Friedens-Vertrag zwischen Preußen und Bayern

vom 22. August 1866

Ihre Majestäten der König von Preußen und der König von Bayern, von dem Wunsche geleitet, Ihren Völkern die Segnungen des Friedens zu sichern, haben beschlossen, Sich über die Bestimmungen eines zwischen Ihnen abzuschließenden Friedensvertrages zu verständigen.

Zu diesem Zwecke haben Ihre Majestäten zu Ihren Bevollmächtigten ernannt, und zwar:

Seine Majestät der König von Preußen:
Seinen Minister-Präsidenten und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Otto von Bismarck-Schönhausen, Ritter des Schwarzen Adler-Ordens u. s. w., u. s. w.
und
Seinen Wirklichen Geheimen Rath, Kammerherrn und Gesandten, Carl Friedrich von Savigny, Ritter des Rothen Adler-Ordens I. Klasse u. s. w., u. s. w.

Seine Majestät der König von Bayern:
Seinen Staatsminister des Königlichen Hauses und des Äußeren, Ludwig, Freiherrn v. d. Pfordten, Ritter des Haus-Ordens vom heiligen Hubertus und Großkreuz des Verdienst-Ordens der Bayerischen Krone u. s. w., und
Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am Kaiserlich Österreichischen Hofe, Otto, Grafen Bray-Steinburg, Staatsminister außer Dienst und erblicher Reichsrath, Großkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone und vom heiligen Michael u. s. w.,

welche nach erfolgtem Austausch ihrer in in guter Ordnung befundenen Vollmachten über nachfolgende Vertragsbestimmungen übereingekommen sind.

Artikel 1. Zwischen Seiner Majestät dem König von Preußen und Seiner Majestät dem Könige von Bayern, deren Erben und Nachfolgern, deren Staaten und Unterthanen, soll fortan Friede und Freundschaft auf ewige Zeiten bestehen.

Artikel II. Seine Majestät der König von Bayern verpflichtet sich Behufs Deckung eines Theils der für Preußen aus dem Kriege erwachsenden Kosten an Seine Majestät den König von Preußen die Summe von dreißig Millionen Gulden in Silberthalern oder Siberbarren zu bezahlen. Davon werden zehn Millionen bei Austausch der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrages unter Vergütigung eines Disconto auf zwei Monate nach dem Satze von 5. pCt. per Jahr, zehn Millionen Gulden innerhalb drei Monaten und zehn Millionen Gulden innerhalb sechs Monaten nach der Ratification gezahlt. Die letzten beiden Raten werden von Anfang der dritten Monats nach der Ratification an mit 5 pCt. verzinst.

Artikel III. Seine Majestät der König von Bayern leistet für die Bezahlung dieser Summe Garantie durch Hinterlegung von 6procentigen Bayerischen Staats-Kassen-Anweisungen beziehungsweise von Bayerischen oder Württembergischen Staats-Obligationen und Wechseln erster Häuser auf die Bank in Nürnberg, welche mit dem Giro der Königlichen Seehandlung versehen sind. Die 3 1/2 procentigen STaats-Obligationen werden dabei zum Course von 70 pCt., 4procentigen von 80 pCt., die 4 1/2 procentigen von 90 pCt., die 5procentigen von 95 pCt. berechnet.

Artikel IV. Nach erfolgtem Austausch der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrages wird das Königlich Preußische zweite Reserve-Corps den Rückmarsch aus Bayern antraten und mit thunlichster Beschleunigung das Bayerische Gebiet räumen. Unmittelbar nach geleisteter Garantie in Gemäßheit des Art. III oder nach erfolgter Zahlung der Kriegsentschädigung wird Seine Majestät der König von Preußen Seine sämmtlichen übrigen Truppen aus dem Bayerischen Gebiete zurückziehen, und dieselben werden dieses Gebiet mit möglichster Beschleunigung ganz verlassen. Die Verpflegung der Truppen bei ihrem Rückmarsch erfolgt nach dem bisherigen Bundes-Verpflegungs-Reglement.

Artikel V. Seine Majestät der König von Bayern erkennt die Bestimmungen des zwischen Preußen und Österreich zu Nikolsburg am 26. Juli 1866 abgeschlossenen Präliminar-Vertrages an und tritt denselben, soweit sie die Zukunft Deutschlands betreffen, auch Seinerseits bei.

Artikel VI. Die Auseinandersetzung der durch den früheren Deutschen Bund begründeten Eigenthumsverhältnisse bleibt besonderer Vereinbarung vorbehalten.

