Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bund und Baden

vom 25. November 1870

Seine Majestät der König von Preußen als Bundesfeldherr und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden haben, im Anschluß an die, das Bundes-Kriegswesen betreffenden Bestimmungen der vereinbarten Verfassung des Deutschen Bundes, behufs Regelung der Verhältnisse des Großherzoglich Badischen Kontingents zur Königlich Preußischen beziehungsweise Bundes-Armee, Unterhandlungen eröffnen lassen und zu ihren Bevollmächtigten ernannt, und zwar

Seine Majestät der König von Preußen:
Allerhöchst Seinen Staats-, Kriegs- und Marineminister, General der Infanterie Albrecht von Roon,

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden:
Allerhöchst Seinen Präsidenten des Staatsministerums und Staatsminister des Innern Dr. Julius Jolly,
und
Allerhöchst Seinen General-Adjudanten, General-Lieutenant Freiherrn Wilhelm von Neubronn,

welche nachdem sie ihre Vollmachten einander mitgetheilt und richtig befunden, nachstehende Militair-Konvention abgeschlossen haben.

Art. 1. Das Großherzoglich Badische Kontingent wird unmittelbarer Bestandtheil der Deutschen, beziehungsweise der Königlich Preußischen Armee, in der Art, daß Seine Majestät der König von Preußen als Bundesfeldherr alle Rechte und Pflichten des Kontingents- und Kriegsherrn, einschließlich der Fürsorge für die Festung Rastatt, unter Vorbehalt der Badischen Territorial-Hoheit übernimmt, wogegen das Großherzogthum Baden die dasselbe jeweils bundesverfassungsgemäß treffende Summe für das Bundes-Landheer der Königlich Preußischen Kriegsverwaltung für Bundesrechnung zu freier Verfügung überläßt.
Außer dieser Summe hat das Großherzogthum Baden für die ihm zur Erhaltung des Landheeres obliegenden Leistungen weder an Spezial-, noch an Generalkosten weitere Zahlungen zu übernehmen, vorbehaltlich seiner matrikularmäßigen Beiträge zu etwaigen bundesgesetzlich festgestellten besonderen Leistungen für das Bundes-Landheer.

Art. 2. Das Großherzoglich Badische Kontingent wird ungetrennt in die entsprechende größere Abtheilung der Deutschen Bundes-, beziehungsweise der Königlich Preußischen Armee eingereiht werden.

Art. 3. Die Badischen Truppen erhalten unter der Bezeichnung: ntes Badisches Infanterie etc. Regiment Nr. x. eine Regimentsnummer in der Deutschen Bundes-, beziehungsweise der Königlich Preußischen Armee.

Die Regimenter behalten die bisher geführten Fahnen, beziehungsweise Standarten.

Der Fahneneid wird von den ihrer Militairpflicht genügenden Badischen Staatsangehörigen in der bisherigen Weise geleistet, unter Einschaltung der
Verpflichtung des Gehorsams gegen den Bundesfeldherrn in Gemäßheit des Artikels 64 der Bundesverfassung.

Die Offiziere, Protepeefähnriche, Ärzte und Militairbeamten im Offiziersrange leisten den Fahneneid Seiner Majestät dem Könige von Preußen als Bundesfeldherrn und verpflichten sich zugleich mittels Reverses: das Wohl und Beste Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs zu fördern, Schaden und Nachtheile von Höchstdemselben und Seinem Hause und Lande abzuwenden.

Die Offiziere legen eine silberne Schärpe und desgleichen Portepee in den durch Artikel 55 der Bundesverfassung festgestellten Bundesfarben an.

An den Helmen tragen die Angehörigen des Kontingents - vorbehaltlich einer künftigen anderweiten Bestimmung über eine einheitliche Helmzier - das Badische Wappen und - bis zur Einführung einer allgemeinen Bundeskokarde - die Landeskokarde, die Offiziere ect. daneben die Preußische Kokarde.

