Vereinbarung der Ministerpräsidenten über den Parlamentarischen Rat

vom 26. Juli 1948

I. Am 1. Juli 1948 haben die Militärbefehlshaber der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone die Ministerpräsidenten der Länder ihrer Zonen ermächtigt, eine Versammlung einzuberufen, welche die rechtlichen Grundlagen für eine Gemeinschaft der Länder schaffen soll. Am 26. Juli 1948 haben die Ministerpräsidenten den Militärbefehlshabern mitgeteilt, daß sie von dieser Ermächtigung Gebrauch machen werden, um die gegenwärtig zerrissene deutsche Einheit vorläufig wenigstens zu einem Teil herzustellen.

II. Die Ministerpräsidenten sind übereingekommen, alsbald einen Parlamentarischen Rat einzuberufen, der die ausschließliche Aufgabe hat, das Grundgesetz für das oben bezeichnete Gebiet zu schaffen. Nach Abschluß des Parlamentarischen Rates werden die Ministerpräsidenten das beschlossene Grundgesetz den Militärbefehlshabern vorlegen, um die Ermächtigung zur Ratifikation in jedem einzelnen Lande zu erwirken. Dabei werden sie prüfen, ob durch den Beschluß des Parlamentarischen Rates für die beteiligten Länder eine Regierungsform des bundesstaatlichen Typs geschaffen, eine angemessene Zentralgewalt vorgesehen ist, die Rechte der Länder geschützt und die individuellen Rechte und Freiheiten garantiert sind.

III. Jeder Ministerpräsident wird dem Landtag seines Landes den Entwurf eines Gesetzes für die Wahl von Abgeordneten zu dem Parlamentarischen Rat vorlegen. Die Zahl der zu wählenden Abgeordneten wird nach folgenden Grundsätzen berechnet: Auf jedes Land entfällt mindestens ein Abgeordneter. Für je 750 000 Einwohner wird ein Abgeordneter gewählt. Auf überschießende mindestens 200 000 Einwohner entfällt ein weiterer Abgeordneter. Für die Berechnung der Einwohnerzahl gilt die fortgeschriebene Bevölkerungszahl nach dem Stande vom 1. Juli 1848.

IV. Die Ministerpräsidenten werden die Namen der gewählten Abgeordneten dem von ihnen am 15. Juli 1948 errichteten gemeinsamen Büro spätestens bis zum 16. August 1948 mitteilen. Die Ministerpräsidenten beabsichtigen, die Einberufung des Parlamentarischen Rates am 23. August 1948 auf den 1. September 1948 nach einem noch zu vereinbarenden Ort vorzunehmen.

V. Die Erstattung des den Abgeordneten erwachsenden persönlichen Aufwandes wird durch Landesgesetz geregelt. Die übrigen Kosten des Parlamentarischen Rates und des Büros der Ministerpräsidenten werden durch eine Vereinbarung der Ministerpräsidenten auf die einzelnen Länder nach einem noch zu bestimmenden Schlüssel umgelegt.

    Frankfurt, den 26. Juli 1948.

es folgen die Unterschriften der 11 Ministerpräsidenten

 

Die Zusammensetzung des Parlamentarischen Rates

 

Aufgrund dieser Vereinbarungen wurden in den elf westdeutschen Ländern nahezu identische Gesetze über den Parlamentarischen Rat beschlossen. Nachfolgend die Wahlgesetze von Baden, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Baden.

(Badisches) Landesgesetz über den Parlamentarischen Rat

vom 6. August 1948

Das Badische Volk hat zur Ausführung des Beschlusses der Ministerpräsidenten vom 26. Juli 1948 durch den Landtag am 6. August 1948 folgendes Landesgesetz beschlossen:

Art. I. Der Parlamentarische Rat. § 1. In Gemeinschaft mit den Ländern Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern wird ein Parlamentarischer Rat gebildet. Als Vertreter des Badischen Volkes werden in den Parlamentarischen Rat Abgeordnete des Badischen Landtages gewählt.

