Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg

vom 7. Januar 1921

geändert durch
Gesetz vom 21. März 1924 (GVBl. S. 213)
Gesetz vom 19. Mai 1926 (GVBl. S. 327)
Gesetz vom 28. Februar 1927 (GVBl. S. 123)
Gesetz vom 18. Mai 1933 (GVBl. S. 171)
Gesetz vom 22. September 1933 (GVBl. S. 375)
Gesetz vom 26. Januar 1937 (RGBl. I. S. 91)
Gesetz vom 9. Dezember 1937 (RGBl. I. S. 1327)
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aufgehoben durch die Erste Durchführungsverordnung zum Reichsgesetz vom 9. Dezember 1937, vom 13. Februar 1938 (RGBl. I. S. 194) bzw. durch Verordnung vom 15. März 1938 (VBl. S. 1).


Der Senat verkündet das nachstehende, von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:

Das hamburgische Volk, vertreten durch die am 16. März 1919 gewählte Bürgerschaft, hat sich diese Verfassung gegeben.

I. Staat und Volk

Artikel 1

Der hamburgische Staat ist eine Republik und bildet unter dem Namen "Freie und Hansestadt Hamburg" ein Land des Deutschen Reiches.

Artikel 2

Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.

Sie wird nach Maßgabe der Verfassung und der Gesetze ausgeübt.

II. Die Bürgerschaft

Artikel 3

Die Bürgerschaft besteht aus einhundertsechzig Abgeordneten, die in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Der Wahltag muß ein Sonntag oder öffentlicher Ruhetag sein.

Das Nähere bestimmt das Wahlgesetz.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 6 Absatz 2 fast wörtlich übernommen.

Durch den § 5 des Bürgerschaftswahlgesetzes vom 30. Dezember 1920 wurde bestimmt, daß von den 160 Abgeordneten 150 in der Stadtgemeinde Hamburg und 10 im Landgebiet gewählt werden. Es wurden zwei Wahlkreise eingereichtet.

Artikel 4

Wahlberechtigt sind alle über zwanzig Jahre alten Reichsangehörigen, die im hamburgischen Staatsgebiet ihren Wohnsitz haben.

Artikel 5

Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist:
1. wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistigen Gebrechens unter Pflegschaft steht.
2. wer rechtskräftig durch Richterspruch die bürgerlichen Ehrenrechte verloren hat.

Behindert in der Ausübung des Wahlrechts ist:
1. wer wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht ist.
2. wer sich in Straf- oder Untersuchungshaft befindet.
3. wer infolge gerichtlicher oder polizeilicher Anordnung in Verwahrung gehalten wird, ausgenommen den Fall der Schutzhaft aus politischen Gründen.

Artikel 6

Wählbar ist, wer am Wahltage mindestens fünfundzwanzig Jahre alt und seit einem Jahr Reichsangehöriger ist, im hamburgischen Staatsgebiet seinen Wohnsitz hat und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen ist.

Artikel 7

Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl besteht nicht. Die Gewählten können jederzeit aus der Bürgerschaft austreten.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 6 Absatz 5 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 8

Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 7 wörtlich übernommen.

Artikel 9

Angestellte und Arbeiter des Staates und der Gemeinden dürfen, ebenso wie nach der Reichsverfassung Beamte, zur Ausübung ihres Amtes als Abgeordnete keines Urlaubs.

Bewerben sie sich um einen Sitz in der Bürgerschaft, so ist ihnen vom Tage der Ausschreibung der Wahl der zur Vorbereitung ihrer Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.

Artikel 10

Die Mitglieder des Senats können gleichzeitig der Bürgerschaft angehören.

Artikel 11

Ein Abgeordneter, der seine Wählbarkeit verliert, scheidet aus der Bürgerschaft aus.

Ein Ersatzmann, der zwischen der Wahl und seiner Einberufung seinen Wohnsitz vorübergehend außerhalb des hamburgischen Staatsgebiets gehabt hat, bleibt zum Eintritt in die Bürgerschaft berechtigt.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 8 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 12

Über die Gültigkeit er Wahlen sowie darüber, ob ein Abgeordneter die Mitgliedschaft verloren hat, entscheidet die Bürgerschaft.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 9 Absatz 1 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 13

Die Bürgerschaft wird auf drei Jahre gewählt.

gewählt wurde am 20. Februar 1921, am 26. Oktober 1924, am 9. Oktober 1927, am 19. Februar 1928, am 27. September 1931 und am 24. April 1932.

Artikel 14

Die Bürgerschaft kann selbst ihre Auflösung beschließen. Der Antrag muß von wenigstens einem Viertel der Abgeordneten gestellt und mindestens eine Woche vor der Sitzung, auf deren Tagesordnung er gebracht wird, allen Abgeordneten und dem Senat mitgeteilt werden. Der Beschluß bedarf der Zustimmung der Mehrheit sämtlicher Abgeordneten.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 11 fast wörtlich übernommen.