Art. 4. Um den Wehrpflichtigen die Ableistung ihrer Dienstpflicht zu erleich-tern, werden Seine Majestät der König von Preußen dem Badischen Kontingent soweit als möglich ständige Garnisonen innerhalb der Grenzen des Großherzogthums anweisen. und von dem Allerhöchst Ihm als Bundesfeldherr verfassungsmäßig zustehenden Dislokationsrechte nur vorübergehend und in außergewöhnlichen, durch militairische oder politische Interessen gebotenen Fällen Gebrauch machen. Ebenso sollen nur, sofern ähnliche Rücksichten es erfordern, Ortschaften des Großherzogthums anderen Bundestruppen als Garnison angewiesen werden, vorbehaltlich besonderer Verfügung in Betreff der Besetzung der Festung Rastatt.

Art. 5. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden und die Großherzogliche Familie erhalten von den im Großherzogthum garnisonirenden Truppen die dem Landesherrn und Höchstdessen Angehörigen zukommenden Ehrenbezeugungen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog stehen zu den Truppen in dem Verhältniß eines kommandirenden Generals, üben auch als solcher neben den bezüglichen Ehrenrechten die entsprechende Disziplinar-Strafgewalt aus und erlassen in dieser Beziehung Höchstihre Befehle direkt an die betreffenden Abtheilungs-Kommandeure. Ebenso steht Höchstdemselben die freie Verfügung über die im Großherzogthum dislocirten Bundestruppen zu Zwecken des inneren Dienstes zu, und haben in dieser Beziehung die Truppen-Kommandeure Höchstdessen Befehlen Folge zu geben.

Die Badischen Hoheitszeichen werden in Wappen und Farbem an den dem Bundes-Militär eingeräumten Lokalitäten beziehungsweise sämmtlichen Garnison-Einrichtungen beibehalten, sofern nicht Bundes-Zeichen und Farben an die Stelle treten.

Art. 6. Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben das Recht, bei Höchstihrer Person, beziehungsweise den Badischen Truppen-Abtheilungen Offiziere a la Suite nach freier Wahl zu ernennen, deren etwaige Besoldung und dereinstige Pensionirung jedoch nicht aus Bundesmitteln erfolgt.

Die nach dem Inslebentreten dieser Konvention ernannten Offiziere a la suite, ingleichen die nach diesem Termin ins Pensionsverhältniß tretenden Offiziere, welche innerhalb des Großherzogthums ihren Wohnsitz nehmen, sind nach Maßgabe der betreffenden Königlich Preußischen Vorschriften dem Disziplinar-, Militärgerichts- und ehrengerichtlichen Verfahren vorkommenden Falls unterworfen.

Seine Königliche Hoheit sollen in der Auswahl der dem Wechsel Höchstihrer Adjudanten, sowie von Ordonnanz-Offizieren für die Großherzoglichen Prinzen insofern unbeschränkt sein, als nicht dienstliche Rücksichten entgegenstehen. Die Besoldung dieser Offiziere erfolgt aus Bundesmitteln.

Art. 7. In Betreff der Badischen Truppen-Abtheilungen sollen bei Anstellung und Versetzung von Offizieren die etwaigen Wün~che Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs thunlichste Berücksichtigung finden.

Art. 8. Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog sind die bei den Badischen Truppen vorkommenden wichtigeren Vorfälle jedesmal zu melden und von den betreffenden Kommandostellen die folgenden Eingaben und Meldungen zu machen:
ein Monats-Rapport, der Übungsplan für längere Zeiträume im Voraus, Meldung über größere Manöver, unter Mittheilung der Dispositionen, Anzeige von Änderungen im Offizierskorps, von Kommandos zu Bildungs-Anstalten etc., Verheirathungen, Ordensverleihungen etc.

Seine Königliche Hoheit wird aus den Eingaben und Meldungen, sowie aus Seinen direkten Wahrnehmungen Anlaß nehmen, die Ihm Sich darbietenden Bemerkungen über den Zusatnd des Kontingents zur Kenntniß Seiner Majestät des Königs zur bringen.

