Grundgesetz des Königreiches Hannover

vom 26. September 1833

faktisch aufgehoben durch
Königliches Patent vom 1. November 1837.

WILHELM DER VIERTE, von Gottes Gnaden König des vereinigten Reichs Großbritannien und Irland etc., auch König von Hannover, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. etc.

Unter Bezugnahme auf Unser unter dem heutigen Tage erlassenes Patent wegen Publication eines Grundgesetzes für Unser Königreich Hannover bringen wir dieses Gesetz hiemit zur öffentlichen Kunde.

Erstes Capitel. Allgemeine Bestimmungen.

§ 1. Das Königreich Hannover bildet unter der Souverainetät des Königs ein in allen seinen Bestandtheilen durch dasselbe Grundgesetz verbundenes Ganzes.

Bestandtheile des Königreiches können nur unter Zustimmung der allgemeinen Stände abgetreten werden. Friedensschlüsse und Berichtigungen streitiger Grenzen begründen hievon eine Ausnahme.

§ 2. Das Königreich theilt in seiner Eigenschaft als Glied des teutschen Bundes alle aus diesem herfließenden Rechte und Verpflichtungen.

Die Beschlüsse der Bundesversammlung werden für das Königreich verbindlich, sobald sie vom Könige verkündigt sind. Die Mittel zur Erfüllung der hiedurch begründeten Verbindlichkeiten werden unter verfassungsmäßiger Mitwirkung der Stände bestimmt.

§ 3. Die Regierungsform des Königreiches ist die erblich-monarchische.

Der König ertheilt dem Lande die feierliche Zusicherung, in der Ausübung Seiner Königlichen Rechte die Rechte Seiner Unterthanen, die Rechte der Gemeinden und Körperschaften im Königreiche, die Rechte der Kirchen, die Rechte der Provinziallandschaften und der allgemeinen Ständeversammlung nach Maßgabe des gegenwärtigen Grundgesetzes ungeschmälert aufrecht zu erhalten und gegen alle Eingriffe zu schützen;
die Anordnung der Finanzen des Königreiches und seiner einzelnen Provinzen nicht ohne die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände zu treffen;
und bei der Einrichtung der Landesbehörden, so wie bei der Bestallung der Staatsdienerschaft dahin zu sehen, daß der öffentlichc Dienst in allen Zweigen jederzeit verfassungsmäßig verwaltet wird, und seinen ungehinderten Fortgang zum Besten des Landes hat.

§ 4. Der Sitz der obersten, dem Könige unmittelbar untergeordneten, Regierungsbehörde kann nicht außerhalb des Königreiches verlegt werden, dringende Nothfälle ausgenommen.

§ 5. Der König hat das Recht, bei längerer Abwesenheit eine Stellvertretung anzuordnen und deren Befugnisse zu bestimmen.

Würde die Stellvertretung Einer Person anvertraut; so kann dieselbe nur aus der Zahl der Agnaten. gewählt werden.

Es können jedoch keinem Stellvertreter ausgedehntere Rechte übertragen werden, als einem Regenten nach den Bestimmungen dieser Verfassungsurkunde zustehen.

Zweites Capitel. Vom Könige, von der Thronfolge und der Regentschaft.

§ 6. Der König, als Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich die gesammte Staatsgewalt, und übt sie auf verfassungsmäßige Weise aus.

Die Person des Königs ist heilig und unverletzlich.

§ 7. Der König vertritt das Königreich in allen Beziehungen zu dem teutschen Bunde, zu den einzelnen Bundesstaaten und in allen auswärtigen Verhältnissen. Er ordnet die Gesandtschaften und sonstigen Missionen an, schließt mit andern Mächten Verträge und erwirbt dadurch Rechte für das Königreich, so wie Er dasselbe auch zur Erfüllung der vertragsmäßigen Verbindlichkeiten und zwar für die Cap. 6. § 92. bezeichneten Fälle nach Maßgabe der daselbst getroffenen Bestimmungen verpflichtet.

§ 8. Ebenmäßig geht auch im Innern alle Regierungsgewalt von dem Könige aus, und wird durch die Landesbehörden, diese mögen unmittelbar bestellt seyn oder nicht, vermöge der vom Könige verliehenen Gewalt ausgeübt.

Kein Landesgesetz tritt in Gültigkeit, bevor es vom Könige verkündigt ist.

Dem Könige steht vermöge der Staatsgewalt die Kirchenhoheit zu (siehe Cap. 3. § 30. und Cap. 5.).

Die bewaffnete Macht und deren Einrichtung, so wie alle sie betreffende Anstellungen, Anordnungen und Befehle sind allein vom Könige abhängig.

§ 9. Die Gerichtsbarkeit geht vom Könige aus und wird durch die ordentlichen Gerichte des Landes geübt, über welche Demselben die Aufsicht zusteht. Der König verspricht, den Lauf der Rechtspflege nicht zu hemmen und Straferkenntnisse nicht zu schärfen, hat aber das Recht, Straferkenntnisse im Wege der Gnaden aufzuheben oder zu mildern, auch das Verfahren gegen den Beschuldigten einzustellen und niederzuschlagen.

§ 10. Der König verleiht Rang, Titel und Würden, und hat das Recht, Standeserhöhungen vorzunehmen.

§ 11. Die Krone des Königreiches Hannover vererbt ohne Theilung der Lande.

Sie gebührt zunächst dem Mannsstamme des Königlichen Hauses aus rechtmäßiger, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe. Die Ordnung der Thronfolge wird durch die Linealerbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bestimmt. Erlischt der Mannsstamm der jetzigen Königlichen Linie; so geht die Thronfolge nach Maßgabe der Hausgesetze auf den Mannsstamm der jetzigen Herzoglich Braunschweig-Wolfenbüttelschen Linie, und nach dessen Erlöschen auf die weibliche Linie über.

§ 12. Der König ist volljährig, sobald Er sein achtzehntes Lebensjahr vollendet hat.

§ 13. Der König wird den Antritt Seiner Regierung durch ein Patent zur öffentlichen Kunde bringen, worauf, nach den von Ihm für das ganze Land gleichmäßig zu ertheilenden Vorschriften, die Huldigung erfolgt.

Im Patente, welches in Urschrift unter des Königs Hand und Siegel demnächst im ständischen Archive niederzulegen ist, versichert der König bei Seinem Königlichen Worte die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfassung.

§ 14. Eine Regentschaft tritt ein, wenn der König entweder minderjährig, oder sonst an der eignen Ausübung der Regierung verhindert ist.

§ 15. Die Regentschaft gebührt dem nach der Reihe des Erbfolgerechts zunächst stehenden Agnaten, welcher das 18te Lebensjahr vollendet hat.

Sollte ein fähiger Agnat nicht vorhanden seyn, so geht die Regentschaft auf die Königin, Gemahlin des Königs, nach dieser auf die Mutter und endlich auf die Großmutter väterlicher Seite über; anderweite Vermählungen schließen dieselben jedoch von der Regentschaft aus.

§ 16. Wird die Regentschaft vom Könige selbst angeordnet; so steht dem Könige zu, einen regierungsfähigen Agnaten, und, wenn deren nicht vorhanden seyn sollten, oder wenn der König Gründe hätte, von dem Seinen Agnaten gebührenden Vorzuge abzuweichen, einen nicht regierenden Prinzen aus den zum teutschen Bunde gehörenden Fürstenhäusern zum Regenten zu ernennen, welcher Letztere wenigstens das 25ste Lebensjahr vollendet haben muß.

§ 17. Der König bestellt die Regentschaft entweder für Seine Person oder für den Thronfolger, auf den Fall, daß dieser zur Zeit des Anfalls der Krone minderjährig oder sonst verhindert wäre.

§ 18. Ermangelt es an einer solchen Anordnung; so tritt im Falle der Minderjährigkeit die gesetzliche Regentschaft von selbst ein. Bei anderer Verhinderung ist das Ministerium verpflichtet, entweder auf eignen Beschluß, oder auf einen Antrag der versammelten allgemeinen Stände des Königreichs, eine Zusammenkunft der Agnaten zu veranlassen. Zu dieser sind alle volljährigen Agnaten zu berufen, um, wenn mindestens drei derselben in Person, oder durch gehörig Bevollmächtigte erschienen sind, innerhalb drei Monaten auf erstattetes Gutachten des Ministern nach absoluter Stimmenmehrheit einen Beschluß darüber zu fassen, ob eine Regentschaft nothwendig sey.

Das zur Regentschaft stehende Mitglied des Hauses, und die weder in Person noch durch Bevollmächtigte erschienenen Agnaten haben keine Stimme.

§ 19. Überzeugt sich die Versammlung der Agnaten von der Nothwendigkeit einer Regentschaft; so wird dieser Beschluß durch das Ministerium den allgemeinen Ständen des Königreichs, welche von demselben außerordentlich berufen werden müssen, insofern sie nicht bereits versammelt sind, mitgetheilt, um ihre Zustimmung zu erklären.

§ 20. Sind keine Agnaten vorhanden, oder erscheinen dieselben nicht in gesetzlicher Zahl; so richtet das Ministerium, nach vorgängiger Untersuchung und Berichtserstattung an die Königin, einen Antrag an die allgemeinen Stände des Königreichs. Die Regentschaft tritt ein, wenn in Gemäßheit dieses Antrages die Stände die Nothwendigkeit derselben anerkennen.

§ 21. Ist in diesem Falle keine zur Regentschaft berechtigte Person vorhanden; so bestimmen die allgemeinen Stände des Königreiches, auf den Vorschlag des Ministern, unter den nicht regierenden Prinzen aus den zum teutschen Bunde gehörenden Fürstenhäusern den Regenten. Derselbe muß wenigstens das 25ste Lebensjahr vollendet haben, und seinen Aufenthalt im Königreich nehmen.

§ 22. Der Regent leistet bei Übernahme der Regentschaft im versammelten Ministerio in Gegenwart des Erblandmarschalls, der Präsidenten und Vicepräsidenten der allgemeinen Ständeversammlung, einen Eid auf die Aufrechterhaltung der Verfassung, und bringt hierauf den Eintritt der Regentschaft zur öffentlichen Kunde.

§ 23. Der Regent übt im Namen des Königs die volle Staatsgewalt, wie sie dem Könige selbst verfassungsmäßig zusteht.

Der Regent darf jedoch eine Schmälerung der verfassungsmäßigen Rechte des Königs, so wie eine Änderung in dem Grundsysteme und in den verfassungsmäßigen Rechten der allgemeinen Ständeversammlung überall nicht vornehmen noch gestatten.

Auch darf der Regent keine Standeserhöhungen vornehmen.

§ 24. Die Regentschaft hört auf, sobald der König das Alter der Volljährigkeit erreicht hat, oder das anderweite Hinderniß der eignen Verwaltung der Regierung gehoben ist.

§ 25. Die Erziehung des minderjährigen Königs gebührt, wenn der vorhergehende König deshalb keine andere Verfügung getroffen hat, der Mutter, und nach dieser der Großmutter von väterlicher Seite, sofern diese nicht anderweit vermählt sind, und in Ermangelung auch dieser, dem Regenten unter Beirath des Ministerii.

Auf gleiche Weise steht der Regent den zur Erziehung berechtigten Personen zur Seite, und hat, wenn deren Ansicht über die Wahl der Erzieher oder über den Erziehungsplan von den seinigen abweichen, die Entscheidung.

Die Aufsicht über die Person des durch Krankheit an der Ausübung der Regierung verhinderten Königs und die Sorge für denselben darf der Regent niemals übernehmen.

§ 26. Die innern Verhältnisse des Königlichen Hauses werden vom Könige als Oberhaupte der Familie durch Hausgesetze bestimmt. Es soll jedoch das vom Könige zu erlassende und den allgemeinen Ständen mitzutheilende Hausgesetz, insoweit dasselbe die Erbfolge angeht, nicht ohne Zustimmung der Stande abgeändert werden.

Drittes Capitel. Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen im Allgemeinen.

§ 27. Den vollen Genuß aller politischen und bürgerlichen Rechte im Königreiche kann nur ein Hannoverscher Unterthan haben.

Die Eigenschaft eines Hannoverschen Unterthans wird nach Maßgabe der Gesetze durch Geburt oder Aufnahme erworben, und dauert so lange, bis sie auf rechtliche Weise verloren wird.

Die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte können durch ein Straferkenntniß beschränkt werden.

§ 28. Alle Landeseinwohner sind gleichmäßig zum Kriegsdienste und zu Tragung der allgemeinen Staatslasten verpflichtet.

Zu diesen von allen Unterthanen nach gleichmäßigen Grundsätzen zu tragenden allgemeinen Staatslasten gehört auch die Unterhaltung des Heers ohne irgend eine hinsichtlich der Cavallerie oder anderer Waffengattungen Statt findende Ausnahme, einschließlich der Kriegerfuhren.

Für die bisherigen Befreiungen von dieser Staatslast erfolgt eine Entschädigung nicht.

