Erklärung der Regierung der UdSSR
über die Gewährung der Souveränität an die Deutsche Demokratische Republik

vom 25. März 1954

Die Regierung der Sowjetunion läßt sich unbeirrt von dem Bestreben leiten, zur Regelung des Deutschlandproblems in Übereinstimmung mit den Interessen der Festigung des Friedens und der Sicherung der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands auf demokratischer Grundlage beizutragen.

Diesen Zielen sollen praktische Maßnahmen zur Annäherung Ost- und Westdeutschlands, die Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen und der Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland dienen.

Ungeachtet der Bemühungen der Sowjetunion wurden auf der vor kurzem durchgeführten Berliner Konferenz der Außenminister der vier Mächte keine Schritte zur Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands und zum Abschluß eines Friedensvertrages unternommen.

Angesichts dieser Lage und im Ergebnis von Verhandlungen der Sowjetregierung mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hält es die Regierung der Sowjetunion für notwendig, schon jetzt, vor der Vereinigung Deutschlands und dem Abschluß eines Friedensvertrages, weitere Schritte zu unternehmen, die den Interessen des deutschen Volkes entgegenkommen, und zwar:

1. Die Sowjetunion nimmt mit der Deutschen Demokratischen Republik die gleichen Beziehungen auf wie mit anderen souveränen Staaten.

Die Deutsche Demokratische Republik wird die Freiheit besitzen, nach eigenem Ermessen über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten einschließlich der Frage der Beziehungen zu Westdeutschland zu entscheiden.

2. Die Sowjetunion behält in der Deutschen Demokratischen Republik die Funktionen, die mit der Gewährleistung der Sicherheit in Zusammenhang stehen und sich aus den Verpflichtungen ergeben, die der Sowjetunion aus den Viermächteabkommen erwachsen.

Die Sowjetregierung hat die Erklärung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Kenntnis genommen, daß sie die Verpflichtungen einhalten wird, die sich für die Deutsche Demokratische Republik aus dem Potsdamer Abkommen über die Entwicklung Deutschlands als eines demokratischen und friedliebenden Staates ergeben, sowie die Verpflichtungen, die mit dem zeitweiligen Aufenthalt sowjetischer Truppen auf dem Gebiet der DDR in Zusammenhang stehen.

3. Die Überwachung der Tätigkeit der staatlichen Organe der Deutschen Demokratischen Republik, die bisher vom Hohen Kommissar der Sowjetunion in Deutschland wahrgenommen wurde, wird aufgehoben.

In Übereinstimmung damit werden die Funktionen des Hohen Kommissars der Sowjetunion in Deutschland auf den Kreis der Fragen beschränkt, die mit der obengenannten Gewährleistung der Sicherheit und mit der Aufrechterhaltung der entsprechenden Verbindungen mit den Vertretern der Besatzungsbehörden der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs in den Fragen gesamtdeutschen Charakters in Zusammenhang stehen und die sich aus den vereinbarten Beschlüssen der vier Mächte über Deutschland ergeben.

Die Regierung der Sowjetunion ist der Ansicht, daß das Bestehen des "Besatzungsstatuts", das von den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich für Westdeutschland festgelegt wurde, nicht nur mit den demokratischen Prinzipien und den nationalen Rechten des deutschen Volkes unvereinbar ist, sondern unter den gegenwärtigen Verhältnissen, da es die Annäherung zwischen Ost- und Westdeutschland erschwert, auch eines der Haupthindernisse auf dem Wege zur nationalen Wiedervereinigung Deutschlands ist.


Quellen: Rechtsstellung Deutschlands (dtv 5552 Ausgabe 1985
Rauschning, Die Gesamtverfassung Deutschlands, S. 236-237
© 3. September 2000 - 13. April 2004

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