Gesetz über die Schulpflicht im Deutschen Reich
(Reichsschulpflichtgesetz)

vom 6. Juli 1938

für Deutschland
in Kraft getreten am 1. November 1938 (§ 17)
geändert durch
Gesetz vom 16. Mai 1941 (RGBl. I. S. 282)

spätestens aufgehoben durch die Landesgesetzgebung, nachdem das Gesetz gemäß Artikel 123 Abs. 1 in Verbindung mit den Art. 30, 124, 125 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) als Landesrecht fortgeltend war, sofern es nicht bereits während der Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes durch die Landesgesetzgebung aufgehoben wurde

aufgehoben durch
in
Baden-Württemberg: § 118 des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Ordnung des Schulwesens vom 5. Mai 1964 (GBl. S. 235),
in der DDR ((Ost-)Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen): § 8 des Gesetzes über die Schulpflicht vom 15. Dezember 1950 (GBl. S. 1203),
in Nordrhein-Westfalen: § 26 des Gesetzes über die Schulpflicht vom 14. Juni 1966 (GVBl. S. 365),
...

für Österreich
in Kraft getreten am 1. August 1939 (Verordnung zur Einführung des Reichsschulpflichtgesetzes in der Ostmark vom 25. Juli 1939, RGBl. I. S. 1337, ÖGBl. 982/1939)
geändert durch
Gesetz vom 16. Mai 1941 (RGBl. I. S. 282)
Bundesgesetz vom 13. Februar 1952, über den Beginn der Schulpflicht (BGBl. 44/1952)

aufgehoben durch
Bundesgesetz vom 25. Juli 1962, über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz, BGBl. 241/1962),
mit Wirkung vom 1. Jänner 1963

Änderungen nach 1945 werden hier nicht wiedergegeben.

Die Reichsregierung hat daher das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Abschnitt I.
Grundsätzliches

§ 1. Allgemeine Schulpflicht. Im Deutschen Reich besteht allgemeine Schulpflicht. Sie sichert die Erziehung und Unterweisung der deutschen Jugend im Geiste des Nationalsozialismus. Ihr sind alle Kinder und Jugendlichen deutscher Staatsangehörigkeit unterworfen, die im Inlande ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(2) Die Schulpflicht ist durch Besuch einer reichsdeutschen Schule zu erfüllen. Über Ausnahmen entscheidet die Schulaufsichtsbehörde.

Abschnitt II.
Volksschulpflicht

§ 2. Beginn der Volksschulpflicht. (1) Für alle Kinder, die bis zum 30. Juni das 6. Lebensjahr vollenden, beginnt mit dem Anfang des Schuljahres die Pflicht zum Besuch der Volksschule.

(2) Kinder, die in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September das 6. Lebensjahr vollenden, können auf Antrag der Erziehungsberechtigten zu Anfang des Schuljahres in die Schule aufgenommen werden, wenn sie die für den Schulbesuch erforderliche geistige und körperliche Reiche besitzen.

(3) Vorzeitig aufgenommene Kinder werden mit der Aufnahme volksschulpflichtig.

Durch Verordnung vom 25. Juli 1939 wurde für das Land Österreich bestimmt:
"Artikel 2. Mit Rücksicht auf den Herbstbeginn des Schuljahres in der Ostmark treten folgende Änderungen ein:
1. im § 2 des Reichsschulpflichtgesetzes und in der Durchführungsverordnung zu § 2 tritt
    an die Stelle des 30. Juni der 30. November,
    an die Stelle des 1. Juli der 1. Dezember,
    an die Stelle des 30. September der 28. (29.) Februar;
2. ..."

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 wurde der § 2 wie folgt geändert:
- der § 2 Abs. 1 erhielt folgende Fassung:
"(1) Für alle Kinder, die im Laufe des Kalenderjahres das 6. Lebensjahr vollenden, beginnt mit dem Anfang des Schuljahres die Pflicht zum Besuch der Volksschule."
- die Absätze 2 und 3 wurden aufgehoben.

