Vorläufiges Statut für das Land Mecklenburg-Vorpommern

vom 26. Oktober 1990

Der Landtag des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat in seiner konstituierenden Sitzung das folgende bis zum Inkrafttreten der Landesverfassung geltende vorläufige Statut beschlossen:

§ 1. (1) Der Landtag beschließt die Landesgesetze, wählt die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten und übt die Kontrolle über die Regierung und die Verwaltung aus.

(2) Die Gesetzesvorlagen werden von der Landesregierung oder aus der Mitte des Landtages eingebracht.

(3) Die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung kann nur durch Gesetz erteilt werden. Das Gesetz muß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. In der Verordnung ist die Rechtsgrundlage anzugeben.

(4) Der Landtag wählt die Präsidentin oder den Präsidenten. Er gibt sich eine Geschäftsordnung. die zu veröffentlichen ist.

(5) Der Landtag kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder unter gleichzeitiger Bestimmung eines Termins zur Neuwahl die Wahlperiode vorzeitig beenden.

(6) Die Farben und das Wappen des Landes werden durch Gesetz geregelt.

§ 2. (1) Die Abgeordneten vertreten das ganze Volk. Bei der Ausübung ihres Amtes sind sie nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.

(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Landtages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, sie oder er wird bei Ausübung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen. Strafverfahren gegen Abgeordnete sowie die Durchführung von Haft oder sonstigen Beschränkungen der persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Landtages auszusetzen.

(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Der Landtag kann die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Landesregierung verlangen. Die Mitglieder der Landesregierung haben dem Verlangen in angemessener Zeit zu entsprechen.

§ 3. Die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident führt die Geschäfte des Landtages. Dazu gehören die Ausübung der Ordnungsgewalt im Landtag und das Hausrecht in den Räumen des Landtages, die Verwaltung der gesamten wirtschaftlichen Angelegenheiten des Landtages und die Vertretung des Landes in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten des Landtages. Ihr oder ihm steht die Einstellung und Entlassung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtages nach den bestehenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu. Die Präsidentin oder der Präsident ist oberste Dienstbehörde der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtages.

§ 4. (1) Die Landesregierung besteht aus der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten sowie den Ministerinnen und Ministern. Ihr obliegt die Einstellung und Entlassung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Einrichtung der Behörden des Landes; sie kann diese Befugnisse übertragen.

(2) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident wird vom Landtag in geheimer Wahl ohne Aussprache mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder für die Dauer der Geltung dieses Gesetzes gewählt. Falls die danach erforderliche Anzahl von Stimmen auch in einem zweiten Wahlgang nicht erreicht wird, genügt in einem dritten Wahlgang die einfache Mehrheit.

(3) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident beruft und entläßt die Ministerinnen und Minister. Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident und die Ministerinnen und Minister legen bei Amtsantritt vor dem Landtag folgen-des Gelöbnis ab:
„Ich gelobe, die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu wahren und mein Amt nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. So wahr mir Gott helfe.“
Die religiöse Beteuerung kann entfallen.

(4) Das Amt der Ministerinnen und Minister endet mit dem Rücktritt oder jeder anderen Erledigung des Amtes der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten.

Endet das Amt der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten, so sind sie oder er und mit ihr oder ihm die anderen Mitglieder der Landesregierung verpflichtet, die Geschäfte bis zum Amtsantritt der Nachfolgerinnen oder der Nachfolger weiterzuführen. Auf Ersuchen der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten hat eine Ministerin oder ein Minister die Geschäfte bis zur Ernennung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers weiterzuführen.

(5) Der Landtag kann der Ministerpräsidentin oder dem Ministerpräsidenten nur dadurch sein Mißtrauen aussprechen, daß er mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger wählt.

§ 5. (1) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Politik. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jede Ministerin und jeder Minister ihren oder seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung.

(2) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident vertritt das Land. Staatsverträgen, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen oder zu ihrer Durchführung eines Gesetzes bedürfen, muß neben der Landesregierung auch der Landtag zustimmen.

(3) Die Landesregierung gibt sich eine Geschäftsordnung, die zu veröffentlichen ist.

§ 6. (1) Alle Einnahmen und Ausgaben sowie Verpflichtungsermächtigungen des Landes müssen für jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingesetzt werden; bei Landesbetrieben und Sondervermögen des Landes brauchen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen eingesetzt zu werden. Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen.

(2) Der Haushaltsplan ist vor Beginn des Rechnungsjahres durch ein Gesetz festzustellen.

Bis zum Erlaß eines Haushaltsplanes gelten die bisher erteilten Ausgabeermächtigungen fort.

(3) Die Gesetzesvorlage nach Abs. 2 sowie Vorlagen der Landesregierung zur Änderung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes werden von ihr in den Landtag eingebracht.

(4) In das Haushaltsgesetz dürfen nur Vorschriften aufgenommen werden, die sich auf die Einnahmen und die Ausgaben des Landes und auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetz beschlossen wird.

(5) Kann der Haushaltsplan nicht vor Beginn eines Rechnungsjahres durch Gesetz festgestellt werden, so ist die Landesregierung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes ermächtigt, alle Ausgaben zu leisten oder Verpflichtungen einzugehen, die nötig sind
a) um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,
b) um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Landes zu erfüllen sowie
c) um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diesen Zweck weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind.

(6) Die Landesregierung kann für die nach Abs. 1 zulässigen Ausgaben Kredite aufnehmen, soweit der Geldbedarf des Landes nicht durch Steuern, Abgaben und sonstige Einnahmen gedeckt werden kann. Die Kredite dürfen ein Drittel der Einnahmen des Haushaltsplanes des Vorjahres nicht übersteigen.

(7) Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungen bedürfen der vorherigen Zustimmung der Ministerin oder des Ministers für Finanzen. Sie darf nur bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedürfnis erteilt werden.

(8) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigungen durch Landesgesetz.

(9) Beschließt der Landtag Maßnahmen, die Kosten verursachen, so ist gleichzeitig für die nötige Deckung zu sorgen.

(10) Die Landesregierung hat durch die Ministerin oder den Minister für Finanzen dem Landtag über alle Einnahmen und Ausgaben sowie die Inanspruchnahme der Verpflichtungsermächtigungen jährlich Rechnung zu legen Sie hat die Haushaltsrechnung mit einer Übersicht über das Vermögen und die Schulden des Landes im nächsten Haushaltsjahr dem Landtag vorzulegen.

(11) Der Landtag beschließt über die Entlastung der Landesregierung auf Grund der Haushaltsrechnung.

§ 7. (1) Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident fertigt unter Mitzeichnung der beteiligten Ministerinnen und Minister die Gesetze aus und verkündet sie unverzüglich im Gesetz- und Verordnungsblatt.

(2) Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erläßt, ausgefertigt und, vorbehaltlich anderweitiger gesetzliches Regelung, im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet,

(3) Die Gesetze und Rechtsverordnungen treten, wenn nichts anderes bestimmt ist, mit dem vierzehnten Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem sie verkündet worden sind.

§ 8. (1) Dieses Gesetz wird unverzüglich nach dem Beschluß des Landtages von seiner Präsidentin oder seinem Präsidenten ausgefertigt und durch Aushang in den Räumen des Landtages verkündet. Es tritt mit seiner Verkündung in Kraft. Es ist im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

(2) Dieses Gesetz tritt mit Inkrafttreten der Verfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern außer Kraft.

    Schwerin, den 26. Oktober 1990

Der Präsident des Landtages Mecklenburg-Vorpommern
Rainer Prachtl


Quellen: Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern 1990 Nr. 1 S.2f.
© 14. Oktober  2001
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