Art. 9. In Betreff der Rekrutirung und der Landwehr-Angelegenheiten treten die jetzt im Norddeutschen Bunde geltenden Bestimmungen mit der Maßgabe in Kraft, daß das Großherzoglich Badische Ministerium des Innern bezüglich des Großher-zogthums Baden dieselben Funktionen wahrnimmt, wie das Königlich Preußische Ministerium des Innern für Preußen.

Das Großherzogthum Baden bildet einen Ergänzungsbezirk für sich.

Etwaige Änderungen der Eintheilung des Großherzogthums in Landwehr-Battaillons- und Ausheungsbezirke, sowie die Aushebung selbst, geschehen unter Mitwirkung der konkurrierenden Großherzoglichen Civilbehörden.

Die Vertheilung des vom Großherzogthum Baden jährlich aufzubringenden Rekruten-Kontingents auf die einzelnen Ergänzungsbezirke erfolgt durch das Großherzogliche Ministerium des Innern.

Art. 10. Die höheren Lehranstalten des Großherzogthums Baden stellen unter den gleichen Voraussetzungen, wie die der anderen Bundesstaaten Zeugnisse für Zulassung zum einjährigen Freiwilligendienst aus.

Art. 11. Die Garnison-Einrichtungen an Gebäuden und Grundstücken, über deren Bestand genaue Mittheilung erfolgen wird, verbleiben Badisches Staats-, beziehungsweise Gemeinde-Eigenthum und sind nur als im Nießbrauch der Truppen befindlich anzusehen.

Art. 12. Die Aufstellung von Wachen und Wachtposten außer bei den dem Militair eingeräumten Etablissements und im unmittelbaren Dienst der Truppen-Abteilungen, die Abhaltung von Paraden, Übungen und Aufstellung von Truppen außerhalb der dem Militair dazu eingeräumten Übungsplätze und Schießstände, auf öffentlichen Straßen, Plätzen und Anlagen ist durch die vorgängige allgemeine oder besondere Zustimmung der Civilbehörde bedingt.
 

Art. 13. Wenn bei Störungen der öffentlichen Ruhe die Polizei den Beistand des Militairs in Anspruch nimmt, so ist dieser Requisition durch den betreffenden Befehlshaber Folge zu geben und geht damit die Leitung der zur Herstellung der Ordnung zu ergreifenden Maßregeln auf den Letzteren über; ein selbstständiges militairisches Einschreiten ohne vorherige Requisition der zuständigen Civilbehörde ist nicht statthaft, womit jedoch die Zurückweisung von Angriffen oder Widersetzlichkeiten gegen Militairwachen oder Patrouillen nicht ausgeschlossen sein soll. Alle Militairs haben den behufs Erhaltung der öffentlichen Ordnung ergehenden Weisungen der Polizeibeamten Folge zu leisten.

In Beziehung auf Vergehen und Kontraventionen der Militairpersonen steht zwar den Badischen Civilbehörden bei Betretung auf der That das Recht der einstweiligen Sistirung zu; indessen ist der unter solchen Umständen Sistirte unverweilt unter Mittheilung oder alsbaldiger Nachlieferung eines Berichts an die nächste Militairbehörde oder Wache abzuliefern.

Die Fälle und Formen, in welchen das Militair gegen Civilpersonen einschreiten und von seinen Waffen Gebrauch machen darf, werden durch eine, unter Berücksichtigung der betreffenden Preußischen Reglements Badischerseits zu erlassende Verordnung geregelt.

Art. 14. Offiziere, Mannschaften, Ärzte und Militairbeamte der im Großherzogthum garnisonirenden Truppen-Abtheilungen sind daselbst den Badischen Gesetzen und Rechtsnormen, sowie den Badischen Behörden und Gerichten unterworfen, soweit nicht die nach der Verfassung des Bundes in Wirksamkeit tretenden Preußischen Militairgesetze oder die gegenwärtige Konvention besondere Ausnahmen bestimmen.

