Verordnung betreffend die Ausführung der Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer

vom 30. Mai 1849

geändert / ergänzt durch
Interimistisches Wahlgesetz für die Wahlen zur Zweiten Kammer in den Fürstenthümern Hohenzollern vom 30. April 1851 (GS. S. 216)
Gesetz, die Feststellung der Wahlbezirke für das Haus der Abgeordneten betreffend, vom 27. Juni 1860 (GS. S. 357)
Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 (GS S. 175)
Gesetz, betreffend Änderung des Wahlverfahrens, vom 24. Juni 1891 (GS. S. 231)
Gesetz, betreffend Änderung des Wahlverfahrens vom 29. Juni 1893 (GS. S. 103)
Gesetz, betr. die Änderung der Grenzen des Stadtkreises Posen, des Kreises Posen (Ost und des Kreises Schroda, und die anderweitige Bestimmung des Wahlorts für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten im zweiten Wahlbezirke des Regierungsbezirks Posen vom 31. März 1900 (GS S. 94)
Gesetz, betreffend Vermehrung der Mitglieder des Hauses der Abgeordneten und Änderung der Landtagswahlbezirke und Wahlorte vom 28. Juni 1906 (GS. S. 313)
Gesetz, betreffend Abänderung der Vorschriften über das Verfahren bei den Wahlen zum Hause der Abgeordneten vom 28. Juni 1906 (GS S. 318)

aufgehoben durch
Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden preußischen Landesversammlung vom 21. Dezember 1918 (GS. S. 201)
 

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ec. ec.

verordnen in Ausführung der Artikel 67 bis 74 und auf Grund des Artikels 105 der Verfassungsurkunde, auf den Antrag Unseres Staatsministeriums, daß statt des Wahlgesetzes für die Abgeordneten der zweiten Kammer vom 6. Dezember 1848 die nachfolgenden näheren Bestimmungen zur Anwendung zu bringen sind:

§ 1. Die Abgeordneten der zweiten Kammer werden von Wahlmännern in Wahlbezirken, die Wahlmänner von den Urwählern in Urwahlbezirken gewählt.

§ 2. Die Zahl der in jedem Regierungsbezirke zu wählenden Abgeordneten weist das anliegende Verzeichniß nach.

Durch Gesetz vom 30. April 1851 wurde zu den §§ 2 und 3 bestimmt:
"§ 2. 1) Zu Art. 2 und 3 der Verordnung vom 30. Mai 1849: Die Fürstenthümer Hohenzollern werden nach Maaßgabe der Bevölkerung in zwei Wahlbezirke getheilt, in deren jedem ein Abgeordneter für die Zweite Kammer zu wählen ist."

Durch § 4 des Gesetzes vom 27. Juni 1860 wurde der § 2 aufgehoben; deren § 1 hatte folgende Fassung:
"§ 1. Die Wahlbezirke, die Wahlorte und die Zahl der in jedem Bezirke zu wählenden Abgeordneten für das Haus der Abgeordneten werden nach Inhalt des anliegenden Verzeichnisses hierdurch festgestellt."

§ 3. Die Bildung der Wahlbezirke ist nach Maßgabe der durch die letzten allgemeinen Zählungen ermittelten Bevölkerung von den Regierungen dergestalt zu bewirken, daß von jedem Wahlkörper mindestens zwei Abgeordnete zu wählen sind. Kreise, die zu verschiedenen Regierungsbezirken gehören, können ausnahmsweise durch den Ober-Präsidenten zu einem Wahlbezirke vereinigt werden, wenn es nach der Lage und den sonstigen Verhältnissen der ersteren nöthig erscheint.

Durch Gesetz vom 30. April 1851 wurde zu den §§ 2 und 3 bestimmt:
"§ 2. 1) Zu Art. 2 und 3 der Verordnung vom 30. Mai 1849: Die Fürstenthümer Hohenzollern werden nach Maaßgabe der Bevölkerung in zwei Wahlbezirke getheilt, in deren jedem ein Abgeordneter für die Zweite Kammer zu wählen ist."

