Bekanntmachung, betreffend die Redaktion der Provinzialordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen

vom 22. März 1881

Auf Grund des Artikels III Absatz 2 des Gesetzes, betreffend die Abänderung von Bestimmungen der Provinzialordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 29. Juni 1875 und die Ergänzung derselben vom 22. März 1881 (Gesetz-Samml. S. 176) wird der Text der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875, wie er sich aus den in den Artikeln I. und II.. des Gesetzes vom 22. März d. J.  festgestellten Änderungen ergiebt, nachstehend bekannt gemacht.

    Berlin, den 22. März 1881

Der Minister des Innern.
Im Allerhöchsten Auftrage
v. Puttkamer.

 

Provinzialordnung
für die
Provinzen  Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen
(östliche Provinzialordnung)

in der Fassung der Bekanntmachung des Ministers des Innern

vom 22. März 1881
 

ursprüngliche Fassung

Änderungen während der Monarchie und der Revolution (bis 1918/20)

Fassung und Änderungen während der Weimarer Zeit (1920-1933)

Fassung und Änderungen während der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945)

faktisch aufgehoben durch
Gesetz über die Erweiterung der Befugnisse des Oberpräsidenten (Oberpräsidentengesetz) vom 15. Dezember 1933 (GS, S. 477, Art. II)
;
mit diesem Gesetz wurden sämtliche Aufgaben der Organe der Provinzialverbände auf den Oberpräsidenten im Sinne des Führerprinzips übertragen, die Provinzialordnung also nur noch hinsichtlich der Befugnisse des Provinzialverbandes als gültig betrachtet während die Organbestimmungen sämtlich fortfielen.

formal aufgehoben durch
Gesetz betreffend die Auflösung Preußens vom 25. Februar 1947
Gründung des Landes Brandenburg am 25. Februar 1947; vorher ab  4. Juli 1945 Provinz Mark Brandenburg
Gründung des Landes Mecklenburg-Vorpommern am 4. Juli 1945
Gründung des Landes Sachsen-Anhalt am 25. Februar 1947; vorher ab 4. Juli 1945 Provinz Sachsen-Anhalt.

 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ec.

verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen, was folgt:

Erster Titel.
Von den Grundlagen der Provinzialverfassung.

Erster Abschnitt.
Von dem Umfange und der Begrenzung der Provinzialverbände.

§ 1. Jede Provinz bildet einen mit den Rechten einer Korporation ausgestatteten Kommunalverband zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten.

Zum Kommunalverbande der Provinz (Provinzialverband) gehören alle innerhalb der Grenzen derselben belegenen Kreise und alle zu diesen Kreisen gehörenden Ortschaften.

Diejenigen Kreise und einzelnen Ortschaften, welche bisher zu einem anderen provinzialständischen Verbande gehört haben, treten aus diesem Verbande aus und in den Kommunalverband derjenigen Provinz ein, innerhalb deren Grenzen sie belegen sind.

§ 2. Die Haupt- und Residenzstadt Berlin scheidet aus dem Kommunalverbande der Provinz Brandenburg aus.

§ 3. Die in Folge der Ausführung der Vorschrift des § 1 erforderliche Regelung der Verhältnisse ist, unbeschadet aller Privatrechte Dritter, durch den Minister des Innern zu bewirken.

Streitigkeiten, welche hierbei entstehen, unterliegen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

§ 4. Veränderung der Provinzialgrenzen. Die Veränderung bestehender Provinzialgrenzen erfolgt durch Gesetz.

Die in Folge einer derartigen Veränderung erforderliche Regelung der Verhältnisse ist auf dem im § 3 bezeichneten Wege zu bewirken.

Veränderungen solcher Gemeinde- oder Gutsbezirksgrenzen, welche zugleich Provinzialgrenzen sind, ziehen die Veränderung der letzteren ohne Weiteres nach sich.

Eine jede Veränderung der Provinzialgrenzen, welche nicht durch Gesetz erfolgt, ist durch die Amtsblätter der betheiligten Provinzen bekannt zu machen.

Zweiter Abschnitt.
Von den Provinzialangehörigen, ihren Rechten und Pflichten.

§ 5. Provinzialangehörige sind alle Angehörigen der zu der Provinz gehörigen Kreise.

§ 6. Rechte der Provinzialangehörigen. Die Provinzialangehörigen sind berechtigt:
1) zur Theilnahme an der Verwaltung und Vertretung des Provinzialverbandes nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes;
2) zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Provinzialverbandes nach Maßgabe der für dieselben bestehenden Bestimmungen.

§ 7. Beitragspflicht zu den Provinzialabgaben. Die Provinzialangehörigen sind verpflichtet, nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes zu den Provinziallasten beizutragen.

Dritter Abschnitt.
Von den Provinzialstatuten und Reglements.

§ 8. Der Provinzialverband ist befugt:
1) zum Erlasse besonderer statutarischer Anordnungen über solche seine Verfassung betreffenden Angelegenheiten, hinsichtlich denen das Gesetz auf statutarische Regelung verweist oder keine ausdrücklichen Vorschriften enthält. Das Statut darf den bestehenden Gesetzen nicht widersprechen;
2) zum Erlasse von Reglements über besondere Einrichtungen des Provinzialverbandes.

Die Provinzialstatuten und Reglements sind auf Kosten des Provinzialverbandes durch die Amtsblätter der Provinz bekannt zu machen.

Zweiter Titel.
Von der Vertretung und Verwaltung der Provinzialverbände.

Erster Abschnitt.
Von der Zusammensetzung der Provinziallandtage.

§ 9. Die Provinzialversammlung (der Provinziallandtag) besteht aus Abgeordneten der Land- und Stadtkreise der Provinz.

§ 10. Zahl der Mitglieder der Provinziallandtage. In den Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern und Sachsen werden für jeden Kreis zwei Abgeordnete, in der Provinz Schlesien für jeden Kreis mit weniger als 40,000 Einwohnern ein Abgeordneter, für jeden Kreis mit 40,000 oder mehr Einwohnern zwei Abgeordnete gewählt. Erreicht die Einwohnerzahl eines Kreises
1) in der Provinz Schlesien 80,000,
2) in der Provinz Preußen 60,000,
3) in den Provinzen Brandenburg und Sachsen 50,000,
4) in der Provinz Pommern 40,000 Einwohner,
so werden drei Abgeordnete gewählt.

Für jede fernere Vollzahl von 50,000 Einwohnern tritt ein Abgeordneter hinzu.

§ 11. Den Provinziallandtagen bleibt es überlassen, durch statutarische Anordnung in geeigneten Fällen zwei derjenigen angrenzenden Landkreise, welche nur je zwei Abgeordnete zu wählen haben, unter Zustimmung der betreffenden Kreistage zu Wahlkreisen zu verbinden und die Wahlorte zu bestimmen.

In der Provinz Schlesien können außerdem in gleicher Weise zwei Landkreise, deren einer nur einen und der andere nur zwei Abgeordnete zu wählen hat, sowie zwei oder drei derjenigen Landkreise, welche nur je einen Abgeordneten zu wählen haben, zu Wahlbezirken verbunden werden.