Die Bürgerschaft wurde am 23. März 1932 durch eigenen Beschluß aufgelöst.

Artikel 15

Die Bürgerschaft wird vor dem Ende der laufenden Wahlperiode neu gewählt. Der Senat hat rechtzeitig die Wahlen auszuschreiben und die Einberufung der neuen Bürgerschaft zu veranlassen. Die erste Sitzung muß in den ersten acht Tagen der neuen Wahlperiode stattfinden.

Hat die Bürgerschaft ihre Auflösung beschlossen, so ist binnen sechzig Tagen neu zu wählen. Die alte Bürgerschaft führt die Geschäfte bis zur ersten Sitzung der neuen Bürgerschaft weiter.

Der bisherige Bürgerausschuß bleibt bis zur ersten Sitzung der neuen Bürgerschaft bestehen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 12 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 16

Die Abgeordneten üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Inwieweit eine Aufwandsentschädigung gewährt wird, bestimmt das Gesetz.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 13 Absatz 1 in neuer Fassung übernommen.

Gemäß Gesetz vom 7. März 1923 wurde die Aufwandsentschädigung auf 12 Goldmark je Monat und je Abgeordneter festgesetzt; der Präsident erhielt das Vierfache, die Vizepräsidenten das Zweifache. Goldmark war 1919 bis 1923 der 1395. Teil des Pfundes Gold.

Artikel 17

Die Bürgerschaft wählt ihren Vorstand, der aus dem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und vier Schriftführern besteht. Sie gibt sich eine Geschäftsordnung.

Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt in der von der Bürgerschaft benutzten Räumen aus. Ihm untersteht die Bürgerschaftskanzlei; er verfügt nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans über die Einnahmen und Ausgaben der Bürgerschaft und vertritt den Staat in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten der Verwaltung der Bürgerschaft.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 18 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 18

Zu einem Beschlusse der Bürgerschaft ist einfache Stimmenmehrheit erforderlich, sofern die Verfassung nicht ein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt. Für Wahlen kann, soweit das Stimmenverhältnis nicht durch Verfassung oder Gesetz vorgeschrieben ist, die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 19 Satz 1 wörtlich übernommen.

Artikel 19

Die Bürgerschaft ist beschlußfähig, wenn mehr als achtzig Mitglieder anwesend sind. Jedoch sind alle Beschlüsse gültig, die gefaßt werden, ohne daß die Beschlußfähigkeit vor der Abstimmung angezweifelt worden ist.

Die Beschlußfähigkeit für Anberaumung der Sitzungen, für Feststellung der Tagesordnung und der Niederschrift sowie für andere die Geschäftsbehandlung betreffende Fragen wird durch die Geschäftsordnung geregelt.

Die Art der Abstimmung wird durch die Geschäftsordnung geregelt.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 20 fast wörtlich übernommen.

Artikel 20

Anträge des Senats, die er als dringlich bezeichnet, sind vor allen andern Gegenständen zur Behandlung zu bringen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 23 Absatz 4 wörtlich übernommen.

Artikel 21

Die Sitzungen der Bürgerschaft sind öffentlich. Wird von mindestens dreißig Abgeordneten oder vom Senat eine geheime Sitzung beantragt, so beschließt die Bürgerschaft unter Ausschluß der Öffentlichkeit, ob die weitere Verhandlung in geheimer Sitzung stattfinden soll. Dem Antrag des Senats ist ohne besondere Beschlußfassung zu entsprechen, wenn der Antrag sich auf Reichs- oder auswärtige Angelegenheiten bezieht.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 21 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 22

Die Bürgerschaft wird durch ihre Kanzlei zusammenberufen:
1. auf Anordnung ihres Präsidenten oder auf Beschluß ihres Vorstandes,
2. auf ihren eigenen Beschluß,
3. auf Beschluß des Bürgerausschusses,
4. auf Veranlassung des Senats,
5. auf Verlangen von mindestens zwanzig Abgeordneten, wenn seit der letzten Sitzung mehr als zwei Monate verflossen sind.

Dem Senat ist vor der Sitzung die Tagesordnung mitzuteilen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 22 fast wörtlich übernommen.

Artikel 23

Der Senat hat das Recht, zu den Verhandlungen der Bürgerschaft und ihrer Ausschüsse Vertreter zu entsenden. Auf Ersuchen der Bürgerschaft, ihres Vorstandes oder ihrer Ausschüsse ist der Senat zur Entsendung von Vertretern verpflichtet.

Den Vertretern des Senats ist auf ihr Verlangen jederzeit das Wort zu erteilen. Sie unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden.

Von den Sitzungen der Ausschüsse ist dem Senat, soweit tunlich, vorher Kenntnis zu geben.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 23 Absätze 1 bis 3 fast wörtlich übernommen.