Durch § 4 des Gesetzes vom 27. Juni 1860 wurde der § 3 aufgehoben; deren §§ 2 und 3  hatte folgende Fassung:
"§ 2. In denjenigen Wahlbezirken, bei welchen laut des anliegenden Verzeichnisses zwei Wahlorte benannt sind, findet die zunächst eintretende Wahl in dem zuerst genannten, die demnächst folgende Wahl in dem zweitgenannten Orte und so fortgesetzt in derselben Reihenfolge abwechselnd in dem einen und dem anderen Orte statt. In dem Wahlbezirke Schleusingen-Ziegenrück (Nr. 5, Regierungsbezirk Erfurt) wird jedoch zweimal hintereinander im Wahlorte Schleusingen und sodann erst zum dritten Male in Ranis gewählt.
§ 3. Eine Abweichung von der laut § 2 vorgeschriebenen Regel im Wechsel der Wahlorte oder die Bestimmung eines anderen als des in dem anliegenden Verzeichnisse genannten Wahlortes steht dem Minister des Innern, jedoch stets nur für die einzelne, zunächst bevorstehende Wahlhandlung, auch nur in dem Falle zu, wenn die Abhaltung der Wahl an dem im Verzeichniß bestimmten Orte des betreffenden Wahlbezirkes durch ansteckende Krankheiten, Unterbrechung der Verbindung mit dem Wahlorte oder durch andere unabwendbare Zufälle unausführbar wird.
Der vom Minister des Innern zu bezeichnende andere Wahlort darf niemals außerhalb des Wahlbezirkes bestimmt werden."

§ 4. Auf jede Vollzahl von 250 Seelen ist ein Wahlmann zu wählen.

§ 5. Gemeinden von weniger als 750 Seelen, so wie nicht zu einer Gemeinde gehörende bewohnte Besitzungen, werden von dem Landrathe mit einer oder mehreren benachbarten Gemeinden zu einem Urwahlbezirke vereinigt.

Durch Gesetz vom 30. April 1851 wurde zum § 5 bestimmt:
"§ 2. 2) Zu Art. 5 ebendaselbst:
Gemeinden von weniger als 750 Seelen, sowie nicht zu einer Gemeinde gehörende bewohnte Besitzungen, welchen mit einer oder mehreren möglichst nahe gelegenen Gemeinden zu einem Urwahlbezirke vereinigt.
In Urwahlbezirken, welche aus mehreren Gemeinden bestehen, kann je nach der Örtlichkeit und dem Bedürfnisse von einer Wahlversammlung für den ganzen Bezirk abgesehen und können Wahlversammlungen für einen Theil desselben oder für jede einzelne Gemeinde angesetzt werden."

§ 6. Gemeinden von 1 750 oder mehr als 1 750 Seelen werden von der Gemeinde-Verwaltungsbehörde in mehrere Urwahlbezirke getheilt. Diese sind so einzurichten, daß höchstens 6 Wahlmänner darin zu wählen sind.

§ 7. Die Urwahlbezirke müssen, so weit es thunlich ist, so gebildet werden, daß die Zahl der in einem jeden derselben zu wählenden Wahlmänner durch drei theilbar ist.

§ 8. Jeder selbstständige Preuße, welcher das 24ste Lebensjahr vollendet, und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, sofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armenunterstützung erhält.

§ 9. Die Militairpersonen des stehenden Heeres und die Stamm-Mannschaften der Landwehr wählen an ihrem Standorte, ohne Rücksicht darauf, wie lange sie sich an demselben vor der Wahl aufgehalten haben. Sie bilden, wenn sie in der Zahl von 750 Mann oder darüber, zusammenstehen, einen oder mehrere besondere Wahlbezirke. Landwehrpflichtige, welche zur Zeit der Wahlen zum Dienste einberufen sind, wählen an dem Orte ihres Aufenthaltes für ihren Heimathsbezirk.

§ 10. Die Urwähler werden nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staatssteuern (Klassensteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer) in drei Abtheilungen getheilt, und zwar in der Art, daß auf jede Abtheilung ein Drittheil der Gesammtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler fällt.

Diese Gesammtsumme wird berechnet:
a) gemeindeweise, falls die Gemeinde einen Urwahlbezirk für sich bildet, oder in mehrere Urwahlbezirke getheilt ist (§ 6);
b) bezirksweise, falls der Urwahlbezirk aus mehreren Gemeinden zusammengesetzt ist (§ 5).