Die Wahlbezirke wählen diejenige Zahl der Abgeordneten, welche gemäß § 10 auf die zusammengelegten Kreise trifft.

§ 12. Die Feststellung der Zahl der von den einzelnen Kreisen beziehungsweise Wahlbezirken zu wählenden Abgeordneten erfolgt vor jeder neuen Wahl (§§ 20 und 122) durch den Provinzialausschuß und wird durch die Amtsblätter der Provinz zur öffentlichen Kenntniß gebracht.

Der Feststellung ist die durch die jeweilige letzte Volkszählung ermittelte Einwohnerzahl der Kreise beziehungsweise Wahlbezirke, mit Ausschluß der aktiven Militärpersonen, zu Grunde zu legen.

§ 13. Anträge auf Berechtigung der Feststellung sind innerhalb vier Wochen nach Ausgabe des Amtsblatts, durch welches die Feststellung veröffentlicht worden ist, bei dem Provinzialausschusse anzubringen, welcher darüber endgültig beschließt.

§ 14. Vollziehung der Wahlen. Die Abgeordneten der Landkreise werden von den Kreistagen gewählt.

Erfolgt die Bildung von Wahlbezirken, so treten die Kreistage der zu dem Wahlbezirke gehörigen Landkreise unter dem Vorsitze des von dem Oberpräsidenten zu ernennenden Wahlkommissars zu einer Wahlversammlung zusammen.

§ 15. Die Abgeordneten der Stadtkreise werden von dem Magistrate und der Stadtverordnetenversammlung beziehungsweise dem bürgerschaftlichen Repräsentatenkollegium in gemeinschaftlicher Sitzung unter dem Vorsitze des Bürgermeisters, die Abgeordneten des Stadtkreises Magdeburg werden von dem Kreistage gewählt.

§ 16. Die Vollziehung der Wahlen der Provinziallandtags-Abgeordneten erfolgt nach näherer Vorschrift des diesem Gesetze beigefügten Wahlreglements.

§ 17. Wählbarkeit zum Abgeordneten. Wählbar zum Mitgliede des Provinziallandtages ist jeder selbständige Angehörige des Deutschen Reichs, welcher das dreißigste Lebensjahr vollendet hat, sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindet und seit mindestens einem Jahre der Provinz durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehört.

Als selbstständig gilt derjenige, welchem das Recht, über sein Vermögen zu verfügen und dasselbe zu verwalten, nicht durch gerichtliche Anordnung entzogen ist.

§ 18. Verlust der Wählbarkeit. Die Wählbarkeit geht verloren, sobald eines der im § 17 gedachten Erfordernisse bei dem bis dahin Wählbaren nicht mehr zutrifft. Sie ruht während der Dauer eines Konkurses, ferner während der Dauer einer gerichtlichen Untersuchung, wenn dieselbe wegen Verbrechen oder wegen solcher Vergehen, welche den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen müssen oder können, eingeleitet, oder wenn die gerichtliche Haft verfügt ist.

§ 19. Dauer der Wahlperiode der Abgeordneten. Die Abgeordneten zum Provinziallandtage werden auf sechs Jahre gewählt.

Jede Wahl verliert dauernd oder vorübergehend ihre Wirkung mit dem gänzlichen oder zeitweisen Aufhören einer der für die Wählbarkeit vorgeschriebenen Bedingungen. Der Provinziallandtag hat darüber zu beschließen, ob einer dieser Fälle eingetreten ist.

§ 20. Anordnung der Wahlen. Die Vornahme der Wahlen zum Provinziallandtage wird durch den Oberpräsidenten angeordnet.

§ 21. Die Namen der neugewählten Abgeordneten sind von dem Oberpräsidenten durch die Amtsblätter der Provinz bekannt zu machen.

Die Einführung derselben erfolgt durch den Vorsitzenden des Provinziallandtages.

§ 22. Ersatzwahlen. Die Ersatzwahlen für die im Laufe der Wahlperiode Ausgeschiedenen werden von denjenigen Land- und Stadtkreisen beziehungsweise Wahlbezirken vorgenommen, von denen die Ausgeschiedenen gewählt waren.

Die Vollziehung der Ersatzwahlen muß innerhalb längstens sechs Monaten und womöglich vor dem Zusammentritte des nächsten Provinziallandtages erfolgen. Die Ersatzmänner bleiben nur bis zum Ende desjenigen Zeitraums in Thätigkeit, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt waren.

§ 23. Einspruch gegen das stattgehabte Wahlverfahren und Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen. Gegen das stattgehabte Wahlverfahren kann jedes Mitglied der Wahlversammlung innerhalb zwei Wochen Einspruch bei dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes erheben. Die Beschlußfassung über den Einspruch, über welchen die Betheiligten vorab zu hören sind, steht dem Provinziallandtage zu. Im Übrigen prüft der Provinziallandtag die Legitimation seiner Mitglieder von Amtswegen und beschließt darüber.

§ 24. Gegen die nach Maßgabe der §§ 19 und 23 gefaßten Beschlüsse des Provinziallandtages findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung, jedoch dürfen bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Ersatzwahlen nicht stattfinden.

Zweiter Abschnitt.
Von den Versammlungen der Provinziallandtage.

§ 25. Einberufung des Provinziallandtages. Der Provinziallandtag wird von dem Könige alle zwei Jahre wenigstens ein Mal berufen, außerdem aber so oft es die Geschäfte erfordern.

§ 26. Die Ladung der Mitglieder, die Eröffnung und Schließung des Provinziallandtages erfolgt durch den Oberpräsidenten der Provinz als Königlichen Kommissarius oder den für ihn in dieser Eigenschaft ernannten Stellvertreter.

§ 27. Königlicher Kommissarius bei dem Provinziallandtage. Der Königliche Kommissarius ist die Mittelsperson bei allen Verhandlungen der Staatsbehörden mit dem Provinziallandtage.

Der Kommissarius theilt dem Provinziallandtage der Vorlagen der Staatsregierung mit und empfängt die von ihm abzugebenden Erklärungen und Gutachten.

Der Königliche Kommissarius, sowie die zu seiner Vertretung oder Unterstützung abgeordneten Staatsbeamten sind befugt, den Sitzungen des Provinziallandtages und der von ihm zur Vorbereitung seiner Beschlüsse gewählten Kommissionen beizuwohnen; dieselben müssen auf Verlangen zu jeder Zeit gehört werden.

§ 28. Öffentlichkeit der Sitzungen des Provinziallandtages. Die Sitzungen des Provinziallandtages sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen, in geheimer Sitzung gefaßten Beschluß die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

§ 29. Beschlußfähigkeit des Provinzlandtages. Der Provinziallandtag kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der im § 10 vorgeschriebenen Mitgliederzahl anwesend ist.

Als anwesend gelten auch diejenigen Mitglieder, welche sich der Abstimmung enthalten.

§ 30. Fassung der Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit. Der Provinziallandtag faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit. Die Stimmenmehrheit  wird ohne Mitzählung derjenigen festgestellt, die sich der Abstimmung enthalten haben. Bei Stimmengleichheit gilt der gestellte Antrag als abgelehnt.

