Vertrag über die Beziehungen
zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

vom 20. September 1955

ergänzt durch das deutsch-sowjetische bzw. den deutsch-sowjetischen
Abkommen über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen vom 11. April 1957 (GBl. S. 237)
Abkommen über gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen vom 26. September 1957 (GBl. I. S. 533)
Vertrag über Handel und Seeschiffahrt vom 27. September 1957 (GBl. 1958 I. S. 17)
Vertrag über die Rechtshilfe in Zivil-, Familien- und Strafsachen vom 28. November 1957 (GBl. 1958 I. S. 241)
Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens vom 10. August 1960 (GBl. I. S. 453)
Vertrag über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit zwischen der DDR und der UdSSR vom 12. Juni 1964 (GBl. I. S. 131)
Vertrag zur Regelung von Fragen der doppelten Staatsbürgerschaft vom 11. April 1969 (GBl. I. S. 107)
Vereinbarung über den gegenseitigen Schutz von Urheberrechten vom 4. Januar 1974 (GBl. II. S. 5)
Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zwischen der DDR und der UdSSR vom 7. Oktober 1975 (GBl. II. S. 237)
Vertrag über Rechtshilfe in Zivil-, Familien- und Strafsachen vom 21. Dezember 1979 (GBl. 1980 II. S. 12)

ergänzt durch den multilateralen
Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand (Warschauer Vertrag) vom 14. Mai 1955 (GBl. I. S. 381), verlängert durch Protokoll vom 27. Juni 1985 (GBl. II. S. 47)
Vertrag über das Statut des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe vom 14. Dezember 1959

faktisch aufgehoben durch
Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. September 1990 (BGBl. II. S. 1318) und
Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR vom 9. November 1990 (BGBl. 1991 II S. 702)

Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik und das Präsidium des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

haben

geleitet von dem Wunsch nach Entwicklung einer engen Zusammenarbeit und nach der weiteren Festigung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken auf der Grundlage der Gleichberechtigung, der gegenseitigen Achtung der Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten,

in Anbetracht der neuen Lage, die durch das Inkrafttreten der Pariser Verträge von 1954 entstanden ist,

überzeugt davon, daß die Vereinigung der Anstrengungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion zur Mitwirkung an der Erhaltung und Festigung des Weltfriedens und der Sicherheit in Europa, sowie zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als friedliebender und demokratischer Staat und zur Herbeiführung einer friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland den Interessen des deutschen Volkes und des Sowjetvolkes und gleichermaßen den Interessen der anderen Völker Europas entspricht,

unter Berücksichtigung der Verpflichtungen, die die Deutsche Demokratische Republik und die Sowjetunion gemäß den bestehenden internationalen Abkommen, die Deutschland als Ganzes betreffen,

haben,

beschlossen, den vorliegenden Vertrag zu schließen und zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik
den Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Grotewohl;

das Präsidium des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
den Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, N. A. Bulganin,

die nach Austausch ihrer in gehöriger Form und in Ordnung befundenen Vollmachten über Folgendes übereinkamen:

Art. 1. Die Vertragschließenden Seiten bestätigen feierlich, daß die Beziehungen zwischen ihnen auf völliger Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung der Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten beruhen.

In Übereinstimmung hiermit ist die Deutsche Demokratische Republik frei in der Entscheidung über Fragen ihrer Innenpolitik und Außenpolitik, einschließlich der Beziehungen zur Deutschen Bundesrepublik, sowie der Entwicklung der Beziehungen zu anderen Staaten.

Art. 2. Die Vertragschließenden Seiten erklären ihre Bereitschaft, im Geiste aufrichtiger Zusammenarbeit an allen internationalen Handlungen teilzunehmen, deren Ziel die Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit in Europa und in der ganzen Welt ist und die mit den Grundsätzen der Satzung der Organisation der Vereinten Nationen übereinstimmen.

Zu diesem Zweck werden sie sich gegenseitig über alle wichtigen internationalen Fragen beraten, die die Interessen beider Staaten berühren, und alle ihnen zu Gebote stehenden Maßnahmen ergreifen mit dem Ziel, eine Verletzung des Friedens nicht zuzulassen.

Art. 3 In Übereinstimmung mit den Interessen beider Länder und die Grundsätze der Freundschaft befolgend, kommen die Vertragschließenden Seiten überein, die zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bestehenden wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und kulturellen Verbindungen weiter zu entwickeln und zu festigen, sich gegenseitig jede mögliche wirtschaftliche Hilfe zu erweisen und die erforderliche wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zu verwirklichen.

Art. 4. Die zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Abkommen auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik stationierten sowjetischen Truppen verbleiben zeitweilig in der Deutschen Demokratischen Republik mit Zustimmung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu Bedingungen, die durch eine zusätzliche Vereinbarung zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Sowjetunion festgelegt werden.

Die zeitweilig auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik stationierten sowjetischen Truppen werden sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik und in das gesellschaftspolitische Leben des Landes einmischen.

Art. 5. Zwischen den Vertragschließenden Seiten besteht Übereinstimmung darüber, daß es ihr Hauptziel ist, auf dem Wege entsprechender Verhandlungen eine friedliche Regelung für ganz Deutschland herbeizuführen. In Übereinstimmung hiermit werden sie die erforderlichen Anstrengungen für eine friedensvertragliche Regelung und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage unternehmen.

Art. 6. Der Vertrag wird bis zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als friedliebender und demokratischer Staat oder bis die Vertragschließenden Seiten zu einem Übereinkommen über die Änderung oder Außerkraftsetzung dieses Vertrages gelangen Gültigkeit haben.

Art. 7. Dieser Vertrag bedarf der Ratifizierung und tritt in Kraft am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden, der in nächster Zeit in Berlin erfolgt.

in Kraft getreten am 6. Oktober 1955 (GBl. I. S. 917).

    Ausgefertigt in Moskau am 20. September 1955 in zwei Exemplaren, jedes in deutscher und russischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen gültig sind.

In Vollmacht des Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik
O. Grotewohl

In Vollmacht des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR
N. Bulganin

 


Quellen: Gesetzblatt der DDR 1955 S. 918
Rechtsstellung Deutschlands (dtv 5552 Ausgabe 1985)
Rauschning, Die Gesamtverfassung Deutschlands, S. 239-241
© 5. September 2000 - 7. Dezember 2004
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