In allen Fällen, wo in jenen Gesetzen das Preußische Civil-Strafgesetzbuch und Landrecht genannt sind, treten bis zur Einführung des Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs im Großherzogthum Baden die Badischen Gesetze, Verordnungen und Rechtsnormen in Wirksamkeit.

Die Militairgerichtsbarkeit wird von den Militairgerichtsherren ausgeübt; die Bestätigung der von Militairgerichten ergangenen Erkenntnisse erfolgt auf dem militairischen Instanzenwege. Das Begnadigungsrecht steht Seiner Majestät dem Könige von Preußen als Bundesfeldherrn zu; jedoch werden Wünsche Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs in dieser Richtung, Badische Unterthanen betreffend, thunlichste Berücksichtigung finden.

Art. 15. Die persönlichen Verhältnisse der dem Großherzogthum nicht angehörigen Personen, welche bei den im Großherzogthum garnisonirenden Truppen dienen, sammt deren Familien, werden durch die Verlegung ihres Domizils in das Großherzogthum nicht verändert; vielmehr bleiben jene Personen in ihrem bisherigen Unterthanenverhältniß. Ihr eheliches Güterrecht, die Erbfolge in ihre Verlassenschaft, die Bevormundung ihrer Hinterbliebenen richtet sich nach den Rechtsnormen ihrer Heimath.

Das Gleiche gilt für die dem Großherzogthum Baden angehörigen Personen, welche bei einem außerhalb des Großherzogthums garnisonirenden Truppentheile dienen.

Die Besteuerung der Offiziere, Ärzte und Militärbeamten richtet sich nach dem Bundesgesetz über die Beseitigung der Doppelbeseteuerung. Sie sind von Kommunal-Abgaben befreit, soweit diese nicht von Grund-, Häuser-, Gefäll- und Gewerbesteuerkapitalien entrichtet werden. Den indirekten Steuern und Abgaben aller Art sind sie jedoch unterworfen.

Das Diensteinkommen der Militärpersonen unter Offiziersrang darf überhaupt nicht, weder zu Staats-, noch zu Gemeindezwecken besteuert werden.

Art. 16. Die gegenwärtig der Badischen Militairformation angehörenden Offiziere, Portepeefähnriche, Ärzte und Militairbeamten von Offiziersrang werden, insofern sie es wünschen und soweit sie Preußischerseits geeignet befunden werden, unter Beibehalt ihres Ranges und ihrer Anciennetät in die Königlich Preußische Armee übernommen, hinsichtlich der Anciennetät jedoch mit der Maßgabe, daß sie durch diesen Übertritt nicht besser zu stehen kommen dürfen, als wenn sie von Anfang an in der Preußischen Armee gedient hätten. Diejenigen Offiziere, welche wegen besonderer Qualifikation und Leistungen etwa bevorzugte Beförderung erfahren haben, sollen die erlangte Anciennetät thunlichst gewahrt erhalten. In Betreff der Gehaltskompetenzen treten die Offiziere ect. in den Genuß der in Preußen etatsmäßigen Chargenbezüge, behalten aber ihr gesammtes jetziges Diensteinkommen, wenn dasselbe die Preußischen Kompetenzen ihrer Charge übersteigt, event. bis dahin, daß sie nach Preußischem Etat in eine höhere Einnahmeeinrücken, beziehungsweise pensioniert werden.

Die Belassung etwa bisher genossener höherer Bezüge beim Übertritt in den Preußischen Deinst findet auch auf die Unteroffiziere ect. statt.

Art. 17. Die in die Preußische Armee übertretenden Offiziere, Unteroffiziere etc., Ärzte und Militairbeamten werden bei demnächst eintretender Invalidität nach Preußischen Normen pensionirt; beträgt hedoch die so berechnete Pension eniger als diejenige, welche die betreffenden Personen zu dem Zeitpunkte des Inkrafttretens dieser Konvention nach Badischen Normen bereits erowrben haben würden, so sollen dieselben den letzteren Betrag als Pension erhalten. Für jeden Einzelnen soll dieser Betrag auf den erwähnten Zeitpunkt berechnet und darüber von der betreffenden Badischen Militärbehörde demnächst namentliches Verzeichniß aufgestellt und mitgetheilt werden.