§ 31. Theilnahme der Mitglieder des Provinzialausschusses, des Landesdirektors und der oberen Beamten an den Sitzungen des Provinziallandtages. Die Mitglieder des Provinzialausschusses, sowie der Landesdirektor (Landeshauptmann) und die ihm zugeordneten oberen Beamten (§ 87 und 93) können, sofern sie nicht selbst Mitglieder des Provinziallandtages sind, den Sitzungen desselben mit berathender Stimme beiwohnen.

Der Provinziallandtag kann jedoch beschließen, einzelne, die Mitglieder des Provinzialausschusses, den Landesdirektor oder die ihm zugeordneten oberen Beamten persönlich berührende Gegenstände in deren Abwesenheit und in geheimer Sitzung zu verhandeln, sofern dieselben nicht Mitglieder des Provinziallandtages sind.

§ 32. Wahl des Vorsitzenden des Provinziallandtages und seines Stellvertreters. Unter dem Vorsitze des an Jahren ältesten Mitgliedes, welchem die beiden jüngsten Mitglieder als Schriftführer und Stimmzähler zur Seite stehen, wählt der Provinziallandtag nach näherer Vorschrift des diesem Gesetze beigefügten Wahlreglements einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter.

Dieselben fungiren während der Sitzungsperiode und in der darauf folgenden Zwischenzeit bis zum Zusammentritte des nächsten Provinziallandtages.

§ 33. Geschäftsordnung des Provinziallandtages. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen. Er eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in denselben Er kann jeder Zuhörer entfernen lassen, welcher Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens giebt oder sonst eine Störung verursacht.

Im Übrigen regelt der Provinziallandtag seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung.

Dritter Abschnitt.
Von den Geschäften des Provinziallandtages.

§ 34. a. Im Allgemeinen. Der Provinziallandtag ist berufen:
I. über diejenigen die Provinz betreffenden Gesetzentwürfe sowie sonstigen Gegenstände sein Gutachten abzugeben, welche ihm zu dem Ende von der Staatsregierung überwiesen werden;
II. den Provinzialverband zu vertreten, und nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes über die Angelegenheiten desselben, sowie über diejenigen Gegenstände zu berathen und zu beschließen, welche ihm durch Gesetze oder Königliche Verordnungen überwiesen sind oder in Zukunft durch Gesetz überwiesen werden.

§ 35. b. Im Besonderen. Zu den Befugnissen und Obliegenheiten des Provinziallandtages gehören insbesondere folgende:
I. Der Provinziallandtag beschließt über den Erlaß von Statuten und Reglements gemäß § 8.

§ 36. II. Der Provinziallandtag beschließt, in welcher Weise Staatsprästationen (=Staatsabgaben), welche von dem Provinzialverbande aufzubringen sind, und deren Aufbringungsweise nicht schon durch das Gesetz vorgeschrieben ist, vertheilt werden sollen.

§ 37. III. Der Provinziallandtag beschließt über die zur Erfüllung von Verpflichtungen oder im Interesse der Provinz erforderlichen Ausgaben.

Er beschließt zu dem Ende:
1) über die Verwendung der dem Provinzialverbande aus der Staatskasse überwiesenen Jahresrenten und Fonds nach näherer Vorschrift des Gesetzes, betreffend die Ausführung der §§ 5 und 6 des Gesetzes vom 30. April 1873 wegen der Dotation der Provinzial- und Kreisverbände,
2) über die Verwendung der Einnahmen aus sonstigem Kapital- und Grundvermögen des Provinzialverbandes, sowie über die Verwendung des Kapitalvermögens selbst,
3) über die Aufnahme von Anleihen und die Übernahme von Bürgschaften,
4) über die Ausschreibung von Provinzialabgaben.

§ 38. IV. Der Provinziallandtag beschließt über die Veräußerung von Grundstücken und Immobiliarrechten. Durch Provinzialstatut kann dem Provinzialausschusse für einzelne Verwaltungszweige und Anstalten die Befugniß zur Veräußerung von Grundstücken minderen Werthes beigelegt werden.

§ 39. V. Der Provinziallandtag beschließt über die Einrichtung des Rechnungs- und Kassenwesens, über die Feststellung des Haushaltsetats, sowie über die Dechargirung der Jahresrechnungen (§§ 101 und 104).

§ 40. VI. Der Provinziallandtag stellt die Grundsätze fest, nach denen die Verwaltung die Angelegenheiten des Provinzialverbandes zu erfolgen hat.

§ 41. VII. Der Provinziallandtag beschließt über die Einrichtung von Provinzialämtern, er bestimmt die Zahl, die Besoldung, sowie die Art der Anstellung der Beamten und wählt den Landesdirektor (Landeshauptmann), die demselben nach § 93 zugeordneten oberen Beamten, sowie die sonstigen im Provinzialstatute zu bezeichnenden leitenden Beamten einzelner Verwaltungszweige.

§ 42. VIII. Der Provinziallandtag vollzieht die Wahlen zum Provinzialausschusse, sowie nach Maßgabe der besonderen Gesetze die Wahlen zu den für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Behörden und Kommissionen; er bestellt besondere Kommissionen oder Kommissare für Zwecke der kommunalen Provinzialverwaltung (§ 99).

Für die Vollziehung dieser Wahlen gelten die Vorschriften des diesem Gesetze beigefügten Reglements. Gegen das stattgehabte Wahlverfahren kann jedes Mitglied des Provinziallandtages innerhalb vier und zwanzig Stunden Einspruch bei dem Vorsitzenden erheben. Die endgültige Beschlußfassung über den Einspruch steht dem Provinziallandtage zu.

§ 43. IX. Der Provinziallandtag ist befugt, Anträge und Beschwerden, welche die Provinz oder einzelne Theile derselben betreffen, an die Staatsregierung zu richten.

§ 44. X. Der Provinziallandtag nimmt die ihm durch Gesetz übertragenen sonstigen Geschäfte wahr.

Vierter Abschnitt.
Von dem Provinzialausschusse, seiner Zusammensetzung und seinen Geschäften.

§ 45. Stellung des Provinzialausschusses im Allgemeinen. Zum Zwecke der Verwaltung der Angelegenheiten des Provinzialverbandes wird für jede Provinz ein Provinzialausschuß bestellt.

§ 46. Zusammensetzung des Provinzialausschusses. Der Provinzialausschuß besteht aus einem Vorsitzenden und einer durch das Provinzialstatut festzusetzenden Zahl von mindestens sieben bis höchstens dreizehn Mitgliedern.

Außerdem ist der Landesdirektor von Amtswegen Mitglied des Provinzialausschusses.

§ 47. Wahl des Vorsitzenden und der Mitglieder des Provinzialausschusses. Der Vorsitzende, die Mitglieder des Provinzialausschusses und, aus der Zahl der letzteren, der Stellvertreter des Vorsitzenden werden von dem Provinziallandtage gewählt.