Jedoch verbleibt denjenigen, welchen nach dem an die allgemeine Ständeversammlung erlassenen Königlichen Rescripte vom 18. Januar 1822 die Befreiung von der Einquartierung und Verpflegung zugesichert ist, welche aber nunmehr nach obigem Grundsatze zu dieser allgemeinen Staatslast gleichmäßig beizutragen haben, die Befugniß der Nichtannahme der ordinairen Naturaleinquartierung. Eben so soll es auch mit der Naturalleistung der ordinairen Kriegerfuhren gehalten werden.

Die nach dem oben genannten Rescripte außerdem noch bestehenden Realexemtionen von allgemeinen Staatslasten sollen zwar ebenfalls wegfallen, jedoch verbleibt den bisher Exemten das Recht, die künftig auf sie fallenden Naturalleistungen durch billige Geldbeiträge zu reluiren.

Die Vorrechte und Befreiungen von allgemeinen Staatslasten, welche den Mitgliedern der Königlichen Familie und den Standesherren zustehen, so wie die Ausnahmen, welche zu Gunsten der Königlichen und standesherrlichen Schlösser und Gärten und in Ansehung der Güter der Kirchen, Pfarren, Pfarrwitwenthümer, Schulen und Armenstiftungen bewilligt worden, sollen in der bisherigen Maße und wie sie durch die betreffen-den Gesetze bestimmt sind, bestehen bleiben.

Die Befreiungen vom Militairdienste sind von den Bestimmungen der Militairgesetze abhängig.

§ 29. Über die Lehnsverhältnisse und die zu gestattende Ablösbarkeit derselben soll ein besonderes Gesetz erlassen werden.

Durch dies Gesetz soll zugleich für eine zweckmäßige Erhaltung der größern Güter bei den Vasallenfamilien, so wie für Erleichterung der Stiftung von Majoraten und Fideicommissen gesorgt, auch über die Rechte der Agnaten und Exspectivirten und über die dem Heimfall nahe stehenden Lehne Bestimmung getroffen werden.

§ 30. Allen Landeseinwohnern gebührt völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit. Daher ist auch Jeder zu Religionsübungen mit den Seinigen in seinem Hause berechtigt.

Die Mitglieder der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte im Staate. vergl. Cap. 5. § 57.

Dem Könige gebührt das Recht, auch andere christliche Confessionen und Secten anzuerkennen. Den Anhängern solcher anerkannten christlichen Confessionen und Secten wird der Genuß bürgerlicher Rechte und der Privatgottesdienst gestattet. Ihre politischen Rechte hangen jederzeit von einem besondern Gesetze ab; zur öffentlichen Religionsübung ist die besondere Bewilligung des Königs erforderlich.

Die Rechtsverhältnisse der im Königreiche wohnhaften jüdischen Glaubensgenossen sollen durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden.

§ 31. Die Gerichte erster Instanz sind für alle Landeseinwohner dieselben.

Die von dieser Regel bestehenden Ausnahmen sollen durch ein baldigst zu erlassendes Gesetz,
hinsichtlich des persönlich befreieten Gerichtsstandes auf die höheren Königlichen Behörden, die Besitzer landtagsfähiger Rittergüter, den landsässigen Adel, die höheren Staatsdiener, die höhere Geistlichkeit, so wie die jetzt canzleisässigen Magistrate und Städte, und die Officiere, hinsichtlich des dinglichen Gerichtsstandes aber auf landtagsfähige Güter und die zu ihnen gehörenden Grundstücke beschränkt und alle übrigen Ausnahmen aufgehoben werden. Bis zu erfolgter Publication dieses Gesetzes besteht jedoch die jetzige Competenz der Gerichte ungeändert.

Auch die Aufhebung der verbleibenden Ausnahmen soll bei künftiger, derselben entsprechender Veränderung der Gerichtsverfassung erfolgen.

Bis zu anderweiter Bestimmung bleiben die für gewisse Sachen oder Classen von Unterthanen angeordneten Gerichte in ihrer bisherigen Wirksamkeit, und die Gerichte überhaupt in ihrer bisherigen Verfassung.

Wegen der Gerichtsbarkeit über die nicht regierenden Mitglieder des Königlichen Hauses werden durch ein Königliches Familienstatut die erforderlichen Bestimmungen getroffen.

§ 32. Die besondern Rechte der Standesherren, namentlich des Herzogs vom Aremberg, des Herzogs von Looz-Corswaaren, des Fürsten von Bentheim, so wie der Grafen zu Stolberg-Wernigerode und Stolberg, sind durch Verordnungen und landesherrliche Zusicherungen festgestellt.

§ 33. Die Freiheit der Person und des Eigenthums unterliegt keiner andern Beschränkung, als welche das Recht und die Gesetze bestimmen.

Allgemeine Confiscation des Vermögens ist unzulässig.

§ 34. Niemand darf verfolgt und verhaftet werden, als in den durch das Gesetz bestimmten Facllen und in der gesetzlichen Form. Bis zur Erlassung der desfallsigen Gesetze behält es bei den bisherigen Vorschriften sein Bewenden.

Der Verhaftete muß binnen 24 Stunden verhört und über die Ursache seiner Verhaftung im Allgemeinen in Kenntniß gesetzt werden.

Kein Unterthan darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden, außer in den von den Gesetzen im Voraus bestimmten Fällen, oder wenn der König aus besondern Gründen, auf den Bericht des Gesammtministerii, die Competenz auf eine andere ordentliche Gerichtsbehörde zu übertragen nöthig findet.

Das Verfahren bei Störung der öffentlichen Ruhe soll durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden.

§ 35. Die Staatsverwaltung hat keinen Anspruch an das Eigenthum und die Gerechtsame von Einzelnen oder Corporationen, als aus allgemeinen Gesetzen oder besondern Privatrechtstiteln. Ausnahmsweise kann dieselbe jedoch gegen vorhergehende vollständige Entschädigung die Abtretung von Eigenthum oder Gerechtsamen zu Staats- oder andern öffentlichen Zwecken verlangen, wenn entweder eine dringende Nothwendigkeit solches erheischt, oder wenn ausdrückliche Gesetze zu Zwecken des gemeinen Nutzens ihr dazu die Befugniß geben.

§ 36. Die Frage, ob die Abtretung geschehen soll, wird nach vorgängiger Vernehmung aller Betheiligten von der betreffenden obern Verwaltungsbehörde entschieden.

Den Betheiligten steht jedoch wider die Entscheidung binnen gesetzlicher, oder in deren Ermangelung achtwöchiger Frist der Recurs an das Ministerium zu, welches über denselben unter Zuziehung des Geheimenrathscollegii entscheidet.

Der Betrag der Entschädigung wird, unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften über dessen Bestimmung, von der Verwaltungsbehörde festgesetzt. Will sich der Betheiligte bei deren Beschlüssen nicht beruhigen, und kann eine Vereinbarung nicht bewirkt werden; so ist die Sache im ordentlichen Rechtswege zu erledigen; es kann aber der zur Entschädigung Berechtigte bei Abtretung des Seinigen sofort die Überweisung der von der Verwaltungsbehörde ausgemittelten Entschädigung fordern.

Ist aber unwiederbringlicher Nachtheil mit dem Verzuge verbunden; so entscheidet die höchste zur Stelle befindliche Verwaltungsbehörde über die Abtretung. In diesem Falle hält der Recurs das Verfahren nicht auf, und folgt die Entschädigung ausnahmsweise innerhalb möglichst kurzer Frist nach.

§ 37. Jedem, der sich von einer Verwaltungsbehörde durch Überschreitung ihrer Befugnisse in seinem wohlerworbenen Rechte verletzt erachtet, steht nach den nachfolgenden Bestim-mungen der ordentliche Gerichtsgang offen.

Ist die Verletzung durch einen Staatsvertrag oder durch ein verfassungsmäßig erlassenes Gesetz bewirkt; so kann dieselbe nicht zum Gegenstande eines Rechtsanspruches gegen den Staat oder gegen Verwaltungsbehörden gemacht werden.

Vielmehr kann nur die unrichtige oder unbefugte Anwen-dung von Staatsvertraegen oder Gesetzen einen Rechtsanspruch begründen, sobald in einer Überschreitung der Befugnisse der Behörden außerdem die Erfordernisse einer Entschädigungsverbindlichkeit nach gemeinrechtlichen Grundsätzen anzutreffen sind.

Die Gerichte können in solchen Fällen die einstweilige Ausführung von Verfügungen der Verwaltungsbehörden nicht hemmen, und dürfen eine gegen solche Verfügungen gerichtete Klage nur dann annehmen, wenn von dem Kläger zuvor nachgewiesen ist, daß er bei der vorgesetzten höhern oder höchsten Verwaltungsbehörde bereits Hülfe gesucht, und solche innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht gefunden habe.

Wiederaufhebung von Verfügungen der Verwaltungsbehörden durch richterlichen Spruch kann nur in dem Falle Statt finden, wenn auf verfassungsmäßigem Wege (s. Cap. 8. § 156) entschieden ist, daß eine in Frage befangene Angelegenheit zur Competenz der Verwaltungsbehörde nicht erwachsen gewesen sey.

§ 38. Wenn Ansprüche aus einem wohlerworbenen Privatrechte gegen den Fiscus, sowohl des Königs als des Staats, oder von demselben geltend gemacht werden sollen, gehört die Verhandlung und Entscheidung der hieraus entstehenden Rechtsstreitigkeiten auf gleiche Weise, wie andere Privatrechtssachen, zur Competenz der ordentlichen Gerichte, und zwar, soweit dies nach bisherigen Gesetzen noch nicht der Fall gewesen, rücksichtlich der nach dem Tage der Publication des Staatsgrundgesetzes entstehenden Forderungen.

Die Vollziehung des gerichtlichen Erkenntnisses findet gegen die in demselben bezeichnete Behörde oder Casse Statt.

§ 39. Den Unterthanen steht das Recht zu, in angemessener Form und auf gesetzliche Weise Bitten an den König, an die allgemeine Ständeversammlung, so wie an die Landesbehörden zu bringen.

Auch hat Jeder das Recht, in seiner Angelegenheit über gesetz- und ordnungswidriges Verfahren einer Behörde oder über verzögerte Entscheidung bei der unmittelbar vorgesetzten Behörde Beschwerde zu führen und diese bis zur höchsten Behörde zu verfolgen.

Mehrere Gemeinden oder Corporationen dürfen über Angelegenheiten, in Ansehung deren sie nicht ohnehin in einem verfassungsmäßigen Verbande mit einander stehen, keine gemeinschaftlichen Gesuche übergeben.

§ 40. Die Freiheit der Presse soll unter Beobachtung der gegen deren Mißbrauch zu erlassenden Gesetze und der Bestimmungen des teutschen Bundes Statt finden.

Bis zur Erlassung dieser Gesetze bleiben die bisherigen Vorschriften in Kraft.

§ 41. Jedem Landeseinwohner steht das Recht zu, unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften über die Militairpflicht auszuwandern.

Viertes Capitel. Von den Gemeinden und Körperschaften.

§ 42. Jeder Landeseinwohner muß in Beziehung auf die öffentlichen Verhältnisse einer Gemeinde oder einem Verbande mehrerer Gemeinden des Königreichs angehören und zu deren Lasten, bis auf die unten vorbehaltenen persönlichen Ausnahmen, verhältnißmäßig beitragen. Nicht minder soll jedes Gut, Haus oder Grundstück einer Gemeinde zugerechnet werden.

§ 43. Exemtionen von Gemeindelasten sollen nicht ferner Statt finden. Rechtlich bestehende Exemtionen können gegen vorgängig auszumittelnde Entschädigung aufgehoben werden.

Gleichzeitig mit Aufhebung der Exemtionen ist auch die derselben entprechende Regulirung des Gemeindewesens in den betreffenden Gemeinden vorzunehmen. Bei Ausmittelung der Entschädigung soll zu Gunsten der zu deren Leistung Verpflichteten auf die Beschaffenheit und den Zweck der zu übernehmenden Last, so wie auf deren in neuerer Zeit durch polizeiliche Einrichtungen etwa eingetretene Vermehrung billige Rücksicht genommen werden. Auch sind dabei die von den Befreiten zu Gunsten der Gemeinde getragenen Lasten nebst den in Rücksicht auf eine getragene Last von den dazu Verpflichteten genossenen Vortheilen zur Ausgleichung zu bringen. Die zu weiterer Ausbildung dieser Vorschriften erforderlichen Bestimmungen über die Grundsätze und das Maaß der Entschädigung, so wie über diejenigen Verhältnisse, bei welchen ausnahmsweise eine Exemtion auch ohne Entschädigung abgestellt werden kann, bleiben der provinziellen Gesetzgebung vorbehalten. Imgleichen sollen diejenigen Fälle, in denen ein persönliches Recht auf Befreiung von Gemeindelasten aufrecht zu erhalten seyn möchte, gesetzlich bestimmt werden.

§ 44. Die Bildung neuer Gemeindeverbände, so wie die Zusammenlegung oder Abänderung bestehender, kann, nach vorgängiger Vernehmung der Betheiligten, unter steter Berücksichtigung ihrer besondern Interessen und der Provinzialverhältnisse erfolgen.