Durch Gesetz vom 30. April 1851 wurde zum § 10 bestimmt:
"§ 2. 3) Zu Art. 10 ebendaselbst: Die direkten Staatssteuern, nach Maaßgabe deren die Abtheilungen der Urwähler gebildet werden, sind im Fürstenthume Hohenzollern-Hechingen die Kapitalien-, Grund-, Gebäude-, Besoldungs- und Patent-Steuer; im Fürstenthume Hohenzollern-Sigmaringen die Grund-, Gefälle-, Gebäude-, Gewerbe-, Kapitalien- und Dienstertrags-Steuer."

Durch Gesetz, betreffend Änderung des Wahlverfahrens vom 29. Juni 1893 wurde als Zusatz zur Bildung der Urwählerabteilungen bestimmt:
"§ 1. Für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten werden die Urwähler nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staats-, Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzialsteuern in drei Abtheilungen getheilt, und zwar in der Art, daß auf jede Abtheilung ein Drittheil der Gesammtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler fällt.
Für jede nicht zur Staatseinkommensteuer veranlagte Person ist an Stelle dieser Steuer ein Betrag von drei Mark zum Ansatz zu bringen."

§ 11. Wo keine Klassensteuer erhoben wird, tritt für dieselbe zunächst die etwa in Gemäßheit der Verordnung vom 4. April 1848, anstatt der indirekten, eingeführte direkte Staatssteuer ein.

Wo weder Klassensteuer, noch klassifizirte Steuer auf Grund der Verordnung vom 4. April 1848 erhoben wird, tritt an Stelle der Klassensteuer die in der Gemeinde zur Hebung kommende, direkte Kommunalsteuer.

Wo auch eine solche ausnahmsweise nicht besteht, muß von der Gemeindeverwaltung nach den Grundsätzen der Klassensteuer-Veranlagung eine ungefähre Einschätzung bewirkt und der Betrag ausgeworfen werden, welchen jeder Urwähler danach als Klassensteuer zu zahlen haben würde.

Wird die Gewerbesteuer von einer Handelsgesellschaft entrichtet, so ist die Steuer, behufs Bestimmung, in welche Abtheilung die Gesellschafter gehören, zu gleichen Theilen auf dieselben zu repartiren.

Durch das Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 wurde die Klassensteuer und die klassifizierte Einkommensteuer nach § 11 ersetzt durch die Einkommensteuer.

Durch Gesetz, betreffend Änderung des Wahlverfahrens vom 24. Juni 1891 wurde als Zusatz zur Bildung der Urwählerabteilungen bestimmt:
"§ 2. Behufs Bildung der Urwählerabtheilungen für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten ... , wo auf die Wahlberechtigungen ... die Summe der veranlagten Beträge der Klassen- und klassifizirten Einkommensteuer einwirkt, ist für jede nicht veranlagte Person ein Steuerbetrag von 3 Mark an Stelle der bisherigen Klassensteuer zum Ansatz zu bringen."

Durch Gesetz, betreffend Änderung des Wahlverfahrens vom 29. Juni 1893 wurde als Zusatz zur Bildung der Urwählerabteilungen bestimmt:
"§ 3. Wo direkte Gemeindesteuern nicht erhoben werden, treten an deren Stelle die vom Staate veranlagte Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer."

§ 12. Die erste Abtheilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die höchsten Steuerbeträge bis zum Belaufe eines Drittheils der Gesammtsteuer (§ 10) fallen.

Die zweite Abtheilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die nächst niedrigeren Steuerbeträge bis zur Gränze des zweiten Drittheils fallen.

Die dritte Abtheilung besteht aus den am niedrigsten besteuerten Urwählern, auf welche das dritte Drittheil fällt. In diese Abtheilung gehören auch diejenigen Urwähler, welche keine Steuer zahlen.