Wer zum Übertritt nicht geeignet befunden worden, beziehungsweise nicht geneigt ist, wird nach den für ihn günstigsten Normen (Preußischen oder Badischen) pensionirt.

Die sämmtlichen Pensionen des Badischen Militairpensions-Etats, wie solche am Tage des Inkrafttretens der gegenwärtigen Konvention sich herausstellen werden, übernimmt von da ab Preußen für Bundesrechnung, und zwar nach den zur Zeit der Bewilligung in Geltung gewesenen Grundsätzen in Betreff des Zahlungsmodus etc.

Art. 18. Die sämmtlichen vorhandenen Materialbestände für das Badische Kontingent an Kleidung, Bewaffnung, Munition, Feldequipage, Fahrzeugen, Pferden, Utensilien und Proviant gehen an den Bund über. Dieser übernimmt nach Beendigung des Krieges die Wiederinstandsetzung des gesammten Materials, wogegen Baden den Theil der auf dasselbe fallenden Kriegskosten-Entschädigung, welcher von Bundeswegen für Wiederherstellung des Kriegsmaterials bestimmt werden wird, für diesen Zweck zur Disposition stellt.

Art. 19. Die Königlich Preußische Regierung sichert der Großherzoglich Badischen die Gewährung aller derjenigen auf das Bundes-Kriegswesen bezügliche Vortheile und Erleichterungen zu, welche, abgesehen von besonderen Zugeständnissen in Beziehung auf Geldleistungen, in Preußen eingeführt oder irgend einem Staat des Norddeutschen Bundes gewährt sind oder werden.

Art. 20. Diese Konvention tritt mit dem ersten des auf die Demobilisirung des Badischen Kontingents folgenden Monats in Kraft.

Art. 21. Die gegenwärtige Konvention kann nur im beiderseitigen Einverständniß aufgehoben oder abgeändert werden und soll alsbald den betheiligten Regierungen zur Genehmigung vorgelegt und die Ausfertigung und Auswechselung der Ratifikationen baldthunlichst bewirkt werden.

    So geschehen  Versailles, den 25. November 1870

gez. v. Roon
Jolly
v. Neubronn

 

Schluß-Protokoll

Zu der am heutigen Tage zwischen den Bevollmächtigten Seiner Majestät de Königs von Preußen und Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden abgeschlossenen Militär-Konvention haben dieselben noch folgende Zusatzbestimmungen vereinbart, beziehungsweise Erklärungen abgegeben:

1. Die Bevollmächtigten waren darüber einverstanden, daß dei Folge der im Artikel 1 der Konvention ausgesprochenen Einverleibung des Badischen Kontingents in die Deutsche, beziehungsweise Preußische Armee, die Badischen Staatsangehörigen, wie in allen auf das Militärwesen sich beziehenden Verhältnissen, so namentlich auf in Betreff der Benutzung der vorhandenen oder noch zu errichtenden militärischen Bildungs- und Erziehungs-Anstalten, den Preußischen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt sein sollen.
Als Rayongesetz für die im Großherzogthum vorhandenen oder etwa noch anzulegenden Festungen und Befestigungen soll bis zum Erlaß eines Bundes-Rayongesetzes, das dermalen für Rastatt geltende Rayongesetz in Kraft bleiben, beziehungsweise treten.

2. Die Bevollmächtigten erachten als selbstverständlich, daß die von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog verliehenen Regiments-Inhaberstellen und ebenso die bezüglichen Auszeichnungen an den Uniformen der betreffenden Regimenter verbleiben.