Für die Mitglieder ist in gleicher Weise eine mindestens der Hälfte derselben gleichkommende Zahl von Stellvertretern zu wählen.

Die Zahl der Stellvertreter, sowie die Reihenfolge, in welcher dieselben einberufen sind, wird durch das Provinzialstatut bestimmt.

Wählbar ist jeder zum Provinziallandtage wählbare Angehörige des Deutschen Reichs (§ 17).

Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind der Oberpräsident, die Regierungspräsidenten und Vizepräsidenten, sowie sämmtliche Provinzialbeamte.

Der Landesdirektor kann zum Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden des Provinzialausschusses nicht gewählt werden.

§ 48. Die Wahl des Vorsitzenden, der Mitglieder des Provinzialausschusses und deren Stellvertreter erfolgt auf sechs Jahre.

Jede Wahl verliert dauernd oder vorübergehend ihre Wirkung mit dem gänzlichen oder zeitweisen Aufhören einer der für die Wählbarkeit vorgeschriebenen Bedingungen.

Der Provinzialausschuß hat darüber zu beschließen, ob einer dieser Fälle eingetreten ist. Gegen den Beschluß des Provinzialausschusses findet nach Maßgabe des § 24 die Klage bei dem Oberverwaltungsgericht statt.

§ 49. Alle drei Jahre scheidet die Hälfte der gewählten Mitglieder und Stellvertreter aus und wird durch neue Wahlen ersetzt. Die Ausscheidenden bleiben jedoch in allen Fällen bis zur Einführung der neu Gewählten in Thätigkeit.

Ist die Zahl der gewählten Mitglieder beziehungsweise Stellvertreter nicht durch zwei theilbar, so scheidet das erste Mal die nächst größere Zahl aus.

Die das erste Mal Ausscheidenden werden durch das Loos bestimmt. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar.

§ 50. Für die im Laufe der Wahlperiode ausscheidenden Mitglieder und Stellvertreter haben Ersatzwahlen stattzufinden. Die Vollziehung der Ersatzwahlen stattzufinden.

Die Vollziehung der Ersatzwahlen muß durch den Provinziallandtag bei dessen nächstem Zusammentritt erfolgen. Die Ersatzmänner bleiben nur bis zum Ende desjenigen Zeitraums in Thätigkeit, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt waren.

§ 51. Der Vorsitzende des Provinzialausschusses wird vom Oberpräsidenten, die Mitglieder des Provinzialausschusses werden von dem Vorsitzenden vereidigt und in ihre Stellen eingeführt.

Sie können aus Gründen, welche die Entfernung eines Beamten aus seinem Amte rechtfertigen (§ 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, Gesetz-Samml. S. 465), im Wege des Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden.

Für das Disziplinarverfahren gelten die Vorschriften, welche nach Maßgabe des § 98 Nr. 5 gegen den Landesdirektor zur Anwendung kommen.

§ 52. Berufung des Provinzialausschusses. Der Provinzialausschuß versammelt sich, so oft es die Geschäfte erfordern. Die Berufung zu den Versammlungen erfolgt durch den Vorsitzenden; sie muß erfolgen auf schriftlichen Antrag des Landesdirektors oder der Hälfte der Mitglieder des Provinzialausschusses.

Durch Beschluß des Provinzialausschusses können regelmäßige Sitzungstage festgesetzt werden.

§ 53. Geschäftsordnung des Provinzialausschusses. Der Provinzialausschuß kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder, mit Einschluß des Vorsitzenden, anwesend ist.

Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

§ 54. Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mitglieder oder deren Verwandte und Verschwägerte in auf- und absteigender Linie oder bis zu dem dritten Grade der Seitenlinie, so dürfen dieselben an der Berathung und Abstimmung nicht Theil nehmen.

Ebensowenig darf ein Mitglied bei der Berathung und Beschlußfassung über solche Angelegenhetien mitwirken, in welchen es in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat oder als Geschäftsführer, Beauftragter oder in anderer als öffentlicher Stellung thätig gewesen ist.

§ 55. Wird in Folge des gleichzeitigen Ausscheidens von mehr als der Hälfte der Mitglieder gemäß § 54 ein Provinzialausschuß beschlußunfähig und kann die Beschlußfähigkeit auch nicht durch Einberufung unbetheiligter Stellvertreter hergestellt werden, so erfolgt die Beschlußnahme durch den Provinziallandtag.

Kann die Beschlußnahme nicht bis zum Zusammentritte des Provinziallandtages ausgesetzt bleiben, so ist durch den Oberpräsidenten aus den unbetheiligten Mitglieder des Provinzialausschusses beziehungsweise deren Stellvertretern, sowie aus Mitgliedern des Provinziallandtages eine besondere Kommission zu bestellen; dieselbe hat aus einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, wie der Provinzialausschuß zu bestehen.

§ 56. Der Vorsitzende des Provinziallandtages und die dem Landesdirektor zugeordneten oberen Beamten (§§ 87 und 93) können den Sitzungen des Provinzialausschusses mit berathender Stimme beiwohnen. Der Provinzialausschuß kann jedoch beschließen, einzelne den Landesdirektor oder die ihm zugeordneten oberen Beamten persönlich berührende Gegenstände in deren Abwesenheit zu verhandeln.

§ 57. Der Provinzialausschuß regelt seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung. Diese bedarf der Genehmigung des Provinziallandtages.

§ 58. Geschäfte des Provinzialausschusses. Dem Provinzialausschusse liegt die Erledigung folgender Geschäfte ob:
I. Der Provinzialausschuß hat die Beschlüsse des Provinziallandtages vorzubereiten und auszuführen, soweit damit nicht besondere Kommissionen, Kommissarien oder Beamte durch Gesetz oder Beschluß des Provinziallandtages beauftragt sind.

§ 59. II. Der Provinzialausschuß hat die Angelegenheiten des Provinzialverbandes, insbesondere das Vermögen und die Anstalten desselben nach Maßgabe der Gesetze, der auf Grund von Gesetzen erlassenen Königlichen Verordnungen und der von dem Provinziallandtage beschlossenen Reglements (§ 8 Nr. 2), sowie des von diesem festgestellten Haushaltsetats zu verwalten.

§ 60. III. Der Provinzialausschuß hat die Provinzialbeamten zu ernennen, soweit die Ernennung derselben nicht dem Provinziallandtage vorbehalten ist (§ 41) und deren Geschäftsführung zu leiten und zu beaufsichtigen.

§ 61. IV. Der Provinzialausschuß hat sein Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, welche ihm von den Ministern oder dem Oberpräsidenten überwiesen werden.

Fünfter Abschnitt.
Von den Provinzial- und Bezirksräthen (Behörden des Staates), ihrer Zusammensetzung und ihren Geschäften.

§§ 62. bis 86. Fortgefallen.

Sechster Abschnitt.
Von den Provinzialbeamten.

§ 87. Landesdirektor (Landeshauptmann). Zur Wahrnehmung der laufenden Geschäfte der kommunalen Provinzialverwaltung wird ein Landesdirektor (Landeshauptmann) bestellt, welcher von dem Provinziallandtage auf mindestens sechs bis höchstens zwölf Jahre zu wählen ist.