§ 45. Die bisher keiner Gemeinde angehörigen Domainen, Güter und Besitzungen sollen auf eine den Provinzial- und Localverhältnissen angemessene Weise in einen bereits vorhandenen oder neu zu bildenden Gemeindeverband eingeschlossen werden.

Bis ein solcher Anschluß erfolgt ist, wird, in deren Beziehungen zu den Gemeinden, durch vorstehende Bestimmungen nichts verändert.

Insofern Lage und Verhältnisse die Vereinigung einer Domaine oder eines Guts mit einer Gemeinde nicht angemessen erscheinen lassen, kann eine solche Domaine, oder ein solches Gut eine abgesonderte Gemeinde bilden.

§ 46. Die Art und Weise, wie die in einen Gemeindeverband eintretenden Grundbesitzer an den Gemeindeangelegenheiten Theil zu nehmen und zu den Gemeindelasten beizutragen haben, so wie die vorgängige angemessene Entschädigung der von solchen Lasten bisher rechtlich befreit Gewesenen, soll durch gütliche Vereinbarung zwischen den Gemeinden und den neu Eintretenden unter Leitung der Regierungsbehörde oder der von ihr zu ernennenden Commissarien, in Ermangelung einer solchen Übereinkunft aber, unter Berücksichtigung der gegenseitigen Verhältnisse, nach folgenden Grundsätzen festgesetzt werden:
1) Die Vereinigung soll sich allein auf die öffentlichen, nicht aber auf die privatrechtlichen Verhältnisse der Gemeinde beziehen, sofern nicht von beiden Theilen eine Vereinigung auch in der letztem Rücksicht gewünscht wird.
2) Das Beitragsverhältniß der Eintretenden zu den Gemeindelasten, soll nach Maaßgabe des, den Eintretenden zu Statten kommenden, Antheils an den diesen Lasten zum Grunde liegenden Zwecken festgestellt werden.
Die Naturalleistungen der neu Eintretenden können mit Geld reluirt werden, mit Ausnahme der Fälle, wo Gefahr im Verzuge ist, und der Lasten, welche von den Eintretenden schon vorher in natura zu leisten waren.
Liegen den Eintretenden Lasten ob, welche zum Nutzen der Gemeinden gereichen, in welche sie eintreten; so ist rücksichtlich solcher Lasten eine Ausgleichung zu bewirken.
3) Den Eintretenden soll ein, der Concurrenz zu den Lasten der Gemeinden, ihrem Interesse an den Gemeindeangelegenheiten, und ihren Verhältnissen zu anderen Mitgliedern der Gemeinden entsprechendes, Stimmrecht beigelegt werden. Auch sollen die Besitzer ganzer Güter befugt seyn, solches durch Bevollmächtigte auszuüben.

§ 47. Die Aufnahme neuer Mitglieder in eine Gemeinde, welche nicht aus einem in den bestehenden oder noch zu erlassenden Gesetzen bestimmten Grunde ein Recht darauf haben, so wie die Zulassung neuer An- und Abbauer, hangt, unter Vorbehalt des Recurses an die Vorgesetzte Regierungsbehörde, von der Gemeinde, in welche sie eintreten sollen, ab.

§ 48. Das Vermögen und Einkommen der Gemeinden und ihrer Anstalten, so wie der Corporationen, darf nie als Staatsvermögen behandelt oder zu den Staatseinnahmen geschlagen werden, so wie auch ihre Verbindlichkeiten den Staat nicht verpflichten.

§ 49. Keine Gemeinde kann mit Leistungen oder Ausgaben beschwert werden, wozu sie nicht durch Gesetze oder andere Rechtstitel verbunden ist. Dasselbe gilt von mehreren in einem Verbande stehenden Gemeinden.

§ 50. Ausgaben und Lasten, welche für die Zwecke und Bedürfnisse von Gemeinden oder Verbänden mehrerer Gemeinden erforderlich sind, müssen von den Mitgliedern der Gemeinden oder Verbände verhältnißmäßig getragen werden, und sollen daher, wenn Einzelne zur Bestreitung einer solchen Ausgabe oder Last nach besondern Rechtsverhältnissen bisher allein oder vorzugsweise verbunden waren, auf deren Antrag, insoweit die Verhältnisse nach dem Urtheile der vorgesetzten Regierungsbehörde solches gestatten, gegen eine von ihnen zu leistende angemessene Entschädigung abgenommen oder bei Übernahme anderer Gemeindelasten angerechnet werden.

§ 51. Die Oberaufsicht der Regierungsbehörde auf die Vermögensverwaltung aller Gemeinden, so wie auf die Vertheilung und Verwendung der Gemeindeabgaben darf sich nicht weiter erstrecken, als dahin, daß das Vermögen erhalten, dessen Einkünfte ihrer Bestimmung gemäß verwandt und bei Anordnung und Vertheilung der Gemeindeabgaben angemessene, auch die Rechte der übrigen Landeseinwohner und das allgemeine Wohl nicht verletzende Grundsätze befolget werden. Auch steht der Regierungsbehörde die Entscheidung von Beschwerden zu, die gegen die Gemeindeverwaltung erhoben werden möchten.

§ 52. Den städtischen Obrigkeiten und deren Mitgliedern, wie auch den Beamten der Landgemeinden, liegt außer der Verwaltung der Gemeindesachen, auch die Besorgung der ihnen durch Gesetz, Verfassung oder Herkommen, oder von den höheren Behörden übertragenen Landesangelegenheiten in ihrer Gemeinde ob.

§ 53. Die Verfassung und Verwaltung in den Städten des Königreiches soll nach vorgängiger Verhandlung mit denselben durch öffentlich bekannt zu machende, vom Könige oder dessen Stellvertreter zu vollziehende Urkunden geordnet werden.

Bei diesen Urkunden sollen folgende Grundsätze zur Anwendung kommen:
1) Die Bürgerschaften ernennen durch freie Wahl ihre Vertreter, welche nicht auf Lebenszeit gewählt werden können.
Die Städte haben das Recht, ihre Magistrate und übrigen Gemeindebeamten selbst zu wählen. An den Wahlen nehmen die Bürgerschaften mit den Magistraten, erstere durch ihre Vertreter Theil.
2) Die höhere Bestätigung ist nur bei den Wahlen der stimmführenden Mitglieder des Magistrats und des Stadtgerichts erforderlich.
3) Die Vertreter der Bürgerschaften nehmen Theil an den Angelegenheiten, welche das Gemeinwesen der Stadt, deren Vermögen, Rechte und Verbindlichkeiten betreffen, namentlich auch an der Veranlagung und Vertheilung der Communalabgaben, Lasten und Leistungen.
4) Die Verwaltung des städtischen Vermögens und die Rechnungsablage über dieselbe ist ihrer Controle unterworfen.
5) Gemeinschaftliche Beschlüsse des Magistrats und der Vertreter der Bürgerschaft über die Verwendung der laufen-den Einnahme des Gemeindevermögens bedürfen der höhern Genehmigung nicht; jedoch hat der Magistrat zu Anfang eines jeden Rechnungsjahrs einen von den Vertretern der Bürgerschaft genehmigten Haushaltsplan, so wie nach Ablauf des Rechnungsjahrs einen Auszug der von den Vertretern der Bürgerschaft abgenommenen städtischen Rechnungen der Bürgerschaft bekannt zu machen, und der die Oberaufsicht führenden Regierungsbehörde einzusenden, welche die Vorlegung der vollständigen Rechnungen verfügen kann.
6) Der Magistrat ist in allen städtischen Gemeindeangelegenheiten die einzige ausführende und verwaltende Behörde; inzwischen hat, was die Ausübung der Polizei betrifft, die Regierung das Recht, unter den Mitgliedern des Magistrats die Person zu bezeichnen, welche die städtische Polizei zu besorgen hat, auch, wo besondere Umstände solches erforderlich machen, eine eigene Polizeibehörde anzuordnen.

Das Armenwesen kann nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse einer eigenen Verwaltung übertragen werden.

Es soll jedoch in den Fällen, wo die Verwaltung der Polizei nicht dem gesammten Magistrate verbleibt oder übertragen wird, der Geschäftskreis der städtischen Polizei in den einzelnen Städten durch Verhandlung mit denselben genau festgestellt, und dabei der Grundsatz befolgt werden, daß dem Magistrate die Besorgung alles desjenigen verbleibt, was die Gewerbsverhältnisse, die Einrichtung, und Beaufsichtigung der städtischen Güter und Anstalten, so wie der für gemeinsame städtische Zwecke bestimmten Privatanstalten zum Gegenstande hat.

Schon bestehende Verfassungsurkunden einzelner Städte, welche den Befugnissen der Bürgerschaft, ihrer Vertreter und Obrigkeit engere Grenzen setzen, sollen revidirt und unter Berücksichtigung der Loacalverhältnisse, so wie unter Zuziehung von Vertretern der Bürgerschaft, mit den vorstehenden allgemeinen Grundsätzen in Übereinstimmung gebracht werden.

Diese. Grundsätze finden auch auf die Verfassung der Flecken unter den, durch die Verhältnisse gebotenen, Beschränkungen und Ausnahmen ihre Anwendung.

§ 54. Den Landgemeinden steht unter obrigkeitlicher Aufsicht (vergl. § 51) die eigene Verwaltung ihres Vermögens, die Regulirung ihrer übrigen innern Gemeindeverhältnisse und der ihnen obliegenden Gemeindeabgaben und Leistungen, so wie eine Theilnahme an der Handhabung ihrer Flur- und Feldmarkspolizei zu.

Das Recht der Wahl ihrer Vertreter steht den Gemeinden jederzeit zu, jedoch sind selbige nicht auf Lebenszeit zu wählen.

Auch sollen die Landgemeinden in der Regel das Recht haben, ihre Gemeindebeamte, unter Vorbehalt obrigkeitlicher Bestätigung, zu wählen.

Ausnahmen von dieser Regel können sowohl auf den Grund bestehender Berechtigungen, als besonderer Verhältnisse in den Gemeinden Statt finden.

§ 55. In den Fällen, wo Ausgaben verfassungsmäßig von einem Verbande mehrerer Gemeinden gemeinschaftlich getragen und aufgebracht werden müssen, sollen zur Prüfung der Ausgaben selbst, so wie zur Feststellung der Repartition derselben, gewählte, oder sonst berechtigte Mitglieder des Verbandes zugezogen, und diesen demnächst auch über die Aufbringung und Verwendung Rechnung abgelegt werden. Die nähere Einrichtung dieser Verbände soll nach Verschiedenheit der Provinzen gesetzlich regulirt werden.

§ 56. Die in den verschiedenen Provinzen des Königreichs bestehenden ritterschaftlichen Corporationen behalten ihre statutenmäßigen Rechte, sofern letztere nicht durch das gegenwärtige Grundgesetz aufgehoben werden.

Namentlich bleibt ihnen die Befugniß, provinzielle Vereine, behuf Erhaltung ihrer Güter zu errichten.

Fünftes Capitel. Von den Verhältnissen der evangelischen und römisch-katholischen Kirche zum Staate, von den Unterrichtsanstalten, so wie von den zu wohltätigen Zwecken bestimmten Fonds.

§ 57. Den Mitgliedern der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche wird freie öffentliche Religionsübung zugesichert.

§ 58. Dem Könige gebührt über beide Kirchen das in der Kirchenhoheit begriffene Schutz- und Oberaufsichtsrecht.

§ 59. Die Anordnung der innern geistlichen Angelegenheiten bleibt der, in der Verfassung jeder dieser Kirchen gegründeten, Kirchengewalt überlassen.

§ 60. In der evangelischen Kirche werden die Rechte der Kirchengewalt vom Könige, und zwar durch Consistorial- oder Presbyterialbehörden, zusammengesetzt aus evangelischen Geistlichen und weltlichen Personen, unter der Aufsicht des Ministerii, so wie unter Aufrechterhaltung der den Gemeinden und Einzelnen zustehenden Rechte ausgeübt.

Sollen für das Königreich oder ganze Landestheile neue Kirchenordnungen erlassen, oder in wesentlichen Grundsätzen derselben, und namentlich der Liturgie, Veränderungen gemacht werden; so ist darüber mit einer vom Könige zusammen zu berufenden Versammlung von geistlichen und weltlichen Personen, welche theils vom Könige bestimmt, theils von den Geistlichen und Gemeinden in den betreffenden Landestheilen auf die sodann gesetzlich anzuordnende Weise gewählt werden, zu berathen.

Die künftige Einrichtung und der Geschäftskreis der Consistorial- und Presbyterialbehörden, den Umfang der Aufsichtsrechte des Ministerii, die Einführung und Ausbildung von Synoden und Kirchenvorständen, so wie die Art der Ausübung der, den Gemeinden und Einzelnen zustehenden, Rechte bleibt weiteren Bestimmungen vorbehalten, und sollen bei Bestimmung des künftigen Geschäftskreises der Consistorialbehörden zugleich in Rücksicht der Überweisung der von ihnen bisher ausgeübten streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit an die weltlichen Gerichte die erforderlichen Anordnungen erfolgen.