3. Die Großherzoglich Badischen Bevollmächtigten erklärten, daß Seine Königliche Hoheit der Großherzog von der Befugniß, Seine Adjudantur zu bestellen, dahin Gebrauch machen gedenke, daß dieselbe aus einem General-Adjudanten, bis zum Range eines General-Lieutenants und zwei Flügeladjudanten, bis zum Range von Obersten, bestehe.

4. Zu Artikel 9 der Konvention wurde der Wunsch der Großherzoglich Badischen Bevollmächtigten von anderer Seite zugesagt, daß zu dem neuen Aushebungsverfahren mit thunlichster Schonung der seitherigen betreffenden Vorschriften und Einrichtungen übergegangen werden wird.

5. Zu Artikel 11 wird bemerkt, daß mit dem Nießbrauch auch die Erhaltungspflicht und die Übernahme von Lasten, die auf den Gebäuden und Grundstücken ruhen, wie z.B. Feuerversicherungs-Beiträge, soweit überhaupt die Versicherungen beibehalten werden, verbunden ist. Wo der Besitz auf Miethsverträgen beruht, tritt Preußen in diese ein.
Nach Orten, in denen die erforderliche Kasernirungs-Einrichtungen nicht vorhanden sind, wird nur aus besonders dringenden Gründen eine ständige Garnison verlegt werden.

6. Zu Artikel 12 der Konvention waltete darüber Einverständniß ob, daß die bei besonderer Veranlassung und nur zeitweise erforderlich Aufstellung von Ehren- und Sicherheits-Wachen zu militärischen Zwecken, sowie deren Posten einer besonderen Zustimmung der Civilbehörde nicht bedürfe; daß jedoch, falls die Aufstellung eine nicht ganz vorübergehende ist, der betreffenden Civilbehörde Anzeige über die erfolgte Ausstellung gemacht werde.

7. Zu Artikel 13 der Konvention waltete darüber Einverständniß ob, daß die Abgabe der zur Bewachung der Strafanstalten erforderlichen Militär-Kommandos fortzudauern habe.

8. Zu Artikel 14 der Konvention erklärte der Bevollmächtigte Seiner Majestät des Königs, daß Allerhöchstdieselben das Begnadigungsrecht über Badische Staatsangehörige in Fällen von Verurtheilungen wegen nicht militärischer Vergehen Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge gern überlassen werde.

9. Zu Artikel 17 waren die Bevollmächtigten darüber einverstanden, daß überhaupt wohlerworbene Rechte nicht verkürzt oder aufgehoben werden können, daß insbesondere auch die bisherigen persönlichen und Rechtsverhältnisse der beim Inkrafttreten der Konvention bereits vorhandenen Pensionaire durch die Übernahme von deren Pensionen auf die Bundeskasse in keiner Weise geändert werden, und daß solche Badische Offiziere ect., Ärzte und Militärbeamte, welche bei ihrem späteren Ausscheiden aus dem Dienste nach Preußischem Gesetze eine Pension nicht zu beanspruchen hätten, während sie nach Badischem Rechte dazu berechtigt sind, vorkommenden Falls nach dem letzteren zu behandeln sein werden.

10. Wegen der Großherzoglich Badischen Militär-Wittwenkasse soll sobald als möglich, wenn thunlich vor dem Inslebentreten der Konvention, eine besondere Vereinbarung getroffen werden, die auf dem Grundsatze der Wahrung wohlerworbener Rechte zu beruhen hat. Bis dahin bleiben die Verhältnisse jener Kasse, einschließlich der aus dem Militärfiskus ihr zufließenden Bezüge unverändert und die sämmtlichen dermaligen Badischen Offiziere, Ärzte und Militärbeamten, auch wenn sie zu einem anderen Kontingent versetzt werden, zur Mitgliedschaft verpflichtet.

11. Zu Artikel 18 war man darüber einverstanden, daß, soweit die laufenden Lieferungs- und Mieths-Verträge zur Zeit des Inkrafttretens der Konvention noch in Geltung sind, in deren Betreff Preußen in die Verpflichtungen Badens einzutreten hat.
Die in der Ausführung begriffenen Bauten und Anlagen für militärische Zwecke werden für Rechnung der Bundeskasse, soweit dies für erforderlich erachtet wird, weiter geführt werden.