Artikel 24

Jeder Abgeordnete ist berechtigt, an den Senat Anfragen in öffentlichen Angelegenheiten zu richten. Die Anfragen sind binnen zwei Wochen durch einen Vertreter des Senats in der Bürgerschaftssitzung zu beantworten. Auf Verlangen von einem Drittel der anwesenden Abgeordneten schließt sich an die Beantwortung eine Besprechung an. Hat der anfragende Abgeordnete erklärt, daß er sich mit einer schriftlichen Antwort begnüge, so ist eine schriftliche Antwort zulässig.

Der Senat ist verpflichtet, der Bürgerschaft auf Verlangen Akten vorzulegen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 24 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 25

Den von der Bürgerschaft eingesetzten Ausschüssen hat der Senat die erforderliche Auskunft zu erteilen und ihnen auf Verlangen Akten vorzulegen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Jeder Staatsbürger hat ihnen in gleichem Umfange wie den Verwaltungsbehörden Auskunft zu erteilen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 32 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 26

Die Bürgerschaft hat das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Vertreter des Senats nehmen an den Verhandlungen nur auf Beschluß der Ausschüsse teil. Beweise werden in öffentlicher Verhandlung erhoben, jedoch kann mit Zweidrittel-Mehrheit der Ausschluß der Öffentlichkeit beschlossen werden. Beweisanträgen ist stattzugeben, wenn ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses sie für erforderlich hält. Im übrigen wird das Verfahren durch die Geschäftsordnung der Bürgerschaft geregelt.

Alle Behörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten. Der Senat ist verpflichtet, den Ausschüssen auf Ersuchen die zur Unterstützung bei ihren Arbeiten erforderlichen Beamten zur Verfügung zu stellen. Die Akten der Behörden sind den Ausschüssen auf Verlangen vorzulegen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Hamburgische Staats- oder Gemeindebeamte, die vor einem Untersuchungsausschuß vernommen werden, sind dem Ausschuß gegenüber von ihrer dienstlichen Pflicht zur Verschwiegenheit entbunden.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 25 in neuer Fassung übernommen.

III. Der Bürgerausschuß

Artikel 27

Der Bürgerausschuß besteht aus dem Präsidenten der Bürgerschaft als Vorsitzendem und zwanzig von der Bürgerschaft aus ihrer Mitte zu wählenden Mitgliedern. Die in den Bürgerausschuß gewählten Mitglieder sind nicht verpflichtet, das Amt anzunehmen, und berechtigt, es jederzeit niederzulegen.

Gewählt wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl mit streng gebundenen Listen. Jeder Abgeordnete hat eine Stimme. Wahlvorschläge bedürfen der Unterschrift von mindestens zehn Abgeordneten. Eine Verbindung von Vorschlägen ist nicht zulässig. Die Sitze im Bürgerausschuß werden auf die Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der auf sie gefallenen Stimmen verteilt. Die Summen der auf die einzelnen Vorschläge gefallenen Stimmen werden nacheinander durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt, bis von den hierbei errechneten Teilzahlen so viele Höchstzahlen der Größe nach ausgesondert werden können, wie Mitglieder zu wählen sind. Jeder Wahlvorschlag erhält soviele Sitze, wie auf ihn Höchstzahlen entfallen. Wenn die an letzter Stelle stehende Höchstzahl auf mehrere Wahlvorschläge zugleich entfällt, so entscheidet das Los. Wenn ein Wahlvorschlag weniger Bewerber enthält, als auf ihn Höchstzahlen entfallen, so gehen die überschüssigen Sitze auf die Höchstzahlen der anderen Wahlvorschläge über.

Lehnt ein Abgeordneter die Wahl in den Bürgerausschuß ab oder scheidet er nachträglich aus, so tritt an seine Stelle der Nächste desselben Wahlvorschlags. Ist der Wahlvorschlag erschöpft, so bleibt der Sitz im Bürgerausschuß unbesetzt.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 26 Absatz 2 und 3 sowie als Artikel 27 fast wörtlich übernommen.

Artikel 28

Der Bürgerausschuß wird durch seinen Vorsitzenden oder durch den Senat zusammenberufen. Auf Verlangen von fünf Mitgliedern hat der Vorsitzende die Einberufung zu veranlassen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 28 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 29

Der Bürgerausschuß ist bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder beschlußfähig.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 29 fast wörtlich übernommen.

Artikel 30

Die Sitzungen des Bürgerausschusses sind nicht öffentlich. Mitglieder der Bürgerschaft, die dem Bürgerausschuß nicht angehören, können seinen Sitzungen beiwohnen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 30 Absatz 1 wörtlich übernommen.

Artikel 31

Der Bürgerausschuß ist verpflichtet, über die Einhaltung der Verfassung und der Gesetze des öffentlichen Rechts zu wachen. Verletzungen hat er der Bürgerschaft anzuzeigen, sofern der Senat nicht Abhilfe schafft.

