.

In allen vorstehenden Fällen ist der Beschluß des Kreistages vor Einholung der höheren Genehmigung den Betheiligten nachrichtlich mitzutheilen.

Wo und soweit in Folge einer derartigen Veränderung eine Auseinandersetzung zwischen den Betheiligten sich als nothwendig ergiebt, ist solche im Verwaltungswege zu bewirken.

Wird hierbei eine Übereinkunft der Betheiligten vermittelt, so genügt die Genehmigung der Regierung; im Falle des Widerspruchs entscheidet der Minister des Innern.

Privatrechtliche Verhältnisse dürfen durch dergleichen Veränderungen niemals gestört werden.

Eine jede solche Veränderung ist durch das Amtsblatt bekannt zu machen. Veränderungen, welche bei Gelegenheit einer Gemeinheitstheilung vorkommen, unterliegen diesen Bestimmungen nicht.

§ 3. Alle Einwohner des Stadtbezirks, mit Ausnahme der servisberechtigten Militairpersonen des aktiven Dienststandes, gehören zur Stadtgemeinde.

Als Einwohner werden diejenigen betrachtet, welche in dem Stadtbezirk nach den Bestimmungen der Gesetze ihren Wohnsitz haben.

§ 4. Alle Einwohner des Stadtbezirks sind zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeinde-Anstalten der Stadt berechtigt und zur Theilnahme an den städtischen Gemeindelasten nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet.

Die Bestimmungen besonderer Stiftungen, welche mit dergleichen städtischen Gemeinde-Anstalten verbunden sind, sowie die hinsichtlich solcher Anstalten auf besondern Titeln beruhenden Privatrechte, werden hierdurch nicht berührt.

Wer, ohne in dem Stadtbezirke zu wähnen, daselbst Grundbesitz hat, oder ein stehendes Gewerbe betreibt, ist dennoch verpflichtet, an denjenigen Lasten Theil zu nehmen, welche auf den Grundbesitz, oder auf das Gewerbe, oder auf das aus jenen Quellen fließende Einkommen gelegt sind. Dieselbe Verpflichtung haben juristische Personen, welche in dem Stadtbezirke Grundeigenthum besitzen oder ein stehendes Gewerbe betreiben.

Wo städtische Gemeinde-Abgaben durch Zuschläge zur Klassen- oder klassifizirten Einkommensteuer erhoben werden, müssen alle diejenigen, welche im Stadtbezirk sich aufhalten, um dort ihren Unterhalt zu erwerben, sobald sie daselbst eine dieser Steuern zu entrichten haben, auch die gedachten Zuschläge zahlen. Wo eine Kommunalsteuer anderer Art eingeführt ist, sind dergleichen Personen bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten im Stadtbezirk vom Ablauf des dritten Monats an zu jener Steuer beizutragen verpflichtet. Zu den auf den Grundbesitz oder auf das stehende Gewerbe gelegten Lasten sind auch die in § 3 erwähnten Militairpersonen verpflichtet, wenn sie im Stadtbezirk mit Grundeigenthum angesessen sind, oder ein stehendes Gewerbe treiben. Von anderen direkten Gemeinde-Abgaben und Lasten, sind dieselben, mit Ausnahme der Militairärzte rücksichtlich ihres Einkommens aus einer Civilpraxis, frei; von Verbrauchssteuern bleiben nur die Militair-Speise-Einrichtungen und ähnliche Anstalten in dem bisherigen Umfange befreit.

Inwieweit zu den Gemeinde-Abgaben und Lasten auch Waldungen herangezogen werden können, ist nach den besonderen Verhältnissen derselben zu den Gemeinden zu bemessen. Die Provinzial-Versammlung hat darüber nähere Bestimmungen zu treffen, welche der Genehmigung des Königs bedürfen.

Bis zum Erlasse solcher Bestimmungen können Waldbesitzer zu den Gemeinde-Abgaben und Lasten im höheren Maaße als seither nicht herangezogen werden.

Die im § 2 des Gesetzes vom 24. Februar 1850 (Gesetz-Sammlung S. 62) bezeichneten ertragsunfähigen oder zu einem öffentlichen Dienste oder Gebrauche bestimmten Grundstücke sind nach Maaßgabe der Kabinetsorder vom 8. Juni 1834 (Ges.-Samml. S. 87), die Dienstgrundstücke der Geistlichen, Kirchendiener und Elementarschullehrer aber überhaupt von den Gemeinde-Auflagen befreit.

Zeitweilige Befreiungen von Gemeinde-Abgaben und Leistungen für neubebaute Grundstücke sind zulässig.

Alle sonstigen, nicht persönlichen Befreiungen können von den Stadtgemeinden abgelöst werden, und hören auf, wenn die Entschädigung festgestellt und gezahlt ist; bis dahin bestehen dieselben in ihrem bisherigen Umfange fort, erstrecken sich jedoch nur auf den gewöhnlichen Zustand, nicht auf außerordentliche Leistungen.

Die Befreiung und der Anspruch auf Entschädigung erlöschen, wenn sie in Städten, wo die Gemeinde-Ordnung vom 11. März 1850 bereits eingeführt ist, nicht binnen Jahresfrist nach deren Einführung bei dem Gemeindevorstand (Magistrat) angemeldet sind, und in den anderen Städten nicht binnen Jahresfrist nach Einführung der gegenwärtigen Städte-Ordnung bei demselben angemeldet worden. Die Entschädigung wird zum zwanzigfachen Betrage des Jahreswerthes der Befreiung nach dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre vor der Verkündigung dieser Städte-Ordnung geleistet.

Steht ein anderer Entschädigungs-Maaßstab durch speziellen Rechtstitel fest, so hat es hierbei sein Bewenden. Der Entschädigungsbetrag wird durch Schiedsrichter, mit Ausschluß der ordentlichen Rechtsmittel, festgestellt; von diesen wird der eine von dem Besitzer des bisher befreiten Grundstücks, der andere von der Gemeindevertretung ernannt. Der Obmann ist, wenn sich die Schiedsrichter über dessen Ernennung nicht verständigen können, von der Aufsichtsbehörde zu ernennen.

Die Geistlichen, Kirchendiener und Elementarschullehrer bleiben von den direkten persönlichen Gemeinde-Abgaben hinsichtlich ihres Diensteinkommens insoweit befreit, als ihnen diese Befreiung zur Zeit der Verkündigung der Gemeinde-Ordnung vom 11. März 1850 zustand. Geistliche und Schullehrer bleiben von allen persönlichen Gemeindediensten, soweit dieselben nicht auf ihnen gehörigen Grundstücken lasten, befreit; Kirchendiener insoweit, als ihnen diese Befreiung zur Zeit der Verkündigung der Gemeinde-Ordnung vom 11. März 1850 zustand.

Alle übrige persönliche Befreiungen sind ohne Entschädigung aufgehoben.

Wegen der Besteuerung des Diensteinkommens der Beamten sind die Vorschriften des Gesetzes vom 11. Juli 1822 (Gesetz-Sammlung S. 184) und der Kabinetsorder vom 14. Mai 1832 (Gesetz-Sammlung S. 145) anzuwenden.

Durch die in diesen Gesetzen bestimmten Geldbeiträge sind die Beamten zugleich von persönlichen Diensten frei. Sind sie jedoch Besitzer von Grundstücken, oder betreiben sie ein stehendes Gewerbe, so müssen sie die mit diesem Grundbesitz resp. Gewerbe verbundenen persönlichen Dienste entweder selbst, oder für den Fall der Verhinderung durch Stellvertreter leisten.

§ 5. Das Bürgerrecht besteht in dem Rechte zur Theilnahme an den Wahlen, sowie in der Befähigung zur Übernahme unbesoldeter Ämter in der Gemeindeverwaltung und zur Gemeindevertretung.

Jeder selbstständige Preuße erwirbt dasselbe, wenn er seit einem Jahre
1) Einwohner des Stadtbezirks ist und zur Stadtgemeinde gehört (§ 3);
2) keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln empfangen,
3) die ihn betreffenden Gemeinde-Abgaben gezahlt hat und außerdem
4) entweder
    a) ein Wohnhaus im Stadtbezirk besitzt (§ 16), oder
    b) ein stehendes Gewerbe selbstständig als Haupterwerbsquelle und in Städten von mehr als 10,000 Einwohnern mit wenigstens zwei Gehülfen selbstständig betreibt, oder
    c) zur klassifizirten Einkommensteuer veranlagt ist, oder
    d) an Klassensteuer einen Jahresbetrag von mindestens vier Thalern entrichtet. In den mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städten sind statt dessen die Einwohner von dem Magistrat nach den Grundsätzen der Klassensteuerveranlagung einzuschätzen; es können jedoch auch die Stadtbehörde beschließen, an die Stelle des Klassensteuersatzes von mindestens vier Thalern ein jährliches Einkommen treten zu lassen, welches beträgt:
        in Städten von weniger als 10,000 Einwohnern 200 Rthlr.
        in Städten von 10,000 bis 50,000 Einwohnern 250 Rthlr.
        in Städten von mehr als 50,000 Einwohnern 300 Rthlr.

Steuerzahlungen, Einkommen, Haus- und Grundbesitz der Ehefrau werden dem Ehemanne, Steuerzahlungen, Einkommen, Haus- und Grundbesitz der minderjährigen, beziehungsweise in der väterlichen Gewalt befindlichen Kinder, dem Vater angerechnet.

