Allgemeines Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände

vom 5. Juni 1823

aufgehoben durch
Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung für den Preußischen Staat vom 11. März 1850 (GS. S. 251)

wieder in Kraft gesetzt durch
Gesetz vom 24. Mai 1853 (GS. 238)

endgültig aufgehoben durch
Provinzialordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 29. Juni 1875 (GS. S. 385)
Provinzialordnung für die Provinz Westfalen vom 1. August 1886 (GS. S. 254)
Provinzialordnung für die Rheinprovinz vom 1. Juni 1887 (GS. S. 249).
 

WIR FRIEDRICH WILHELM, VON GOTTES GNADEN, KOENIG VON PREUSSEN etc. etc.

haben, um Unsern getreuen Unterthanen ein neues bleibendes Pfand landesvaeterlicher Huld und Vertrauens zu geben, beschlossen, in Unserer Monarchie die staendischen Verhaeltnisse zu begruenden, und deshalb Provinzialstaende im Geiste der aelteren deutschen Verfassungen eintreten zu lassen, wie solche die Eigenthuemlichkeit des Staats und das wahre Beduerfniß der Zeit erfordern.

Eine Kommission, unter dem Vorsitze Unsers Sohnes, des Kronprinzen Koenigliche Hoheit, ist von Uns beauftragt worden, diese Angelegenheit vorzubereiten, und darueber mit erfahrnen Maennern aus jeder Provinz in Berathung zu treten.

Auf den von derselben an Uns erstatteten Bericht, verordnen Wir:

I. Es sollen Provinzialstaende in Unserer Monarchie in Wirksamkeit treten.

II. Das Grund-Eigenthum ist Bedingung der Standschaft.

III. Die Provinzialstaende sind das gesetzmaeßige Organ der verschiedenen Staende Unserer getreuen Unterthanen in jeder Provinz.

Dieser Bestimmung gemaeß werden Wir

1) die Gesetzes-Entwuerfe, welche allein die Provinz angehen, zur Berathung an sie gelangen, ihnen auch,

2) so lange keine allgemeine staendische Versammlungen statt finden, die Entwuerfe solcher allgemeinen Gesetze, welche Veraenderungen in Personen- und Eigenthumsrechten und in den Steuern zum Gegenstande haben, so weit sie die Provinz betreffen, zur Berathung vorlegen lassen;

3) Bitten und Beschwerden, welche auf das spezielle Wohl und Interesse der ganzen Provinz oder eines Theils derselben Beziehung haben, von den Provinzialstaenden annehmen, solche pruefen und sie darauf bescheiden, und

4) die Kommunal-Angelegenheiten der Provinz ihren Beschluessen, unter Vorbehalt Unserer Genehmigung und Aufsicht, ueberlassen.

Dem gegenwaertigen Gesetze, das jedoch auf Neufchatel und Valangin (Fürstentum Neuenburg) keine Anwendung findet, wollen Wir fuer jede Provinz ein besonderes Gesetz, welches die Form und die Graenzen ihres staendischen Verbandes bestimmt, nachfolgen lassen.

Sollten Wir kuenftig in diesen besondern Gesetzen Abaenderungen als wohlthaetig und nuetzlich erachten; so werden Wir diese nur nach vorhergegangenem Beirath der Provinzialstaende treffen.

Wann eine Zusammenberufung der allgemeinen Landstaende erforderlich seyn wird, und wie sie dann aus den Provinzialstaenden hervorgehen sollen, darueber bleiben die weiteren Bestimmungen Unserer landesvaeterhichen Fuersorge vorbehalten.

Urkundlich unter Unserer Hoechsteigenhaendigen Unterschrift und Beidrueckung Unseres großen Koeniglichen Insiegels.

    Gegeben Berlin, den 5ten Juni 1823.

Friedrich Wilhelm.

von Schuckmann.

Aufgrund dieses Allgemeinen Gesetzes wurden die verschiedenen Provinzialstände eingerichtet:
- durch Gesetze vom 1. Juli 1823 (GS. 130 ff.) für Brandenburg, Preußen (West- und Ostpreußen wurden hierbei vereinigt) und Pommern.
- durch Gesetze vom 27. März 1824 (GS. 141 ff.) für Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen und die Rheinprovinz (aus den Provinzen Niederrhein und Jülich-Kleve-Berg);
siehe bei den jeweiligen Artikeln.

 


Quellen: Preußische Gesetzsammlung 1823, S. 129 f.
Reich und Länder, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, dtv Wissenschaft  (dtv 4443)
© 18. Februar 2001 - 30. März 2011
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