§ 2. Der Parlamentarische Rat hat die ausschließliche Aufgabe, für die im Gebiet der genannten Länder zu schaffende rechtliche Ordnung ein Grundgesetz zu beraten, zu beschließen und den Ministerpräsidenten vorzulegen.

Art. II. Zahl, Wahl und Rechtsstellung der Mitglieder des Parlamentarischen Rats. § 3. Auf je 750 000 Einwohner nach dem Stande der fortgeschriebenen Bevölkerung vom 1. Juli 1948 wird ein Abgeordneter gewählt.

Auf eine Restzahl von mindestens 200 000 Einwohnern entfällt ein weiterer Abgeordneter.

§ 4. Die Abgeordneten werden vom Badischen Landtag gewählt.  Sie sind an Aufträge nicht gebunden.

§ 5. Das Mandat der Abgeordneten erlischt mit dem Ende der Tätigkeit des Parlamentarischen Rates.

§ 6. Nachwahlen sind nach den Vorschriften für die Hauptwahl durchzuführen.

§ 7. Auf die Mitglieder des Parlamentarischen Rates finden die landesrechtlichen Bestimmungen über die Immunität entsprechende Anwendung.

§ 8. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates erhalten Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder usw. nach den für Landtagsabgeordnete geltenden Vorschriften.

Art. III. Vertretung der Landesregierung. § 9. Die Landesregierung hat das Recht, Vertreter zu den Beratungen des Parlamentarischen Rates zu entsenden.

Art. IV. Inkrafttreten. § 10. Dieses Gesetz tritt mit der Verkündung in Kraft.

    Dieses Landesgesetz wird hiermit im Namen des Badischen Volkes verkündet.

    Freiburg i. Br,  den 27. August 1948

Die Landesregieurng
Wohleb

 

(Bayerisches) Gesetz über den Parlamentarischen Rat

vom 27. August 1948

Der Landtag des Freistaates Bayern hat zur Ausführung des Beschlusses der Ministerpräsidenten vom 26. Juli 1948 auf Grund des Artikels 180 der Verfassung das folgende Gesetz beschlossen, das nach Anhörung des Senats hiermit bekanntgemacht wird:

§ 1. In Gemeinschaft mit den Ländern Baden, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern und den Freien Hansestädten Bremen und Hambrug wird Parlamentarischer Rat gebildet.

§ 2. Der Parlamentarische Rat hat ausschließlich die Aufgabe, für Bayern und die genannten Länder ein gemeinsames Grundgesetz zu beraten, zu beschließen und den Ministerpräsidenten vorzulegen.

§ 3. (1) Auf je 750 000 Einwohner wird nach dem Stande der Bevölkerung vom 30. Juni 1948 ein Abgeordneter gewählt.

(2) Auf eine Restzahl von mindestens 200 000 Einwohnern entfällt ein weiterer Abgeordneter.

§ 4. (1) Die Abgeordneten Bayerns werden vom Bayerischen Landtag gewählt.

(2) Die Wählbarkeit bestimmt sich nach Artikel 3 des Gemeinde-Wahlgesetzes vom 27. Februar 1948 (GVBl. Seite 19).

§ 5. (1) Das Mandat eines Abgeordneten erlischt mit dem Ende der Tätigkeit des Parlamentarischen Rates.

(2) Das Mandat endet durch Verzicht sowie durch Verlust der Wählbarkeit.

§ 6. Nachwahlen sind nach den Vorschriften für die Hauptwahl durchzuführen.

§ 7. Auf die Mitglieder Bayerns im Parlamentarischen Rat finden die Bestimmungen der Bayerischen Verfassung über die Immunität der Landtagsabgeordneten entsprechende Anwendung.

§ 8. Die Mitglieder Bayerns im Parlamentarischen Rat erhalten Aufwandsentschädigungen nach den Bestimmungen des Gesetzes Nr. 66 über die Aufwandsentschädigungen der Abgeordneten des Bayerischen Landtags vom 12. Mai 1947 (GVBl. S. 123). Der Grundbetrag beläuft sich auf monatlich 350,-- DM; er wird nicht angerichtet. (Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 66).