In den Fällen, wo ein Haus durch Vererbung auf einen andern übergeht, kommt dem Erben bei Berechnung der Dauer des einjährigen Wohnsitzes die Besitzzeit des Erblassers zu Gute.

Als selbstständig wird nach vollendetem vierundzwanzigsten Lebensjahre ein Jeder betrachtet, der einen eigenen Hausstand hat, sofern ihm nicht das Verfügungsrecht über sein Vermögen oder dessen Verwaltung durch richterliches Erkenntniß entzogen ist.

Inwieweit über die Erlangung des Bürgerrechts von dem Magistrat eine Urkunde (Bürgerbrief) zu ertheilen ist, bleibt den statutarischen Anordnungen vorbehalten.

§ 6. Verlegt ein Bürger seinen Wohnsitz nach einer andern Stadt, so kann ihm das Bürgerrecht in seinem neuen Wohnort. wenn sonst die Erfordernisse zur Erlangung desselben vorhanden sind, von dem Magistrate im Einverständnisse mit der Stadtverordneten-Versammlung (§ 12) schon vor Ablauf eines Jahres verliehen werden.

Diese Bestimmungen finden auch auf den Fall Anwendung, wenn der Besitzer eines, einen besonderen Gutsbezirk bildenden Gutes oder ein stimmberechtigter Einwohner einer Landgemeinde seinen Wohnsitz nach einer Stadt verlegt.

Der Magistrat ist, im Einverständniß mit der Stadtverordneten-Versammlung, befugt, Männern, welche sich um die Stadt verdienst gemacht haben, ohne Rücksicht auf die oben gedachten besonderen Erfordernisse, das Ehrenbürgerrecht zu ertheilen, wodurch keine städtischen Verpflichtungen entstehen.

§ 7. Wer in Folge rechtskräftigen Erkenntnisses der bürgerlichen Ehre verlustig geworden (§ 12 des Strafgesetzbuches), verliert dadurch auch das Bürgerrecht und die Befähigung, dasselbe zu erwerben.

Wem durch rechtskräftiges Erkenntniß die Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte untersagt ist (§ 21 des Strafgesetzbuches), der ist während der dafür in dem Erkenntnisse festgesetzten Zeit von der Ausübung des Bürgerrechts ausgeschlossen.

Ist gegen einen Bürger wegen eines Verbrechens die Versetzung in den Anklagezustand, oder wegen eines Vergehens, welches die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen muß oder kann, die Verweisung an das Strafgericht ausgesprochen, oder ist derselbe zur gerichtlichen Haft gebracht, so ruht die Ausübung des ihm zustehenden Bürgerrechts so lange, bis die gerichtliche Untersuchung beendigt ist.

Das Bürgerrecht geht verloren, sobald eines der zur Erlangung desselben vorgeschriebenen Erfordernisse bei dem bis dahin dazu Berechtigten nicht mehr zutrifft.

Verfällt ein Bürger in Konkurs, so verliert er dadurch das Bürgerrecht; die Befähigung, dasselbe wieder zu erlangen, kann ihm, wenn er die Befriedigung seiner Gläubiger nachweist, von den Stadtbehörden verliehen werden.

§ 8. Wer in einer Stadt seit einem Jahre mehr als einer der drei höchstbesteuerten Einwohner sowohl an direkten Staats- als an Gemeinde-Abgaben entrichtet, ist, auch ohne im Stadtbezirke zu wohnen, oder sich daselbst aufzuhalten, berechtigt, an den Wahlen Theil zu nehmen, falls bei ihm die übrigen Erfordernisse dazu vorhanden sind.

Dasselbe Recht haben juristische Personen, wenn sie in einem solchen Maaße in der Gemeinde besteuert sind.

§ 9. Die Stadtgemeinden sind Korporationen; denselben steht die Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes zu.

§ 10. In den Städten wird ein Magistrat (kollegialischer Gemeindevorstand) und eine Stadtverordneten-Versammlung gebildet, welche nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes dieselben vertreten. Der Magistrat ist die Obrigkeit der Stadt und verwaltet die städtischen Gemeinde-Angelegenheiten. Die Ausnahmen bestimmt Tit. VIII.

§ 11. Jede Stadt ist befugt, besondere statutarische Anordnungen zu treffen,
1) über solche Angelegenheiten der Stadtgemeinden, sowie über solche Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, hinsichtlich deren das gegenwärtige Gesetz Verschiedenheiten gestattet, oder keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält;
2) über sonstige eigenthümliche Verhältnisse und Einrichtungen, insbesondere hinsichtlich der den gewerblichen Genossenschaften, bei Eintheilung der stimmfähigen Bürger und bei Bildung der Wahlversammlungen und der städtischen Vertretung zu gewährenden angemessenen Berücksichtigung.
    Dergleichen Anordnungen bedürfen der Bestätigung der Regierung.

Titel II.
Von der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneten-Versammlung.

§ 12. Die Stadtverordneten-Versammlung besteht aus zwölf Mitgliedern in Stadtgemeinden von wenigste als 2,500 Einwohnern,
    aus 18 in Gemeinden von 2,500 bis 5,000 Einwohnern,
    aus 24 in Gemeinden von 5,001 bis 10,000 Einwohnern,
    aus 30 in Gemeinden von 10,001 bis 20,000 Einwohnern,
    aus 36 in Gemeinden von 20,001 bis 30,000 Einwohnern,
    aus 42 in Gemeinden von 30,001 bis 50,000 Einwohnern,
    aus 48 in Gemeinden von 50,001 bis 70,000 Einwohnern,
    aus 54 in Gemeinden von 70,001 bis 90,000 Einwohnern,
    aus 60 in Gemeinden von 90,001 bis 120,000 Einwohnern.

In Gemeinden von mehr als 120,000 Einwohnern treten für jede weiteren 50,000 Einwohner sechs Stadtverordnete hinzu.

Wo die Zahl der Stadtverordneten bisher eine andere gewesen ist, verbleit es bei dieser Zahl, bis durch statutarische Anordnung, welcher überhaupt abweichende Festsetzungen über die Zahl der Stadtverordneten vorbehalten werden, eine Änderung getroffen ist.

§ 13. Zum Zwecke der Wahl der Stadtverordnenten werden die stimmfähigen Bürger (§§ 5 bis 8) nach Maaßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern (Gemeinde-, Kreis-, Bezirks-, Provinzial- und Staats-Abgaben) in drei Abtheilungen getheilt. In den Städten, wo die Mahl- und Schlachtsteuer besteht, werden diejenigen stimmfähigen Bürger, welche zur Staats-Einkommensteuer nicht herangezogen werden, von dem Magistrat nach den Grundsätzen der Klassensteuer-Veranlagung eingeschätzt und der Betrag, welcher danach als Klassensteuer zu zahlen sein würde, bei den vorstehend gedachten Steuern mitberechnet. Doch können auch die Stadtbehörden in den gedachten Städten beschließen, die Bildung der drei Abtheilungen nach Maaßgabe des Einkommens der stimmfähigen Bürger zu bewirken.

Die erste Abtheilung besteht aus denjenigen, auf welche die höchsten Beträge bis zum Belauf eines Drittels des Gesammtbetrages der Steuer aller stimmfähigen Bürger fallen, oder welche das höchste Einkommen bis zum Belauf eines Drittels des Gesammteinkommens aller stimmfähigen Bürger besitzen. Die übrigen stimmfähigen Bürger bilden die zweite und dritte Abtheilung; die zweite reicht bis zum zweiten Drittel der Gesammtsteuer, beziehungsweise des Gesamteinkommens aller stimmfähigen Bürger.

In die erste beziehungsweise zweite Abtheilung gehört auch derjenige, dessen Steuerbetrag oder Einkommen nur theilweise in das erste beziehungsweise zweite Drittheil fällt.

Steuern, die für Grundbesitz oder Gewerbebetrieb in einer anderen Gemeinde entrichtet werden, sowie die Steuern für die im Umherziehen betriebenen Gewerbe, sind bei der Bildung der Abtheilungen nicht anzurechnen.

Kein Wähler kann zweien Abtheilungen zugleich angehören.

Läßt sich weder nach dem Steuerbetrage oder Einkommen, noch nach der alphabetischen Ordnung der Namen bestimmen, welcher unter mehreren Wählern zu einer bestimmten Abtheilung zu rechnen ist, so entscheidet das Loos.

Jede Abtheilung wählt ein Drittel der Stadtverordneten, ohne dabei an die Wähler der Abtheilung gebunden zu sein.

§ 14. Gehören zu einer Abtheilung mehr als fünfhundert Wähler, so kann die Wahl derselben nach dazu  gebildeten Wahlbezirken geschehen. Enthält eine Stadtgemeinde mehrere Ortschaften, so kann dieselbe mit Rücksicht hierauf in Wahlbezirke  eingetheilt werden. Die Anzahl und die Grenzen der Wahlbezirke, sowie die Anzahl der von einem jeden derselben zu wählenden Stadtverordneten, werden nach Maaßgabe der Zahl der stimmfähigen Bürger von dem Magistrat festgesetzt.