§ 61. Sollte der Fall eintreten, daß der König oder der Regent sich nicht zur evangelischen Kirche bekennte; so geht die Ausübung der Rechte der Kirchengewalt einstweilen auf die evangelischen Mitglieder des Gesammtministerii über, und soll zur Sicherstellung des Rechtszustandes der evangelischen Kirche über die Art und Weise der Ausübung der Kirchengewalt in derselben mit Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung das Nöthige verordnet werden.

§ 62. In der römisch-katholischen Kirche gebührt den Bischöfen oder Administratoren der Diöcesen Hildesheim und Osnabrück die Ausübung der Rechte der Kirchengewalt, gemäß der Verfassung dieser Kirche.

Die Rechte der Kirchenhoheit, zu denen auch die Oberaufsicht über die zunächst unter dem Bischofe oder den Diöcesan-Administratoren stehende, und nach den Bestimmungen des § 69 auszuübende Verwaltung des Vermögens der römisch-katholischen Kirchen und kirchlichen Stiftungen gehört, werden vom Könige oder dessen Ministerio unmittelbar, oder durch die römisch-katholischen Consistorien ausgeübt.

§ 63. Alle allgemeine Anordnungen der römisch-katholischen Kirchenbehörden bedürfen der Einsicht des Ministerii, und sollen ohne dessen Genehmigung nicht verkündigt oder vollzogen werden. Betreffen sie reine Glaubens- oder kirchliche Lehr- und Disciplinarsachen; so soll deren Bekanntmachung nicht gehindert werden, sobald nur das Ministerium durch genommene Einsicht sich davon überzeugt hat, daß deren Inhalt für den Staat unnachtheilig ist.

§ 64. Alle amtliche Communicationen mit dem päpstlichen Stuhle, mit auswärtigen Kirchenversammlungen oder Kirchenobern müssen dem Ministerio zur Einsicht vorgelegt werden, und deren Beschlüsse, Erlasse, Bullen, Breven, Rescripte und sonstige Schreiben an die römisch-katholische Kirche im Königreiche, an ganze Gemeinden oder einzelne Landeseinwohner, bedürfen vor ihrer Verkündigung oder Insinuation des landesherrlichen Placet. Dieses soll nicht verweigert werden, wenn sie von der am Schlusse des vorhergehenden Paragraphen angegebenen Beschaffenheit sind.

Ausgenommen von der Bestimmung dieses § sind allein die Communicationen in Gewissenssachen einzelner Personen.

§ 65. Das Ministerium ist verpflichtet, Mißbräuche oder Überschreitungen der Kirchengewalt zu verhüten, und dieselben von Amtswegen, oder auf an dasselbe eingegangene Recurse abzustellen.

Beschwerden gegen untergeordnete Kirchendiener müssen jedoch zunächst an die Kirchenobern im Königreiche gebracht werden, können aber, wenn keine Abhülfe erfolgt, an das Ministerium gelangen.

§ 66. Die Prediger und andere höhere Kirchendiener der evangelischen wie der römisch-katholischen Kirche, deren Ernennung vom Könige oder dessen Behörden nicht unmittelbar erfolgt, sondern welche von Dritten ernannt oder präsentirt werden, bedürfen der Bestätigung des Königs oder der dazu bestimmten Behörden desselben, und können, so lange sie diese nicht erhalten haben, weder die Amtsgeschäfte ausüben, noch haben sie ein Recht auf die Amtseinkünfte.

Die Entscheidung über die canonischen Eigenschaften des zu Bestätigenden gebührt allein der geistlichen Behörde.

Die Bestätigung darf ohne erhebliche Gründe nicht verweigert werden.

Sämmtliche Kirchendiener sind in ihren bürgerlichen Beziehungen und Handlungen, wie auch in Rücksicht ihres Vermögens, den Gesetzen des Staats unterworfen.

Der Staat gewährt ihnen jede zur ordnunungsmäßigen Verwaltung und Erfüllung ihrer Amtsobliegenheiten erforderliche Unterstützung, und schützt sie in der ihnen zukommenden Amtswürde.

§ 67. Die Entlassung der Kirchendiener von ihrem Amte und die Suspension vom Amte und zugleich vom Gehalte kann im Disciplinarverfahren nur geschehen, nachdem die kirchliche Behörde eine gehörige Untersuchung angestellt und den Kirchendiener mit seiner Vertheidigung hinreichend gehört hat.

Sie bedarf in Ansehung der Prediger und übrigen höhern Geistlichkeit der Bestätigung des Ministerii.

§ 68. Das jetzige und künftige Vermögen der einzelnen Kirchen, Kirchenämter, geistlichen und andern milden Stiftungen, Damenstifter und Klöster, Schulen und Armenanstalten, darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen gezogen, oder zu andern, als den gesetz- oder stiftungsmäßigen Zwecken verwandt werden.

Eine Abänderung der Stiftung kann von der Staatsgewalt nur nach vorgängiger Vernehmung der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten und nur dann vorgenommen werden, wenn der Zweck der Stiftung auf die vorgeschriebene Weise nicht mehr zu erreichen ist. Indeß muß das Vermögen unter thunlichster Berücksichtigung der Wünsche der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten zu gleichen oder möglichst ähnlichen Zwecken wieder verwandt werden.

Dabei bleiben jedoch die Bestimmungen des § 35 des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25sten Februar 1803 in Ansehung der in demselben bezeichneten Güter, insofern darüber eine endliche Verfügung noch nicht getroffen ist, ausdrücklich vorbehalten.

§ 69. Insofern die Verwalter des Vermögens der einzelnen Kirchen und der dazu gehörenden Stiftungen und Armenanstalten den bestehenden Einrichtungen gemäß nicht von der Kirchengemeinde gewählt werden, und diese an der Verwaltung einen größern Antheil nicht gehabt, sollen den Verwaltern dieses Vermögens in jeder Kirchengemeinde, nach den darüber zu erlassenden besondern Verfügungen, einige von der Kirchengemeinde zu erwählende Vorsteher, unter Mitwirkung der Pfarrgeistlichen, zur Seite stehen, welche zu allen wichtigen, auf die Verwaltung sich beziehenden Maßregeln bei Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens, wie auch der zur Dotation der Kirchenämter und der zu Pfarrwitwenthümern gehörenden Grundstücke oder Gerechtsame, ferner bei Werken, die zu kirchlichen oder geistlichen Zwecken unternommen, nicht weniger bei Leistungen, die zu solchen Zwecken ausgeschrieben werden, und endlich zu der Rechnungsablage zugezogen werden müssen.

In denjenigen Fällen, in welchen der Kirchenpatron die Ausgaben ausschließlich bestreitet, tritt die Bestimmung dieses § nicht ein.

§ 70. Für die Erhaltung und Vervollkommnung der Landesuniversität und der übrigen öffentlichen Unterrichtsanstalten jeder Art soll stets nach Kräften gesorgt werden.

Der Unterricht in den Volksschulen bleibt zunächst der Aufsicht der Prediger anvertraut.

§ 71. Das von den vormaligen Klöstern und andern ähnlichen Stiftungen in verschiedenen Theilen des Königreichs herrührende, zu einem abgesonderten Fonds vereinigte, Vermögen soll für immer von allen andern Staatscassen völlig getrennt bleiben, und allein zu den erforderlichen Zuschüssen behuf der Bedürfnisse der Landesuniversität, der Kirchen und Schulen und zu wohlthätigen Zwecken aller Art verwandt werden.

Die Verwaltung dieses Vermögens steht unter Leitung.des Ministerii, jedoch soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich eine Übersicht der Verwendungen aus demselben mitgetheilt werden. In Rücksicht der Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens finden alle diejenigen Vorschriften ihre volle Anwendung, die bei Veräußerungen von Domanialvermögen in der gegenwärtigen Verfassungsurkunde vorgeschrieben sind.

Sechstes Capitel. Von den Landständen.

§ 72. Für die einzelnen Provinzen des Königreichs sollen Provinziallandschaften, für das ganze Königreich aber eine allgemeine Ständeversammlung bestehen.

Erster Abschnitt. Von den Provinziallandschaften.

§ 73. Provinziallandschaften sollen bestehen
1) für die Fürstenthümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen nebst den vormals Hessischen Ämtern im Fürstenthume Göttingen und dem diesseitigen Eichsfelde,
2) für das Fürstenthum Lüneburg, mit Einschluß der diesseitigen Theile des Herzogthums Sachsen-Lauenburg,
3) für die Grafschaften Hoya und Diepholz, mit den vormals Hessischen Ämtern in diesen Provinzen,
4) für die Herzogthümer Bremen und Verden, mit dem Lande Hadeln,
5) für das Fürstenthum Osnabrück,
6) für das Fürstenthum Hildesheim nebst der Stadt Goslar,
7) für das Fürstenthum Ostfriesland und das Harlingerland.

§ 74. Wegen Einführung provinziallandschaftlicher Einrichtungen in denjenigen Landestheilen, wo solche noch nicht bestehen, so wie wegen angemessener Verbindung bisher getrennter Provinziallandschaften sollen, unter Mitwirkung von Abgeordneten der betreffenden Landestheile, Einleitungen getroffen werden.

§ 75. In sämmtlichen Provinziallandschaften sollen zwei Curien eingeführt werden, welchen gleiche Rechte und Befugnisse zustehen.

Die erste Curie soll bestehen aus den Prälaten, wo diesen eine Theilnahme an den Provinziallandtagen zusteht, und aus den Mitgliedern der Ritterschaft, deren Statuten revidirt und mit derselben festgestellt werden sollen.

Die zweite Curie soll in einem näher zu bestimmenden angemessenen Verhältnisse bestehen aus den Deputirten der mit Stimmrecht versehenen oder zu versehenden Städte und Flecken und der nicht zur Ritterschaft gehörigen Grundbesitzer.

In denjenigen Provinzen jedoch, wo die Städte in einer zweiten und die nicht zur Ritterschaft gehörigen Grundbesitzer in einer dritten Curie vertreten sind, sollen drei Curien fortbestehen, insofern nicht ein Anderes durch vorgängige Verhandlungen zwischen der Regierung und der betreffenden Landschaft festgesetzt wird.

§ 76. Auf den Provinziallandtagen sollen die vorkommenden Angelegenheiten und die zu machenden Anträge in voller Versammlung aller Stände vorgetragen und berathen, sodann aber soll, ohne eine nochmalige Berathung in den Curien auszuschließen, nach Curien abgestimmt und beschlossen werden.

§ 77. Die fernere innere Organisation der Provinziallandschaften und insbesondere der Curien soll binnen drei Jahren in Gemäßheit obiger Grundsätze auf verfassungsmäßigem Wege näher festgestellt, und zu dem Ende soll zwischen der Regierung und den einzelnen Landschaften weitere Verhandlung zugelegt werden.

Sobald diese Organisation bewirkt ist, soll allen Provinziallandschaften das Recht der Zustimmung in der Art zustehen, wie solches im § 79 festgesetzt ist. Bis zum Ablauf jener drei Jahre, insofern die Organisation nicht schon früher eingetreten seyn sollte, verbleiben einer jeden Landschaft in dieser Beziehung diejenigen Rechte, welche ihr bisher zustanden, in so weit solche mit dem gegenwärtigen Staatsgrundgesetze vereinbar sind.

Nach beendigter Organisation der Provinziallandschaften ist zu einer Abänderung der Verfassung und Rechte derselben die Zustimmung der betreffenden Landschaft erforderlich.

§ 78. Den Provinziallandschaften verbleiben diejenigen ständischen Rechte, welche nicht auf die allgemeine Ständeversammlung übergegangen sind, und in so weit solche Rechte den Principien des gegenwärtigen Staatsgrundgesetzes nicht entgegen stehen.

§ 79. Die Zustimmung der Provinziallandschaften soll erforderlich seyn zu allen provinziellen Abgaben und Leistungen und zu dem wesentlichen Inhalte aller lediglich die speciellen Verhältnisse der Provinz betreffenden Provinzialgesetze, in so weit solche nicht allein die Ausführung und Handhabung bestehender Gesetze oder die Erlassung vorübergehender Verfügungen bezwecken, oder in Anordnungen der Sicherheits- oder Gesundheitspolizei bestehen.

Bei der Verkündigung solcher Provinzialgesetze ist die Zustimmung der Provinziallandschaft zu erwähnen.

Diejenigen bestehenden Provinzialgesetze, zu deren Erlassung die Zustimmung der Landschaften erforderlich seyn würde, können nur mit Zustimmung der betreffenden Landschaft aufgehoben, abgeändert oder authentisch interpretirt werden, in so fern deren Aufhebung oder Abänderung nicht Folge verfassungsmäßig erlassener allgemeiner Landesgesetze ist.

§ 80. Die Anträge und Beschlüsse der Provinziallandschaften dürfen niemals die Ausführung der für das ganze Königreich bestehenden Gesetze hindern.

§ 81. Falls Abgaben zu provinziellen Zwecken zu veranlagen sind; so soll der desfallsige Beschluß der Provinziallandschaft zuvörderst durch das Ministerium zur Kenntniß der allgemeinen Ständeversammlung gebracht werden, damit diese im Stande ist, darüber zu wachen, daß durch dergleichen provinzielle Abgaben dem allgemeinen Abgabe- und Finanzsysteme des Königreichs kein Eintrag geschehe.