Der Landesdirektor (Landeshauptmann) bedarf der Bestätigung des Königs. Wird die Bestätigung versagt, so schreitet der Provinziallandtag zu einer neuen Wahl. Wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so kann der Minister des Innern die kommissarische Verwaltung der Stelle auf Kosten des Provinzialverbandes anordnen. Dasselbe findet statt, wenn der Provinziallandtag die Wahl verweigert oder den nach der ersten Wahl nicht Bestätigten wieder wählt. Die kommissarische Verwaltung dauert so lange, bis die Wahl des Provinziallandtages, deren wiederholte Vornahme ihm jederzeit zusteht, die Bestätigung erlangt hat.

Der Provinziallausschuß ist berechtigt, zur Übernahme der kommissarischen Verwaltung geeignete Personen in Vorschlag zu bringen.

§ 88. Für den Fall einer Behinderung des Landesdirektors, sowie im Falle der Erledigung der Stelle desselben bestellt der Provinzialausschuß einen Stellvertreter bis zur Aufnahme der Geschäfte durch den Landesdirektor, beziehungsweise bis zum Eintritte einer kommissarischen Verwaltung nach Maßgabe des § 87.

Weder der kommissarische Vertreter, noch der Stellvertreter des Landesdirektors sind als solche stimmberechtigte Mitglieder des Ausschusses.

§ 89. Der Landesdirektor (Landeshauptmann) wird von dem Oberpräsidenten in sein Amt eingeführt und vereidigt.

§ 90. Der Landesdirektor (Landeshauptmann) führt unter der Aufsicht des Provinzialausschusses die laufenden Geschäfte der kommunalen Provinzialverwaltung. Er bereitet die Beschlüsse des Provinzialausschusses vor und trägt für die Ausführung derselben Sorge.

Er ist der Dienstvorgesetzte sämmtlicher Provinzialbeamten.

Der Landesdirektor vertritt den Provinzialverband nach außen in allen Angelegenheiten, insbesondere auch da, wo die Gesetze eine Spezialvollmacht verlangen. Er verhandelt Namens des Provinzialverbandes mit Behörden und Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeichnet alle Schriftstücke.

§ 91. Urkunden, mittelst deren der Provinzialverband Verpflichtungen übernimmt, müssen unter Anführung des betreffenden Beschlusses des Provinziallandtages beziehungsweise des Provinzialausschusses von dem Landesdirektor (Landeshauptmann) und von zwei Mitgliedern des Provinzialausschusses unterschrieben und mit dem Amtssiegel des Landesdirektors versehen sein. In denjenigen Fällen, in denen es der Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde bedarf, ist dieselbe der Ausfertigung in beglaubigter Form beizufügen.

§ 92. Der Landesdirektor (Landeshauptmann) ist befugt, für die Geschäfte der kommunalen Provinzialverwaltung die vermittelnde und begutachtende Thätigkeit der Kreis-, Amts- und Gemeindebehörden in Anspruch zu nehmen.

§ 93. Andere obere Beamte. Dem Landesdirektor (Landeshauptmann) können nach näherer Bestimmung des Provinzialstatuts zur Mitwirkung bei Erledigung der Geschäfte der gesammten oder einzelner Zweige der kommunalen Provinzialverwaltung noch andere vom Provinziallandtage zu wählende obere Beamte mit berathender oder beschließender Stimme zugeordnet werden. Sie werden von dem Landesdirektor in ihre Ämter eingeführt und vereidigt.

Werden dem Landesdirektor obere Beamte mit beschließender Stimme zugeordnet, so hat das Provinzialstatut auch darüber Bestimmung zu treffen, welche der durch dieses Gesetz dem Landesdirektor allein überwiesenen Geschäfte von demselben unter Mitwirkung jener Beamten zu erledigen sind.

§ 94. Büreau-, Kassen- ec. Beamte der kommunalen Provinzialverwaltung. Die Stellen der zur Wahrnehmung der Büreau-, Kassen- und sonstigen Geschäfte der kommunalen Provinzialverwaltung erforderlichen Beamten werden von dem Provinziallandtage nach Zahl, Diensteinnahme und Art der Besetzung (auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Kündigung) auf Vorschlag des Provinzialausschusses durch den Haushaltsetat bestimmt.

Die Besetzung dieser Stellen erfolgt vorbehaltlich der Bestimmung des § 41 durch den Provinzialausschuß. Die Beamten werden von dem Landesdirektor (Landeshauptmann) in ihre Ämter eingeführt und vereidigt. Sie erhalten ihre Geschäftsinstruktionen von dem Provinzialausschusse.

§ 95. Beamte der Provinzialinstitute ec. Über die an den einzelnen Provinzialinstituten und in der Provinzial-Chaussee- und Wegeverwaltung anzustellenden Beamten, sowie über die Art der Anstellung derselben wird durch die für jene Institute und jenen Verwaltungszweig zu erlassenden Reglements beziehungsweise die für dieselben festzustellenden Etats bestimmt.

Bis zum Erlasse neuer Reglements bleiben die bestehenden Reglements in Geltung.

§ 96. Dienstliche Verhältnisse der Provinzialbeamten. Sämmtliche Provinzialbeamten haben die Rechte und Pflichten mittelbarer Staatsbeamten. Die besonderen dienstlichen Verhältnisse derselben werden durch ein von dem Provinziallandtage zu erlassendes Reglement geordnet.

§ 97. Hinsichtlich der Besetzung der Stellen von Provinzialbeamten mit Militär-Invaliden gelten die in Ansehung der Städte erlassenen gesetzlichen Vorschriften.

§ 98. In Betreff der Dienstvergehen der Provinzialbeamten finden die Vorschriften des Gesetzes vom 21. Juli 1852 (Gesetz-Samml. S. 465) mit folgenden Maßgaben Anwendung:
1) Gegen den Landesdirektor (Landeshauptmann) und die im § 41 gedachten Provinzialbeamten ist die Festsetzung von Ordnungsstrafen nur in dem auf Entfernung aus dem Amte gerichteten Verfahren zulässig.
2) Gegen die übrigen Provinzialbeamten steht die den Ministern und den Provinzialbehörden beigelegte Befugniß zur Verhängung von Ordnungsstrafen dem Landesdirektor zu; jedoch dürfen die von ihm festzusetzenden Geldbußen den Betrag von dreißig Mark nicht übersteigen.