§ 15. Bei Stadtgemeinden, welche mehrere Ortschaften umfassen, kann die Regierung, nach Verhältniß der Einwohnerzahl bestimmen, wie viel Mitglieder der Stadtverordnenten-Versammlung aus jeder einzelnen Ortschaft zu wählen sind.

§ 16. Die Hälfte der von jeder Abtheilung zu wählenden Stadtverordneten muß aus Hausbesitzern (Eigenthümern, Nießbrauchern und solchen, die ein erbliches Besitzrecht haben) bestehen.

§ 17. Stadtverordnete können nicht sein:
1) diejenigen Beamten und Mitglieder derjenigen Behörden, durch welche die Aufsicht des Staats über die Städte ausgeübt wird (§ 76);
2) die Mitglieder des Magistrats und alle besoldeten Gemeindebeamten; die Ausnahmen bestimmen §§ 72 und 73;
3) Geistliche, Kirchendiener und Elementarlehrer;
4) die richterlichen Beamten, zu denen jedoch die technischen Mitglieder der Handels-, Gewerbe- und ähnlicher Gerichte nicht zu zählen sind;
5) die Beamten der Staatsanwaltschaft;
6) die Polizeibeamten.

Vater und Sohn, sowie Brüder, dürfen nicht zugleich Mitglieder der Stadtverordneten-Versammlung sein. Sind dergleichen Verwandte zugleich erwählt, so wird der ältere allein zugelassen.

§ 18. Die Stadtverordneten werden auf sechs Jahre gewählt. Jedoch verliert jede Wahl ihre Wirkung, sobald einer der Fälle eintritt, in denen nach den Bestimmungen im § 7 der Gewählte des Bürgerrechts verlustig geht oder von der Ausübung derselben für eine gewisse Zeit ausgeschlossen wird. Tritt einer der Fälle ein, in denen nach jenen Bestimmungen die Ausübung des Bürgerrechts ruhen muß, so ist der Gewählte zugleich von der Theilnahme an den Geschäften der Stadtverordneten-Versammlung einstweilen bis zum Austrage der Sache ausgeschlossen. Alle zwei Jahre scheidet ein Drittheil der Mitglieder aus und wird durch neue Wahlen ersetzt. Die das erste und zweite Mal Ausscheidenden werden für jede Abtheilung durch das Loos bestimmt.

§ 19. Eine Liste der stimmfähigen Bürger, welche die erforderlichen Eigenschaften derselben nachweist, wird von dem Magistrat geführt und alljährlich im Juli berichtigt.

Die Liste wird nach den Wahlabtheilungen und in dem Falle des § 14 nach den Wahlbezirken eingetheilt.

§ 20. Vom 1. bis 15. Juli schreitet der Magistrat zur Berichtigung der Liste.

Vom 15. bis zum 30. Juli wird die Liste in einem oder mehreren, zur öffentlichen Kenntniß gebrachten Lokalen in der Stadtgemeinde offen ausgelegt.

Während dieser Zeit kann jeder Mitglied der Stadtgemeinde gegen die Richtigkeit der Liste bei dem Magistrat Einwendungen erheben.

Die Stadtverordneten-Versammlung hat darüber bis zum 15. August zu entscheiden; der Beschluß bedarf der Zustimmung des Magistrats; versagt dieser die Zustimmung, so ist nach Vorschrift des § 36 zu verfahren.

Ist in diesem Falle über Einwendungen von der Regierung entschieden, so findet eine Berufung an letztere von Seiten desjenigen, welcher die Einwendungen erhoben hat, nicht weiter statt; in allen anderen Fällen steht demselben innerhalb zehn Tagen nach Mittheilung des Beschlusses der Stadtverordneten der Rekurs an die Regierung zu, welche binnen vier Wochen ohne Zulassung einer weiteren Berufung entscheidet.

Soll der Name eines ein Mal in die Liste aufgenommenen Einwohners wieder ausgestrichen werden, so ist ihm dieses acht Tage vorher von dem Magistrate unter Angabe der Gründe mitzutheilen.

§ 21. Die Wahlen zur regelmäßigen Ergänzung der Stadtverordnenten-Versammlung finden alle zwei Jahre im November statt. Bei dem zunächst vorhergehenden wöchentlichen Hauptgottesdienst ist auf die Wichtigkeit dieser Handlung hinzuweisen. Die Wahlen der dritten Abtheilung erfolgen zuerst, die der ersten zuletzt.

Außergewöhnliche Wahlen zum Ersatze innerhalb der Wahlperiode ausgeschiedener Mitglieder müssen angeordnet werden, wenn die Stadtverordneten-Versammlung, oder der Magistrat, oder die Regierung es für erforderlich erachten. Der Ersatzmann bleibt nur bis zum Ende derjenigen sechs Jahre in Thätigkeit, auf welche der Ausgeschiedene gewählt war.

Alle Ergänzungs- oder Ersatzwahlen werden von denselben Abtheilungen und Wahlbezirken (§ 14) vorgenommen, von denen der Ausgeschiedene gewählt war. Ist die Zahl der zu wählenden Stadtverordneten nicht durch drei theilbar, so ist, wenn nur einer übrig bleibt, dieser von der zweiten Abtheilung zu wählen. Bleiben zwei übrig, so wählt die erste Abtheilung den einen und die dritte Abtheilung den andern.

Die in den §§ 19 - 21 bestimmten Termine können durch statutarische Anordnungen abgeändert werden.

§ 22. Der Magistrat hat jederzeit die nöthige Bestimmung zur Ergänzung der erforderlichen Anzahl von Hausbesitzern (§ 16) zu treffen.

Ist die Zahl der Hausbesitzer, welche zu wählen sind, nicht durch die Zahl der Wahlbezirke teilbar, so wird die Vertheilung auf die einzelnen Wahlbezirke durch das Loos bestimmt.

Mit dieser Beschränkung können die ausscheidenden Stadtverordneten jeder Zeit wieder gewählt werden.

§ 23. Vierzehn Tage vor der Wahl werden die in der Liste (§§ 19 und 20) verzeichneten Wähler durch den Magistrat zu den Wahlen mittelst schriftlicher Einladung oder ortsüblicher Bekanntmachung berufen.

Die Einladung oder Bekanntmachung muß das Lokal, die Tage und die Stunden, in welchen die Stimmen bei dem Wahlvorstande abzugeben sind, genau bestimmen.

§ 24. Der Wahlvorstand besteht in jedem Wahlbezirk aus dem Bürgermeister oder einem von diesem ernannten Stellvertreter als Vorsitzenden und aus zwei von der Stadtverordnenten-Versammlung gewählten Beisitzern. Für jeden Beisitzer wird von der Stadtverordneten-Versammlung ein Stellvertreter gewählt.

§ 25. Jeder Wähler muß dem Wahlvorstande mündlich und laut zu Protokoll erklären, wem er seine Stimme geben will. Er hat so viele Personen zu bezeichnen, als zu wählen sind.

Nur die im § 8 erwählten juristischen oder außerhalb der Gemeinde wohnenden, höchstbesteuerten Personen können ihr Stimmrecht durch Bevollmächtigte ausüben. Die Bevollmächtigten müssen selbst stimmfähige Bürger sein. Ist die Vollmacht nicht in beglaubigter Form ausgestellt, so entscheidet über die Anerkennung derselben der Wahlvorstand endgültig.

§ 26. Gewählt sind diejenigen, welche bei der ersten Abstimmung die meisten Stimmen und zugleich absolute Stimmenmehrheit (mehr als die Hälfte der Stimmen) erhalten haben.

Wenn sich bei der ersten Abstimmung nicht für so viel Personen, als zu wählen sind, die absolute Stimmenmehrheit ergeben hat, wird zu einer zweiten Wahl geschritten.

Der Wahlvorstand stellt die Namen derjenigen Personen, welche nächst den gewählten die meisten Stimmen erhalten haben, so weit zusammen, daß die doppelte Zahl der noch zu wählenden Mitglieder erreicht wird. Diese Zusammenstellung gilt alsdann als die Liste der Wählbaren.

Zu der zweiten Wahl werden die Wähler durch eine, das Ergebniß der ersten Wahl angebende Bekanntmachung des Wahlvorstandes sofort oder spätestens innerhalb acht Tage aufgefordert. Bei der zweiten Wahl ist die absolute Stimmenmehrheit nicht erforderlich.

Unter denjenigen, die eine gleiche Anzahl von Stimmen erhalten haben, giebt das Loos den Ausschlag.

Wer in mehreren Abtheilungen oder Bezirken gewählt ist, hat zu erklären, welche Wahl er annehmen will.

§ 27. Die Wahlprotokolle sind vom Wahlvorstande zu unterzeichnen und vom Magistrate aufzubewahren. Der Magistrat hat das Ergebniß der vollendeten Wahl sofort bekannt zu machen.

Gegen das stattgehabte Wahlverfahren kann von jedem stimmfähigen Bürger, innerhalb zehn Tagen nach der Bekanntmachung, bei der Regierung Beschwerde erhoben werden.

Bei erheblichen Unregelmäßigkeiten hat die Regierung die Wahlen auf erfolgte Beschwerde oder von Amtswegen innerhalb zwanzig Tagen nach der Bekanntmachung durch eine motivirte Entscheidung für ungültig zu erklären.

Für einen Ungültigkeitsgrund ist es nicht zu erachten, wenn die der betreffenden geistlichen Behörde anheimzugebende Hinweisungen auf die Wichtigkeit der Wahl (§ 21) unterblieben ist.

