Gesetz zur vorläufigen Ordnung der Niedersächsischen Landesgewalt

vom 11. Februar 1947

geändert durch
Gesetz vom 16. Dezember 1947
Gesetz vom 25. Juni 1948
Gesetz vom 21. November 1948
Gesetz vom 15. Juni 1949
Gesetz vom 10. März 1950
Gesetz vom 25. September 1950

Durch die Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13. April 1951 wurde dieses Gesetz mit Wirkung vom 30. April 1951aufgehoben.

Der Niedersächsische Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Gebietsbeauftragten für das Land Niedersachsen verkündet wird.

§ 1. (1) Der Landtag beschließt die Landesgesetze und überwacht ihre Ausführung.

(2) Allgemeinverbindliche Anordnungen der Landesgewalt, durch die Rechte und Pflichten begründet, geändert oder aufgehoben werden, bedürfen der Form eines Landesgesetzes. Das gleiche gilt für die Feststellung des Haushaltsplanes und für die Beschaffung von Geldmitteln im Wege des Kredits sowie für die Übernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten des Landes.

(3) Staatsverträge, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung des Landtages in Form eines Landesgesetzes.

(4) Die Gesetzesvorlagen werden von dem Ministerpräsidenten namens des Staatsministeriums oder aus der Mitte des Landtages eingebracht.

§ 2. Auf den Landtag finden die Artikel 21, 26, 28, 30, 32, 34 und 36 bis 38 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 entsprechende Anwendung.

§ 3. Der Landtag verhandelt öffentlich. Auf Antrag des Staatsministeriums oder von zehn Abgeordneten kann der Landtag mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten die Öffentlichkeit ausschließen.

§ 4. (1) Der Landtag und seine Ausschüsse können das Erscheinen des Ministerpräsidenten und jedes Staatsministers verlangen.

(2) Der Ministerpräsident und die Staatsminister haben das Recht, an den Verhandlungen des Landtages und seiner Ausschüsse teilzunehmen und .dort jederzeit gehört zu werden; sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. Das gleiche gilt für die vorn Ministerpräsidenten oder den Staatsministern bestellten Beauftragten, sofern der Landtag oder seine Ausschüsse nicht widersprechen.

§ 5. (1) Die Staatsregierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Staatsministern. Sie führt die Geschäfte des Landes.

(2) Der Ministerpräsident und die Staatsminister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtages.

§ 6. (1) Der Ministerpräsident bestimmt im Rahmen der Gesetze die Richtlinien der Regierungspolitik und ist dafür dem Landtage verantwortlich.

(2) Er vertritt das Land nach außen.

(3) Er hat mit den zuständigen Staatsministern die Landesgesetze auszufertigen und binnen vierzehn Tagen im Gesetz- und Verordnungsblatt zu verkünden. Die Landesgesetze treten, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, mit dem auf die Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt folgenden vierzehnten Tage in Kraft.

§ 7. Innerhalb der vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Politik leitet jeder Staatsminister den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.

§ 8. Der Ministerpräsident bildet mit den Staatsministern das Staatsministerium, dessen Vorsitz er inne hat und dessen Geschäfte er leitet. Das Staatsministerium beschließt:
a) über die Geschäftsbereiche der Staatsminister,
b) über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Staatsminister berühren und über die bei den beteiligten Staatsministern keine Eini-gung zu erzielen ist,
c) über Gesetzesvorlagen, die dem Landtag unterbreitet werden sollen,
d) über Verordnungen zur Ausführung der Gesetze.

Der Ministerpräsident gibt bei Stimmengleichheit den Ausschlag.

§ 9. Das Staatsministerium ernennt und entläßt die Beamten. Es kann seine Befugnisse mit Ausnahme der Ernennung und Entlassung der leitenden Beamten der Staatsregierung auf den fachlich zuständigen Staatsminister übertragen, der sie mit Zustimmung des Staatsministeriums weiter übertragen kann.

Durch Gesetz vom 25. Juni 1948 wurde dem § 9 folgender Absatz angefügt:
"(2) Der Präsident des Niedersächsischen Landtages ernennt und entläßt die Beamten der Verwaltung des Landtages im Benehmen mit dem Ältestenrat."

§ 10. Soweit die Rechtsvorschriften der früheren Länder Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe weitergelten, gehen die Befugnisse der ehemaligen obersten Landesbehörden auf das Staatsministerium über. Entsprechendes gilt für die Befugnisse der ehemaligen obersten Reichsbehörden, soweit die Rechtsvorschriften des Reiches von dem Gebietsbeauftragten als Vertreter der Militärregierung oder auf Grund von Vorschriften der Militärregierung für wirksam erklärt und von den Organen der Landesgewalt anzuwenden sind.

Das Staatsministerium kann seine Befugnisse auf den fachlich zuständigen Staatsminister übertragen.

§ 11. (1) Die Rechtspflege wird durch unabhängige, nur den Gesetzen unterworfene Gerichte ausgeübt.

(2) Der Schutz gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden obliegt unabhängigen und nur dem Gesetz unterworfenen Verwaltungsgerichten.

§ 12. Das Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung durch den Präsidenten des Landtages in Kraft.

§ 13. Das Gesetz tritt, sofern es nicht vorher durch Gesetz aufgehoben wird, am 31. Dezember 1947 außer Kraft.

Durch Gesetz vom 16. Dezember 1947 wurde das Datum "31. Dezember 1947" ersetzt durch: "30. Juni 1948".

Durch Gesetz vom 25. Juni 1948 wurde das Datum "30. Juni 1948" ersetzt durch: "31. Dezember 1948".

Durch Gesetz vom 21. November 1948 wurde das Datum "31. Dezember 1948" ersetzt durch: "30. Juni 1949".

Durch Gesetz vom 15. Juni 1949 wurde das Datum "30. Juni 1949" faktisch ersetzt durch: "31. März 1950"; hier wurde der Wortlaut formal nicht verändert, aber die Geltungsdauer des Gesetzes verlängert bis zum 31. März 1950.

Durch Gesetz vom 10. März 1950 wurde das Datum "31. März 1950" ersetzt durch "30. September 1950".

Durch Gesetz vom 25. September 1950 wurde der § 13 aufgehoben.

    Hannover, den 11. Februar 1947.

Der Präsident des Niedersächsischen Landtages
Olfers

Der Bildung des Landes Niedersachsen aus den bisherigen deutschen Ländern Hannover (formalrechtlich preuß. Provinz, durch Verordnung vom 23. August 1946 zum Land erhoben, jedoch erst durch Auflösung Preußens durch Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 endgültig), Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe durch Verordnung Nr. 55 vom 1. November 1946 folgte am 20. April 1947 die erste Landtagswahl. Das vorstehende Gesetz wurde durch einen von der britischen Militärregierung ernannten Landtag erlassen.
 


Quelle: Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1947 S. 1
Wilhelm Wegener, Die neuen deutschen Verfassungen, West Verlag 1947
© 23. Juni 2001 / 8. Mai 2002
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