Durch Gesetz, betreffend Änderung des Wahlverfahrens vom 29. Juni 1893 wurde als Zusatz zur Bildung der Urwählerabteilungen bestimmt:
"§ 2. Urwähler, welche zu eienr Staatssteuer nicht veranlagt sind, wählen in der dritten Abtheilung.
Verringert sich in Folge dessen die auf die erste und zweite Abtheilung entfallende Gesammtsteuersumme, so findet die Bildung dieser Abtheilungen in der Art statt, daß von der übrig bleibenden Summe auf die erste und zweite Abtheilung je die Hälfte entfällt."

§ 13. So lange der Grundsatz wegen Aufhebung der Abgabenbefreiung in Bezug auf die Klassensteuer und direkte Kommunalsteuer noch nicht durchgeführt ist, sind die zur Zeit noch befreiten Urwähler in diejenige Abtheilung aufzunehmen, welcher sie angehören würden, wenn die Befreiungen bereits aufgehoben wären.

§ 14. Jede Abtheilung wählt ein Drittheil der zu wählenden Wahlmänner.

Ist die Zahl der in einem Urwahlbezirke zu wählenden Wahlmänner nicht durch 3 theilbar, so ist, wenn nur 1 Wahlmann übrig bleibt, dieser von der zweiten Abtheilung zu wählen. Bleiben 2 Wahlmänner übrig, so wählt die erste Abtheilung den einen und die dritte Abtheilung den anderen.

§ 15. In jeder Gemeinde ist sofort ein Verzeichniß der stimmberechtigten Urwähler (Urwählerliste) aufzustellen, in welchem bei jedem einzelnen Namen der Steuerbetrag angegeben wird, den der Urwähler in der Gemeinde oder in dem, aus mehreren Gemeinden zusammengesetzten Urwahlbezirk zu entrichten hat. Dies Verzeichniß ist öffentlich auszulegen, und daß dieses geschehen, in ortsüblicher Weise bekannt zu machen.

Wer die Aufstellung für unrichtig oder unvollständig hält, kann dies innerhalb dreier Tage nach der Bekanntmachung bei der Ortsbehörde oder dem von derselben dazu ernannten Kommissar oder der dazu niedergesetzten Kommission schriftlich anzeigen oder zu Protokoll geben.

Die Entscheidung darüber steht in den Städten der Gemeinde-Verwaltungsbehörde, auf dem Lande dem Landrathe zu.

In Gemeinden, die in mehrere Urwahlbezirke getheilt sind, erfolgt die Aufstellung der Urwählerlisten nach den einzelnen Bezirken.

Durch Gesetz, betreffend Änderung des Wahlverfahrens vom 29. Juni 1893 wurde als Zusatz zur Bildung der Urwählerabteilungen bestimmt:
"§ 4. Auch in Gemeinden, welche in mehrere Urwahlbezirke getheilt sind, wird für jeden Urwahlbezirk eine besondere Abtheilungsliste gebildet."

§ 16. Die Abtheilungen (§ 12) werden Seitens derselben Behörden festgestellt, welche die Urwahlbezirke abgrenzen (§ 5, 6).

Eben diese Behörden haben für jeden Urwahlbezirk das Lokal, in welchem die auf den Bezirk bezügliche Abtheilungsliste öffentlich auszulegen, und die Wahl der Wahlmänner abzuhalten ist, zu bestimmen und den Wahlvorsteher, der die Wahl zu leiten hat, so wie einen Stellvertreter desselben für Verhinderungsfälle zu ernennen.

In Bezug auf die Berichtigung der Abtheilungslisten kommen die Vorschriften des § 15 gleichmäßig zur Anwendung.

§ 17. Der Tag der Wahl ist von dem Minister des Innern festzusetzen.

§ 18. Die Wahlmänner werden in jeder Abtheilung aus der Zahl der stimmberechtigten Urwähler des Urwahlbezirks ohne Rücksicht auf die Abtheilung gewählt.

Mit Ausnahme des Falles der Auflösung der Kammer, sind die Wahlen der Wahlmänner für die ganze Legislaturperiode dergestalt gültig, daß bei einer erforderlich werdenden Ersatzwahl eines Abgeordneten nur an Stelle der inzwischen durch Tod, Wegziehen aus dem Urwahlbezirk, oder auf sonstige Weise ausgeschiedenen Wahlmänner neue zu wählen sind.