§ 28. Die bei der regelmäßigen Ergänzung neu gewählten Stadtverordneten treten mit dem Anfang des nächstfolgenden Jahres ihre Verrichtungen an; die Ausscheidenden bleiben bis zur Einführung der neugewählten Mitglieder in Thätigkeit.

Der Magistrat hat die Einführung der Gewählten und deren Verpflichtung durch Handschlag an Eidesstatt anzuordnen.

Titel III.
Von der Zusammensetzung und Wahl des Magistrats.

§ 29. Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister, einem Beigeordneten oder zweiten Bürgermeister als dessen Stellvertreter, einer Anzahl von Schöffen (Stadträthen, Rathsherren, Rathmännern) und wo das Bedürfniß es erfordert, noch aus einem oder mehreren besoldeten Mitgliedern (Syndikus, Kämmerer, Schulrath, Baurath ec.). Es gehören zum Magistrat in Stadtgemeinden von weniger als
    2,500 Einwohnern    2 Schöffen,
    2,500 bis 10,000 Einwohnern,    4 Schöffen,
    10,001 bis 30,000 Einwohnern,  6 Schöffen,
    30,001 bis 60,000 Einwohnern,  8 Schöffen,
    60,001 bis 100,000 Einwohnern, 10 Schöffen.

Bei mehr als 100,000 Einwohnern treten für jede weiteren 50,000 Einwohner zwei Schöffen hinzu.

Wo die Zahl der Mitglieder des Magistrats nach den bisherigen Bestimmungen eine andere gewesen ist, verbleibt es bei dieser Zahl, bis durch statutarische Anordnung, welcher überhaupt abweichende Festsetzungen über die Zahl der Magistrats-Mitglieder vorbehalten werden, eine Änderung getroffen ist.

§ 30. Mitglieder des Magistrats können nicht sein:
1) diejenigen Beamten udn die Mitglieder derjenigen Behörden, durch welche die Aufsicht des Staats über die Städte ausgeübt wird (§ 76);
2) die Stadtverordnungen, ingleichen Gemeinde-Unterbeamte und in Städten über 10,000 Seelen die Gemeinde-Einnehmer;
3) Geistliche, Kirchendiener und Lehrer an öffentlichen Schulen;
4) die richterlichen Beamten, zu denen jedoch die technischen Mitglieder der Handels-, Gewerbe- und ähnlicher Gerichte nicht zu zählen sind;
5) die Beamten der Staatsanwaltschaft;
6) die Polizeibeamten.

Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brüder und Schwäger dürfen nicht zugleich Mitglieder des Magistrats sein.

Entsteht die Schwägerschaft im Laufe der Wahlperiode, so scheidet dasjenige Mitglied aus, durch welches das Hinderniß herbeigeführt worden ist.

Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, sowie Brüder dürfen nicht zugleich Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnenten-Versammlung sein.

Personen, welche die in dem Gesetze vom 7. Februar 1835 (Gesetz-Sammlung S. 18) bezeichneten Gewerbe betreiben, können nicht Bürgermeister sein.

§ 31. Die Beigeordneten und Schöffen (§ 29) werden auf sechs Jahre, der Bürgermeister und die übrigen besoldeten Magistrats-Mitglieder dagegen auf zwölf Jahre von der Stadtverordneten-Versammlung gewählt. Auch können Beigeordnete mit Besoldung angestellt werden, und erfolgt in diesem Falle deren Wahl gleichfalls auf zwölf Jahre.

Alle 3 Jahre scheidet die Hälfte der Schöffen aus und wird durch neue Wahlen ersetzt. Die das erste Mal Ausscheidenden werden durch das Loos bestimmt. Die Ausscheidenden können wieder gewählt werden. Wegen der außergewöhnlichen Ersatzwahlen kommt die Bestimmung des § 21 zur Anwendung.

Durch vom 25. Februar 1856 wurde zum § 31 ergänzend bestimmt:
"Die Wahl des Bürgermeisters und der übrigen besoldeten Magistrats-Mitglieder kann auch auf Lebenszeit erfolgen."

§ 32. Für jedes zu wählende Mitglied des Magistrats wird besonders abgestimmt. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel. Wird die absolute Stimmenmehrheit bei der ersten Abstimmung nicht erreicht, so werden diejenigen vier Personen, auf welche die meisten Stimmen gefallen sind, auf eine engere Wahl gebracht. Wird auch hierdurch die absolute Stimmenmehrheit nicht erreicht, so findet unter denjenigen zwei Personen, welche bei der zweiten Abstimmung die meisten Stimmen erhalten haben, eine engere Wahl statt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.

§ 33. Die gewählten Bürgermeister, Beigeordneten, Schöffen und besoldeten Magistrats-Mitglieder bedürfen der Bestätigung. Die Bestätigung steht zu:
1) dem Könige hinsichtlich der Bürgermeister und Beigeordneten in Städten von mehr als 10,000 Einwohnern;
2) der Regierung hinsichtlich der Bürgermeister und Beigeordneten in Städten, welche nicht über 10,000 Einwohner haben, sowie hinsichtlich der Schöffen und der besoldeten Magistrats-Mitglieder in allen Städten ohne Unterschied ihrer Größe.

Wird die Bestätigung versagt, so schreitet die Stadtverordneten-Versammlung zu einer neuen Wahl. Wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so ist die Regierung berechtigt, die Stelle einstweilen auf Kosten der Stadt kommissarisch verwalten zu lassen.

Dasselbe findet statt, wenn die Stadtverordneten die Wahl verweigern, oder den nach der ersten Wahl nicht Bestätigten wieder erwählen sollten.

Die kommissarische Verwaltung dauert so lange, bis die Wahl der Stadtverordneten-Versammlung, deren wiederholte Vornahme ihr jederzeit zusteht, die Bestätigung des Königs, beziehungsweise der Regierung erlangt hat.

§ 34. Die Mitglieder des Masgistrats werden vor ihrem Amtsantritt durch den Bürgermeister in öffentlicher Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung in Eid unter Pflicht genommen; der Bürgermeister wird vom Regierungspräsidenten oder einem von diesem zu ernennenden Kommissar in öffentlicher Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung vereidet.

Magistrats-Mitgliedern, welche ihr Amt mindestens neun Jahre mit Ehren bekleidet haben, kann in Übereinstimmung mit der Stadtverordnenten-Versammlung von dem Magistrat das Prädikat "Stadtältester" verliehen werden.

Titel IV.
Von den Versammlungen und Geschäften der Stadtverordneten.

§ 35. Die Stadtverordeten-Versammlung hat über alle Gemeinde-Angelegenheiten zu beschließen, soweit dieselben nicht ausschließlich dem Magistrate überwiesen sind. Sie giebt ihr Gutachten über alle Gegenstände ab, welche ihr zu diesem Zwecke durch die Aufsichtsbehörden vorgelegt werden. Über andere als Gemeinde-Angelegenheiten dürfen die Stadtverordneten nur dann berathen, wenn solche durch besondere Gesetze oder in einzelnen Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde an sie gewiesen sind.

Die Stadtverordneten sind an keinerlei Instruktionen oder Aufträge der Wähler und Wahlbezirke gebunden.

§ 36. Die Beschlüsse der Stadtverordnenten bedürfen, wenn sie solche Angelegenheiten betreffen, welche durch das Gesetz dem Magistrate zur Ausführung überwiesen sind, der Zustimmung des letztern. Versagt dieser die Zustimmung, so hat er die Gründe dieser Versagung der Stadtverordneten-Versammlung mitzutheilen. Erfolgt hierauf keine Verständigung, zu deren Herbeiführung sowohl von dem Magistrate als der Stadtverordneten die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Kommission verlangt werden kann, so ist die Entscheidung der Regierung einzuholen. - Die Stadtverordneten-Versammlung darf ihre Beschlüsse in keinem Falle selbst zur Ausführung bringen.

§ 37. Die Stadtverordneten-Versammlung kontrolirt die Verwaltung. Sie ist daher berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse und der Verwendung aller Gemeinde-Einnahmen Überzeugung zu verschaffen. Sie kann zu diesem Zwecke von dem Magistrat die Einsicht der Akten verlangen, und Ausschüsse aus ihrer Mitte ernennen, zu welchen der Bürgermeister ein Mitglied des Magistrats abzuordnen befugt ist.

§ 38. Die Stadtverordneten-Versammlung wählt jährlich einen Vorsitzenden, sowie einen Stellvertreter desselben, und einen Schriftführer, sowie einen Stellvertreter desselben, aus seiner Mitte; doch kann auch die Stelle des Schriftführers ein von den Stadtverordneten nicht aus ihrer Mitte gewählter, in öffentlicher Sitzung hierzu von dem Bürgermeister vereideter Protokollführer vertreten. Diese Wahlen erfolgen in dem § 32 vorgeschriebenen Verfahren.

Die Stadtverordneten versammeln sich, so oft es ihre Geschäfte erfordern.

Der Magistrat wird zu allen Versammlungen eingeladen und kann sich durch Abgeordnete vertreten lassen. Die Stadtverordneten können verlangen, daß Abgeordnete des Magistrats anwesend sind. Der Magistrat  muß gehört werden, so oft er es verlangt.