12. Die Konvention bezieht sich nicht auf das Großherzoglich Badische Gendarmerie-Korps. Dasselbe behält jedoch seinen militärischen Charakter; wegen Fortführung der militärischen Gerichtsbarkeit über die Angehörigen des Korps bleibt nähere Verständigung vorbehalten.

    Versailles, den 25. November 1870

gez. v. Roon
Jolly
v. Neubronn

 

Vorstehende, im Zusammenhang mit den Bundesverträgen im November 1870 geschlossene Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Baden ist ein Typus an Militärkonventionen im Deutschen Reich, der eine vormalig eigenständige Armee in die Preußische Armee integrierte. Neben diesem Typus gab es im Deutschen Reich auch noch Militärkonventionen, die eigenständige Armeen innerhalb des Landheers des Deutschen Reiches blieben.

So gehörten die
- im Artikel III. § 5 genannten Bestimmungen des Bundesvertrags vom 23. November 1870 mit Bayern, die
- Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde (bzw. Preußen) und Sachsen vom 7. Februar 1867 und die
- Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Württemberg vom 25. November 1870
zu denjenigen Bestimmungen, die die Armeen Bayerns, Sachsens und Württembergs eingeschränkt selbständig und innerhalb des Reichsheeres fortbestehen ließ.

Dagegen schlossen alle anderen Bundesstaaten Militärkonventionen mit dem Norddeutschen Bunde ab, der ihre Armeen in die Preußische Armee integrierte, die wiederum Teil des Reichsheeres war. Folgende Militärkonventionen wurden abeschlossen:
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Baden vom 25. November 1870 (Text siehe oben)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Hessen vom 13. Juni 1871 (Ersatz für die vom 7. April 1867)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Mecklenburg-Schwerin vom 19. Dezember 1872 (Ersatz für die von 24. Juni 1868)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Mecklenburg-Strelitz vom 23. Dezember 1872 (Ersetz für die vom 9. November 1867)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Oldenburg vom 15. Juni 1867
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Braunschweig vom9./18. März 1886
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde einerseits und Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha,
    Sachsen-Meiningen, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie und Schwarzburg-Rudolstadt vom 15. September 1873
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Anhalt vom 16. September 1873 (Ersatz für die vom 28. Juni 1867)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Schwarzburg-Sondershausen vom 17. September 1873 (Ersatz für die vom 28. Juni 1867)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Lippe vom 14. November 1873 (Ersatz für die vom 26. Juni 1867)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Schaumburg-Lippe vom 25. September 1873 (Ersatz für die vom 30. Juni 1867)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Waldeck vom 24. November 1877 (Ersatz für die vom 6. August 1867)
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Lübeck vom 27. Juni 1867
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Bremen vom 27. Juni 1867
Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bunde und Hamburg vom 23. Juli 1867.

So bestand das Reichsheer bis 1918 aus
- der Preußischen Armee (keine eigene Armee in diesem Sinne sondern Kern des Reichsheeres)
- dem Bayerischen Kontingent
- dem Sächsischen Kontingent
- dem Württembergischen Kontingent.

Nur die Braunschweig'sche Armee konnte ihre Eigenständigkeit (selbstverständlich als Abteilung des Reichsheeres) bis 1886 behalten, da der Herzog von Braunschweig sich weigerte, eine solche Konvention zu schließen. Auch die Androhung einer Bundesexekution konnte ihn nicht zur Abschließung einer solchen Konvention bewegen. Erst durch den Tod des Herzogs und der Einsetzung einer Regentschaft in Braunschweig 1884/85 kam die Konvention und die Eingliederung der braunschweigischen Armee in die Preußische zustande.


Quellen: Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Band 2, Verlag Kohlhammer
Reichstagsprotokolle 1870/1872
© 4. Januar 2001 - 13. April 2004
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