§ 19. Die Urwähler sind zur Wahl durch ortsübliche Bekanntmachung zu berufen.

Durch § 3 des Gesetzes vom 28. Juni 1906 wurde zum § 19 bestimmt:
"§ 3. In Gemeinden, deren Zivilbevölkerung nach der letzten Volkszählung mindestens 50 000 beträgt, findet die Abstimmung bei der Wahl der Wahlmänner in einer nach Anfangs- und Endtermin festzusetzenden Abstimmungsfrist (Fristwahl) an Stelle der Abstimmung in gemeinschaftlicher Versammlung der Urwähler zu bestimmender Stunde (Terminswahl) statt. Abteilungen, die 500 oder mehr Wähler zählen, können in Abstimmungsgruppen geteilt werden (§§ 19, 21 der Verordnung).
Auf den Antrag des Gemeindevorstandes kann der Minister des Innern anordnen, daß bei der Wahl der Wahlmänner die Abstimmung auch in Gemeinden mit 50 000 oder mehr Einwohnern in der Form der Terminswahl oder in Gemeinden mit geringerer Einwohnerzahl in der Form der Fristwahl vorzunehmen ist."

§ 20. Der Wahlvorsteher ernennt aus der Zahl der Urwähler des Wahlbezirks einen Protokollführer, so wie 3 bis 6 Beisitzer, welche mit ihm den Wahlvorstand bilden, und verpflichtet sie mittelst Handschlags an Eidesstatt.

§ 21. Die Wahlen erfolgen abtheilungsweise durch Stimmgebung zu Protokoll, nach absoluter Mehrheit und nach den Vorschriften des Reglements (§ 32).

Durch die §§ 2 und 3 des Gesetzes vom 28. Juni 1906 wurde zum § 21 bestimmt:
"§ 2. Haben bei der ersten Abstimmung nur zwei Personen oder, wenn von einer Wählerabteilung bei der Urwahl zwei Wahlmänner zu wählen sind, nur vier Personen, und zwar gleich viel Stimmen erhalten, so entscheidet das Los darüber, wer gewählt ist (§§ 21, 23, § 30 Abs. 3, 4 der Verordnung).
§ 3. In Gemeinden, deren Zivilbevölkerung nach der letzten Volkszählung mindestens 50 000 beträgt, findet die Abstimmung bei der Wahl der Wahlmänner in einer nach Anfangs- und Endtermin festzusetzenden Abstimmungsfrist (Fristwahl) an Stelle der Abstimmung in gemeinschaftlicher Versammlung der Urwähler zu bestimmender Stunde (Terminswahl) statt. Abteilungen, die 500 oder mehr Wähler zählen, können in Abstimmungsgruppen geteilt werden (§§ 19, 21 der Verordnung).
Auf den Antrag des Gemeindevorstandes kann der Minister des Innern anordnen, daß bei der Wahl der Wahlmänner die Abstimmung auch in Gemeinden mit 50 000 oder mehr Einwohnern in der Form der Terminswahl oder in Gemeinden mit geringerer Einwohnerzahl in der Form der Fristwahl vorzunehmen ist."

§ 22. In der Wahlversammlung dürfen weder Diskussionen stattfinden, noch Beschlüsse gefaßt werden.

Wahlstimmen, unter Protest oder Vorbehalt abgegeben, sind ungültig.

§ 23. Ergiebt sich bei der ersten Abstimmung keine absolute Stimmenmehrheit, so findet die engere Wahl statt.

Durch § 2 des Gesetzes vom 28. Juni 1906 wurde zum § 23 bestimmt:
"§ 2. Haben bei der ersten Abstimmung nur zwei Personen oder, wenn von einer Wählerabteilung bei der Urwahl zwei Wahlmänner zu wählen sind, nur vier Personen, und zwar gleich viel Stimmen erhalten, so entscheidet das Los darüber, wer gewählt ist (§§ 21, 23, § 30 Abs. 3, 4 der Verordnung)."

§ 24. Der gewählte Wahlmann muß sich über die Annahme der Wahl erklären. Eine Annahme unter Protest oder Vorbehalt gilt als Ablehnung, und zieht eine Ersatzwahl nach sich.