§ 39. Die Zusammenberufung der Stadtverordneten geschieht durch den Vorsitzenden; sie muß erfolgen, sobald es von einem Viertel der Mitglieder oder von dem Magistrat verlangt wird.

§ 40. Die Art und Weise der Zusammenberufung wird ein für allemal von der Stadtverordneten-Versammlung festgestellt.

Die Zusammenberufung erfolgt unter Angabe der Gegenstände der Verhandlung; mit Ausnahme dringender Fälle muß dieselbe wenigstens zwei freie Tage vorher statthaben.

§ 41. Durch Beschluß der Stadtverordneten können auch regelmäßige Sitzungstage festgesetzt, es müssen jedoch auch dann die Gegenstände der Verhandlung mindestens zwei freie Tage vorher den Stadtverordneten und dem Magistrat angezeigt werden.

§ 42. Die Stadtverordneten-Versammlung kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder zugegen ist. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn die Stadtverordneten, zum zweiten Male zur Verhandlung über denselben Gegenstand zusammenberufen, dennoch nicht in genügender Anzahl erschienen ist. Bei der zweiten Zusammenberufung muß auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden.

§ 43. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Wer nicht mitstimmt, wird zwar als anwesend betrachtet, die Stimmenmehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden festgestellt.

§ 44. An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Stadtgemeinde darf derjenige nicht Theil nehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde in Widerspruch steht. Kann wegen dieser Ausschließung eine beschlußfähige Versammlung nicht gehalten werden, so hat der Magistrat, oder, wenn auch dieser aus dem vorgedachten Grunde einen gültigen Beschluß zu fassen nicht befugt ist, die Aufsichtsbehörde für die Wahrung des Gemeinde-Interesses zu sorgen und nöthigenfalls einen besonderen Vertreter für die Stadtgemeinde zu bestellen.

Sollte ein Prozeß der Stadtgemeinde gegen alle oder mehrere Mitglieder des Magistrats aus Veranlassung ihrer Amtsführung notwendig werden, so hat die Regierung auf Antrag der Stadtverordneten-Versammlung zur Führung des Prozesses einen Anwalt zu bestellen.

§ 45. Die Sitzungen der Stadtverordneten sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Beschluß, welcher in geheimer Sitzung gefaßt wird, die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Die Sitzungen dürfen nicht in Wirthshäusern oder Schenken gehalten werden.

§ 46. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen, eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in der Versammlung. Er kann jeden Zuhörer aus dem Sitzungszimmer entfernen lassen, welcher öffentliche Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens giebt oder Unruhe irgend einer Art verursacht.

§ 47. Die Beschlüsse der Stadtverordneten-Versammlung und die Namen der dabei anwesenden Mitglieder sind in ein besonderes Buch einzutragen. Sie werden von dem Vorsitzenden und wenigstens drei Mitgliedern unterzeichnet.

Dem Magistrat müssen alle Beschlüsse der Stadtverordneten, auch diejenigen, welche ihm durch das Gesetz zur Ausführung nicht überwiesen sind, mitgetheilt werden.

§ 48. Den Stadtverordneten-Versammlungen bleibt überlassen, unter Zustimmung des Magistrats eine Geschäftsordnung abzufassen und darin Zuwiderhandlungen der Mitglieder gegen die zur Aufrechthaltung der Ordnung gegebenen Vorschriften mit Strafen zu belegen; diese Strafen können nur in Geldbußen bis zu fünf Jahren und bei mehrmals wiederholten Zuwiderhandlungen in der auf eine gewisse Zeit oder für die Dauer der Wahlperiode zu verhängenden Ausschließung aus der Versammlung bestehen.

Versagt der Magistrat seine Zustimmung, so tritt das im § 36 vorgeschriebene Verfahren ein.

§ 49. Die Stadtverordneten beschließen über die Benutzung des Gemeindevermögens; die Deklaration vom 26. Juli 1847 (Gesetz-Sammlung Seite 327) bleibt dabei maaßgebend.

Über das Vermögen, welches nicht der Gemeinde-Korporation in ihrer Gesammtheit gehört, kann die Stadtverordneten-Versammlung nur insoweit beschließen, als sie dazu durch den Willen der Betheiligten oder durch sonstige Rechtstitel berufen ist.

Auf das Vermögen der Korporationen und Stiftungen haben die zur Stadtgemeinde gehörenden Einwohner (§ 3) als solche und auf dasjenige Vermögen, welches blos den Hausbesitzern oder anderen Klassen der Einwohner gehört, haben andere Personen keinen Anspruch.

In Ansehung der Verwaltung und Verwendung des Vermögens der Stiftungen bewendet es bei den stiftungsmäßigen Bestimmungen. Soweit es hierbei auf den Begriff von Bürger ankommt, sind die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes (§ 5) an sich selbst nicht maaßgebend.

§ 50. Die Genehmigung der  Regierung ist erforderlich:
1) zu Veräußerungen von Grundstücken und solchen Gerechtsamen, welche jenen gesetzlich gleichgestellt sind;
2) zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von Sachen, welche einen besondern wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwerth haben, namentlich von Archiven;
3) zu Anleihen, durch welche die Gemeinde mit einem Schuldenbestand belastet, oder der bereits vorhandene vergrößert wird, und
4) zu Veränderungen in dem Genusse von Gemeindenutzungen (Wald, Weise, Haide, Torfstich und dergleichen).

§ 51. Die freiwillige Veräußerung von Grundstücken u. s. w. (§ 50 Nr. 1) darf nur im Wege der Lizitation auf Grund einer Taxe stattfinden.

Zur Gültigkeit der Lizitation gehört:
1) einmalige Bekanntmachung durch das Amtsblatt des Regierungsbezirks und die für Bekanntmachungen des Magistrats üblichen öffentlichen Blätter;
2) eine Frist von sechs Wochen von der Bekanntmachung bis zum Lizitations-Termine, und
3) Abhaltung dieses Termins durch eine Justiz- oder Magistratsperson.

Das Ergebniß der Lizitation ist der Stadtverordneten-Versammlung mitzutheilen und kann nur mit deren Genehmigung der Zuschlag ertheilt werden.

In besonderen Fällen kann die Regierung auch den Verkauf aus freier Hand, sowie einen Tausch gestatten, sobald sie sich überzeugt, daß der Vortheil der gemeinde dadurch gefördert wird.

Für die Hypothekenbehörde genügt zum Nachweise, daß der Vorschrift dieses Paragraphen genügt worden, die Bestätigung des Vertrages durch die Regierung.

§ 52. Durch Gemeindebeschluß kann die Erhebung eines Einzugsgeldes angeordnet, und von dessen Entrichtung die Niederlassung in der Gemeinde (§ 4 des Gesetzes vom 31. Dezember 1842, Nr. 2317) abhängig gemacht werden.

Außerdem kann von Allen, sowohl von den Neuanziehenden als von denen, welche der Gemeinde bereits angehörig sind, bei der Begründung eines selbstständigen Hausstandes eine Abgabe (Eintritts- oder Hausstandsgeld) gefordert und von deren Entrichtung die Theilnahme an dem Bürgerrecht (§ 5) abhängig gemacht werden.

Die Theilnahme an den Gemeindenutzungen (§ 50 Nr. 4) kann außerdem von den Entrichtung einer jährlichen Abgabe und anstatt oder neben derselben von Entrichtung eines Einzugs- oder Einkaufsgeldes abhängig machen, durch deren Entrichtung aber die Ausübung des Bürgerrechts niemals bedingt wird.

Alle derartigen Beschlüsse bedürfen der Genehmigung der Regierung. Die mit dem Besitze einzelner Grundstücke verbundenen oder auf sonstigen besonderen Rechtstiteln beruhenden Nutzungsrechte sind den Bestimmungen dieses Paragraphen nicht unterworfen.

Beamte, welche in Folge dienstlicher Versetzung ihren Aufenthalt im Stadtbezirke nehmen, sind zur Entrichtung des Einzugsgeldes und des Hausstandsgeldes nicht verbunden.

Durch Gesetz vom 14. Mai 1860, § 1, wurde der § 52 aufgehoben und durch die §§ 2 bis 10 des genannten Gesetzes ersetzt.

§ 53. Soweit die Einnahmen aus dem städtischen Vermögen nicht hinreichen, um die durch das Bedürfniß oder die Verpflichtungen der Gemeinde erforderlichen Geldmittel zu beschaffen, können die Stadtverordneten die Aufbringung von Gemeindesteuern beschließen.

Diese können bestehen:
I. In Zuschlägen zu den Staatssteuern, wobei folgende Bestimmungen gelten:
    1) die Steuer für den Gewerbebetrieb im Umherziehen darf nicht belastet werden;
    2) bei den Zuschlägen zur klassifizirten Einkommensteuer muß jedenfalls das außerhalb der Gemeinde belegene Grundeigenthum außer Berechnung bleiben;
    3) die Genehmigung der Regierung ist erforderlich:
        a) für alle Zuschläge zur Einkommensteuer;
        b) für Zuschläge zu den übrigen direkten Steuern, wenn der Zuschlag entweder fünfzig Prozent der Staatssteuern übersteigen, oder nicht nach gleichen Sätzen auf diese Steuern vertheilt werden soll. Zur Freilassung oder geringeren Belastung der letzten Klassensteuerstufe bedarf es dieser Genehmigung nicht;
        c) für Zuschläge zu den indirekten Steuern.
II. In besonderen direkten oder indirekten Gemeindesteuern, welche der Genehmigung der Regierung bedürfen, wenn sie neu eingeführt, erhöht, oder in ihren Grundsätzen verändert werden sollen.

