vom 28. Februar 1933.
durch Art. VIII Ziffer 4 des Gesetzes vom 24. April 1934 (RGBl. I. S. 341) aufgehoben
Auf Grund des Artikel 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:
1. Abschnitt
Verschärfung der Vorschriften gegen Landesverrat und Verrat militärischer
Geheimnisse
§ 1. Wer Landesverrat oder Verrat oder
Ausspähung militärischer Geheimnisse begeht, kann bestraft werden
1. bei schwerem Verrat militärischer Geheimnisse (§ 1 Abs. 3 des Gesetzes gegen
den Verrat militärischer Geheimnisse) mit dem Tode;
2. bei Landesverrat nach § 92 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs und bei Verrat
militärischer Geheimnisse nach § 1 Abs. 1, des Gesetzes gegen den Verrat
militärischer Geheimnisse mit dem Tode oder lebenslangem Zuchthaus;
3. bei Ausspähung militärischer Geheimnisse (§ 3 des Gesetzes gegen den Verrat
militärischer Geheimnisse) mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus oder mit
Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren.
§ 2. (1) Wer durch Fälschung oder Verfälschung Gegenstände, deren Geheimhaltung vor einer ausländischen Regierung im Falle der Echtheit für das Wohl des Reichs erforderlich wäre, in der Absicht herstellt, sie einer ausländischen Regierung bekanntzumachen oder öffentlich mitzuteilen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer Gegenstände oder Nachrichten, von denen er weiß, daß sie falsch sind, und deren Geheimhaltung vor einer ausländischen Regierung im Falle der Echtheit oder Wahrheit für das Wohl des Reichs erforderlich wäre, der ausländischen Regierung bekanntmacht oder öffentlich mitteilt, ohne sie als falsch zu bezeichnen.
(3) Wer sich Gegenstände der im Abs. 2 bezeichneten Art in der Absicht verschafft, sie einer ausländischen Regierung bekanntzumachen oder öffentlich mitzuteilen, ohne sie als falsch zu bezeichnen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.
(4) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnis nicht unter einem Jahre ein.
§ 3. (1) Wer Gegenstände oder Nachrichten, deren Geheimhaltung für das Wohl des Reich erforderlich wäre, wenn sie nicht bereits der ausländischen Regierung bekannt oder öffentlich mitgeteilt worden wären, öffentlich mitteilt oder erörtert und dadurch das Wohl des Reichs gefährdet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Es macht keinen Unterschied, ob die Gegenstände oder Nachrichten echt oder falsch, wahr oder unwahr sind.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag der Reichsregierung verfolgt. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig.
§ 4. Auf Verbrechen und Vergehen gegen die §§ 2, 3 dieser Verordnung finden die Vorschriften des § 4 Abs. 2 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs Anwendung.
2. Abschnitt
Bekämpfung hochverräterischer Umtriebe
§ 5. (1) Ist bei einem Hochverrat die Tat darauf gerichtet, die Reichswehr oder die Polizei zur Erfüllung ihrer Pflicht untauglich zu machen, das Deutsche Reich und seine Länder gegen Angriffe auf ihren äußeren oder inneren Bestand zu schützen, so ist auf die in den §§ 81 bis 86 des Strafgesetzbuchs angedrohte Zuchthausstrafe zu erkennen.
(2) Bei mildernden Umständen ist die Strafe in den Fällen des § 81 des Strafgesetzbuchs Zuchthaus, in den Fällen der §§ 83 bis 85 des Strafgesetzbuchs Gefängnis nicht unter einem Jahre, in den Fällen des § 86 des Strafgesetzbuchs Gefängnis von einem bis zu drei Jahren.
§ 6. (1) Wer eine Druckschrift, deren
Inhalt
durch Aufforderung oder Anreizung zum gewaltsamen Kampf gegen
die Staatsgewalt oder zu dessen Vorbereitung oder
durch Aufforderung oder Anreizung zu einem hochverräterischen
Bestrebungen dienenden Streik in einem lebenswichtigen Betrieb, Generalstreik
oder anderen Massenstreik
oder in anderer Weise
den Tatbestand des Hochverrats (§§ 81 bis 86 des Strafgesetzbuchs) begründet,
herstellt, verbreitet oder zum Zwecke der Verbreitung vorrätig hält, obwohl er
bei sorgfältiger Prüfung der Schrift den strafbaren Inhalt hätte erkennen
können, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe
angedroht ist, mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.