Der Bürgerausschuß ist neben den ihm sonst durch die Gesetzgebung zugewiesenen Aufgaben befugt:
1. auf Antrag des Senats Ausgaben zur zur Grenze des ihm durch die Bürgerschaft zur Verfügung gestellten Betrags zu genehmigen, wenn ihre Erörterung in der Bürgerschaft dem Staatswohl zuwiderläuft, oder wenn ihre Dringlichkeit eine Beschlußfassung vor der nächsten Sitzung der Bürgerschaft erfordert, oder wenn sie im Einzelfalle 50000 Mark nicht übersteigen,
2. auf Antrag des Senats Veräußerungen von Staatsgut, die im Einzelfalle 50000 Mark nicht übersteigen, zu genehmigen,
3. auf Antrag des Senats in dringlichen Fällen gesetzliche Vorschriften von geringer Bedeutung bis zur künftigen Beschlußfassung der Bürgerschaft zu erlassen,
4. vom Senat Auskunft über Staatsangelegenheiten zu fordern und die Vorlegung von Akten zu verlangen, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.

Durch Gesetz vom 21. März 1924 wurde im Artikel 31 Absatz 2 die Worte "50000 Mark" jeweils ersetzt durch: "den Wert von 5000 Goldmark".

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 31 fast wörtlich übernommen.

IV. Der Senat

Artikel 32

Der Senat ist die Landesregierung. Die Anzahl seiner Mitglieder wird durch Gesetz bestimmt.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 33 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 33

Wählbar zum Senat ist jeder Deutsche, der seit mindestens einem Jahre die Reichsangehörigkeit besitzt und das dreißigste Lebensjahr vollendet hat, sofern nicht die Voraussetzungen für die Ausschließung vom Wahlrecht bei ihm vorliegen.

Die Mitglieder des Senats müssen ihren Wohnsitz im hamburgischen Staatsgebiet haben.

Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl besteht nicht. Die Gewählten können jederzeit aus dem Senat austreten.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 34 Absätze 2 und 3 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 34

Die Mitglieder des Senats werden von der Bürgerschaft mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt. Das Nähere bestimmt das Gesetz.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 34 Absatz 1 fast wörtlich übernommen.

Artikel 35

Erledigte Stellen im Senat sind in der Regel innerhalb eines Monats wieder zu besetzen.

Die Wahl ist durch einen aus zwanzig Abgeordneten bestehenden Ausschuß vorzubereiten. Der Ausschuß ist nach den Vorschriften über die Wahl zum Bürgerausschuß zu bilden.

Vertreter des Senats können an den Sitzungen des Ausschusses nur auf sein Verlangen teilnehmen.

Artikel 36

Die Mitglieder des Senats sind einzeln und in ihrer Gesamtheit von dem Vertrauen der Bürgerschaft abhängig und haben von ihrem Amte zurückzutreten, wenn die Bürgerschaft ihnen ihr Vertrauen durch ausdrücklichen Beschluß entzieht.

Der Antrag auf Entziehung des Vertrauens bedarf der Unterschrift von wenigstens vierzig Abgeordneten. Er ist mindestens eine Woche vor der Verhandlung allen Abgeordneten und dem Senate mitzuteilen. Der Beschluß erfordert die Zustimmung der Mehrheit sämtlicher Abgeordneten und, sofern er nicht mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden gefaßt ist, eine zweite Beratung und Abstimmung frühestens nach sieben Tagen.

Wird dem gesamten Senate das Vertrauen der Bürgerschaft entzogen oder tritt der gesamte Senat für das Senatsmitglied ein, dem das Vertrauen entzogen worden ist, so steht dem Senate das Recht zu, einen Volksentscheid darüber herbeizuführen, ob er selbst zurückzutreten hat oder die Bürgerschaft neu zu wählen ist.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 35 Absatz 2 und Artikel 36  in neuer und vollkommen anderer Form übernommen.

Artikel 37

Tritt der gesamte Senat zurück, so hat er bis zur Wahl eines neuen Senats die Geschäfte weiterzuführen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 37 Absatz 1 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 38

Die Mitglieder des Senats leisten nach einer vom Senate zu beschließenden Geschäftsverteilung die einzelnen Verwaltungszweige. Sie haben alle an die Bürgerschaft zu richtenden Anträge, ferner Angelegenheiten, für welche Verfassung oder Gesetz die Entscheidung des Senats vorschreiben oder welche für die gesamte Staatsverwaltung von Bedeutung sind, sowie Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Verwaltungszweige berühren, dem senate zur Beschlußfassung zu unterbreiten.