Die Art der Erhebung, Verwendung und Rechnungsführung wird mit der Provinziallandschaft regulirt.

§ 82. Wenigstens alle drei Jahre soll ein Provinziallandtag in jeder Provinz Statt finden.

Zweiter Abschnitt. Von der allgemeinen Ständeversammlung.

§ 83. Die allgemeine Ständeversammlung ist berufen, die grundgesetzlichen Rechte des Landes zu vertreten und dessen dauerndes Wohl möglichst zu befördern.

§ 84. Über alle, das ganze Königreich oder den Bezirk mehrerer Provinziallandschaften gemeinschaftlich und nicht lediglich specielle Verhältnisse der Provinzen betreffende, zur ständischen Berathung gehörende, Gegenstände wird nur mit der allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs verhandelt.

§ 85. Gesetze, welche das ganze Königreich oder den Bezirk mehrerer Provinziallandschaften betreffen, ohne sich lediglich auf specielle Verhältnisse der Provinzen zu beschränken, können nur mit Zustimmung der allgemeinen Ständeversammlung erlassen, aufgehoben, abgeändert oder authentisch interpretirt werden.

Beschließen die Stände Abänderungen des ihnen vorgelegten Gesetzentwurfs; so kann die Landesregierung denselben ganz zurücknehmen.

Das Recht der ständischen Zustimmung bezieht sich auf den ganzen wesentlichen Inhalt des Gesetzes; dagegen bleibt der Landesregierung überlassen, dasselbe in Übereinstimmung mit den beschlossenen Grundsätzen näher zu bearbeiten und zu erlassen.

Im Eingange des Gesetzes ist die erfolgte verfassungsmäßige Zustimmung der Stände zu erwähnen.

§ 86. Die Mitwirkung der Stände ist nicht erforderlich zu denjenigen Verfügungen, welche der König über das Heer, dessen Formation, Disciplin und den Dienst überhaupt erläßt.

Die Militairaushebungsgesetze, so wie die Rechte und Pflichten der übrigen Unterthanen in Beziehung auf das Heer und die auf dessen bürgerliche Verhältnisse bezüglichen Gesetze, können jedoch nur mit Zustimmung der Stände abgeändert und festgestellt werden.

Militairstrafgesetze sind mit den Ständen zu berathen.

§ 87. Verordnungen, welche zur Vollziehung oder Handhabung bestehender Gesetze erforderlich sind, werden von der Landesregierung ohne Mitwirkung der Stände erlassen.

Außerordentliche, ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung bedürfende, aber durch das Staatswohl, die Sicherheit des Landes oder die Erhaltung der ernstlich bedroheten Ordnung dringend gebotene gesetzliche Verfügungen, deren Zweck durch die Verzögerung vereitelt werden würde, gehen von der Landesregierung allein aus.

Solche eilige gesetzliche Verfügungen, welche jedoch eine Abänderung im Staatsgrundgesetze nicht enthalten dürfen, müssen im Gesammtministerio beschlossen werden, und ist, daß dieses geschehen, in denselben auszudrücken.

Auch sind solche den Ständen zur Mitwirkung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorzulegen; und falls während derselben die verfassungsmäßige Zustimmung nicht erfolgt, wieder aufzuheben.

§ 88. Gesetzentwürfe gelangen von Seiten der Regierung an die Stände; jedoch haben auch diese das Recht, auf Erlassung neuer oder abändernder Gesetze sowohl überhaupt anzutragen, als zu dem Ende Gesetzentwürfe vorzulegen.

§ 89. Alle Gesetze und Verordnungen werden vom Könige unter Beobachtung der in gegenwärtiger Verfassungsurkunde vorgeschriebenen Form öffentlich verkündigt, und erhalten dadurch für alle Unterthanen unbedingte Verbindlichkeit. Alle Verwaltungsbehörden und Gerichte haben auf deren Erfüllung zu halten.

Sollten Zweifel darüber entstehen, ob bei einem gehörig verkündigten Gesetze die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände hinreichend beobachtet sey; so steht es nur diesen zu, Anträge deshalb zu machen.

§ 90. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, in Beziehung auf alle Landesangelegenheiten, insbesondere auf etwaige Mängel oder Mißbräuche in der Verwaltung oder der Rechtspflege, ihre Wünsche, Vorstellungen und Beschwerden dem Könige oder dem Ministerio vorzutragen. Ein weiteres Eingreifen in die Verwaltung steht derselben nicht zu.

§ 91. Die Rechte der allgemeinen Ständeversammlung in Beziehung auf den Staatshaushalt sind in folgendem Capitel näher bestimmt.

§ 92. Die allgemeine Ständeversammlung wird von den Verträgen, die der König mit andern Mächten schließt, in Kenntniß gesetzt, sobald es die Umstände erlauben. Erfordert die Ausführung der Verträge die Bewilligung von Geldmitteln, oder sollen dieselben eine Einwirkung auf die innere Gesetzgebung des Königreichs hervorbringen; so bedarf es deshalb der verfassungsmäßigen Mitwirkung der Stände.

§ 93. Die allgemeine Ständeversammlung besteht aus zwei Kammern, die sich in ihren Rechten und Befugnissen gleich sind.

§ 94. Die erste Kammer soll bestehen aus:
1) den Königlichen Prinzen, Söhnen des Königs, und den Häuptern der Nebenlinien der Königlichen Familie,
2) dem Herzoge von Aremberg, dem Herzoge von Looz-Corswaaren und dem Fürsten von Bentheim, so lange sie im Besitze ihrer Mediat-Territorien bleiben,
3) dem Erblandmarschall des Königreichs,
4) den Grafen zu Stolberg-Wernigerode und zu Stolberg-Stolberg wegen der Grafschaft Hohnstein,
5) dem General-Erbpostmeister, Grafen von Platen-Hallermund,
6) dem Abte zu Loccum,
7) dem Abte von St. Michaelis zu Lüneburg,
8) dem Präsidenten der Bremischen Ritterschaft als Director des Klosters Neuenwalde,
9) dem oder den katholischen Bischöfen des Königreichs,
10) zwei auf die Dauer des Landtags zu ernennenden angesehenen evangelischen Geistlichen,
11) den von der Landesherrschaft mit einem persönlichen erblichen Stimmrechte versehenen Majoratsherren,
12) den auf die Dauer eines jeden Landtags zu erwählenden Deputirten der Ritterschaften, nämlich:
von der Calenberg-Grubenhagenschen Ritterschaft acht,
von der Lüneburgischen sieben,
von der Bremen- und Verdenschen sechs,
von der Hoya- und Diepholzischen drei,
von der Osnabrückischen Ritterschaft, incl. Meppen und Lingen, fünf,
von der Hildesheimischen Ritterschaft vier,
von der Ostfriesischen (unter Vorbehalt einer Vermehrung der Zahl, wenn eine verhältnismäßige Vermehrung der Mitglieder der Ritterschaft sich ergeben sollte) zwei,
13) vier Mitgliedern, welche der König ernennt. Eins dieser Mitglieder wird auf Lebenszeit, die drei andern aber werden auf die Dauer des Landtags ernannt.

§ 95. Ein persönliches erbliches Stimmrecht wird der König nur solchen Majoratsherren verleihen, die ein Majorat errichtet haben, welches aus einem im Königreiche belegenen Rittersitze nebst anderm ebenfalls im Lande belegenen Grundvermögen besteht, und, nach Abzug der Zinsen der auf demselben etwa haftenden hypothekarischen Schulden und der sonstigen fortwährenden Lasten, wenigstens 6000 Rthlr. reiner jährlicher Einkünfte gewährt. Sobald eine stärkere Beschwerung des Majorats eintritt, ruht einstweilen das erbliche Stimmrecht des Besitzers.

§ 96. Das Recht der Beilegung einer erblichen Virilstimme steht, unter den verfassungsmäßigen Bedingungen, dem Könige ohne Rücksicht auf die Zahl der bereits vorhandenen, und abgesehen von einer sich ereignenden Erledigung zu jeder Zeit zu.

Die Errichtung des Majorats giebt kein Recht auf die Beilegung einer Virilstimme, sondern ist lediglich die Bedingung, ohne deren Erfüllung die Beilegung eines erblichen Stimmrechts nicht Statt finden kann.

Übrigens soll behuf Erleichterung der Stiftung von Majoraten die Untheilbarkeit und die Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt bei Verleihung von eröffneten Lehen festgesetzt und bei bereits verliehenen Lehnen auf den Antrag der Vasallen genehmigt werden, soweit nicht bereits erworbene Rechte dritter Personen entgegen stehen.

§ 97. Bei der Auswahl der § 94 No. 13. bezeichneten, von dem Könige zu ernennenden, Mitglieder tritt zwar keine Beschränkung durch Rang, Geburt und Vermögen ein. Sie müssen jedoch die in den §§ 102-105 vorgeschriebenen Qualificationen besitzen.

§ 98. Die zweite Kammer soll bestehen aus folgenden auf die Dauer des Landtages zu erwählenden Deputirten:
1) drei Deputirten der Stifter St. Bonzfacii zu Hameln, Cosmae et Damiani zu Wunstorf, St. Alexandri zu Einbeck, Beatae Mariä Virginis daselbst, des Stifts Bardowiek und des Stifts Ramelsloh, welche von diesen Stiftern unter Zuziehung von höhern Geistlichen und Predigern aus der Zahl der protestantischen Geistlichen oder solcher Männer, welche dem höhern Schulwesen im Königreiche angehören, in dem Maße zu erwählen sind, daß sich wenigstens zwei ordinirte protestantische Geistliche unter denselben befinden,
2) drei Mitglieder, welche der König wegen des allgemeinen Klosterfonds ernennt,
3) einem Deputirten der Universität Göttingen,
4) zwei von den evangelischen Königlichen Consistorien zu erwählenden Deputirten,
5) einem Deputirten des Domcapitels zu Hildesheim,
6) aus sieben und dreißig Deputirten nachfolgender Städte und Flecken, nämlich:
zwei Deputirten der Residenzstadt Hannover,
einem Deputirten der Stadt Göttingen,
einem Deputirten der Stadt Northeim,
einem Deputirten der Stadt Hameln,
einem Deputirten der Stadt Einbeck,
einem Deputirten der Stadt Osterode,
einem Deputirten der Stadt Duderstadt,
einem Deputirten der Städte Moringen, Uslar, Hardegsen, Dransfeld und Hedemünden,
einem Deputirten der Stadt Münden,
einem Deputirten der Städte Münder, Pattensen, Neustadt am Rübenberge, Springe, Wunstorf, Eldagsen, Bodenwerder und Rehburg,
einem Deputirten der Städte Clausthal und Zellerfeld,
einem Deputirten der übrigen fünf Bergstädte, einschließlich Herzberg, Elbingerode und Lauterberg,
einem Deputirten der Stadt Lüneburg,
einem Deputirten der Stadt Uelzen,
einem Deputirten der Stadt Celle,
einem Deputirten der Stadt Harburg,
einem Deputirten der Städte Lüchow, Dannenberg und Hitzacker,
einem Deputirten der Städte Soltau, Walsrode, Burgdorf und Gifhorn,
einem Deputirten der Stadt Stade,
einem Deputirten der Stadt Buxtehude,
einem Deputirten der Stadt Verden,
einem Deputirten der Stadt Nienburg,
einem Deputirten der Hoyaischen Flecken,
einem Deputirten der Diepholzischen Flecken,
einem Deputirten der Stadt Osnabrück,
einem Deputirten der Städte Quakenbrück und Fürstenau und des Fleckens Melle,
einem Deputirten der Städte Meppen, Lingen und Haselünne,
einem Deputirten der Stadt Goslar,
einem Deputirten der Stadt Hildesheim,
einem Deputirten der Städte Alfeld, Peine und Bockenem,
einem Deputirten der Städte Elze, Gronau, Sarstedt und Dassel,
einem Deputirten der Stadt Emden,
einem Deputirten der Städte Aurich und Esens,
einem Deputirten der Stadt Norden,
einem Deputirten der Stadt Leer,
einem Deputirten der Städte Schüttorf, Nordhorn und Neuenhaus und des Fleckens Bentheim;
7) aus acht und dreißig Deputirten der sämmtlichen Grundbesitzer aus den unter No. 6 nicht aufgeführten Städten und Flecken, aus den Freien und aus dem Bauernstande, nämlich:
von den Fürstenthümern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen fünf,
von der Grafschaft Hohnstein einem,
von dem Fürstenthume Lüneburg fünf,
von den Bremischen Marschen fünf,
von der Bremischen Geest und dem Herzogthume Verden drei,
vom Lande Hadeln mit Einschluß der Stadt Otterndorf zwei,
von den Grafschaften Hoya und Diepholz drei,
von dem Fürstenthume Osnabrück drei,
von dem Herzogthume Aremberg-Meppen und der Niedergrafschaft Lingen zwei,
von dem Fürstenthume Hildesheim drei,
von dem Fürstenthume Ostfriesland fünf,
von der Grafschaft Bentheim einem.