Artikel VII. Die hohen Contrahenten werden unmittelbar nach Abschluss des Friedens wegen Regelung der Zollvereins-Verhältnisse in Verhandlung treten. Einstweilen sollen der Zollvereinigungs-Vertrag vom 16. Mai 1865 und die mit ihm in Verbindung stehenden Vereinbarungen, welche durch den Ausbruch des Krieges außer Wirksamkeit gesetzt sind, vom Tage des Austausches der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrages an, mit der Maßgabe wieder in Kraft treten, daß jedem der hohen Contrahenten vorbehalten bleibt, dieselben nach einer Ankündigung von sechs Monaten außer Wirksamkeit treten zu lassen.

Artikel VIII. Alle übrigen zwischen den hohen vertragsschließenden Theilen vor dem Kriege abgeschlossenene Verträge und Übereinkünfte werden hiermit neuerdings in Kraft gesetzt.

Artikel IX. Die hohen Contrahenten werden unmittelbar nach Herstellung des Friedens in Deutschland der Zusammentritt von Commissarien zu dem Zwecke veranstalten lassen, um Normen zu vereinbaren, welche geeignet sind, den Personen- und Güterverkehr auf den Eisenbahnen möglichst zu fördern, namentlich die Concurrenz-Verhältnisse in angemessener Weise zu regeln und den allgemeinen Verkehrs-Interessen nachtheiligen Bestrebungen der einzelnen Verwaltungen entgegen zu treten. Indem die hohen Contrahenten darüber einverstanden sind, daß die Herstellung jeder im allgemeinen Interesse begründeten neuen Eisenbahnverbindung zuzulassen und so viel als thunlich zu fördern ist, werden Sie durch die vorbezeichneten Commissarien auch in dieser Beziehung die durch die allgemeinen Verkehrs-Interessen gebotenen Grundsätze aufstellen lassen.

Artikel X. Die hohen Contrahenten werden vom 1. Januar 1867 ab die Erhebung der Schifffahrts-Abgaben auf dem Rheine und zwar sowohl der Schiffsgebühr - Tarif B. zur Übereinkunft vom 31. März 1831 - als auch des Zolles von der Ladung - Zusatzartikel XVI. und XVII. zu der Übereinkunft vom 31. März 1831 - völlig einstellen, sofern die übrigen Deutschen Uferstaaten des Rheins gleichzeitig die gleiche Maßregel treffen.

Die hohen Contrahenten übernehmen dieselbe Verpflichtung bezüglich der noch bestehenden Schifffahrts-Abgaben auf dem Main.

Artikel XI. Die innerhalb des Gebietes des Norddeutschen Bundes und des Großherzogthums Hessen belegenen Bayerischen Telegraphen-Stationen gehen auf Preußen über. Die Zurückziehung der gedachten Stationen, sowie der Bayeriscen Telegraphen-Stationen in Mainz wird binnen längstens sechs Wochen vom Tage des Austausches der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrages erfolgen. Das Betriebsmaterial dieser Telegraphen bleibt Eigenthum Bayern.

Artikel XII. Die in dem Königlich Bayerischen Archive zu Bamberg befindlichen, im Wege commissarischer Verhandlung zu bezeichnenden Urkunden und sonstigen Archivalien, welche eine besondere und ausschließliche Beziehung auf die ehemaligen Burggrafen von Nürnberg und die Markgrafen von Brandenburg Fränkischer Linie haben, werden an Preußen ausgeliefert.

Artikel XIII. Da von Seiten Preußens Eigenthumsansprüche an die früher in Düsseldorf befindlich gewesene, später nach München gebrachte Gemälde-Gallerie erhoben worden sind, so wollen die hohen Contrahenten die Entscheidung über diese Ansprüche einem Schiedsgerichte unterwerfen. Zu diesem Behufe wird Bayern drei Deutsche Appellations-Gerichte namhaft machen, unter welchen Preußen dasjenigen bezeichnet, welches den Schiedsspruch zu fällen hat.

Artikel XIV. Nachdem zur Wahrung stategischer und Verkehrs-Interessen eine Grenzregulirung als erforderlich befunden worden ist, tritt Seine Majestät der König von Bayern das Bezirksamt Gersfeld und einen Bezirk um Orb nach anliegender Grenzbeschreibung (siehe unten) sowie die zwischen Sallfeld und dem Preußischen Landkreis Ziegenrück gelegene Enclave Caulsdorf an Seine Majestät den König von Preußen ab.