Der Senat faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit, wobei es jedem einzelnen Mitglied freisteht, eine abweichende Stellungnahme in die Niederschrift aufnehmen zu lassen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 42 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 39

Mit dem Amte der Senatsmitglieder ist jedes andere besoldete öffentliche Amt unvereinbar. Die Beibehaltung einer sonstigen Berufstätigkeit kann der Senat gestatten. Mitglieder des Senats können dem Vorstand, dem Verwaltungs- oder Aufsichtsrat eines den Gelderwerb bezweckenden Unternehmens nur mit Genehmigung des Senats angehören.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 39 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 40

Jedes Mitglied des Senats hat vor dem Antritt seines Amtes vor der Bürgerschaft folgenden Eid zu leisten:

"Ich schwöre, daß ich der Reichsverfassung und der Hamburgischen Verfassung Treue halten, die mit als Mitglied des Senats obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen, die Gesetze beobachten und das Beste der Freien und Hansestadt Hamburg, soviel ich vermag, fördern will.

Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 38 wörtlich übernommen; nur aus der "Reichsverfassung" wurde "Deutschland und Grundgesetz".

Artikel 41

Der Senat wählt aus seiner Mitte in geheimer Abstimmung seinen Präsidenten (ersten Bürgermeister) und seinen Stellvertreter (zweiten Bürgermeister) auf die Dauer eines Jahres. Ihre Wiederwahl ist zulässig.

Der Präsident des Senats hat die Aufgabe, die Senatsgeschäfte zu leiten, das innere und äußere Gedeihen des Staatswesens zu überwachen, für wichtige Staatsangelegenheiten persönlich einzutreten und grundlegende Arbeiten auf dem Gebiete der Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 41 wörtlich übernommen.

Artikel 42

Der Senat nimmt die dem Staate zu leistenden Eide ab, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen. Er kann die Abnahme von Eiden anderen Stellen übertragen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 46 wörtlich übernommen.

Artikel 43

Der Senat übt die Aufsicht über sämtliche Zweige der Verwaltung aus.

Artikel 44

Der Senat hat die gesetzliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die Sicherheit des Staates zu wahren.

Artikel 45

Der Senat vertritt die Freie und Hansestadt Hamburg gegenüber dem Reiche, den deutschen Ländern und dem Ausland. Ihm liegt nach erfolgter Beschlußfassung der Bürgerschaft die Ratifikation der Staatsverträge ob.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 43 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 46

Der Senat übt die Oberaufsicht über die Gemeinden aus.

Bis zum Inkrafttreten des Groß-Hamburg-Gesetzes am 1. April 1937 bestand das Staatsgebiet Hamburgs aus vier Städten (Hamburg, Cuxhaven, Bergedorf, Geesthacht) und 27 Landgemeinden. Erst das Groß-Hamburg-Gesetz schuf die Einheitsgemeinde Hamburg.

Artikel 47

Der Senat übt das Begnadigungsrecht aus. Amnestien bedürfen eines Gesetzes. Der Senat kann Strafverfahren nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung niederschlagen.

Bei einer Verurteilung durch den Staatsgerichtshof kann der Senat das Begnadigungsrecht nur auf Antrag oder mit Zustimmung der Bürgerschaft ausüben.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 44 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 48

Die Ernennung der Beamten geschieht durch den Senat oder die von ihm damit beauftragten Stellen, soweit nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 45 Absatz 1 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 49

Die Bürgerschaft kann durch einen Beschluß, welcher der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit bedarf und mit einfacher Stimmenmehrheit zurückgenommen werden kann, die Mitglieder des Senats vor dem Staatsgerichtshof anklagen, daß sie wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit die Verfassung oder ein Gesetz verletzt haben. Der Staatsgerichtshof ist bei Beginn jeder Wahlperiode der Bürgerschaft zu bilden. Er besteht aus dem Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts als Vorsitzendem und acht weiteren Mitgliedern, von denen fünf von der Bürgerschaft nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und drei von den Mitgliedern des Hanseatischen Oberlandesgerichts aus ihrer Mitte gewählt werden. Zur Vertretung der Anklage bestellt die Bürgerschaft eines oder mehrere ihrer Mitglieder. Die Mitglieder des Staatsgerichtshofs haben, soweit sie nicht Mitglieder des Hanseatischen Oberlandesgerichts sind, vor dem Vorstand der Bürgerschaft eidlich zu geloben, daß sie ihr Urteil unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen abgeben werden. Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof wird durch eine von ihm zu erlassende Geschäftsordnung geregelt. zur Bejahung der Schuldfrage bedarf es einer Mehrheit von mindestens sechs Stimmen. Im Falle der Verurteilung des Angeklagten ist auf seine Entlassung aus dem Amte zu erkennen. Legt der Angeklagte unter Verzicht auf Ruhegehalt sein Amt nieder, so ist das Verfahren einzustellen. Im Falle einer Amtsniederlegung ohne Verzicht auf Ruhegehalt ist das Verfahren fortzusetzen und über die Berechtigung zum Bezuge des Ruhegehalts zu entscheiden. Der Anspruch auf Ruhegehalt kann von dem Staatsgerichtshof nur mit Einstimmigkeit aberkannt werden.