(2) Auf Gegenstände, die zur Begehung eines nach dieser Vorschrift strafbaren Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, findet § 86 a des Strafgesetzbuchs entsprechende Anwendung.
3. Abschnitt
Vorschriften über Zuständigkeit und Strafverfahren
§ 7. (1) Für Verbrechen und Vergehen gegen die §§ 2, 3 dieser Verordnung gilt § 134 des Gerichtsverfassungsgesetzes.
(2) Für Vergehen gegen § 6 sind die Amtsgerichte zuständig. § 6 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz findet keine Anwendung.
§ 8. (1) In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden Strafsachen können die nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung im vorbereitenden Verfahren dem Amtsrichter obliegenden Geschäfte auch durch einen oder mehrere besondere Ermittlungsrichter des Reichsgerichts vorgenommen werden. Die Bestellung sowie die Verteilung der Geschäfte unter mehrere Ermittlungsrichter erfolgt durch den Reichsminister der Justiz auf die Dauer eines Geschäftsjahres. Zum Ermittlungsrichter kann jedes Mitglied eines deutschen Gerichts und jeder Amtsrichter bestellt werden.
(2) Über die Beschwerde gegen eine Verfügung des Ermittlungsrichters entscheidet das Reichsgericht.
(3) Die zur Durchführung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erläßt der Reichsminister der Justiz.
§ 9. Ist eine Druckschrift nach § 23 des
Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 (RGBl. S. 65) oder nach § 8 der
Verordnung zum Schutze des Deutschen Volkes
vom 4. Februar 1933 (RGBl. I S. 35) beschlagnahmt worden, weil der Inhalt der
Schrift den Tatbestand einer zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden
strafbaren Handlung begründet, so gelten, wenn ein Ermittlungsrichter des
Reichsgerichts bestellt ist, folgende Vorschriften:
1. Über die Bestätigung oder Aufhebung der vorläufigen Beschlagnahme hat an
Stelle des Amtsrichters der Ermittlungsrichter des Reichsgerichts zu
entscheiden.
2. Die Entscheidung muß unverzüglich herbeigeführt werden. Die Behörde, die eine
Beschlagnahme ohne Anordnung des Oberreichsanwalts verfügt hat, muß die
Absendung der Verhandlungen an den Oberreichsanwalt spätestens binnen zwölf
Stunden bewirken. Der Oberreichsanwalt hat den Antrag auf gerichtliche
Bestätigung, wenn er die Beschlagnahme selbst angeordnet hat, binnen
vierundzwanzig Stunden nach Anordnung der Beschlagnahme, andernfalls
binnen vierundzwanzig Stunden nach dem Empfang der Verhandlungen an den
Ermittlungsrichter abzusenden, sofern er nicht die Wiederaufhebung der
Beschlagnahme mittels einer sofort vollstreckbaren Verfügung anordnet. Der
Ermittlungsrichter hat die Entscheidung binnen vierundzwanzig Stunden nach
Empfang des Antrags zu erlassen.
3. An die Stelle der im § 24 Abs. 4 des Gesetzes über die Presse bestimmten
Frist tritt eine Frist von sieben Tagen.
4. Gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters, der die vorläufige Beschlagnahme
aufhebt, steht dem Oberreichsanwalt die sofortige Beschwerde zu. Die Beschwerde
hat aufschiebende Wirkung.
5. Die Vorschrift des § 26 des Gesetzes über die Presse findet keine Anwendung.
§ 10. (1) In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden Strafsachen entfällt die Voruntersuchung, wenn der Tatbestand einfach liegt und sie darum nach dem pflichtmäßigem Ermessen des Oberreichsanwalts für die Vorbereitung der Hauptverhandlung nicht erforderlich ist.
(2) Das Reichsgericht kann nach der Einreichung der Anklageschrift von Amts wegen oder auf Antrag des Angeschuldigten die nachträglich Eröffnung einer Voruntersuchung beschließen, wenn ihm dies zur besseren Aufklärung des Sachverhalts oder für die Vorbereitung der Verteidigung des Angeschuldigten geboten erscheint.
4. Abschnitt
Inkrafttreten der Verordnung
§ 11. § 6 dieser Verordnung tritt mit dem Tage nach der Verkündung in Kraft. Im übrigen tritt die Verordnung mit dem vierten Tage nach der Verkündung in Kraft.
verkündet am 1. März 1933
Berlin, den 28. Februar 1933.
Der Reichspräsident
von Hindenburg
Der Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner