Erste Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetz

vom 1. November 1933.

aufgehoben durch Befehle der Zonenbefehlshaber im Jahr 1945

Auf Grund der §§ 6 und 7 des Reichskulturkammergesetzes vom 22. September 1933 (RGBl. I. S. 661) wird folgendes verordnet:

I. Errichtung der Kammer

§ 1. Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung erhalten die im folgenden genannten Vereinigungen die Eigenschaft von Körperschaften des öffentlichen Rechts mit den beigefügten Bezeichnungen:
1. das Reichskartell der deutschen Musikerschaft e.V.:
    Reichsmusikkammer,
2. das Reichskartell der bildenden Künste:
    Reichskammer der bildenden Künste,
3. die Reichstheaterkammer:
    Reichstheaterkammer,
4. der Reichsverband der deutschen Schriftsteller e.V.
    Reichsschrifttumskammer,
5. die Reichsarbeitsgemeinschaft der deutschen Presse
    Reichspressekammer,
6. die Nationalsozialistische Rundfunkkammer e.V.
    Reichsrundfunkkammer.

§ 2. Die im § 1 aufgezählten Kammern werden gemeinsam mit der Reichsfilmkammer zu einer Gesamtkörperschaft des öffentlichen Rechts vereinigt, die die Bezeichnung Reichskulturkammer trägt.

§ 3. Die Reichskulturkammer hat die Aufgabe, durch Zusammenwirken der Angehörigen aller von ihr umfaßten Tätigkeitszweige unter der Führung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda die deutsche Kultur in Verantwortung für Volk und Reich zu fördern, die wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten der Kulturberufe zu regeln und zwischen allen Bestrebungen der ihr angehörenden Gruppen einen Ausgleich zu bewirken.

Besondere Aufgaben, die der Reichskulturkammer und ihren Einzelkammern übertragen werden, kann der Reichminister für Volksaufklärung und Propaganda bestimmen. § 7 Satz 2 des Gesetzes bleibt unberührt.

II. Kammerzugehörigkeit

§ 4. Wer bei der Erzeugung, der Wiedergabe, der geistigen oder technischen Verarbeitung, der Verbreitung, der Erhaltung, dem Absatz oder der Vermittlung des Absatzes von Kulturgut mitwirkt, muß Mitglied der Einzelkammer sein, die für seine Tätigkeit zuständig ist.

Verbreitung ist auch die Erzeugung und der Absatz technischer Verbreitungsmittel.

§ 5. Kulturgut im Sinne dieser Verordnung ist:
1. jede Schöpfung oder Leistung der Kunst, wenn sie der Öffentlichkeit übermittelt wird,
2. jede andere geistige Schöpfung oder Leistung, wenn sie durch Druck, Film oder Funk der Öffentlichkeit übermittelt wird.

§ 6. Für den Begriff der Mitwirkung im Sinne des § 4 ist es unerheblich, ob die Tätigkeit ausgeübt wird:
a) gewerbsmäßig oder gemeinnützig,
b) durch Einzelpersonen, durch Gesellschaften, Vereine oder Stiftungen des Privatrechts, durch Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts,
c) durch Reichsangehörige oder Ausländer,
d) durch Unternehmer oder Personen in einem Anstellungsverhältnis, es sei denn, daß es sich bei diesen um eine rein kaufmännische, büromäßige, technische oder mechanische Tätigkeit handelt.

§ 7. Dem Druck im Sinne dieser Verordnung steht jede Art der Vervielfältigung gleich, die ihm nach § 2 Abs. 2 des Schriftleitergesetzes gleich zu erachten ist.

§ 8. Die Herstellung von Vorerzeugnissen gilt nicht als Verarbeitung von Kulturgut im Sinne dieser Verordnung.

§ 9. Der Präsident der Einzelkammer kann bestimmen, daß bestimmte Fälle geringfügiger oder gelegentlicher Ausübung einer im § 4 bestimmten Tätigkeit die Zugehörigkeit zur Kammer nicht begründen.