§ 25. Das Protokoll wird von dem Wahlvorstande (§ 20) unterzeichnet und sofort dem Wahlkommissar (§ 26) für die Wahl der Abgeordneten eingereicht.

§ 26. Die Regierung (Der Regierungspräsident) ernennt den Wahlkommissar für jeden Wahlbezirk zur Wahl der Abgeordneten und bestimmt den Wahlort.

Durch § 4 des Gesetzes vom 27. Juni 1860 wurden die Worte „und bestimmt den Wahlort“ faktisch aufgehoben.

§ 27. Der Wahlkommissar beruft die Wahlmänner mittelst schriftlicher Einladung zur Wahl der Abgeordneten. Er hat die Verhandlungen über die Urwahlen nach den Vorschriften dieser Verordnung zu prüfen, und wenn er einzelne Wahlakte für ungültig erachten sollte, der Versammlung der Wahlmänner seine Bedenken zur endgültigen Entscheidung vorzutragen. Nach Ausschließung derjenigen Wahlmänner, deren Wahl für ungültig erkannt ist, schreitet die Versammlung sofort zu dem eigentlichen Wahlgeschäfte.

Außer der vorgedachten Erörterung und Entscheidung über die etwa gegen einzelne Wahlakte erhobenen Bedenken dürfen in der Versammlung keine Diskussionen Statt finden, noch Beschlüsse gefaßt werden.

Durch § 4 des Gesetzes vom 28. Juni 1906 wurde zum § 27 bestimmt:
"§ 4. Der Minister des Innern kann anordnen, daß in Wahlbezirken, in welchen die Zahl der Wahlmänner 500 oder mehr beträgt, die Wahl der Abgeordneten in Gruppen der Wahlmänner vorzunehmen ist, und dabei die Orte innerhalb des Wahlbezirkes bestimmen, an denen örtlich getrennte Gruppen der Wahlmänner zu versammeln sind. An Stelle dieser Abstimmungen kann unter gleicher Voraussetzung von dem Minister auch angeordnet werden, daß in dem Wahlbezirke die Abstimmung bei der Wahl der Abgeordneten in der Form der Fristwahl stattfindet (§§ 27, 30 der Verordnung).
Über die Gültigkeit der Wahlmännerwahlen, welche der Wahlkommissarius für ungültig erachtet hat, und über die Ausschließung der Wahlmänner, deren Wahl für ungültig erkannt wird (§ 27 Abs. 1 der Verordnung), entscheidet, wo Gruppen der Wahlmänner gebildet sind, die Gruppe, zu welcher der Wahlmann gehört, dessen Wahl beanstandet ist, wo Fristwahl stattfindet, der Wahlvorstand mit Stimmenmehrheit. Bei stimmengleichheit ist der Wahl mann zur Wahl der Abgeordneten zuzulassen."

§ 28. Der Tag der Wahl der Abgeordneten ist von dem Minister des Innern festzusetzen.

§ 29. Zum Abgeordneten ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte, in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses, nicht verloren hat, und bereits ein Jahr lang dem preußischen Staatsverbande angehört.

Durch Gesetz vom 30. April 1851 wurde zum § 29 bestimmt:
"§ 2. 4) Zu Art. 29 der Verordnung vom 30. Mai 1849: Die Zeit, während welcher Jemand dem früheren Staatsverbande eines der beiden Hohenzollernschen Fürstenthümer angehört hat, wird bei dem im § 29 der Verordnung vom 30. Mai 1849 bezeichneten einjährigen Zeitraume in Anrechnung gebracht."

§ 30. Die Wahlen der Abgeordneten erfolgen durch Stimmgebung zu Protokoll.

Der Protokollführer und die Beisitzer werden von den Wahlmännern auf den Vorschlag des Wahlkommissarius gewählt und bilden mit diesem den Wahlvorstand.

Die Wahlen erfolgen nach absoluter Stimmenmehrheit. Wahlstimmen unter Protest oder Vorbehalt abgegeben, sind ungültig.

Ergiebt sich bei der ersten Abstimmung keine absolute Mehrheit, so wird zu einer engeren Wahl geschritten.