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 wurde in seinem § 2 ergänzend bestimmt:
"§ 2. In den Gebieten des Reichs, in denen das Schuljahr bisher am 1. April begann, gilt für die Schuljahre 1941 und 1942 folgende Übergangsregelung:
    Die Pflicht zum Besuch der Volksschule beginnt mit dem Anfang des Schuljahres
a) im Schuljahr 1941 für alle Kinder, die bis zum 31. August 1941 das 6. Lebensjahr vollenden,
b) mit dem Schuljahr 1942 für alle Kinder, die bis zum 31. Oktober 1942 das 6. Lebensjahr vollenden."

§ 3. Zurückstellung vom Schulbesuch. Volksschulpflichtige Kinder, die geistig und körperlich nicht genügend entwickelt sind, um mit Erfolg am Unterricht teilzunehmen, können vom Schulbesuch zurückgestellt werden. Die Zeit der Zurückstellung wird auf die Dauer der Schulpflicht angerechnet.

§ 4. Dauer der Volksschulpflicht. (1) Die Volksschulpflicht dauert acht Jahre.

(2) Für Kinder, die bis zu diesem Zeitpunkt das Ziel der Volksschule nicht erreicht haben, kann die Schulpflicht bis zur Dauer eines Jahres verlängert werden.

§ 5. Erfüllung der Volksschulpflicht. (1) Zum Besuch der Volksschule sind alle Kinder verpflichtet, soweit nicht für ihre Erziehung und Unterweisung in anderer Weise ausreichend gesorgt ist.

(2) Während der vier ersten Jahrgänge der Volksschule darf anderweitiger Unterricht an Stelle des Besuchs der Volksschule nur ausnahmsweise in besonderen Fällen gestattet werden. Der Übergang zu einer mittleren oder höheren Schule richtet sich nach den hierfür erlassenen besonderen Bestimmungen.

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 erhielt der § 5 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Zum Besuch der Volksschule sind alle Kinder verpflichtet, soweit sie nicht zum Besuch der Hauptschule verpflichtet sind oder für ihre Erziehung und Unterweisung in anderer Weise ausreichend gesorgt ist."

§ 6. Schulpflicht geistig und körperlich behinderter Kinder. (1) Für Kinder, die wegen geistiger Schwäche oder wegen körperlicher Mängel dem allgemeinen Bildungsweg der Volksschule nicht oder nicht mit genügendem Erfolge zu folgen vermögen, besteht die Pflicht zum Besuch der für sie geeigneten Sonderschulen oder des für sie geeigneten Sonderunterrichts (Hilfsschulen, Schulen für Krüppel, Blinde, Taubstumme u.ä.).

(2) Darüber, ob diese Verpflichtung im einzelnen Falle besteht, und darüber, welche Sonderschule diese Kinder zu besuchen oder an welchem Sonderunterricht sie teilzunehmen haben, entscheidet die Schulaufsichtsbehörde.

(3) Für taubstumme Kinder beginnt die Schulpflicht ein Jahr später.

(4) Für blinde und für taubstumme Kinder kann die Schulpflicht über die im § 4 Abs. 2 vorgesehene Zeit hinaus bis zur Dauer von insgesamt drei Jahren verlängert werden, wenn anzunehmen ist, daß sie dadurch dem Ziele der Sonderschule nähergebracht werden können.

§ 7. Unterbringung der Sonderschulpflichtigen in Anstalts- oder Familienpflege. (1) Wenn es die Durchführung der Schulpflicht für die im § 6 bezeichneten Kinder erfordert, kann ihre Unterbringung in geeigneten Anstalten und Heimen oder in geeigneter Familienpflege angeordnet werden.

(2) Hierüber entscheidet die Schulaufsichtsbehörde gemeinsam mit der zuständigen Fürsorgebehörde.

(3) Die Anordnung wird von der Fürsorgebehörde nach den Vorschriften über die Fürsorgepflicht durchgeführt.

(4) Vor der Anordnung und vor ihrer Durchführung soll der Erziehungsberechtigte gehört werden.