Bei besonderen Kommunal-Einkommensteuern ist jedenfalls die sub IU. 2. erwähnte Beschränkung maaßgebend. Die bestehenden direkten Kommunal-Einkommensteuern werden einer erneuten Prüfung und Genehmigung der Regierung unterworfen.

In den über die Erhebung von Kommunalsteuern zu erlassenden, von der Regierung zu genehmigenden Regulativen können Ordnungsstrafen gegen die Kontravenienten bis auf Höhe von zehn Thalern angeordnet werden.

§ 54. Die Gemeinde kann durch Beschluß der Stadtverordnenten zur Leistung von Diensten (Hand- und Spanndiensten) Behufs Ausführung von Gemeinde-Arbeiten verpflichtet werden; die Dienste werden in Geld abgeschätzt, die Vertheilung geschieht nach dem Maaßstabe der Gemeinde-Abgaben oder in deren Ermangelung nach dem Maaßstabe der direkten Steuern. - Abweichungen von dieser Vertheilungsart bedürfen der Genehmigung der Regierung. Die Dienste können, mit Ausnahme von Nothfällen durch taugliche Stellvertreter abgeleistet oder nach der Abschätzung an die Gemeindekasse bezahlt werden.

§ 55. Die in Bezug auf die Behandlung der Gemeindewaldungen für die einzelnen Landestheile erlassenen Gesetze und Bestimmungen bleiben in Kraft, bis ihre Abänderung im gesetzlichen Wege erfolgt sein wird.

Titel V.
Von den Geschäften des Magistrats.

§ 56. Der Magistrat hat als Ortsobrigkeit und Gemeinde-Verwaltungsbehörde insbesondere folgende Geschäfte:
1) die Gesetze, die Verordnungen und die Beschlüsse der ihm vorgesetzten Behörden auszuführen;
2) die Beschlüsse der Stadtverordneten-Versammlung vorzubereiten und, soweit er sich mit denselben einverstanden erklärt, zur Ausführung zu bringen.
    Der Magistrat ist verpflichtet, die Zustimmung und Ausführung zu verweigern, wenn von den Stadtverordneten ein Beschluß gefaßt ist, welcher deren Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist, das Staatswohl oder das Gemeinde-Interesse verletzt. In Fällen dieser Art ist nach den Bestimmungen im § 36 zu verfahren;
3) die städtischen Gemeinde-Anstalten zu verwalten und diejenigen, für welche besondere Verwaltungen eingesetzt sind, zu beaufsichtigen;
4) die Einkünfte der Stadtgemeinde zu verwalten, die auf dem Etat oder besonderen Beschlüssen der Stadtverordneten beruhenden Einnahmen und Ausgaben anzuweisen und das Rechnungs- und Kassenwesen zu überwachen. Von jeder regelmäßigen Kassenrevision ist der Stadtverordneten-Versammlung Kenntniß zu geben, damit sie ein Mitglied oder mehrere abordnen könne, um diesem Geschäfte beizuwohnen; bei außerordentlichen Kassenrevisionen ist der Vorsitzende oder ein von demselben ein- für allemal bezeichnetes Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung zuzuziehen;
5) das Eigenthum der Stadtgemeinde zu verwalten und ihre Rechte zu wahren;
6) die Gemeindebeamten, nachdem die Stadtverordneten darüber vernommen worden, anzustellen und zu beaufsichtigen. Die Anstellung erfolgt, soweit es sich nicht um vorübergehende Dienstleistungen handelt, auf Lebenszeit; diejenigen Unterbeamten, welche nur zu mechanischen Dienstleistungen bestimmt sind, können jedoch auf Kündigung angenommen werden. Die von den Gemeindebeamten zu leistenden Kautionen bestimmt der Magistrat nach Anhörung der Stadtverordneten-Versammlung. In Städten bis zu 10,000 Einwohnern (§ 30 2. ) können die Geschäfte des Gemeinde-Einnehmers nach Vernehmung der Stadtverordneten-Versammlung und mit Zustimmung der Regierung dem Kämmerer übertragen werden;
7) die Urkunden und Akten der Stadtgemeinde aufzubewahren;
8) die Stadtgemeinde nach Außen zu vertreten und Namens derselben mit Behörden und Privatpersonen zu verhandeln, den Schriftwechsel zu führen und die Gemeinde-Urkunden in der Urschrift zu vollziehen. Die Ausfertigungen der Urkunden werden Namens der Stadtgemeinde von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter gültig unterzeichnet; werden in denselben Verpflichtungen der Stadtgemeinde übernommen, so muß noch die Unterschrift eines Magistrats-Mitgliedes hinzukommen; in Fällen, wo die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist, muß dieselbe in beglaubigter Form der gedachten Ausfertigung beigefügt werden;
9) die städtischen Gemeinde-Abgaben und Dienste nach den Gesetzen und Beschlüssen auf die Verpflichteten zu vertheilen und die Beitreibung zu bewirken.

§ 57. Der Magistrat kann nur beschließen, wenn mindestens die Hälfte, in Stadtgemeinden, welche mehr als 100,000 Einwohner haben, mindestens ein Drittheil seiner Mitglieder zugegen ist.

Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Vorsitzenden entscheidend. Den Vorsitz führt der Bürgermeister oder sein Stellvertreter. Der Vorsitzende ist verpflichtet, wenn ein Beschluß des Magistrats dessen Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist, das Staatswohl oder das Gemein-Interesse verletzt, die Ausführung eines solchen Beschlusses zu beanstanden und die Entscheidung der Regierung einzuholen. Der Beigeordnete nimmt auch außer dem Falle der Stellvertretung an den Verhandlungen und Beschlüssen Theil.

Bei Berathungen über solche Gegenstände, welche das Privat-Interesse eines Mitgliedes des Magistrats oder seiner Angehörigen berühren, muß dasselbe sich der Theilnahme an der Berathung und Abstimmung enthalten, auch sich während der Berathung aus dem Sitzungszimmer entfernen.

§ 58. Der Bürgermeister leitet und beaufsichtigt den ganzen Geschäftsgang der städtischen Verwaltung.

In allen Fällen, wo die vorherige Beschlußnahme durch den Magistrat einen nachtheiligen Zeitverlust verursachen würde, muß der Bürgermeister die dem Magistrat obliegenden Geschäfte vorläufig allein besorgen, jedoch dem letzteren in der nächsten Sitzung behufs der Bestätigung oder anderweitigen Beschlußnahme Bericht erstatten.

Zur Erhaltung der nöthigen Disziplin steht dem Bürgermeister das Recht zu, den Gemeindebeamten Geldbußen bis zu drei Thalern und außerdem den untern Beamten Arreststrafen bis zu drei Tagen aufzulegen (§§ 15, 19 und 20 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, Gesetz-Sammlung Seite 465).

§ 59. Zur dauernden Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftszweige, sowie zur Erledigung vorübergehender Aufträge können besondere Deputationen entweder blos aus Mitgliedern des Magistrats, oder aus Mitgliedern beider Gemeindebehörden, oder aus letztern und aus stimmfähigen Bürgern gewählt werden. Zur Bildung gemischter Deputationen aus beiden Stadtbehörden ist der übereinstimmende Beschluß beider erforderlich.

Zu diesen Deputationen und Kommissionen, welche übrigens in allen Beziehungen dem Magistrate untergeordnet sind, werden die Stadtverordneten und stimmfähigen Bürger von der Stadtverordneten-Versammlung gewählt, die Magistrats-Mitglieder dagegen von dem Bürgermeister ernannt, welcher auch unter letzteren den Vorsitzenden zu bezeichnen hat.

Durch statutarische Anordnungen können nach den eigenthümlichen örtlichen Verhältnissen besondere Festsetzungen über die Zusammensetzung der bleibenden Verwaltungs-Deputationen getroffen werden.

§ 60. Städte von größerem Umfange oder von zahlreicherer Bevölkerung werden von dem Magistrat nach Anhörung der Stadtverordneten in Ortsbezirke getheilt.

Jedem Bezirk wird ein Bezirksvorsteher vorgesetzt, welcher von den Stadtverordneten aus den stimmfähigen Bürgern des Bezirks auf sechs Jahre erwählt und vom Magistrat bestätigt wird. In gleicher Weise wird für den Fall der Verhinderung des Bezirksvorstehers ein Stellvertreter desselben angestellt.

Die Bezirksvorsteher sind Organe des Magistrats und verpflichtet, seinen Anordnungen Folge zu leisten, ihn namentlich in den örtlichen Geschäften des Bezirks zu unterstützen.

§ 61. Jedes Jahr, bevor sich die Stadtverordneten-Versammlung mit dem Haushaltsetat beschäftigt, hat der Magistrat in öffentlicher Sitzung derselben über die Verwaltung und den Stand der Gemeinde-Angelegenheiten einen vollständigen Bericht zu erstatten. Tag und Stunden der Sitzung werden wenigstens zwei freie Tage vorher in der Gemeinde bekannt gemacht.