Artikel 50

Dem Senate werden zur Unterstützung und erforderlichenfalls zur Vertretung seiner Mitglieder in ihren Verwaltungsämtern sowie zur Bearbeitung der Senatsangelegenheiten Staatsräte beigegeben.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 47 in neuer Fassung übernommen.

V. Die Gesetzgebung

Artikel 51

Die Gesetzesvorlagen werden von dem Senat oder aus der Mitte der Bürgerschaft eingebracht.

Die Gesetze werden von der Bürgerschaft beschlossen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 48 wörtlich übernommen.

Artikel 52

Gesetzesvorlagen des Senats müssen, bevor sie als angenommen gelten können, einer zweimaligen Beratung und Abstimmung unterzogen werden, es sei denn, daß bei der ersten Abstimmung mindestens zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten sich für die Annahme erklärt haben. Die zweite Abstimmung darf nur, wenn sich kein Widerspruch erhebt, an demselben Tage stattfinden.

Gesetzesvorschläge, die aus der Mitte der Bürgerschaft stammen, und Anträge, welche die Änderung von Senatsvorlagen bezwecken, bedürfen, bevor sie als endgültig angenommen gelten, in jedem Falle einer zweimaligen Beratung und Abstimmung mit dem Zwischenraume von wenigstens sechs Tagen. Dem Senat ist das Ergebnis der ersten Lesung unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Mit seinem Einverständnis kann die zweite Beratung und Abstimmung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen; auf seinen Antrag ist sie bis zur Dauer eines Monats auszusetzen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 49 fast wörtlich übernommen.

Artikel 53

Der Senat hat das Recht, gegen die von der Bürgerschaft beschlossenen Gesetze innerhalb eines Monats unter Darlegung der Gründe Einspruch zu erheben. Alsdann ist die Beschlußfassung zu wiederholen. Beharrt die Bürgerschaft bei ihrem Beschlusse, so kommt das Gesetz nur zustande, wenn der abermalige Beschluß von der Mehrheit sämtlicher Abgeordneten gefaßt worden ist. Ist diese Mehrheit erreicht, so hat der Senat das Gesetz auszufertigen und zu verkünden, es sei denn, daß er innerhalb eines Monats einen Volksentscheid herbeiführt. Dem Senat steht dieses Recht nicht zu, wenn der erneute Beschluß der Bürgerschaft mit der für eine Verfassungsänderung erforderlichen Mehrheit gefaßt ist, es sei denn, daß der Beschluß selbst eine Verfassungsänderung enthält.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 50 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 54

Ein Volksentscheid kann einen Beschluß der Bürgerschaft nur dann außer Kraft setzen, wenn sich die Mehrheit der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligt.

Artikel 55

Zu einem die Verfassung abändernden Gesetz sind zwei übereinstimmende Beschlüsse der Bürgerschaft erforderlich, zwischen denen ein Zeitraum von mindestens vierzehn Tagen liegen muß. Beide Beschlüsse müssen bei Anwesenheit von mindestens drei Vierteln sämtlicher Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten erfolgt sein.

Durch Volksentscheid kann eine Verfassungsänderung nur unter Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten beschlossen werden.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 51 fast wörtlich übernommen.

Artikel 56

Der Senat hat die endgültig zustande gekommenen Gesetze binnen vierzehn Tagen auszufertigen und im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu verkünden. Er erläßt die zur Ausführung der Gesetze notwendigen Verordnungen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

Die Gesetze treten, soweit nicht in ihnen etwas anderes bestimmt ist, mit dem auf die Ausgabe des Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblattes folgenden Tage in Kraft.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 54 (Absatz 1) und Artikel 53 (Absatz 2) in neuer Fassung übernommen.

Artikel 57

Die Verkündung eines Gesetzes ist zwei Monate auszusetzen, wenn es mindestens sechzig Abgeordnete verlangen. Gesetze, welche die Bürgerschaft und der Senat für dringlich erklären, sind ungeachtet dieses Verlangens zu verkünden.

Artikel 58

Ein Gesetz, dessen Verkündung auf Antrag von mindestens sechzig Abgeordneten ausgesetzt ist, ist dem Volksentscheide zu unterbreiten, wenn ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten es beantragt.

Ein Volksentscheid ist ferner herbeizuführen, wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten ein Gesetz begehrt. Dem Volksbegehren muß ein ausgearbeitetet Gesetzentwurf zugrunde liegen. Er ist zunächst vom Senat unter Darlegung seiner Stellungnahme der Bürgerschaft zu unterbreiten. Der Volksentscheid findet nicht statt, wenn der begehrte Gesetzentwurf in der Bürgerschaft unverändert angenommen worden ist.

Über Besoldungsordnungen und über Abgabegesetze findet ein Volksentscheid nicht statt.

Das Verfahren beim Volksentscheid und beim Volksbegehren wird durch Gesetz geregelt.