§ 99. Sowohl die von den Ritterschaften, als die von den übrigen Grundbesitzern zu wählenden Deputirten müssen selbst Grundbesitzer in der Provinz seyn, aus welcher sie gewählt werden.

Dagegen sind die übrigen Corporationen in der Wahl ihrer Deputirten nicht auf Mitglieder aus ihrer Mitte beschränkt.

§ 100. Die Deputirten der Ritterschaften müssen aus im Königreiche belegenem Grundvermögen ein reines Einkommen besitzen, welches, nach Abzug der Zinsen der auf demselben etwa haftenden hypothekarischen Schulden und der sonstigen fortwährenden Lasten, jährlich sechshundert Thaler beträgt. Bei den Deputirten der übrigen Grundbesitzer ist ein solches reines Einkommen von 300 Rthlr. erforderlich, welches entweder ererbt, oder aber mindestens Ein Jahr vor der Wahl erworben seyn muß.

Die übrigen Deputirten müssen entweder ein solches reines Einkommen von dreihundert Thalern, sey es von ländlichem und städtischem Grundbesitze oder im Lande radicirten Capitalien haben, oder eine jährliche Diensteinnahme von 800 Rthlr. oder als Gemeindebeamte von 400 Rthlr. genießen, oder aus ihrer Wissenschaft, ihrer Kunst oder ihrem Gewerbe ein jährliches Einkommen von 1000 Rthlr. beziehen, und solches schon drei Jahre vor ihrem Eintritte in die allgemeine Ständeversammlung genossen haben.

§ 101. Die Wahl der städtischen Deputirten geschieht nach absoluter Stimmenmehrheit gemeinschaftlich durch die Magistratsmitglieder, Bürgervorsteher und Wahlmänner, die hiezu nach Maßgabe der Verfassung jeder Stadt aus den zu Bürgervorstehern qualificirten Bürgern besonders erwählt werden.

Mehrere Städte, welche zusammen einen Deputirten absenden, wählen gleichfalls nach absoluter Stimmenmehrheit entweder nach einem turnus, wenn nicht mehr als drei concurriren, oder gemeinschaftlich nach einem Regulative.

Die Wahl der Deputirten der nicht zu den Ritterschaften gehörenden Grundbesitzer geschieht durch absolute Stimmenmehrheit von Wahlmännern, welche durch die Bevollmächtigten der Gemeinden gewählt werden.

Die nähern Bestimmungen über diese Wahlen der übrigen Corporationen sollen, mit Rücksicht auf die verschiedenen provinziellen Verhältnisse, unter Mitwirkung der Stände, durch ein Gesetz festgestellt werden.

§ 102. Die Mitglieder beider Kammern müssen einer der im Königreiche anerkannten christlichen Kirchen zugethan seyn, und das 25ste Lebensjahr zurückgelegt haben.

§ 103. Wer wegen eines Criminalverbrechens entweder bestraft ist oder vor Gericht gestanden hat, ohne daß er von der Beschuldigung völlig losgesprochen worden, kann nicht Mitglied der Ständeversammlung seyn. Ausnahmsweise kann der Landesherr bei nicht entehrenden Verbrechen die dergestalt verlorne Fähigkeit, Mitglied letzterer zu seyn, wiederherstellen.

§ 104. Personen, über deren Vermögen unter ihrer Verwaltung ein Concurs ausgebrochen ist, können vor Befriedigung ihrer Gläubiger weder zu Mitgliedern der Ständeversammlung gewählt werden, noch, wenn sie zur Zeit des Ausbruchs des Concurses Mitglieder sind, in derselben verbleiben. Diejenigen Grundeigenthümer aber, welche den Concurs von ihren Vorfahren überkommen haben, können in so fern als Mitglieder der allgemeinen Ständeversammlung zugelassen werden, als sie übrigens dazu qualificirt sind, und namentlich
das vorbestimmte Einkommen besitzen, wozu auch die von ihnen zu beziehende Competenz gerechnet werden soll.

§ 105. Mitglieder der allgemeinen Ständeversammlung können nur solche Personen seyn, welche ihren Wohnsitz im Königreiche haben und sich nicht im activen Dienste eines fremden Landesherrn befinden.

Ausgenommen hiervon sind
1) die Prinzen des Königlichen Hauses und die Standesherren,
2) diejenigen, welche in den Herzoglich Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen ihren Wohnsitz haben und daselbst in Staatsdiensten stehen, so lange hierunter das Reciprocum beobachtet wird.

§ 106. Die Wahlcorporationen haben sich von dem Vorhandenseyn der in § 99, 100 und 102 bis incl. 105 vorgeschriebenen Qualificationen bei den zu erwählendcn Deputirten gebührend zu überzeugen.

§ 107. Sämmtliche Mitglieder der Ständeversammlung haben sich als Repräsentanten des ganzen Königreichs anzusehen, und dürfen sich nicht durch eine bestimmte Instruction des Standes oder der Gemeinde, von denen sie gewählt sind, binden lassen.

§ 108. Jedes Mitglied hat das Recht, für seine Person eine vollgültige Stimme abzugeben, kann solche aber nicht auf ein anderes Mitglied übertragen.

Die § 94. unter Nr. 2. und 4. aufgeführten Mitglieder der ersten Kammer können sich durch dazu von ihnen bevollmächtigten Agnaten ihres Hauses, der Erblandmarschall des Königreiches, der General-Erbpostmeister Graf von Platen-Hallermund und die Majoratsherren durch ihre volljährigen ältesten Söhne, die nach § 94. Nr. 10. vom Landesherrn zu ernennenden angesehenen Geistlichen durch gleichzeitig zu bezeichnende Substituten und die katholischen Bischöfe des Königreichs, im Falle der Behinderung, durch ein Mitglied ihres Domcapitels vertreten lassen. Jedoch kann der Erblandmarschall die ihm in dieser Eigenschaft zustehenden Functionen auf keinen Andern übertragen.

Im Falle der Minderjährigkeit werden die hier benannten erblichen Mitglieder der ersten Kammer durch ihre Vormünder vertreten, sofern die letztem dem Mannsstamme der Familie angehören.

§ 109. Jede Äußerung eines Mitgliedes in der Versammlung über ständische Angelegenheiten soll immer die günstigste Auslegung erhalten.

§ 110. Kein Mitglied soll wegen einer in der Versammlung geschehenen Äußerung gerichtlich in Anspruch genommen werden, vielmehr die Kammer der alleinige Richter über die Äußerungen der Mitglieder seyn. Ausgenommen ist jedoch der Fall, wenn ein Mitglied sich Äußerungen erlauben sollte, welche hochverrätherischen Inhalts sind.

Außerdem versteht es sich von selbst, daß, wenn beleidigende Äußerungen oder schwere Beschuldigungen gegen irgend ein Individuum vorgebracht werden sollten, dem Beleidigten der Weg Rechtens nicht versperrt werden kann.

§ 111. Kein Mitglied soll während der Dauer der Landtagsversammlung mit persönlichem Arrest belegt werden, es sey denn, daß die Gerichte in dem Falle eines schweren Criminalverbrechens eine schleunige Verhaftung nothwendig finden sollten, welcher Fall jedoch den Kammern ohne Aufschub anzuzeigen ist.

§ 112. Die Ständeversammlung steht, mit Ausnahme des im § 152 des achten Capitels erwähnten Falles, mit keinem andern Landesbehörde, als dem Ministerio in unmittelbarem Geschäftsverbindung, und kann Erwiederungen und Anträge nur an den König, an dessen Stellvertreter, oder an das Ministerium gelangen lassen, und auch nur an diese Deputationen absenden. Jedoch hat die Ständeversammlung das Recht, auf an sie gerichtete Vorstellungen Beschlüsse zu fassen, und den Bittstellern von solchen Beschlüssen durch Protocollauszug Kenntniß zu geben.

§ 113. Alle Anträge, welche vom Könige oder dem Ministerio an die Stände ergehen, sollen jederzeit an die gesammte allgemeine Ständeversammlung gerichtet werden, so wie auch umgekehrt Erwiederungen und Anträge nur von beiden Kammern gemeinschaftlich ausgehen können.

§ 114. Die Landesregierung hat das Recht, Commissarien abzuomdnen, welche den Sitzungen der Ständeversammlung, jedoch als solche ohne Stimmrecht, beiwohnen und an den Berathschlagungen Theil nehmen können.

§ 115. Die Kammern haben das Recht, unter den im Reglement enthaltenen Bestimmungen und Ausnahmen, zu ihren Sitzungen und Verhandlungen Zuhörer zuzulassen.

§ 116. Die Dauer eines Landtags ist auf sechs Jahre festgesetzt. Jedoch hängt es von dem Könige ab, die Versammlung auch früher zu jeder Zeit aufzulösen und eine neue anzusetzen, auch zum Behufe demselben neue Wahlen von Deputirten auszuschreiben.

§ 117. Die mit dem Schlusse des Landtages abtretenden Deputirten können wieder gewählt werden.

§ 118. Jedes Jahr soll eine Versammlung der allgemeinen Stände gehalten werden.

§ 119. Der König, oder in dessen Auftrage das Ministerium, können die Ständeversammlung zu jeder Zeit vertagen. Jede Kammer derselben kann sich vertagen, jedoch auf mehr als drei Tage nur unter Genehmigung des Ministerii.

§ 120. Der Anfang und der Schluß der Sitzungen jedes Jahres wird von dem Könige, oder, in dessen Auftrage, dem Ministerio verfügt.

§ 121. Die übrigen Verhältnisse der allgemeinen Ständeversammlung und der Mitglieder derselben, des Erblandmannschalls, der Präsidenten, Generalsyndiken und der Generalsecretarien, die Vorschriften über das Verfahren in den Sitzungen dem Versammlung und bei Verhandlung der zur Deliberation kommenden Gegenstände sind in einem besondern Reglement festgesetzt.

Siebentes Capitel. Von den Finanzen.

§ 122. Sämmtliche zu dem königlichcn Domanio gehörendc Gegenstände, namentlich Schlösser, Gärten, Güter, Gefälle, Forsten, Bergwerke, Salmen und Activcapitalien, machen das seinem Gesammtbestande nach stets zu erhaltende Krongut aus. Dem Könige und dessen Nachfolgern an dem Regierung verbleiben unter den nachfolgenden Bestimmungen alle diejenigen Rechte, welche dem Landesherrn daran bis dahin zugestanden haben.

§ 123. Das Krongut kann ohne Zustimmung der Stände rechtsgültig nicht verpfändet werden, mit Ausnahme des im § 147. bezeichneten Falles einem außerordentlichen Anleihe.

Veräußerungen der Substanz können nur in Folge gesetzlichem Bestimmungen, oder wegen ihrer Nützlichkeit eintreten. Das Äquivalent soll mit dem Krongute wiederum vereinigt und dessen Anlegung oder Verwendung welche jedoch für die Dauer im Königreiche geschehen muß, auf eine sichere und einträgliche Art sofort beschafft werden.

Über Veränderungen dieser Art soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich eine Nachweisung mitgetheilt werden.

Freiwillige Veräußerungen ganzer Domanialgüter, oder bedeutender Forsten, dürfen nicht ohne vorgängige Einwilligung der allgemeinen Ständeversammlung geschehen, und es sind sofort gleich einträgliche Gegenstände, vorzugsweise Landgüter oder Forsten, an deren Stelle zu setzen.

§ 124. Die Aufkünfte des gesammten Kronguts sollen ohne Ausnahme zum Besten des Landes verwandt werden, und zwar
zunächst zur Bezahlung der Zinsen der auf dem Domanio haftenden Schulden und zum allmähligen Abtrage der Passivcapitalien;
ferner zum Unterhalte und der Hofhaltung des Königs, der Königin, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs;
sodann zu dem standesmäßigen Auskommen der verwittweten Königin und der verwittweten Kronprinzessin, zu den Apanagen und Ausstattungskosten für die Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses, so wie auch zu dem standesmäßigen Auskommen der Wittwen der Prinzen des königlichen Hauses (vergl. §§. 134. u. 135.);
endlich aber der Überrest, so wie die bisher mit der Domanialverwaltung vereinigt gewesenen Revenüen der Regalien zur Bestreitung anderweiter Staatsausgaben.

§ 125. Zur Deckung der für den Unterhalt und die Hofhaltung des Königs, der Königin, so wie der minderjährigen Prinzen und Prinzessinnen, Söhne und Töchter des Königs, erforderlichen Ausgaben dienen
1) die Zinsen eines in den Jahren 1784 bis 1790 in den englischen dreiprocentigen Stocks belegten, aus Revenüen der königlichen Kammer erwachsenen Capitals von £. Sterl. 600000, welches Capital unveräußerlich und unzertrennlich mit der Krone vereinigt und vererblich seyn soll;
2) die Domanialgüter, so wie die zu dem Domanio gehörenden Zehnten und Forsten bis zu dem Belaufe eines Nettoertrages von 500000 Rthlr. Conventionsmünze.

Diese Summe kann bei sich vergrößerndem Bedarf mit Zustimmung der allgemeinen Stände des Königreichs erhöht werden.