§ 62. Der Bürgermeister hat, nach näherer Bestimmung der Gesetze, folgende Geschäfte zu besorgen:
I. wenn die Handhabung der Ortspolizei nicht Königlichen Behörden übertragen ist:
    1) die Handhabung der Ortspolizei;
    2) die Verrichtung eines Hülfsbeamten der gerichtlichen Polizei;
    3) die Verrichtungen eines Polizeianwalts, vorbehaltlich der Befugniß der Behörde, in den Fällen 2. und 3. andere Beamten mit diesen Geschäften zu beauftragen.
        Dem Bürgermeister am Sitze eines Gerichts kann die Vertretung der Polizeianwaltschaft bei dem Gericht auch für die übrigen Gemeinden des Gerichtsbezirks gegen angemessene Entschädigung übertragen werden, in deren Hinsicht nähere Bestimmungen vorbehalten bleiben.
II. Alle örtlichen Geschäfte der Kreis-, Bezirks-, Provinzial- und allgemeinen Staatsverwaltung, namentlich auch das Führen der Personenstandsregister, sofern nicht andere Behörden dazu bestimmt sind.

Einzelne dieser unter I. und II. erwähnten Geschäfte können mit Genehmigung der Regierung einem andern Magistrats-Mitgliede übertragen werden.

§ 63. In Betreff der Befugniß der Stadtbehörden, ortspolizeiliche Verordnungen zu erlassen, kommen die darauf bezüglichen Gesetze zur Anwendung.

Titel VI.
Von den Gehältern und Pensionen.

§ 64. Der Normaletat aller Besoldungen wird von dem Magistrat entworfen und von den Stadtverordneten festgesetzt.

Ist ein Normal-Besoldungsetat überhaupt nicht oder nur für einzelne Theile der Verwaltung festgestellt, so werden die in solcher Weise nicht vorgesehenen Besoldungen vor der Wahl festgesetzt.

Hinsichtlich der Bürgermeister und der besoldeten Magistrats-Mitglieder unterliegt die Festsetzung der Besoldungen in allen Fällen der Genehmigung der Regierung. Die Regierung ist ebenso befugt als verpflichtet, zu verlangen, daß ihnen die zu einer zweckmäßigen Verwaltung angemessenen Besoldungsbeträge bewilligt werden.

Den Beigeordneten, insofern ihnen nicht eine Besoldung besonders beigelegt ist (§ 31), können mit Genehmigung der Regierung feste Entschädigungsbeträge bewilligt werden. Schöffen und Stadtverordnete erhalten weder Gehalt noch Remuneration, in d ist nur die Vergütung baarer Auslagen zulässig, welche für sie aus der Ausrichtung von Aufträgen entstehen.

§ 65. Den Bürgermeistern und den besoldeten Mitgliedern des Magistrats sind, sofern nicht mit Genehmigung der Regierung eine Vereinbarung wegen der Pension getroffen ist, bei eintretender Dienstunfähigkeit, oder wenn sie nach abgelaufener Wahlperiode nicht wieder gewählt werden, folgende Pensionen zu gewähren:
    1/4 des Gehalts nach 6jähriger Dienstzeit,
    1/2 des Gehalts nach 12jähriger Dienstzeit,
    2/3 des Gehalts nach 24jähriger Dienstzeit.

Die auf Lebenszeit angestellten besoldeten Gemeindebeamten erhalten, in sofern nicht mit dem Beamten ein Anderes verabredet worden ist, bei eintretender Dienstunfähigkeit Pension nach denselben Grundsätzen, welche bei den unmittelbaren Staatsbeamten zur Anwendung kommen.

Über die Pensionsansprüche der Bürgermeister, der besoldeten Magistrats-Mitglieder und übrigen besoldeten Gemeindebeamten entscheidet in streitigen Fällen die Regierung. Gegen den Beschluß der Regierung, soweit derselbe sich nicht auf die Thatsache der Dienstunfähigkeit oder darauf bezieht, welcher Theil des Diensteinkommens als Gehalt anzusehen sei, findet die Berufung auf richterliche Entscheidung statt. Ungeachtet der Berufung sind die festgesetzten Beträge vorläufig zu zahlen.

Die Pension fällt fort oder ruht insoweit, als der Pensionirte durch anderweitige Anstellung im Staats- oder Gemeindedienste ein Einkommen oder eine neue Pension erwirbt, welche mit Zurechnung der ersten Pension sein früheres Einkommen übersteigen.

Titel VII.
Von dem Gemeindehaushalte.

§ 66. Über alle Ausgaben, Einnahmen und Dienste, welche sich im Voraus bestimmen lassen, entwirft der Magistrat jährlich, spätestens im Oktober, einen Haushaltsetat. Mit Zustimmung der Stadtverordneten kann die Etatsperiode bis auf drei Jahre verlängert werden.

Der Entwurf wird acht Tage lang, nach vorheriger Verkündigung, in einem oder mehren von dem Magistrat zu bestimmenden Lokalen zur Einsicht aller Einwohner der Stadt offen gelegt und alsdann von den Stadtverordneten festgestellt. Eine Abschrift des Etats wird sofort der Aufsichtsbehörde eingereicht.

§ 67. Der Magistrat hat dafür zu sorgen, daß der Haushalt nach dem Etat geführt werde.

Ausgaben, welche außer dem Etat geleistet werden sollen, bedürfen der Genehmigung der Stadtverordneten.

§ 68. Die Gemeinde-Abgaben und die Geldbeträge der Dienste (§ 54), sowie die Abgaben für die Theilnahme an den Nutzungen (§ 52) und die sonstigen Gemeindegefälle werden von den Säumigen im Steuer-Exekutionswege beigetrieben.

§ 69. Die Jahresrechnung ist von dem Einnehmer vor dem 1. Mai des folgenden Jahres zu legen und dem Magistrat einzureichen. Dieser hat die Rechnung zu revidiren und solche mit seinen Erinnerungen und Bemerkungen den Stadtverordneten zur Prüfung, Feststellung und Entlastung vorzulegen.

§ 70. Die Feststellung der Rechnung muß vor dem 1. Oktober bewirkt sein.

Der Magistrat hat der Aufsichtsbehörde sofort eine Abschrift des Feststellungsbeschlusses vorzulegen.

Durch statutarische Anordnungen können auch andere Fristen, als vorstehen für die Legung und Feststellung der Rechnung bestimmt sind, festgesetzt werden.

§ 71. Über alle Theile des Vermögens der Stadtgemeinde hat der Magistrat ein Lagerbuch zu führen. Die darin vorkommenden Veränderungen werden den Stadtverordneten bei der Rechungsabnahme zur Erklärung vorgelegt.

Titel VIII.
Von der Einrichtung der städtischen Verfassung ohne kollegialischen Gemeindevorstand für Städte, welche nicht mehr als 2500 Einwohner haben.

§ 72. In Städten von nicht mehr als 2500 Einwohnern kann auf Antrag der Gemeindevertretung unter Genehmigung der Regierung die Einrichtung getroffen werden, daß
1) die Zahl der Stadtverordneten bis auf sechs vermindert, und
2) statt des Magistrats nur ein Bürgermeister, welcher den Vorsitz in der Stadtverordneten-Versammlung mit Stimmrecht zu führen hat, und zwei oder drei Schöffen, welche den Bürgermeister zu unterstützen und in Verhinderungsfällen zu vertreten haben, gewählt werden.

§ 73. Wird eine Einrichtung nach Maaßgabe der Bestimmung unter 2. in § 72 getroffen, so gehen alle Rechte und Pflichten, welche in den Vorschriften der Titel I bis VII dem Magistrat beigelegt sind, auf den Bürgermeister mit denjenigen Modifikationen über, welche sich als nothwendig daraus ergeben, daß der Bürgermeister zugleich stimmberechtigter Vorsitzender der Stadtverordneten-Versammlung ist. Demselben steht insonderheit ein Recht der Zustimmung zu den Beschlüssen der Stadtverordneten nicht zu; er ist aber in den im zweiten Satze unter 2. des § 56 bezeichneten Fällen die Ausführung der Beschlüsse der Stadtverordneten-Versammlung zu beanstanden, und, wenn diese bei nochmaliger Berathung bei ihrem Beschlusse beharrt, die Entscheidung der Regierung einzuholen verpflichtet. - Im Übrigen finden bei den Städten, welche die gedachte Einrichtung angenommen haben, die Vorschriften der Titel I. bis VII. gleichfalls, jedoch mit der Maaßgabe Anwendung, daß die Schöffen zugleich Stadtverordnete sein können, und daß es genügt, wenn die Beschlüsse der Stadtverordneten-Versammlung (§ 47) nur von dem Vorsitzenden und einem Mitgliede unterzeichnet werden.

Titel IX.
Von der Verpflichtung zur Annahme von Stellen und von dem Ausscheiden aus denselben wegen Verlustes des Bürgerrechts.

§ 74. Ein jeder stimmfähige Bürger ist verpflichtet, eine unbesoldete Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Vertretung anzunehmen, sowie eine angenommene Stelle mindestens drei Jahre lang zu versehen.

Zur Ablehnung oder zur früheren Niederlegung einer solchen Stelle berechtigen nur folgende Entschuldigungsgründe:
1) anhaltende Krankheiten;
2) Geschäfte, die eine häufige oder lange dauernde Abwesenheit mit sich bringen;
3) ein Alter über sechszig Jahre;
4) die früher stattgehabte Verwaltung einer unbesoldeten Stelle für die nächsten drei Jahre;
5) die Verwaltung eines andern öffentlichen Amtes;
6) ärztliche oder wundärztliche Praxis;
7) sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen der Stadtverordneten-Versammlung eine gültige Entschuldigung begründen.