Durch die §§ 1, 2 und 4 des Gesetzes vom 28. Juni 1906 wurde zum § 30 Abs. 2, 3 und 4 bestimmt:
"§ 1. Der Protokollführer und die Beisitzer für den Wahlvorstand bei der Wahl der Abgeordneten (§ 30 Abs. 2 der Verordnung) werden durch den Wahlkommissarius aus der Mitte der Wahlmänner ernannt.
§ 2. Haben bei der ersten Abstimmung nur zwei Personen oder, wenn von einer Wählerabteilung bei der Urwahl zwei Wahlmänner zu wählen sind, nur vier Personen, und zwar gleich viel Stimmen erhalten, so entscheidet das Los darüber, wer gewählt ist (§§ 21, 23, § 30 Abs. 3, 4 der Verordnung).
...
§ 4. Der Minister des Innern kann anordnen, daß in Wahlbezirken, in welchen die Zahl der Wahlmänner 500 oder mehr beträgt, die Wahl der Abgeordneten in Gruppen der Wahlmänner vorzunehmen ist, und dabei die Orte innerhalb des Wahlbezirkes bestimmen, an denen örtlich getrennte Gruppen der Wahlmänner zu versammeln sind. An Stelle dieser Abstimmungen kann unter gleicher Voraussetzung von dem Minister auch angeordnet werden, daß in dem Wahlbezirke die Abstimmung bei der Wahl der Abgeordneten in der Form der Fristwahl stattfindet (§§ 27, 30 der Verordnung)."

§ 31. Der gewählte Abgeordnete muß sich über die Annahme oder Ablehnung der auf ihn gefallenen Wahl gegen den Wahlkommissarius erklären. Eine Annahme-Erklärung unter Protest oder Vorbehalt gilt als Ablehnung und hat eine neue Wahl zur Folge.

Durch Gesetz vom 28. Juni 1906 wurde an dieser Stelle folgender Paragraf eingefügt:
"§ 31a. Die Urwähler sind verpflichtet, das Ehrenamt des Wahlvorstehers, des Protokollführers oder eines Beisitzers im Wahlvorstande bei der Wahl der Wahlmänner, die Wahlmänner sind verpflichtet, das Ehrenamt des Protokollführers oder eines Beisitzers im Wahlvorstande bei der Wahl der Abgeordneten zu übernehmen.
Zur Ablehnung ist berechtigt, wer das 65. Lebensjahr überschritten hat oder durch Krankheit, Abwesenheit in dringenden Privatgeschäften, durch Dienstgeschäfte eines öffentlichen Amtes oder durch sonstige besondere Verhältnisse, welche nach billigem Ermessen eine genügende Entschuldigung begründen, an der Wahrnehmung der Obliegenheiten der im Abs. 1 bezeichneten Ehrenämter verhindert ist.
Wer die Übernahme dieser Obliegenheiten ohne zulässigen Grund ablehnt oder sich ihrer Wahrnehmung ohne ausreichende Entschuldigung entzieht, kann mit einer Ordnungsstrafe bis zu 300 Mark belegt werden.
Wird nachträglich eine genügende Entschuldigung geltend gemacht,  so kann die verhängte Strafe ganz oder teilweise zurückgenommen werden.
Die Festsetzung und die Zurücknahme der Strafe steht in Landkreisen dem Landrat, in Stadtkreisen dem Bürgermeister zu. Gegen seine Verfügung ist binnen zwei Wochen nach der Zustellung Beschwerde an den Regierungspräsidenten und gegen dessen Bescheid binnen gleicher Frist Beschwerde an den Oberpräsidenten zulässig, welcher endgültig entscheidet."

§ 32. Die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen näheren Bestimmungen hat Unser Staatsministerium in einem zu erlassenden Reglement zu treffen.

    Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

    Gegeben Sanssouci, den 30. Mai 1849.

Friedrich Wilhelm.

Graf v. Brandenburg.        v. Ladenberg.        v. Manteuffel.        v. Strotha.       
v. d. Heydt.        v. Rabe.        Simons.
 