Außerdem steht
3) den Vorstehern von Provinzialanstalten die Befugniß zu, gegen die ihnen nachgeordneten Anstaltsbeamten, mit Ausnahme der oberen Anstaltsbeamten, Geldbußen bis zu zehn Mark festzusetzen.
4) Gegen die Disziplinarverfügungen des Landesdirektors und der Vorsteher von Provinzialanstalten findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Verwaltungsgerichte statt.
5) In dem auf Entfernung aus dem Amte gerichteten Verfahren tritt an die Stelle des Regierungspräsidenten der Landesdirektor und, sofern das Verfahren gegen den letzteren selbst oder einen der im § 41 gedachten Provinzialbeamten gerichtet ist, der Minister des Innern, an die Stelle der Bezirksregierung beziehungsweise des Disziplinarhofes das Bezirksverwaltungsgericht und an die Stelle des Staatsministeriums das Oberverwaltungsgericht.
    Die Vertreter der Staatsanwaltschaft bei dem Verwaltungsgerichte und dem Oberverwaltungsgerichte werden vom Minister des Innern ernannt. Die Verhandlung vor dem Bezirksverwaltungsgerichte und dem Oberverwaltungsgerichte findet im mündlichen Verfahren statt. Das Gutachten des Disziplinarhofes ist nicht einzuholen.
    Das Verfahren kann mit Rücksicht auf den Ausfall der Voruntersuchung durch Beschluß des Verwaltungsgerichts eingestellt werden.
6) Die Bestimmungen des § 16 Nr. 1 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 findet auch auf die Provinzialbeamten, mit Ausnahme der im § 41 gedachten, Anwendung.

Siebenter Abschnitt.
Von den Provinzialkommissionen.

§ 99. Für die unmittelbare Verwaltung und Beaufsichtigung einzelner Anstalten sowie für die Wahrnehmung einzelner Angelegenheiten des Provinzialverbandes können besondere Kommissionen oder Kommissare bestellt werden. Die Einsetzung, die Begrenzung der Zuständigkeit und die Art und Weise der Zusammensetzung derselben hängt von dem Beschlusse des Provinziallandtages ab. Die Wahl der Mitglieder steht dem Provinzialausschusse zu, sofern sich nicht der Provinziallandtag dieselbe für einzelne Kommissionen oder Kommissare selbst vorbehält.

Die Kommissionen oder Kommissare empfangen von dem Provinzialausschusse ihre Geschäftsanweisung und führen ihre Geschäfte unter der Aufsicht desselben.

§ 100. Schlußbestimmung. Die Mitglieder des Provinziallandtages, des Provinzialausschusses und der Provinzialkommissionen, sowie die gewählten Mitglieder der Provinzial- und Bezirksräthe erhalten eine ihren baaren Auslagen entsprechende Entschädigung.

Über die Höhe derselben beschließt der Provinziallandtag.

Achter Abschnitt.
Von dem Provinzialhaushalte.

§ 101. Aufstellung und Feststellung des Provinzialhaushaltsetats. Über alle Einnahmen und Ausgaben entwirft der Provinzialausschuß einen Haushaltsetat für ein oder mehrere Jahre. Derselbe wird vom Provinziallandtage festgestellt und durch die Amtsblätter der Provinz veröffentlicht.

§ 102. Bei Vorlegung des Haushaltsetats hat der Provinzialausschuß über die Verwaltung und den Stand der Angelegenheiten des Provinzialverbandes Bericht zu erstatten.

§ 103. Der Provinzialausschuß beziehungsweise in Ausführung der Beschlüsse desselben der Landesdirektor (Landeshauptmann) haben dafür zu sorgen, daß der Haushalt nach dem Etat geführt werde.

Der Landesdirektor erläßt die Einnahme- und Ausgabeanweisungen an die Provinzial- (Landes-) Hauptkasse.

Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßige Ausgaben dürfen nur unter Verantwortung des Provinzialausschusses stattfinden und bedürfen der Genehmigung des Provinziallandtages.

§ 104. Die Jahresrechnungen der Provinzialhauptkasse sowie der Kassen der einzelnen Provinzialanstalten sind von den Rendanten derselben innerhalb vier Monaten nach Schluß des Rechnungsjahres zu legen und dem Provinzialausschusse einzureichen.

Letzterer hat die Revision der Rechnungen zu veranlassen und dieselben mit seinen Bemerkungen dem Provinziallandtage zur Prüfung, Feststellung und Entlastung vorzulegen. Nach erfolgter Entlastung sind Auszüge aus den Rechnungen durch die Amtsblätter der Provinz zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

§ 105. Ausschreibung von Provinzialabgaben. Der Provinziallandtag kann die Ausschreibung von Provinzialabgaben beschließen.

Bis zum Erlasse eines besonderen Gesetzes über die Kommunalbesteuerung gelten hierüber folgende Bestimmungen:

§ 106. Grundsätze über die Vertheilung und Aufbringung der Provinzialabgaben. Die Vertheilung der Provinzialabgaben erfolgt auf die einzelnen Land- und Stadtkreise nach dem Maßstabe der in ihnen aufkommenden direkten Staatssteuern mit Ausschluß der Gewerbesteuer vom Hausirgewerbe.

§ 107. Bei dieser Vertheilung kommen die behufs Aufbringung der Kreis- beziehungsweise der städtischen Kommunalabgaben in den einzelnen Land- und Stadtkreisen nach den Vorschriften der §§ 14 bis 16 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, beziehungsweise des § 4 Abs. 3 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 besonders veranlagten Steuerbeträge auf Höhe der Staatssteuern, welche von dem ihnen zu Grunde liegenden Einkommen, Grundsteuerreinertrage, Gebäudesteuernutzungswerthe oder nach dem Umfange des Gewerbe- oder Bergbaubetriebes zu entrichten wären, mit in Anrechnung. Dagegen bleiben die von ihrer Belastung mit Kreis- und Gemeindeabgaben ganz oder theilweise befreiten Steuerbeträge (§ 17 und 18 der Kreisordnung, § 4 Abs. 7 ff. der Städteordnung) mit Einschluß der Steuerbeträge der Militärpersonen außer Ansatz.

§ 108. In den einzelnen Land- und Stadtkreisen erfolgt die Aufbringung der auf sie treffenden Antheile an den Provinzialabgaben gleich den übrigen Kreis- und beziehungsweise Gemeindebedürfnissen nach den Vorschriften der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 beziehungsweise der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen vom 30. Mai 1853.

§ 109. Wo gegenwärtig mit landesherrlicher Genehmigung zu bestimmten Zwecken Provinzialabgaben nach besonderer Vertheilungsart erhoben werden, behält es dabei bis zum 31. Dezember 1879 sein Bewenden; es bleibt jedoch dem Provinziallandtage überlassen, schon in der Zwischenzeit die Vertheilung auch dieser Provinzialabgaben nach Maßgabe der §§ 106 und 107 zu beschließen.

§ 110. Mehr- und Minderbelastung einzelner Theile der Provinz. Sofern es sich um Provinzialeinrichtungen handelt, welche in besonders hervorragendem oder in besonders geringem Maße einzelnen Theilen der Provinz zu Gute kommen, kann der Provinziallandtag beschließen, für die betreffenden Kreise eine nach Quoten der direkten Staatssteuern zu bemessende Mehr- oder Minderbelastung eintreten zu lassen.

Die Mehrbelastung kann nach Maßgabe der Beschlüsse des Provinziallandtages durch Naturalleistungen ersetzt werden.

§ 111. Die Vertheilung der Provinzialabgaben auf die einzelnen Land- und Stadtkreise liegt dem Provinzialausschusse ob.