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 wurde an dieser Stelle folgende Überschrift eingefügt:

"Abschnitt III.
Hauptschulpflicht
"

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 wurde an dieser Stelle folgender Paragraph eingefügt:
"§ 7a. Volksschulpflichtige Kinder, bei denen die für die Aufnahme in die Hauptschule erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, sind zum Besuch der Hauptschule verpflichtet."

Abschnitt III.
Berufsschulpflicht

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 wurde der Abschnitt III. zum Abschnitt IV.

§ 8. Beginn der Berufsschulpflicht. Mit der Beendigung der Volksschulpflicht beginnt die Pflicht zum Besuch der Berufsschule.

§ 9. Dauer der Berufsschulpflicht. (1) Die Berufsschulpflicht dauert drei Jahre, für landwirtschaftliche Berufe zwei Jahre. Lehrlinge sind darüber hinaus bis zum Ende der Lehrzeit berufsschulpflichtig, wenn fachlich ausgerichtete Berufsschuleinrichtungen vorhanden sind.

(2) Bei Berufswechsel lebt die Pflicht zum Besuch der Berufsschule wieder auf, sofern der Jugendliche das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Früherer Berufsschulbesuch kann angerechnet werden.

(3) Die Berufsschulpflicht endet vor Ablauf der im Abs. 1 bezeichneten Zeit,
a) wenn die Schulaufsichtsbehörde feststellt, daß die bisherige Ausbildung des Berufsschulpflichtigen den Besuch der Berufsschule fortan entbehrlich macht. Dies gilt insbesondere für Mädchen, die keinen besonderen beruf ergreifen, nach einjährigem Besuch einer Hauswirtschaftsschule;
b) mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, soweit es sich nicht um Lehrlinge handelt, die nach Abs. 1 Satz 2 fachlich ausgerichtete Berufsschuleinrichtungen zu besuchen haben;
c) mit der Heirat des Berufsschulpflichtigen.

§ 10. Erfüllung der Berufsschulpflicht. (1) Die Berufsschulpflicht ist durch Besuch derjenigen Berufsschule zu erfüllen, die von der Schulaufsichtsbehörde für den Berufsschulpflichtigen vorgeschrieben ist.

(2) Die Verpflichtung besteht für alle Jugendlichen, solange sie nicht
a) eine als ausreichenden Ersatz für den Berufsschulunterricht anerkannte Fachschule besuchen,
b) mindestens 24 Stunden wöchentlich am Unterricht einer anderen öffentlichen oder privaten Schule teilnehmen,
c) eine Hochschule besuchen,
d) im Arbeits- oder Wehrdienst stehen.

Abschnitt IV.
Gemeinsame Bestimmungen

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 wurde der Abschnitt IV. zum Abschnitt V.

§ 11. Befreiung von der Schulpflicht. Bildungsunfähige Kinder und Jugendliche sind von der Schulpflicht befreit.

§ 12. Schulzwang. Kinder und Jugendliche, welche die Pflicht zum Besuch der Volks- oder Berufsschule nicht erfüllen werden der Schule zwangsweise zugeführt. Hierbei kann die Hilfe der Polizei in Anspruch genommen werden.

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 erhielt der § 12 Satz 1 folgende Fassung:
"Kinder und Jugendliche, welche die Pflicht zum Besuch der Volks-, Haupt- und Berufsschule nicht erfüllen, werden der Schule zwangsweise zugeführt."

§ 13. Verantwortlichkeit Anderer für die Erfüllung der Schulpflicht. (1) Wer für die Person des Schulpflichtigen zu sorgen hat, sowie der, dem Erziehung oder Pflege des Schulpflichtigen anvertraut ist, hat dafür Vorsorge zu treffen, daß der Schulpflichtige am Unterricht und an den sonstigen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt und sich der Schulordnung fügt.

(2) Wer für die Person des Schulpflichtigen zu sorgen hat, ist verpflichtet, ihn für den Schulbesuch nach Maßgabe der hierüber erlassenen Bestimmungen in gehöriger Weise auszurüsten und den zur Durchführung der Schulgesundheitspflege erlassenen Anordnungen Folge zu leisten.