VI. Die Verwaltung

Artikel 59

Das Volk ist zur Mitwirkung an der Staatsverwaltung berufen.

Die Mitwirkung geschieht durch die ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Verwaltungsbehörden.

In die Verwaltungsbehörden kann gewählt werden, wer zur Bürgerschaft wählbar ist. Wer die Wählbarkeit verliert, scheidet aus seinem Amte aus.

Das Nähere regelt das Gesetz.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 56 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 60

Die Gliederung der Staatsverwaltung wird durch Gesetz geregelt.

Die Abgrenzung der einzelnen Verwaltungszweige gegeneinander geschieht durch Verordnung des Senats.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 57 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 61

Die Beamten erhalten besondere Vertretungen. Das Nähere bestimmt das Gesetz.

Artikel 62

Bezüge, die jemand als Vertreter des Staates in einem wirtschaftlichen Unternehmen von diesem erhält, stehen dem Staate zu.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 60 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 63

Der vom Senat vorzulegende Haushaltsplan, Nachforderungen sowie sonstige Einnahmen und Ausgaben unterliegen der Genehmigung der Bürgerschaft. Das gleiche gilt für die Veräußerung von Staatsgut, soweit sie nicht im regelmäßigen Gang der Verwaltung erfolgt.

Die Beschlußfassung der Bürgerschaft ist zu wiederholen, wenn der Beschluß nicht auf Grund eines Senatsantrages erfolgt, oder von einem solchen abweicht. Dem Senat ist das Ergebnis der ersten Lesung unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Nur im Einverständinis mit dem Senat kann die zweite Lesung vor Ablauf von sechs Tagen stattfinden.

Der Senat hat das Recht, unter Darlegung der Gründe Einspruch zu erheben. Alsdann erhält der Beschluß nur Gesetzeskraft, wenn bei der erneuten Abstimmung die Mehrheit sämtlicher Abgeordneten zustimmt. Ein Volksentscheid darüber findet nicht statt.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 66, 68 und 69 in vollkommen neuer Form übernommen.

Artikel 64

Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden. Eine solche Beschaffung sowie die Übernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten des Staates bedürfen eines Beschlusses der Bürgerschaft.

Auch hier gelten die Bestimmungen des vorhergehenden Artikels über die Wiederholung der Beschlußfassung und das Einspruchsrecht des Senats. Ein Volksentscheid findet auch hier nicht statt.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 72 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 65

Nach Ablauf eines jeden Rechnungsjahres hat der Senat die Abrechnung über die Einnahmen und Ausgaben des verflossenen Jahres der Bürgerschaft vorzulegen.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 70 in neuer Fassung übernommen.

VII. Die wirtschaftlichen und beruflichen Vertretungskörperschaften

Artikel 66

Zur Ausführung der reichsrechtlichen Vorschriften werden ein Arbeiterrat und ein Wirtschaftsrat errichtet.

Arbeiterrat und Wirtschaftsrat sind berufen, bei der Erfüllung der wirtschaftlichen Aufgaben und bei der Ausführung der Sozialisierungsgesetze mitzuwirken. Ihnen können Kontroll- und Verwaltungsbefugnisse auf den ihnen überwiesenen Gebieten übertragen werden.

Die Gesetzgebung bestimmt, welche sonstigen öffentlich-rechtlichen Vertretungskörperschaften beruflicher oder wirtschaftlicher Natur zu bildenund mit welchen Befugnissen sie ausgestattet sind.

VIII. Die Gemeinden

Artikel 67

Die Stadt Hamburg ist eine besondere Gemeinde. Senat und Bürgerschaft sind die Organe zur Leitung ihrer Gemeindeangelegenheiten, soweit nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt.

Hierzu siehe "Hamburgisches Gesetz vom 13. Januar 1919 über die Verfassung der Stadtgemeinde Hamburg und die Erhebung einer Gemeindesteuer.

Artikel 68

Den übrigen zum hamburgischen Staatsgebiete gehörenden Städten sowie den Landgemeinden steht in ihren Angelegenheiten das Recht der Selbstverwaltung zu. Die Aufsicht des Staates beschränkt sich auf die Gesetzmäßigkeit und Lauterkeit der Verwaltung und auf die Grundlagen der Finanzgebahrung. Die sich hieraus für die Verfassungen der Städte und Landgemeinden ergebenden Grundsätze werden durch das Gesetz aufgestellt.

Zur Bildung einer neuen Gemeinde ist ein Gesetz erforderlich.

Bis zum Inkrafttreten des Groß-Hamburg-Gesetzes am 1. April 1937 bestand das Staatsgebiet Hamburgs aus vier Städten (Hamburg, Cuxhaven, Bergedorf, Geesthacht) und 27 Landgemeinden. Erst das Groß-Hamburg-Gesetz schuf die Einheitsgemeinde Hamburg.

siehe auch Städteordnung vom 2. Januar 1924 (GVBl. S. 21) und die Landgemeindeordnung vom 2. Januar 1924 (GVBl. S. 34)

IX. Schlußbestimmungen

Artikel 69

Alle Beamten des hamburgischen Staates und der hamburgischen Gemeinden sind auf diese Verfassung zu vereidigen. Das Nähere bestimmt der Senat.