§ 10. Die Aufnahme in eine Einzelkammer kann abgelehnt oder ein Mitglied ausgeschlossen werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß die in Frage kommende Person die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht besitzt.

III. Kammerverfassung

§ 11. Präsident der Reichskulturkammer ist der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. Er ernennt einen oder mehrere Stellvertreter und Geschäftsführer. Die Präsidenten der Einzelkammern bilden einen Beitrat der Reichskulturkammer (Reichskulturrat). Die Stellvertreter des Präsidenten der Reichskulturkammer sowie die Geschäftsführer der Reichskulturkammer haben Zutritt zu den Verhandlungen des Reichskulturrats und können sich an der Beratung beteiligen.

Gesetzlicher Vertreter der Reichskulturkammer ist der Präsident, im Behinderungsfalle sein Stellvertreter.

§ 12. Bei der Reichskulturkammer kann ein Reichskultursenat errichtet werden, in den vom Präsidenten hervorragende, um Volk und Kultur verdiente Persönlichkeiten berufen werden.

§ 13. Der Präsident der Reichskulturkammer ernennt für jede Einzelkammer einen Präsidenten. Diesem steht ein Präsidialrat zur Seite, dem mindestens zwei Mitglieder angehören. Auch die Mitglieder des Präsidialrates werden vom Präsidenten der Reichskulturkammer ernannt. Der Präsident bestimmt aus den Mitgliedern des Präsidialrats einen oder mehrere Stellvertreter und Geschäftsführer.

Gesetzlicher Vertreter der Einzelkammer ist der Präsident, im Behinderungsfalle sein Stellvertreter.

§ 14. Dem Präsidenten der Einzelkammer steht ein Verwaltungsbeirat zur Seite, der aus Vertretern der einzelnen von der Kammer umfaßten Gruppen besteht.

Der Verwaltungsbeirat wird vom Präsidenten einberufen. Er ist in wichtigen Fragen zu hören. Er kann Anträge beim Präsidenten stellen.

Die Mitglieder des Verwaltungsbeirats werden vom Präsidenten berufen und abberufen.

§ 15. Die Einzelkammern gliedern sich in die Fachverbände oder Fachschaften für die von ihnen umfaßten Tätigkeitszweige. Durch Zugehörigkeit zu einem in die Kammer aufgenommenen Fachverband erwerben dessen Mitglieder die mittelbare Mitgliedschaft zur Einzel- und zur Reichskulturkammer.

Unmittelbare Mitgliedschaft zu einer Einzelkammer ist nur beim Fehlen eines geeigneten Fachverbandes möglich. Über die Aufnahme entscheidet in diesem Falle der Präsident der Einzelkammer. Er kann verlangen, daß sich Personen, die der Kammer angehören müssen, zu einem Fachverband oder einer Fachschaft zusammenschließen.

Unmittelbare Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer ist nicht möglich.

§ 16. Der Präsident der Einzelkammer entscheidet auf Antrag eines Fachverbandes über dessen Aufnahme in die Kammer. Er muß die Aufnahme verfügen, wenn
a) für die Angehörigen des Verbandes die Voraussetzung des § 4 gegeben ist,
b) die Satzung der Vorschrift des § 20 entspricht,
c) der Fachverband zur Erfüllung der ihm zu übertragenden Aufgaben nach dem Ermessen des Präsidenten imstande ist.

§ 17. Wird die Aufnahme abgelehnt, so kann der Fachverband die Entscheidung des Präsidenten der Reichskulturkammer anrufen. Der Präsident der Reichskulturkammer hat ferner zu entscheiden, wenn zwischen mehreren Einzelkammern über die Aufnahme oder die Ablehnung der Aufnahme eines Fachverbandes in eine der Kammern eine Meinungsverschiedenheit besteht.

§ 18. Wer eine der im § 4 bezeichneten Tätigkeiten ausübt, ohne daß der Fall des § 9 vorliegt, hat Anspruch auf Aufnahme in den zuständigen Fachverband und kann, wenn ihm die Aufnahme verweigert wird, die Entscheidung des Präsidenten der zuständigen Kammer anrufen. Die Aufnahme kann nur abgelehnt werden, wenn der Fall des § 10 vorliegt.