(3) Lehrherren, Dienstherren, Führer von Betrieben oder deren Bevollmächtigte haben dem Schulpflichtigen die zur Erfüllung der Schulpflicht erforderliche Zeit zu gewähren und ihn zur Erfüllung der Schulpflicht anzuhalten.

§ 14. Strafbestimmungen. (1) Der den Bestimmungen über die Schulpflicht vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder mit Haft bestraft, sofern nicht nach anderen Gesetzen eine höhere Strafe verwirkt ist.

(2) In gleicher Weise wird bestraft, wer vorsätzlich Schulpflichtige oder die im § 13 bezeichneten Personen durch Mißbrauch des Ansehens, durch Überredung oder durch andere Mittel dazu bestimmt, den Vorschriften über die Schulpflicht entgegen zu handeln.

(3) Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag des Schulleiters oder der Schulaufsichtsbehörde ein; der Antrag kann zurückgenommen werden.

Durch Verordnung vom 25. Juli 1939 wurde für das Land Österreich bestimmt:
"Artikel 3. Schulversäumnisstrafen auf Grund des § 14 des Reichsschulpflichtgesetzes können nach den Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes (BGBl. Nr. 275/1925) verhängt und vollstreckt werden."

Abschnitt V.
Schlußvorschriften

Durch Gesetz vom 16. Mai 1941 wurde der Abschnitt V. zum Abschnitt VI.

§ 15. Durchführung des Gesetzes. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung erläßt die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Einvernehmen mit den beteiligten Ministern. Er kann insbesondere bei bestimmten Berufsgruppen Ausnahmen von der Durchführung der Berufsschulpflicht zulassen, soweit durch eine Erweiterung der bisherigen Berufsschulpflicht der geregelte Arbeitseinsatz gefährdet werden würde.

siehe hierzu auch die Durchführungsverordnungen vom 7. März 1939 (RGBl. I. S. 438, geändert am 16. Mai 1941 (RGBl. I. S. 283)) und vom 12. Mai 1941 (RGBl. I. S. 255).

§ 16. Aufhebung älterer Vorschriften. (1) Das Gesetz, betreffend die Grundschulen und die Aufhebung der Vorschulen, vom 28. April 1920 (RGBl. I. S. 851) in der Fassung des Gesetzes vom 26. Februar 1927 (RGBl. I. S. 67) sowie das Gesetz, betreffend den Lehrgang der Grundschule, vom 18. April 1925 (RGBl. I. S. 49) werden aufgehoben.

(2) Im übrigen kann der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung durch Verordnung die durch dieses Gesetz außer Kraft gesetzten Vorschriften des Reichs- und Landesrechts an den neuen Rechtszustand angleichen und sie in neuer Fassung und Ordnung bekanntmachen. Er kann diese Befugnis auf die Landesregierungen übertragen.

§ 17. Inkrafttreten. (1) Dieses Gesetz tritt mit dem 1. November 1938 in Kraft.

(2) Die Inkraftsetzung dieses Gesetzes für das Land Österreich bleibt vorbehalten.

in Österreich durch Erlaß vom 25. Juli 1939 (RGBl. I. S. 1337), in den Ostgebieten durch Erlaß vom 28. Mai 1940 (RGBl. I. S. 836, ber. S. 886) und im Sudetenland durch Erlasse vom 24. Juni 1940 (RGBl. I. S. 955) und vom 5. November 1940 (RGBl. I. S. 1476, samt Durchführungsverordnung vom 16. Oktober 1942 (RGBl. I. S. 608)) eingeführt.

    Berchtesgaden, den 6. Juli 1938.

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
Rust

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1938 I S. 799, 1941 S. 282
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944
Sartorius, Sammlung von Reichsgesetzen staats- und verwaltungsrechtlichen Inhalts, Beck 1935-37

Hinweis
© 31. Januar 2004 - 25. Januar 2012
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