Wer sich ohne einen dieser Entschuldigungsgründe weigert, eine unbesoldete Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Vertretung anzunehmen, oder die noch nicht drei Jahre lang versehene Stelle ferner zu versehen, sowie derjenige, welche sich der Verwaltung solcher Stellen thatsächlich entzieht, kann durch Beschluß der Stadtverordneten auf drei bis sechs Jahre der Ausübung des Bürgerrechts verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker zu den direkten Gemeindeabgaben herangezogen werden. Dieser Beschluß bedarf der der Bestätigung der Aufsichtsbehörde (§ 76).

§ 75. Wer eine das Bürgerrecht voraussetzende Stelle in der Verwaltung oder Vertretung der Stadtgemeinde bekleidet, scheidet aus derselben aus, wenn er des Bürgerrechts verlustig geht; im Falle des ruhenden Bürgerrechts tritt die Suspension ein (§ 7).

Die zu den bleibenden Verwaltungs-Deputationen gewählten stimmfähigen Bürger (§ 59) und andern von der Stadtverordneten-Versammlung auf eine bestimmte Zeit gewählten unbesoldeten Gemeindebeamten, zu denen jedoch die Schöffen nicht zu rechnen sind, können durch einen übereinstimmenden Beschluß des Magistrats und der Stadtverordneten auch vor Ablauf ihrer Wahlperiode von ihrem Amte entbunden werden.

Titel X.
Von der Oberaufsicht über die Stadtverwaltung.

§ 76. Die Aufsicht des Staates über die städtischen Gemeinde-Angelegenheiten wird, soweit nicht durch die Vorschriften dieses Gesetzes ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, von der Regierung, in den höheren Instanzen von dem Oberpräsidenten und dem Minister des Innern ausgeübt. Beschwerden über Entscheidungen in Gemeinde-Angelegenheiten müssen in allen Instanzen innerhalb einer Präklusivfrist von vier Wochen nach der Zustellung oder Bekanntmachung der Entscheidung eingelegt werden, insofern nicht die Einlegung des Rekurses durch dieses Gesetz an eine andere Frist geknüpft ist (§ 20).

§ 77. Wenn die Stadtverordneten einen Beschluß gefaßt hat, welcher deren Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist, oder das Staatswohl verletzt, so ist die Aufsichtsbehörde ebenso befugt als verpflichtet, den Vorstand der Stadtgemeinde zur vorläufigen Beanstandung der Ausführung zu veranlassen. Dieser hat hiervon die Stadtverordneten zu benachrichtigen und über den Gegenstand des Beschlusses sofort an die Regierung zu berichten. Die Regierung hat sodann ihre Entscheidung unter Anführung der Gründe zu geben.

§ 78. Wenn die Stadtverordneten es unterlassen oder verweigern, die der Gemeinde gesetzlich obliegenden Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so läßt die Regierung, unter Anführung des Gesetzes, die Eintragung in den Etat von Amtswegen bewirken oder stellt beziehungsweise die außerordentliche Ausgabe fest.

§ 79. Durch Königliche Verordnung auf den Antrag des Staatsministeriums kann eine Stadtverordneten-Versammlung aufgelöst werden.

Es ist sodann eine Neuwahl derselben anzuordnen und muß diese binnen sechs Monaten vom Tage der Auflösungs-Verordnung an erfolgen. Bis zur Einführung der neugewählten Stadtverordneten sind deren Verrichtungen durch besondere von dem Minister des Innern zu bestellende Kommissarien zu besorgen.

§ 80. In Betreff der Dienstvergehen der Bürgermeister, Mitglieder des Vorstandes und sonstigen Gemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen Gesetze zur Anwendung.

Titel XI.
Ausführungs- und Übergangsbestimmungen.

§ 81. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen vorübergehenden Bestimmungen werden von dem Minister des Innern getroffen.

§ 82. In Städten, wo die Einführung der Gemeinde-Ordnung vom 11. März 1850 bereits beendigt ist, tritt die gegenwärtige Städte-Ordnung sogleich nach ihrer Verkündigung in Kraft und an die Stelle jener Gemeinde-Ordnung; die auf Grund der letzteren gewählten Bürgermeister, Beigeordneten, Schöffen und alle anderen besoldeten und unbesoldeten Gemeindebeamten, sowie die Mitglieder des Gemeinderaths, diese als Stadtverordnete, verbleiben jedoch in ihren Stellen bis zum Ablaufe der Periode, für welche sie gewählt worden sind, und behalten, soweit sie eine besoldete Stelle bekleiden, ihre bisherigen Besoldungen und Pensionsansprüche.

§ 83. In Städten, wo die Einführung der Gemeinde-Ordnung vom 11. März 1850 bis zur Einsetzung des Gemeinderaths gediehen ist, bleiben die Mitglieder desselben in ihren Stellen als Stadtverordnete bis zum Ablaufe der Periode, für welche sie gewählt worden sind; im Übrigen ist sowohl dort, als in allen anderen Städten, für welche diese Städteordnung noch gegeben ist (§ 1), nach den Vorschriften derselben mit der Einführung der städtischen Verfassung und Verwaltung zu verfahren.

§ 84. Die seitherigen nicht gewählten und nicht ausdrücklich auf Kündigung angestellten Oberbürgermeister und Bürgermeister, welche bei Einführung der gegenwärtigen Städte-Ordnung weder in ihren Ämtern und Einkünften belassen, noch anderweitig mit gleichem Einkommen angestellt werden, haben, sofern nicht für diesen Fall bereits früher eine andere verbindliche Bestimmung getroffen worden ist, einen Anspruch auf Pension.

Diejenigen Beamten, welche auf Kündigung angestellt sind, von welcher jedoch observanzmäßig niemals oder doch nur aus besonderen Gründen Gebrauch gemacht worden ist, sind den lebenslänglich angestellten Beamten gleichzusetzen, wenn nicht einer der Gründe eintritt, aus welchen die Kündigung vorbehalten ist. Blos vorläufig und kommissarisch ohne Zeitbestimmung angestellten Beamten steht dieser Anspruch erst nach sechsjähriger Dienstzeit zu. Wenn ein solcher Beamter demnächst von der Stadt für dieselbe Stelle auf Zeit gewählt worden ist, so wird seine Dienstzeit, Behufs der Feststellung seiner Pensionsberechtigung, von der Zeit des Eintritts in die kommissarische Dienstleistung gerechnet.

Die Pension beträgt nach kürzerer als zwölfjähriger Dienstzeit 1/4, nach zwölf- oder mehr als zwölfjähriger Dienstzeit 1/2, nach vierundzwanzigjähriger Dienstzeit 2/3 des seitherigen reinen Diensteinkommens. Was als solches anzusehen, wird im Verwaltungswege endgültig festgesetzt. Die Pension fällt insoweit fort oder ruht, als der Pensionirte durch anderweitige Anstellung im Staats- oder Gemeindedienst ein Einkommen oder eine neue Pension erwirbt, welche mit Zurechnung der ersten Pension sein früheres Einkommen übersteigen. Die Pensionen werden von den Stadtgemeinden, in welchen die Beamten gegenwärtig angestellt sind, geleistet.

Alle vorstehend nicht bezeichneten Gemeindebeamten sind in ihren Ämtern und Einkünften zu belassen und behalten ihre bisherigen Pensionsansprüche.

§ 83. Der Zeitpunkt, mit welchen in den einzelnen im § 83 erwähnten Städten die Einführung gegenwärtiger Städte-Ordnung beendigt sein wird, ist durch das Amtsblatt des Regierungsbezirks zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Von diesem Zeitpunkte an treten für die betreffenden Städte die bisherigen Gesetze und Verordnungen über die Verfassung der Stadtgemeinden außer Kraft.

    Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel

    Gegeben Charlottenburg, den 30. Mai 1853

Friedrich Wilhelm.

v. Manteuffel.        v. d. Heydt.        Simons.        v. Raumer.        v. Westphalen
v. Bodelschwingh.        v. Bonin.
 

Vorstehende Städteordnung hatte die Gemeindeordnung von 1850 als Vorbild; viele Textstellen stammen aus dieser. Allerdings merkt man der Städteordnung die weit vorangeschrittene Reaktion in Preußen an, da diese weiter in hochkonservativem Sinne (gegenüber der Gemeindeordnung von 1850) verändert wurde.

Durch Gesetz betreffend die Verfassung der Städte in Neuvorpommern und Rügen vom 31. Mai 1853 wurde, entgegen vorstehenden Bestimmungen für den Regierungsbezirk Stralsund ein Sonderrecht hinsichtlich der Städte-Ordnungen für die Städte des Regierungsbezirks geschaffen, das bis 1935 in Wirksamkeit blieb. Danach blieb das schwedische Gemeindeverfassungsrecht gemäß Patent vom 18. Februar 1811 in den Städten des Regierungsbezirks Stralsund Grundlage der Stadtgemeindeverfassungen im ehemaligen Schwedisch-Pommern.

 


Quellen: Gesetzsammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, Jahrgang 1853, S. 261
© 23. Juni  2011 - 8. Juli 2011
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