Der Betrag der von dem Provinziallandtage ausgeschriebenen Provinzialabgaben, sowie die Vertheilung desselben auf die Kreise sind durch die Amtsblätter der Provinz öffentlich bekannt zu machen. In dem Ausschreiben ist der Bedarf für Verkehrsanlagen besonders anzugeben. In Betreff der Aufbringung dieses Theiles der Provinzialabgaben von Seiten der Landkreise gelten die Vorschriften des § 12 Absatz 1 Satz 2 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872.

§ 112. Reklamationen gegen die Veranlagung zu den Provinzialabgaben. Reklamationen der Kreise gegen die Vertheilung der Provinzialabgaben unterliegen der Beschlußfassung des Provinzialausschusses.

Dir Reklamationen sind innerhalb einer Frist von vier Wochen nach erfolgter Bekanntmachung der Abgabenbeträge bei dem Provinzialausschusse anzubringen.

Gegen den Beschluß des Provinzialausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksverwaltungsgerichte statt. Hierbei finden die Vorschriften des § 146 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte Anwendung.

§ 113. Die Zahlung der Provinzialabgabe darf durch die Reklamation beziehungsweise Klage nicht aufgehalten werden, muß vielmehr mit Vorbehalt der späteren Rückerstattung des etwa zuviel Bezahlten zu den bestimmten Terminen erfolgen.

Dritter Titel.
Von der Aufsicht über die Verwaltung der Angelegenheiten der Provinzialverbände.

§ 114. Die nach Maßgabe dieses Gesetzes zu handhabende Aufsicht über die Verwaltung der Angelegenheiten der Provinzialverbände wird von dem Oberpräsidenten, in höherer Instanz von dem Minister des Innern geübt.

Die Beschwerde an die höhere Instanz ist innerhalb zwei Wochen zulässig.

§ 115. Die Aufsichtsbehörden haben mit den ihnen in diesem Gesetze zugewiesenen Mitteln darüber zu wachen, daß die Verwaltung den Bestimmungen der Gesetze gemäß geführt und in geordnetem Gange erhalten werden.

§ 116. Die Aufsichtsbehörden sind zu dem Ende befugt, über alle Gegenstände der Verwaltung Auskunft zu erfordern, die Einsicht der Akten, insbesondere auch der Haushaltsetats und Jahresrechnungen zu verlangen und Geschäftsrevisionen, sowie in der Verbindung mit denselben Kassenrevisionen an Ort und Stelle zu veranlassen.

§ 117. Der Oberpräsident ist befugt, an den Berathungen des Provinzialausschusses und der Provinzialkommissionen entweder selbst oder durch einen zu seiner Vertretung abzuordnenden Staatsbeamten theilzunehmen.

§ 118. Beschlüsse des Provinziallandtages, des Provinzialausschusses oder einer Provinzialkommission, welche deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Oberpräsident, entstehenden Falles auf Anweisung des Ministers des Innern, unter Angabe der Gründe, mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden.

Gegen die Verfügung des Oberpräsidenten steht dem Provinziallandtage, dem Provinzialausschusse, beziehungsweise der Provinzialkommission innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zu. Dieselben können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen besonderen Vertreter bestellen.

§ 119. Beschlüsse des Provinziallandtages, welche folgende Angelegenheiten betreffen:
1) den Erlaß von Statuten gemäß § 8 Nr. 1 und § 35,
2) Mehr- oder Minderbelastungen einzelner Theile der Provinz gemäß § 110,
3) Aufnahme von Anleihen, durch welche der Provinzialverband mit einem Schuldenbestande belastet oder der bereits vorhandene Schuldenbestand vergrößert werden würde, sowie Übernahme von Bürgschaften auf den Provinzialverband,
4) eine Belastung des Provinzialverbandes durch Beiträge über fünfundzwanzig Prozent des Gesammtaufkommens an direkten Staatssteuern,
5) eine neue Belastung des Provinzialverbandes ohne gesetzliche Verpflichtung, insofern die aufzulegenden Leistungen über die nächsten fünf Jahre hinaus fortdauern sollen,
bedürfen in den Fällen zu 1. der landesherrlichen Genehmigung, in den Fällen zu 2 und 3 der Bestätigung des Ministers des Innern, in den Fällen zu 4 und 5 der Bestätigung der Minister des Innern und der Finanzen.

§ 120. Der Genehmigung der zuständigen Minister bedürfen ferner die von dem Provinziallandtage gemäß § 8 Nr. 2, §§ 35 und 95 für folgende Provinzialinstitute und Verwaltungszweige zu beschließenden Reglements:
1) Landarmen- und Korrigendenanstalten,
2) Irren-, Taubstummen-, Blinden- und Idiotenanstalten,
3) Hebammenlehrinstitute,
4) Provinzialhülfs- und Darlehnskassen,
5) Versicherungsanstalten.

Dieser Genehmigung unterliegen jedoch die gedachten Reglements nur insoweit, als sich die Bestimmungen derselben beziehen:
    in Betreff der zu 1 und 2 gedachten Anstalten auf die Aufnahme, die Behandlung und Entlassung der Landarmen, Korrigenden, Irren, Taubstummen, Blinden und Idioten beziehungsweise auf den Unterricht derselben,
    in Betreff der Hebammenlehrinstitute zu 3 auf die Aufnahme, den Unterricht und die Prüfung der Schülerinnen,
    in Betreff der Provinzialhülfs- und Darlehnskassen zu 4 auf die Grundsätze, nach denen die Gewährung von Darlehen zu erfolgen hat,
    in Betreff der Versicherungsanstalten zu 5 auf die Organisation und die Verwaltungsgrundsätze.

Ingleichen bedarf das im § 96 vorgeschriebene Reglement über die dienstlichen Verhältnisse der Provinzialbeamten der Genehmigung des Ministers des Innern in Betreff der Grundsätze über die Anstellung, Entlassung und Pensionirung der Beamten.

§ 121. Unterläßt oder verweigert ein Provinzialverband die ihm gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfügt der Oberpräsident, unter Angabe der Gründe, die Eintragung in den Etat, beziehungsweise die Feststellung der außerordentlichen Ausgaben.

Gegen die Verfügung des Oberpräsidenten steht dem Provinzialverbande innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zu. Zur Ausführung der Rechte des Provinzialverbandes kann der Provinziallandtag einen besonderen Vertreter bestellen.

§ 122. Auflösung der Provinziallandtage. Auf den Antrag des Staatsministeriums kann der Provinziallandtag durch Königliche Verordnung aufgelöst werden. Es sind sodann Neuwahlen anzuordnen, welche innerhalb drei Monaten vom Tage der Auflösung an erfolgen müssen. Der neugewählte Landtag ist innerhalb sechs Monaten nach erfolgter Auflösung zu berufen.

Im Falle der Auflösung des Provinziallandtages bleiben die von demselben gewählten Mitglieder des Provinzialausschusses und der Provinzialkommissionen bis zum Zusammentritt des neu gebildeten Provinziallandtages in Wirksamkeit.

Vierter Titel.
Schluß-, Übergangs- und Ausführungsbestimmungen.