§ 9. Die Staatsregierung hat das Recht, Vertreter zu den Beratungen des Parlamentarischen Rates zu entsenden.

§ 10. Das Gesetz ist dringlich; es tritt am 25. August 1946 in Kraft.

    München, den 27. August 1948

Der Bayerische Ministerpräsident
Dr. Hans Ehard

 

Der Landtag hat zur Ausführung des Beschlusses der Ministerpräsidenten vom 26. Juli 1948 auf Grund des Art. 152 der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 das folgende Gesetz beschlossen das hiermit verkündet wird:

(Hessisches) Gesetz über den Parlamentarischen Rat

vom 13. August 1948

Art. I. Der Parlamentarische Rat. § 1. In Gemeinschaft mit den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern wird ein aus Abgeordneten bestehender Parlamentarischer Rat gewählt.

§ 2. Der Parlamentarische Rat hat die ausschließliche Aufgabe, für die im Gebiet der genannten Länder zu schaffende rechtliche Ordnung ein Grundgesetz zu beraten, zu beschließen und den Ministerpräsidenten vorzulegen.

Art. II. Zahl, Wahl und Rechtsstellung der Mitglieder des Parlamentarischen Rates. § 3. Auf je 750 000 Einwohner nach dem Stande der fortgeschriebenen Bevölkerung vom 1. Juli 1948 wird ein Abgeordneter gewählt. Auf eine Restzahl von mindestens 200 000 Einwohnern entfällt ein weiterer Abgeordneter.

§ 4. Die Abgeordneten werden vom Hessischen Landtag gewählt.

§ 5. Das Mandat der Abgeordneten erlischt mit dem Ende der Tätigkeit des Parlamentarischen Rates.

§ 6. Nachwahlen sind nach den Vorschriften für die Hauptwahl durchzuführen.

§ 7. Auf die Mitglieder des Parlamentarischen Rates finden die landesrechtlichen Bestimmungen über die Immunität entsprechende Anwendung.

§ 8. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates erhalten Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder usw. nach den für Landtagsabgeordnete geltenden Vorschriften.

Art. III. Vertretung der Landesregierung. § 9. Die Landesregierung hat das Recht, Vertreter zu den Beratungen des Parlamentarischen Rates zu entsenden.

Art. IV. Inkrafttreten. § 10. Dieses Gesetz tritt sofort in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte der Landesregierung sind gewahrt.

    Wiesbaden, den 13. August 1948

Hessisches Staatsministerium:
Der Ministerpräsident:                                    Der Minister des Innern:
Stock                                                            Zinnkann

 

Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen wurde kein Gesetz erlassen, sondern die oben genannte Vereinbarung der Ministerpräsidenten wurde einfach durch die Wahl der Vertreter Nordrhein-Westfalens im Parlamentarischen Rat am 6. August 1948 durchgeführt (TOP 3 der 59. Sitzung des II. Landtags, in der Landtagsdokumentation unter "Parlamentsbeschlüsse" Nr. 1/59 nachzulesen).

 

(Rheinland-pfälzisches) Gesetz über den Parlamentarischen Rat

vom 16. August 1948

Der Landtag hat zur Ausführung des Beschlusses der Ministerpräsidenten vom 26. Juli 1948 das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Art. I. Der Parlamentarische Rat. § 1. In Gemeinschaft mit den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern wird ein aus Abgeordneten bestehender Parlamentarischer Rat gewählt.

§ 2. Der Parlamentarische Rat hat die ausschließliche Aufgabe, für die im Gebiet der genannten Länder zu schaffende rechtliche Ordnung ein Grundgesetz zu beraten, zu beschließen und den Ministerpräsidenten vorzulegen.