 

Verzeichniß
der in den einzelnen Regierungsbezirken zu wählenden Anzahl von Abgeordneten zur zweiten Kammer

Regierungsbezirk            Anzahl der Abgeordneten
                                         zur zweiten Kammer

Königsberg                                               18
Gumbinnen                                                14
Danzig                                                        9
Marienwerder                                           13
Posen                                                       20
Bromberg                                                 10
Stadt Berlin                                                 9
Potsdam                                                   18
Frankfurt                                                  18
Stettin                                                       12
Köslin                                                         9
Stralsund                                                    4
Breslau                                                     25
Oppeln                                                     21
Liegnitz                                                    20
Magdeburg                                              15
Merseburg                                               16
Erfurt                                                        7
Münster                                                    9
Minden                                                   10
Arnsberg                                                 12
Köln                                                        11
Düsseldorf                                               19
Koblenz                                                  11
Trier                                                       11
Aachen                                                     9
                                                        = 350

Durch das Gesetz vom 27. Juni 1860 wurde das vorstehende Verzeichniß ersetzt durch ein neues Verzeichnis als Anhang zum Gesetz vom 27. Juni 1860.

Durch Gesetz vom 31. März 1900 wurde das Verzeichnung als Anhang zum Gesetz vom 27. Juni 1860 wie folgt geändert:
Unter "V. Provinz Posen. / Regierungsbezirk Posen" traten folgende Änderungen ein:
- in der 3. Spalte unter der laufenden Nr. 2 wurde der Wahlort "Murowanna-Goslin" ersetzt durch: "Stadt Posen".

Durch Gesetz vom 28. Juni 1906 wurde das Verzeichnung im Anhang zum Gesetz vom 27. Juni 1860 wie folgt geändert:
"§ 2. Die Änderungen der Wahlbezirke der Wahlorte und der Zahl der in jedem Bezirke zu wählenden Abgeordneten, welche aus Anlaß dieser Vermehrung der Mitglieder des Hauses der Abgeordneten (§ 1) eintreten, werden nach Inhalt des anliegenden Verzeichnisses A hierdurch festgestellt.
§ 3. In den Wahlbezirken, die in dem anliegenden Verzeichnisse B aufgeführt sind, werden die Wahlorte nach Inhalt dieses Verzeichnisses hierdurch anderweitig bestimmt.
§ 4. Die Garnison von Mainz wird in Ansehung der Wahlen zum Hause der Abgeordneten von dem dritten Wahlbezirke des Regierungsbezirkes Coblenz (anlage zu dem Gesetze vom 27. Juni 1860, Gesetz-Samml. S. 357, unter VIII) abgetrennt und dem neunten Wahlbezirke des Regierungsbezirkes Wiesbaden (Anlage B zu § 1 Abs. 2 der Kreisordnung für die Provinz Hessen-Nassau vom 7. Juni 1885, Gesetz-Samml. S. 193, unter II 9) zugewiesen."

Die vorgesehenen Ausführungsbestimmungen waren zuletzt enthalten in dem Reglement des Staatsministeriums vom 14. März 1903 (MinBl. f. d. innere Verwaltung, 1903, S. 146 ff.), geändert und neugefaßt am 30. November 1906 (MinBl. f. d. innere Verwaltung, 1907, S. 1 ff.)

Die Bestimmungen der § 4, 10 und 12 der Wahl-Notverordnung vom 30. Mai 1849 fanden Aufnahme im Art. 71 der revidierten Verfassung. Auch die übrigen Teile der Wahl-Notverordnung blieben bis zum November 1918 in Kraft. Änderungen der Verordnung finden sich in dem Gesetz vom 27. Juni 1860 (GS. 357), in dem Gesetz vom 29. Juni 1893 (GS. 103), das für jeden Nichtbesteuerten fiktiv 3 Mark als Steuerleistung einzusetzen vorschrieb, wodurch eine große Zahl von Wählern in die höheren Klassen aufstieg, und in den beiden Gesetzen vom 28. Juni 1906 (GS. 313, 318), durch die eine große Zahl von Wahlbezirken geteilt, die Zahl der Abgeordneten auf 443 erhöht und eine Reihe von Verfahrensvorschriften geändert wurden.
 


Quellen: Preußische Gesetzsammlung 1849, S. 205ff.
Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Band 1, Verlag Kohlhammer
© 19. Februar 2001 - 7. März 2015
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