§ 126. Zu jenem Zwecke wird von dem im § 122. bezeichneten Krongute ein vom Könige auszuwählender Complex, zunächst bestehend aus Grundstücken, Zehnten oder Forsten, deren im Einverständnisse mit den Ständen auszumittelnder Ertrag, nach Abzug aller darauf haftenden Ausgaben und Lasten, 500000 Rthlr. beträgt, ausgeschieden und der selbsteigenen Administration vorbehalten.

Dem Könige bleibt bei der Ausscheidung der Krondotation das Recht vorbehalten, einen Theil derselben in Renten oder Baarzahlungen der Cassen zu bestimmen.

§ 127. Sollte der solchergestalt festgestellte Gütercomplex durch Veräußerungen oder Capitalablösungen demnächst vermindert werden; so muß das aus der Veräußerung oder Ablösung hervorgegangene Capital jederzeit behuf Wiederanlegung desselben nach Vorschrift des § 123. der Generalcasse überwiesen werden, und der König behält das Recht, die Dotation nach Seiner Wahl durch andere Gegenstände des Kronguts, unter Beobachtung der Bestimmungen des § 126, ergänzen zu lassen, oder aber die Rente des Capitals als Ergänzung der Krondotation zu nehmen.

§ 128. Außerdem bleiben dem Könige und seinen Nachfolgern in der Regierung die königlichen Schlösser und Gärten, die zur Hofhaltung bestimmten königlichen Gebäude, Ameublements, das Silbergeräth nebst dem Silbercapitale und sonstigen Kostbarkeiten, alle zur Hofhaltung gehörende Inventarien, die Bibliothek und die königlichen Jagden im ganzen Umfange des Königreichs vorbehalten, wogegen derselbe die damit verbundenen Ausgaben übernimmt.

§ 129. Die zur Dotation der Krone ausgeschiedenen Theile des Kronguts dürfen niemals verpfändet, und nur unter Contrasignatur eines verantwortlichen Ministers und unter Beobachtung der im § 123. enthaltenen Bestimmungen veräußert werden.

§ 130. Die aus der Dotation der Krone zu bestreitenden Ausgaben sind die Kosten des Hofetats, des Marstalls, die Besoldungen und Pensionen der Hofdienerschaft, die Kosten des Hoftheaters, die gewöhnliche Unterhaltung der königlichen Schlösser und Gärten, und die Kosten des königlichen Guelphenordens.

Dagegen sind unter den Ausgaben der Krondotation nicht begriffen die Kosten der Erbauung oder Acquisition und der ersten Einrichtung königlicher Schlösser oder ganzer Abtheilungen derselben, vielmehr erfordern dergleichen Kosten, im Falle des Bedürfnisses, auf den Antrag des Königs, die Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung.

§ 131. Sollte ein künftiger König als Inhaber einer andern Krone außer Landes residieren: so wird neben der nach dem vorstehenden Paragraphen auf der Einnahme der Krondotation liegenden Ausgabe von den Revenüen derselben jährlich eine Summe von 150000 Rthlr., behuf der Verwendung zu anderweiten Staatsausgaben der Generalcasse überwiesen.

§ 132. Tritt eine Regentschaft ein: so müssen die mit derselben verbundenen Kosten aus der Krondotation bestritten werden. Dasselbe findet wegen der Kosten einer etwaigen Stellvertretung des Königs Statt.

§ 133. Alle aus dem Krongute und aus den Regalien aufkommende Einnahmen, mit alleiniger Ausnahme der, der unmittelbaren Administration des königlichen Hauses vorbehaltenen, Güter sollen mit den Landesabgaben, Chausseegeldern und Sporteln in eine einzige Generalcasse fließen, aus welcher Casse alle Ausgaben bestritten werden, sofern dieselben nicht auf der Krondotation ruhen.
 

§ 134. Für die Erhaltung der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses aus ebenbürtiger, hausgesetzlicher Ehe werden, wenn es demnächst das Bedürfniß erfordert, namentlich bei eigener Etablirung und Vermählung, besondere Apanagen, Einrichtungs- und Ausstattungskosten ausgesetzt, deren Betrag auf den Antrag des Königs von der allgemeinen Ständeversammlung für einzelne Fälle bewilligt, oder durch ein allgemeines Regulativ festgestellt wird.

Über die Art der Vererbung der Apanagen auf die Nachkommen der Berechtigten wird das zu erlassende Hausgesetz die näheren, unter Beirath der Stände zu treffenden, Bestimmungen enthalten.

§ 135. Für das standesmäßige Auskommen der verwittweten Königin und der verwittweten Kronprinzessin muß auf den Antrag des Königs und mit Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung Sorge getragen werden.

Dasselbe soll geschehen bei den Wittwen der Prinzen des königlichen Hauses, wenn die bewilligten Apanagen zu deren standesmäßigem Unterhalte nicht hinreichen.

§ 136. Das Privatvermögen des Königs, der Königin, der Prinzen und Prinzessinnen, wohin namentlich auch dasjenige gehört, was aus den ihnen zustehenden Revenüen acquirirt worden, verbleibt nach Maßgabe der Hausgesetze, oder soweit diese darüber nicht entscheiden, der Landesgesetze, der völlig freien Disposition der Berechtigten.

§ 137. Über die Verwendung der zur Dotation der Krone, zu Apanagen oder Witthümern der Mitglieder der königlichen Familie ausgesetzten Einnahmen steht den Ständen keine Controle irgend einer Art zu. Auch können dieselben rücksichtlich der Verwaltung der zur Krondotation ausgeschiedenen Gegenstände, so wie der Resultate dieser Verwaltung, keine Controle noch Einwirkung in Anspruch zu nehmen.

§ 138. Das Vermögen der jetzigen Schatullcasse bleibt getrennt von den Staatscassen und zur ausschließlichen Disposition des Königs.

§ 139. Über die Ausgaben, welche die Verwaltung des Landes und dessen sonstige, aus der Generalcasse zu bestreitende Bedürfnisse, erforderlich machen, soll der allgemeinen Ständeversammlung jährlich ein nach den Haupt-Ausgabezweigen aufgestelltes Budget vorgelegt, und mit den nöthigen auf Antrag der Stände zu vervollständigenden Etats und Erläuterungen begleitet werden.

§ 140. Die allgemeine Ständeversammlung hat die Verpflichtung, für die Deckung der für den öffentlichen Dienst nothwendigen Ausgaben in so weit zu sorgen, als sie aus den Einkünften des Kronguts und der Regalien nicht bestritten werden können. Dagegen steht ihr das Recht zu, das Budget zu prüfen und zu bewilligen.

Der Bedarf für den Militairetat, bei welchem die Bestimmungen des § 142. eintreten, und die Grundsätze, welche bei Bewilligung der in den übrigen Haupt-Ausgabezweigen begriffenen Gehalte und Pensionen zu befolgen sind, sollen durch Regulative gemeinschaftlich mit den Ständen festgestellt werden. Diese Regulative dienen bis dahin, daß ein Anderes zwischen König und Ständen ausgemacht ist, der ständischen Bewilligung zur Norm, müssen jedoch auf Antrag der allgemeinen Ständeversammlung jederzeit einer Revision unterzogen werden.

Ausgaben, welche auf bestimmten bundes- oder landesgesetzlichen, oder auf privatrechtlichen Verpflichtungen beruhen, darf die allgemeine Ständeversammlung nicht verweigern. Zu solchen Ausgaben werden namentlich auch gerechnet diejenigen Gehalte, Pensionen und Wartegelder, welche der König bereits bewilligt hat, oder einstweilen nach den bisherigen Grundsätzen, demnächst aber nach den mit den Ständen zu vereinbarenden Regulativen bewilligen wird.

§ 141. Die Anschläge für die einzelnen Hauptdienstzweige werden dergestalt als ein Ganzes betrachtet, daß die Verwendung und Vertheilung der für jeden Hauptdienstzweig im Ganzen bewilligten Summen der Bestimmung des betreffenden Ministerialdepartements überlassen wird, insofern die Verwendung nur für diesen Hauptdienstzweig, und ohne Überschreitung des ganzen Credits in Gemäßheit der mit den Ständen vereinbarten Regulative, (vergl. § 140.) Statt findet.

§ 142. Die Ersparungen, welche bei dem Ausgabeetat des Kriegsministerii gemacht werden, sollen so lange baar in den Schatz niedergelegt werden, bis die gesammelten Summen die Hälfte des ganzen Militairetats erreichen. Übersteigt die Ersparung diesen Betrag; so soll über den weitern Überschuß, mit Einwilligung der Ständeversammlung, anderweit disponirt werden.

Die Vorräthe dieses Kriegsschatzes sind für die Ausgaben des Kriegsministerii zu verwenden, sobald letztere die ordentlichen Mittel übersteigen.

§ 143. Für außerordentliche, während der Vertagung der allgemeinen Ständeversammlung eintretende Landesbedürfnisse, welche bei Feststellung des Budgets nicht berücksichtigt werden konnten, und welche gleichwohl (namentlich im Falle eintretender Landescalamitäten, Kriegsrüstungen oder innerer Unruhen), schleunige Maaßregeln und Kostenverwendungen erfordern, soll ein in dem jährlichen Budget nicht besonders aufzuführender Reservecredit bestehen, welcher fünf Procent des ganzen Ausgabebudgets ausmacht. Die Disposition über diesen Reservecredit steht dem Gesammtministerio auf dessen Verantwortung zu; die Verwendung aber soll der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft nachgewiesen werden.

§ 144. Gleichzeitig mit dem Anschlage der Ausgaben soll der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der, zu deren Bestreitung erforderlichen, Einnahmen vorgelegt werden, welche alle oben (§ 133.) bezeichnete Einnahmen umfaßt.

§ 145. Die zur Bestreitung der Landesausgaben außer der Einnahme von dem Krongut und den Regalien erforderlichen Steuern und Abgaben bedürfen der jährlichen Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung.

In dem jährlich erforderlichen Ausschreiben soll der ständischen Bewilligung besonders erwähnt werden.

Die Bewilligung der Steuern darf an keine Bedingung geknüpft werden, die nicht deren Wesen oder Verwendung unmittelbar trifft.

§ 146. Sollten die von der Landesregierung in Antrag gebrachten, zu den Bedürfnissen des Landes erforderlichen Steuern und Abgaben bei Auflösung einer Ständeversammlung nicht bewilligt seyn; so können die bestehenden Steuern und Abgaben, so weit sie nicht zu einem vorübergehenden, bereits erreichten Zwecke ausgeschrieben worden, noch 6 Monate vom Ablauf der letzten Bewilligungszeit an unverändert fort erhoben und zu dem Ende in Beziehung auf diesen Paragraphen ausgeschrieben werden.

§ 147. Anleihen behuf der aus der Generalcasse zu bestreitenden Ausgaben können nur nach erfolgter Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung gemacht werden.

Sollte jedoch wegen außerordentlicher Umstände die ordentliche Einnahme der Casse so bedeutende Ausfälle erleiden, daß die bewilligten Ausgaben nicht bestritten werden könnten, oder sollten schleunige Kriegsrüstungen nothwendig werden, der § 142. festgesetzte Kriegsschatz aber in der erforderlichen Größe nicht vorhanden seyn, oder sollte der oben § 143. bestimmte Reservecredit benutzt werden müssen, und dazu die Vorräthe und Einnahmen der Cassen nicht hinreichen; so hat der König, wenn die Stände nicht versammelt sind, das Recht, auf den Bericht des ganzen Ministerii und nach Anhörung des Geheimenrathscollegii zu bestimmen, daß eine Anleihe auf den Credit der Generalcasse zur Deckung der bewilligten, oder aus dem Kriegsschatze zu bestreitenden, oder auf den Reservecredit anzuweisenden Ausgaben, höchstens bis zu dem Belaufe von einer Million Thaler gemacht werden darf.

Insofern Anleihen für Kriegsrüstungen nöthig werden, ist der jedesmalige Bestand des Kriegsschatzes davon in Absatz zu bringen.

Die Verhandlungen über solche außerordentliche Anleihen sollen jedoch der allgemeinen Ständeversammlung bei ihrer nächsten Zusammenkunft vorgelegt und derselben nachgewiesen werden, daß die gemachte Anleihe nothwendig gewesen und zum Besten des Landes verwandt ist, und soll der Betrag in die Landesschulden-Etats aufgenommen werden.

§ 148. Die Verwendung der zur Tilgung der Landesschulden ausgesetzten Summen soll unter Mitwirkung von Commissarien der allgemeinen Ständeversammlung geschehen.

Auch sollen diese Commissarien bei Ausstellung von Obligationen über Landesschulden zu dem Zwecke zugezogen werden, um zu constatiren, daß bei Eingehung der Anleihe, deren vollständige Bedingungen ihnen mitzutheilen sind, die verfassungsmäßigen Zuständigkeiten nicht überschritten worden.