Art. II. Zahl, Wahl und Rechtsstellung des Parlamentarischen Rats. § 3. Auf je 750 000 Einwohner nach dem Stande der fortgeschriebenen Bevölkerung vom 1. Juli 1948 wird ein Abgeordneter gewählt. Auf eine Restzahl von mindestens 200 000 Einwohnern entfällt ein weiterer Abgeordneter.

§ 4. Die Abgeordneten werden vom Landtag von Rheinland-Pfalz gewählt.

§ 5. Das Mandat der Abgeordneten erlischt mit dem Ende der Tätigkeit des Parlamentarischen Rates.

§ 6. Nachwahlen sind nach den Vorschriften für die Hauptwahl durchzuführen.

§ 7. Auf die Mitglieder des Parlamentarischen Rates finden die landesrechtlichen Bestimmungen über die Immunität entsprechende Anwendung.

§ 8. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates erhalten Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder usw. nach den für Landtagsabgeordnete geltenden Vorschriften.

Art. III. Vertretung der Landesregierung. § 9. Die Landesregierung hat das Recht, Vertreter zu den Beratungen des Parlamentarischen Rates zu entsenden.

Art. IV. Inkrafttreten. § 10. Dieses Gesetz tritt sofort in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte der Landesregierung sind gewahrt.

    Koblenz, den 16. August 1948

Altmeier
Ministerpräsident

 

(Württemberg-Badisches) Gesetz Nr. 1018 über den Parlamentarischen Rat

vom 13. August 1948

Der Landtag hat zur Ausführung des Beschlusses der Ministerpräsidenten vom 26. Juli 1948 und auf Grund des Art. 106 der Verfassung für Württemberg-Baden vom 24. Oktober 1946 am 11. August 1948 das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

I. Der Parlamentarische Rat.

§ 1. In Gemeinschaft mit den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Hohenzollern wird ein aus Abgeordneten bestehender Parlamentarischer Rat gewählt.

§ 2. Der Parlamentarische Rat hat die ausschließliche Aufgabe, für die im Gebiet der genannten Länder zu schaffende rechtliche Ordnung ein Grundgesetz zu beraten, zu beschließen und den Ministerpräsidenten vorzulegen.

II. Zahl, Wahl und Rechtsstellung des Parlamentarischen Rats.

§ 3. Auf je 750 000 Einwohner nach dem Stande der fortgeschriebenen Bevölkerung vom 1. Juli 1948 wird ein Abgeordneter gewählt.

Auf eine Restzahl von mindestens 200 000 Einwohnern entfällt ein weiterer Abgeordneter.

§ 4. Die nach Maßgabe des § 3 auf Württemberg-Baden entfallenden Abgeordneten werden vom Württ.-Bad. Landtag gewählt.

§ 5. Das Mandat des Abgeordneten erlischt mit dem Ende der Tätigkeit des Parlamentarischen Rates.

§ 6. Nachwahlen sind nach den Vorschriften für die Hauptwahl durchzuführen.

§ 7. Auf die Mitglieder des Parlamentarischen Rates finden die landesrechtlichen Bestimmungen über die Immunität entsprechende Anwendung.

§ 8. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates erhalten vorbehältlich einer Regelung durch den Parlamentarischen Rat selbst Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder usw. nach den für Landtagsabgeordnete geltenden Vorschriften.

III. Vertretung der Landesregierung.

§ 9. Die Landesregierung hat das Recht, Vertreter zu den Beratungen des Parlamentarischen Rates zu entsenden.

IV. Inkrafttreten.

§ 10. Dieses Gesetz tritt sofort in Kraft.

    Stuttgart, den 13. August 1948

Die Regierung des Landes Württemberg-Baden:
Dr. Reinhold Maier        Fritz Ulrich            Dr. Veit
Stooß                        Steinmayer


Quellen: Die staatliche Neuordnung Deutschland, 26. Band, Dokumentenverlag Berlin 1976
E.R. Huber, Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Matthiesen Tübingen 1951
© 24. Mai  2004 - 2. Juni 2004
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