§ 123. Die gegenwärtige Provinzialordnung tritt mit dem 1. Januar 1876 in Kraft.

§ 124. In allen Provinzen ist noch im Laufe des Jahres 1875 zur Wahl der Mitglieder der Provinziallandtage gemäß den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes zu schreiten.

Für diese ersten Wahlen sind die Obliegenheiten des Provinzialausschusses (§§ 12 und 13) von dem Oberpräsidenten wahrzunehmen.

§ 125. Von dem im § 123 gedachten Zeitpunkte ab gehen die Rechte und Pflichten der bisherigen provinzialständischen Verbände auf die nach § 1 dieses Gesetzes gebildeten Provinzialverbände über.

Die bisherigen provinzialständischen Ausschüsse und Kommissionen bleiben bis zur anderweitigen Beschlußnahme der nach diesem Gesetze gewählten Provinziallandtage über ihren Fortbestand und ihre Zusammensetzung in Wirksamkeit.

§ 126. Fortgefallen.

§ 127. Fortgefallen.

§ 128. Die Verwaltung der zur Zeit bestehenden besonderen kommunalständischen Verbände, soweit sie die Fürsorge für Landarme, Geisteskranke, Taubstumme, Blinde und Idiote betrifft, ist spätestens bis zum 1. Januar 1878 mit allen Rechten und Pflichten auf die Provinzialverbände zu übertragen.

Soweit die betreffende Regelung in der obigen Frist nicht durch Übereinkommen zwischen den gegenwärtigen Vertretungen der kommunalständischen Verbände und der nach diesem Gesetze zu bildende Provinzialvertretung, unter Genehmigung des Ministers des Innern, zu Stande kommt, erfolgt dieselbe, unbeschadet aller Privatrechte Dritter, durch Königliche Verordnung.

Streitigkeiten, welche bei der Ausführung entstehen, unterliegen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

Im Übrigen erfolgt die Umbildung beziehungsweise Aufhebung der kommunalständischen Verbände und ihrer Organe durch besondere Gesetze.

§ 129. Mit dem Tage des Inkrafttretens des gegenwärtigen Gesetzes treten alle mit den Vorschriften desselben im Widerspruch stehenden oder damit nicht zu vereinigenden gesetzlichen Bestimmungen außer Geltung.

§ 130. Der Minister des Innern ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt und erläßt die hierzu erforderlichen Anordnungen und Instruktionen.

Wahlreglement

§ 1. Der Wahlvorstand besteht aus dem Vorsitzenden des Provinziallandtages beziehungsweise dem vom Oberpräsidenten ernannten Wahlkommissar, dem Landrathe, dem Bürgermeister oder deren Stellvertreter als Vorsitzenden und aus zwei oder vier Beisitzern, welche von der Wahlversammlung aus der Zahl der Wähler zu wählen sind. Der Vorsitzende ernennt einen der Beisitzer zum Protokollführer.

§ 2. Während der Wahlhandlung dürfen im Wahllokale weder Diskussionen stattfinden, noch Ansprachen gehalten, noch Beschlüsse gefaßt werden.

Ausgenommen hiervon sind die Diskussionen und Beschlüsse des Wahlvorstandes, welche durch die Leitung des Wahlgeschäfts bedingt sind.

§ 3. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel.

§ 4. Die Wähler werden in der Reihenfolge, in welcher sie in der Wählerliste verzeichnet sind, aufgerufen.

Jeder aufgerufene Wähler legt den Stimmzettel uneröffnet in die Wahlurne.

§ 5. Die während des Wahlakts erscheinenden Wähler können an der nicht geschlossenen Wahl Theil nehmen.

Sind keine Stimmen mehr abzugeben, so erklärt der Wahlvorstand die Wahl für geschlossen; der Vorsitzende nimmt die Stimmzettel einzeln aus der Wahlurne und verliest die darauf verzeichneten, von einem Beisitzer, welchen der Vorsitzende ernennt, laut zu zählenden Namen.

§ 6. Ungültig sind:
1) Stimmzettel, welche keinen oder keinen lesbaren Namen enthalten;
2) Stimmzettel, aus welchen die Person des Gewählten nicht unzweifelhaft zu erkennen ist;
3) Stimmzettel, auf welchen mehr Namen, als zu wählende Personen oder der Name einer nicht wählbaren Person verzeichnet ist;
4) Stimmzettel, welche einen Protest oder Vorbehalt enthalten.

§ 7. Alle ungültigen Stimmzettel werden als nicht abgegeben betrachtet. Über die Gültigkeit der Stimmzettel entscheidet vorläufig der Wahlvorstand. Die Stimmzettel sind dem Wahlprotokolle beizufügen und so lange aufzubewahren, bis über die gegen das Wahlverfahren erhobenen Einsprüche rechtskräftig entschieden ist.

§ 8. Als gewählt sind diejenigen zu betrachten, welche die absolute Stimmenmehrheit (mehr als die Hälfte der Stimmen) erhalten haben.

Ergiebt sich keine absolute Stimmenmehrheit, so wird zu einer engeren Wahl zwischen denjenigen zwei Personen geschritten, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das von dem Vorsitzenden zu ziehende Loos darüber, wer auf die engere Wahl zu bringen, beziehungsweise wer als schließlich gewählt zu betrachten ist.

§ 9. Die Wahlprotokolle sind von dem Wahlvorstande zu unterzeichnen.

§ 10. Der Vorsitzende des Wahlvorstandes hat die Gewählten von der auf sie gefallenen Wahl mit der Aufforderung in Kenntniß zu setzen, sich über die Annahme oder Ablehnung innerhalb längstens fünf Tagen zu erklären. Wer diese Erklärung nicht abgiebt, wird als ablehnend betrachtet.

§ 11. Wahlen, welche auf dem Provinziallandtage selbst vorzunehmen sind, können auch durch Akklamation stattfinden, sofern Niemand Widerspruch erhebt.

Das Wahlreglement galt insbesondere für die Wahlen des Provinziallandtages, der gemäß § 14 der Provinzialordnung durch die Kreistage der Provinz gewählt wurde, also nicht direkt.

Für die anderen Provinzen ergingen gesonderte (ähnliche) Provinzialordnungen:
- für Hannover durch Gesetz vom 7. Mai 1884 (GS S. 237); formale Übernahme vorstehender Provinzialordnung mit einzelnen Änderungen daran;
- für Hessen-Nassau durch Gesetz vom 8. Juni 1885 (GS S. 242); formale Übernahme vorstehender Provinzialordnung mit einzelnen Änderungen daran;
- für Westfalen durch Gesetz vom 1. August 1886 (GS S. 254); formale Übernahme vorstehender Provinzialordnung.
- für die Rheinprovinz durch Gesetz vom 1. Juni 1887 (GS S. 249); formale Übernahme vorstehender Provinzialordnung.
- für Schleswig-Holstein durch Gesetz vom 27. Mai 1888 (GS S. 191); formale Übernahme vorstehender Provinzialordnung.

 


Quellen: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten Jahrgang 1875, S. 335
© 18. September 2011 - 27. September 2014
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