§ 149. Die Rechnungen der Generalcasse und aller dazu gehörenden Nebencassen sollen der allgemeinen Ständeversammlung zur Einsicht vorgelegt werden. Diese hat alsdann aus ihrer Mitte eine Commission zu erwählen, welche diese Rechnungen zu prüfen und der allgemeinen Ständeversammlung darüber Bericht zu erstatten hat, ob die Einnahmen gehörig erhoben und zu keinen andern Zwecken, als den Ausgaben, zu denen sie bestimmt worden, verwandt sind. Zu diesem Zwecke sollen der Commission die etwa erforderlichen Erläuterungen und die Belege auf Begehren mitgetheilt werden.

Auch hat die allgemeine Ständeversammlung das Recht, zur Prüfung der Rechnungen Commissarien auf Lebenszeit zu ernennen, die sodann als solche in der Kammer, welche sie erwählt hat, Sitz und Stimme haben.

Ausgaben zu geheimen Verhandlungen, rücksichtlich deren eine Nachforschung von Seiten der Stände nicht Statt finden darf, können nicht anders in Rechnung gebracht werden, als wenn diese Ausgaben durch eine, von dem Könige und sämmtlichen Mitgliedern des Ministerii zu unterzeichnende, Verfügung als zu Landeszwecken nothwendig bezeichnet werden.

Achtes Kapitel. Von den oberen Landesbehörden und der Staatsdienerschaft.

§ 150. Die oberste Leitung der Regierung unter dem Könige und dessen etwaigem Stellvertreter wird von dem Ministerio wahrgenommen, dessen Mitglieder der König nach eigener Wahl ernennt, und nach Gefallen entlassen kann.

Für die einzelnen Verwaltungszweige bestehen Ministerialdepartements.

§ 151. Alle vom Könige, oder dessen Stellvertreter ausgehende Verfügungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Contrasignatur des Ministers oder Vorstandes des betreffenden Ministerialdepartements.

Jeder Minister oder Vorstand eines Ministerialdepartements ist aber dem Könige und dem Lande dafür verantwortlich, daß keine von ihm contrasignirte, ausgegangene oder unterschriebene Verfügung eine Verletzung des Staatsgrundgesetzes enthalte.

Die allgemeine Ständeversammlung ist befugt, diese Verantwortlichkeit durch Beschwerde, außerdem aber wegen absichtlicher Verletzung des Staats-Grundgesetzes mittelst einer förmlichen Anklage gegen den Minister oder Vorstand eines Ministerialdepartements, geltend zu machen.

§ 152. Zur Untersuchung und Entscheidung über eine solche förmliche Anklage ist ausschließlich das Ober-Appellationsgericht in Plenarversammlung competent.

Die Ständeversammlung muß dem Könige vier Wochen vor Anstellung der Anklage von derselben Anzeige machen. Die Anklage selbst wird von Seiten der Stände unmittelbar an das Gericht gebracht. Der König verspricht, eine von der Ständeversammlung beschlossene Anklage nie zu hindern.

Die Entscheidung des Gerichts kann nur dahin gehen, daß der Angeschuldigte der absichtlichen Verletzung des Staats-Grundgesetzes, deren er angeklagt worden, schuldig sey oder nicht. Im erstem Falle ist er durch den Ausspruch des Gerichts von selbst seiner Stelle verlustig, und kann auch in einem anderen Amte nicht wieder angestellt werden.

Gegen die Entscheidung des Gerichts in solchen Fällen finden überall keine Rechtsmittel Statt; auch sind die Abolition und die Begnadigung gänzlich ausgeschlossen.

Die Urtheile über solche Anklagen werden mit ihren Entscheidungsgründen durch den Druck öffentlich bekannt gemacht.

Hinsichtlich der gemeinrechtlichen Folgen behält es bei der ordentlichen Rechts- und Gerichtsverfassung sein Bewenden.

§ 153. Alle in Abwesenheit des Königs, so wie des Stellvertreters desselben, im Namen und Auftrage des Königs von den anwesenden Mitgliedern des Ministerii unterzeichnete Ausfertigungen haben die Kraft der vom Könige selbst vollzogenen Verfügungen.

§ 154. Zur Berathung wichtiger Landesangelegenheiten, insbesondere der zu erlassenden Gesetze und Verordnungen, wie auch der Entlassung von Civil-Staatsdienern, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 163, soll ein Geheimerathscollegium bestehen, welches aus den Mitgliedern des Ministerii und andern dazu berufenen Personen zusammengesetzt ist.

Dasselbe hat in der Regel eine bloß berathende Stimme. Eine Entscheidung steht demselben nur dann zu, wenn eine Competenzstreitigkeit zwischen den Verwaltungsbehörden und Gerichten (§ 156.) vorliegt.

Die Eröffnung der Entscheidung erfolgt durch das Ministerium.

§ 155. Die rein militairischen Angelegenheiten, insbesondere die innere Organisation der Armee und die Anstellung und Entlassung der Officiere, gehen vom Könige aus, ohne daß es dabei der Dazwischenkunft des Ministerii bedarf.

Bei Reduction der Armee und bei Translocationen der Officiere finden die Bestimmungen des § 162. Anwendung.

Zur Aufrechterhaltung der innern Ruhe und Sicherheit, so wie zur Vollziehung und Aufrechterhaltung der von den Civilbehörden ergangenen Verfügungen kann die Militairgewalt nur auf ausdrückliche Requisition der competenten Civilbehörde einschreiten. Die von diesem Grundsatze eintretenden gesetzlichen Ausnahmen sollen in dem, nach Cap. 3. § 34. über das Verfahren bei Störung der öffentlichen Ruhe zu erlassenden, Gesetze näher bestimmt werden, bis zu dessen Erscheinen es bei den bisherigen Bestimmungen sein Bewenden behält.

§ 156. Die Gerichte sind in den Grenzen ihrer Competenz unabhängig.

Entstehen Zweifel darüber, ob eine Sache zur gerichtlichen Entscheidung geeignet sey, oder zur Competenz der Verwaltungsbehörden gehöre, und können sich diese mit den Gerichten nicht darüber vereinigen; so sollen diese Zweifel, nachdem die Gründe der Gerichte und der Verwaltungsbehörden gehörig dargelegt worden, durch eine, zu diesem Zwecke besonders zu bildende, Section des Geheimerathscollegii discutirt und entschieden werden. Diese Section soll aus einer unveränderlichen Anzahl dauernd, und zwar zur Hälfte aus den höhern Justizcollegien zu ernennender Mitglieder bestehen.

§ 157. Die Ernennung und Entlassung der Staatsbeamten gehört, unter Vorbehalt der verfassungsmäßigen Bestimmungen, zu den Rechten des Königs, und wird entweder von demselben unmittelbar, oder durch die landesherrlichen Behörden ausgeübt.

Die Rechte einzelner Berechtigten oder Corporationen auf Ernennung oder Präsentation von Beamten werden hierdurch nicht geändert.

§ 158. Bei Besetzung aller Staatsämter soll, in sofern nicht bei einzelnen Dienststellen eine ausdrückliche, gesetzlich bestimmte Ausnahme besteht, der Unterschied der Geburt überall kein Recht auf Vorzüge irgend einer Art begründen.

§ 159. Der König wird bei den von ihm unmittelbar ausgehenden Ernennungen von Civil-Staatsdienern zuvor das Gutachten des Ministerii oder des Departements-Chefs vernehmen. Bei Ernennung von Ministern oder Vorständen von Ministerialdepartements ist dies jedoch nicht erforderlich.

§ 160. Anwartschaften auf bestimmte Dienststellen sollen nicht ertheilt werden, es sey denn, daß den Gehülfen altersschwächer, oder sonst an der gehörigen Wahrnehmung ihres Dienstes verhinderter Staatsdiener die künftige selbstständige Anstellung nach Maaßgabe der von ihnen bewiesenen Thätigkeit zugesichert würde.

§ 161. Alle Civil-Staatsdiener, mögen sie vom Könige oder dessen Behörden ernannt, oder von einzelnen Berechtigten und Corporationen erwählt, präsentirt oder ernannt seyn, sind durch ihren, auf die getreuliche Beobachtung des Staats-Grundgesetzes auszudehnenden, Diensteid verpflichtet, bei allen von ihnen ausgehenden Verfügungen dahin zu sehen, daß sie keine Verletzung der Verfassung enthalten. In gehöriger Form erlassene Befehle vorgesetzter Behörden befreien sie von der Verantwortung, und übertragen dieselbe an den Befehlenden.

§ 162. Bei nothwendigen Translocationen hat der Staatsdiener ein Recht auf seinen bisherigen Rang und Gehalt.

Macht eine Veränderung der Organisation Dienstentlassungen nothwendig; so hat der außer Thätigkeit gesetzte Staatsdiener Anspruch auf ein, seinen bisherigen Verhältnissen angemessenes, Wartegeld oder eine billige Entschädigung.

§ 163. Kein Civil-Staatsdiener (vergl. § 161.) kann seiner Stelle willkührlich entsetzt werden.

Wer seinen Dienst vernachlässigt, und sich Erinnerungen und Disciplinarstrafen seiner vorgesetzten Behörde nicht zur Besserung dienen läßt; wer sich Dienstverletzungen oder Dienstwidrigkeiten zu Schulden kommen läßt; wer grobes öffentliches Ärgerniß giebt, oder von der Gerichtsbehörde wegen eines gemeinen Verbrechens mit einer Criminalstrafe belegt ist, kann nach genaür Erwägung des gehörig in Gewißheit gesetzten Verschuldens, nach dem Gutachten des Geheimenrathscollegii, dem Befinden der Umstände nach, auf eine andere geringer dotirte Stelle versetzt, vom Dienste und der Diensteinnahme auf längere Zeit suspendirt, oder ganz aus dem Dienste entlassen werden. Die völlige Entlassung vom Richteramte kann nur durch Urtheil und Recht verfügt werden.

In Hinsicht auf die untere Staatsdienerschaft kann bei deren Anstellung eine Kündigung des Dienstes vorbehalten, solche aber nie anders als vom Ministerio angewandt werden.

Suspension vom Dienste und von der Besoldung auf höchstens einen Monat, und Disciplinarstrafen, die diese Grenzen nicht überschreiten, können von den höhern Verwaltungsbehörden gegen die ihnen untergebene Staatsdienerschaft verfügt werden.

§ 164. Diejenigen Staatsdiener, welche wegen Alterschwäche, oder wegen anderer Gebrechen ihre Berufsobliegenheiten nicht mehr erfüllen können, und daher in den Ruhestand versetzt werden, sollen eine angemessene Pension nach Maaßgabe ihrer Dienstjahre und ihrer Diensteinnahme erhalten.

§ 165. Keinem Civil-Staatsdiener kann die nachgesuchte Entlassung versagt werden; jedoch muß er sich vor seinem wirklichen Austritte aus dem Dienste auf Verlangen seiner vorgesetzten Behörde aller ihm deshalb obliegenden Verbindlichkeiten vollständig entledigen.

Schluß

Alle dem gegenwärtigen Staats-Grundgesetze entgegenstehende Gesetze und Einrichtungen werden hiemit aufgehoben und außer Kraft gesetzt, und es soll dagegen dies Gesetz überall zur Anwendung kommen.

Abänderungen desselben können nur in Übereinstimmung des Königs und der allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs getroffen und nur in Folge eines, auf zwei nacheinander folgenden Diäten gefaßten, gleichmäßigen Beschlusses angeordnet werden.

Auch ist zu solchen Veränderungen, mögen sie von der Regierung oder von den Ständen in Antrag gebracht werden, jederzeit erforderlich, daß in jeder Kammer der Ständeversammlung wenigstens die Anzahl von drei Viertel der zum regelmäßigen Erscheinen verpflichteten Mitglieder anwesend ist und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden für die Veränderung stimmen.

    Vorstehendes Grundgesetz soll durch die erste Abtheilung der Gesetzsammlung bekannt gemacht werden.

    Gegeben Windsor-Castle, den 26. September des 1833sten Jahres, Unsers Reichs im Vierten.

William R(ex).
L. v. Ompteda.

Diese Verfassung wurde bereits vor ihrem Erlaß von dem damaligen Thronfolger, dem Bruder des König Wilhelms I. von Hannover (in Großbritannien Wilhelm IV. !!!), Ernst August, Herzog von Cumberland heftig bekämpft; er konnte das Inkrafttreten aber nicht verhindern. Nach dem Tode König Wilhelms am 20. Juni 1837 (mit ihm endete auch die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover) hat der neue König Ernst August II. den in der Verfassung vorgeschriebenen Eid verweigert und durch königliches Patent vom 1. November 1837 bezeichnete er die Verfassung von 1833 als "von Anfang an als ungültig". Mit diesem Patent, das auch zur damaligen Zeit als Staatsstreich bezeichnet wurde, wurde die Verfassung von 1819 wieder gültig. Der Deutsche Bund hat, obwohl er in ähnlich gelagerten Fällen gegen Staatsstreiche in deutschen Staaten vorgegangen war, in Hannover nicht reagiert. König Ernst August II. von Hannover hat mit Zustimmung der Ständeversammlung des Königreichs am 6. August 1840 eine neue Verfassung erlassen.


Quellen: Hannoversche Gesetzsammlung 1833 S. 286 ff.
Reich und Länder, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, dtv Wissenschaft  (dtv 4443)
© 22. Juli 2001
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