Die hohen Contrahenten werden sofort nach dem Austausch der Ratificationen des gegenwärtigen Vertrags Commissarien ernennen, welche die Regulirung der Grenze vorzunehmen haben. Die Übergabe der vorgenannten Landestheile erfolgt innerhalb vier Wochen nach der Ratification dieses Vertrages.

Artikel XV. Unmittelbar nach der Ratification dieses Vertrages wird alles weggeführte oder zurückbehaltene Material der Staats- und Privat-Eisenbahnen freigegeben und nöthigenfalls in Hof, Lichtenfels oder Aschaffenburg abgeliefert werden.

Artikel XVI. Alle Kriegsgefangenen werden innerhalb acht Tagen nach Auswechselung der Ratificationen gegenwärtigen Vertrages in Hof oder Aschaffenburg freigegeben und kostenfrei dahin befördert werden.

Bei Kranken oder Verwundeten erfolgt diese Freilassung, sobald sie genesen sind.

Zur Übergabe und Übernahme werden beiderseits Officiere in Hof und Aschaffenburg, so lange nöthig, stationirt werden.

Artikel XVII. Die aus der Bruderschaftskasse in Kissingen, einem Unterstützungs-Verein armer Salinenarbeiter, durch die Königlich Preußischen Truppen entnommenen Obligationen im Betrage von 33,000 Fl. werden sofort an die Königlich Bayerische Regierung zurückgegeben oder ersetzt werden.

Artikel XVIII. Die Ratification des gegenwärtigen Vertrages erfolgt spätestens binnen zwölf Tagen von heute an, und es wird für diese Zeit der Waffenstillstand und die Geltung der verabredeten Demarcations-Linie verlängert.

    Zu Urkund dessen haben die Eingangs genannten Bevollmächtigten diesen Vertrag in doppelter Ausfertigung am heutigen Tage mit ihrer Namens-Unterschrift und mit ihrem Siegel versehen.

    So geschehen Berlin, den zwei und zwanzigsten August Eintausend achthundert sechs und sechszig.

v. Bismarck.              Freiherr v. d. Pfordten.
Savigny.                    Graf v. Bray-Steinburg.
 

Anlage
zum
Artikel XIV. des zwischen Preußen und Bayern abgeschlossenen Friedens-Vertrages vom 22. August 1866.

Von Bayern abzutretende Gebietstheile.
 

 

Einwohner nach Volkszählung
December 1865

I. Bezirksamt Gersfeld

23,361

II. Landgericht Orb ohne Aura

  9,109

 

32,470


ad. I. Grenzlinie des in Unter-Franken am Nord-Westabhang der Röhn abzutretenden Gebietstheiles.

Die Nord-Ost- und Westgrenzen dieses Gebiets fallen vom Attenhof bis zum Quezenberg mit der bisherigen Bayerischen Landesgrenze zusammen.

Die Süd-Ost- und Südgrenze des Territoriums werden durch die Grenzlinie des bisherigen Bayerischen Bezirksamts Gersfeld gebildet. Dieses zieht vom Querenberg an, über den Stürnberg und vom Nord- und Westfuße des heidelstein bis zum Himmeldankberg über die hohe Röhn und von hier westlich über den Eyerhack und Rabensteinberg, den Dammersfeld-Kuppenrain, die Dallherda-Kuppe zum Schluppberg längs des Nordrandes des Schluppwaldes zum Döllenbach, und schließt an dessen rechtem Ufer aufwärts laufend an die Bayerische Landesgrenze an.

ad. II. Grenzlinie des im Orber-Reisig in Unter-Franken abzutretenden Gebeitstheiles.

Die Nord-West- und Südgrenze des Territoriums fallen mit der bisherigen Bayerischen Landesgrenze zusammen. Die Ostgrenze wird durch die Ostgrenzen der Gemeinden Mernes, Burgjoss (mit Ausnahme des Weilers Deutelbach), Oberndorf und Pfaffenhausen gebildet, so dass die Osthälfte des Forstbezirks Burgjoss auf Bayerischen Seite verbleibt.

Die neue Landesgrenze beginnt daher an der Grenze des Josswaldes nordöstlich von Rosskopf, zieht über den Königsberg und Schönberg in den Auragrund, nördlich desselben über den Steiniger-, Hanauer- und Stamigerberg und erreicht südlich von Stackenberg die frühere Landesgrenze.

v. Bismarck.                   Frhr. v. d. Pfordten.
Savigny.                    Graf v. Bray-Steinburg.
 


Quellen: Archiv des Norddeutschen Bundes; Sammlung aller Gesetze, Verträge und Actenstücke, die Verhältnisse des Norddeutschen Bundes betreffend, I. Band, Berlin 1867, S. 44
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