Unter der Verfassung von 1952 als Artikel 74 in neuer Fassung übernommen.

Artikel 70

Im Schulunterricht ist die Jugend mit den Grundzügen der hamburgischen Verfassung bekanntzumachen. Jeder Schüler erhält bei Beendigung der Schulpflicht einen Abdruck dieser Verfassung.

Artikel 71

Die Verfassung tritt mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft, die Bestimmungen über den Bürgerausschuß, sobald die auf Grund der Verfassung gewählte Bürgerschaft zu ihrer ersten Sitzung zusammentritt.

Die Verfassung ist somit am 9. Januar 1921, die Bestimmungen über den Bürgerausschuß traten am 5. März 1921 (erste Sitzung der am 20. Februar 1921 gewählten Bürgerschaft.

    Ausgefertigt
    Hamburg, den 7. Januar 1921

Der Senat
 


Gesetz betreffend die Einführung der Verfassung

vom 7. Januar 1921

Der Senat verkündet das nachstehende, von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:

§ 1

Binnen drei Monaten nach der Verkündung der Verfassung ist eine neue Bürgerschaft zu wählen. Die Wahlperiode beginnt mit dem Tage ihrer ersten Sitzung, die binnen zwei Wochen nach der Wahl staatfinden muß, und endet am 31. Oktober 1924, falls die Bürgerschaft nicht vorher aufgelöst wird. Bis zum Zusammentritt der neuen Bürgerschaft setzen die gegenwärtige Bürgerschaft und der gegenwärtige Bürgerausschuß, dieser nach Maßgabe des § 2 des Gesetzes über die vorläufige Staatsgewalt vom 26. März 1919, ihre Tätigkeit fort. Die von der gegenwärtigen Bürgerschaft nicht erledigten Angelegenheiten gehen auf die neue Bürgerschaft über.

§ 2

Mit dem Zusammentritt der neuen Bürgerschaft endet die Amtsdauer des gegenwärtigen Senats. Binnen vier Wochen nach diesem Tage ist der neue Senat zu wählen. Bis dahin führen die bisherigen Senatsmitglieder ihre Geschäfte weiter.

§ 3

Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 13. Oktober 1879 mit ihren späteren Änderungen und Ergänzungen ist aufgehoben.

Das Gesetz über die vorläufige Staatsgewalt vom 26. März 1919 tritt außer Kraft, vorbehaltlich der im § 1 dieses Einführungsgesetzes hinsichtlich des Bürgerausschusses getorffenen Vorschriften und mit Ausnahme des in § 5 des Gesetzes über die vorläufige Staatsgewalt, der in Kraft bleibt, bis die im Abschnitt VI. der Verfassung hinsichtlich der Verwaltung vorgesehene gesetzliche Regelung eintritt.

Die Verordnung des Arbeiter- und Soldatenrats vom 11. Februar 1919, betreffend die Wahl einer verfassunggebenden Bürgerschaft, tritt mit dem Ende der am 16. März 1919 gewählten Bürgerschaft außer Kraft.

§ 4

Bis die im Abschnitt VII der Verfassung vorgesehenen Regelung eintritt, setzen der bestehende Wirtschaftsrat Hamburg und die hamburgischen Mitglieder des Arbeiterrates Groß-Hamburg ihre bisherige Tätigkeit fort.

§ 5

Änderungen dieses Gesetzes unterliegen den Vorschriften über Änderungen der Verfassung.

    Ausgefertigt
    Hamburg, den 7. Januar 1921

Der Senat

Bei der Durchsicht der Verfassungen Hamburgs fällt auf, daß die folgende Verfassung, wenn sie das Recht verändern will, dies nicht durch das Weglassen von Vorschriften macht, sondern das ausdrückliche Festhalten des gegenteiligen Rechts. Beispiel ist der Artikel 33 Absatz 2 der Verfassung von 1921 und der Artikel 34 Absatz 2 zweiter Halbsatz der Verfassung von 1952; es gibt aber auch noch einige andere Stellen in den Verfassungen, die dasselbe sichtbar machen.

Die Verfassung wurde faktisch aufgehoben durch das Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der Hansestadt Hamburg vom 9. Dezember 1937 (Reichsgesetzblatt I. Seite 1327), formal durch die durch Verordnung vom 15. März 1938 (VBl. S. 1).
 


Quelle: Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1921 S. 20
Dr. Max Mittelstein, Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburg 1924, Paul Hartung Verlag
Otto Ruthenberg, Verfassungsgesetze des Deutschen Reiches und der deutschen Länder
Weitere Infos: http://www.gonschior.de/weimar/Deutschland/index.htm
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