§ 19. Der Präsident der Reichskulturkammer gibt der Reichskulturkammer eine Satzung. Der Präsident der Einzelkammer gibt der Einzelkammer eine Satzung, die der Genehmigung des Präsidenten der Reichskulturkammer bedarf.

§ 20. Fachverbände müssen ihre Satzungen dem Reichskulturkammergesetz, den Durchführungsverordnungen zu ihm und der Satzung der Kammer anpassen. Die Satzungen bedürfen der Genehmigung des Präsidenten der Einzelkammer. Der Präsident der Einzelkammer kann die Einsetzung und Abberufung der Vorsitzenden und Geschäftsführer der Fachverbände oder ihrer Landesverbände verlangen.

§ 21. Der Präsident der Reichskulturkammer entscheidet über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Präsidenten mehrerer Einzelkammern. Er kann die Entscheidung über Angelegenheiten an sich ziehen, die mehreren Kammern gemeinsam sind, auch wenn unter ihnen keine Meinungsverschiedenheit besteht.

§ 22. Der Präsident der Reichskulturkammer kann Entscheidungen der Einzelkammern aufgeben und die durch sie geregelte Angelegenheit zur eigenen Entscheidung an sich ziehen.

§ 23. Der Präsident der Reichskulturkammer stellt den Haushaltsplan der Reichskulturkammer auf. Die Präsidenten der Einzelkammern stellen den Haushaltsplan der Einzelkammern auf, der der Genehmigung des Präsidenten der Reichskulturkammer bedarf.

§ 24. Alle mittelbaren und unmittelbaren Mitglieder der Kammern sind zu Beiträgen verpflichtet. Die Bestimmungen über die Beitragserhebung sind dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda vorzulegen, der sich gemäß § 7 Abs. 2 des Gesetzes mit dem Reichsminister der Finanzen ins Benehmen setzt.

Wer mehreren Kammern angehört, ist insgesamt zu keinem höheren Beitrag verpflichtet als zum Höchstbeitrag, den er in einer dieser Kammern zu zahlen hätte.

Die Kosten der Reichskulturkammer werden durch Umlagen unter den Einzelkammern erhoben.

IV. Kammeraufgaben

§ 25. Die Reichskulturkammer und die Einzelkammern können Bedingungen für den Betrieb, die Eröffnung und die Schließung von Unternehmungen auf dem Gebiete ihrer Zuständigkeit festsetzen und Anordnungen über wichtige Fragen innerhalb dieses Gebietes, insonderheit über Art und Gestaltung der Verträge zwischen den von ihnen umfaßten Tätigkeitsgruppen treffen. Durch diese Anordnungen dürfen völkerrechtliche Vereinbarungen nicht verletzt werden.

Entscheidungen nach Abs. 1 auf dem Gebiete des Buch-, Musikalien-, Kunst- und Rundfunkhandels bedürfen der Genehmigung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda und des Reichswirtschaftsministert.

§ 26. Maßnahmen auf Grund des § 25 begründen keine Entschädigungsansprüche wegen Enteignung.

§ 27. Der Verkehr der Reichskulturkammer und der Einzelkammern mit der Reichsregierung darf nur durch den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda stattfinden.

§ 28. Die Präsidenten der Einzelkammern können Ordnungsstrafen gegen jeden festsetzen,
1. der entgegen der Vorschrift des § 4 dieser Verordnung nicht Mitglied der Kammer ist und gleichwohl eine der von ihr umfaßten Beschäftigungen ausübt,
2. der als Mitglied der Kammer oder kraft seiner Verantwortung in einem Fachverband den Anordnungen der Kammer zuwiderhandelt,
3. der als Mitglied der Kammer oder kraft seiner Verantwortung in einem Fachverband der Kammer gegenüber falsche Angaben macht.

§ 29. Die Polizeibehörden sind verpflichtet, § 4 dieser Verordnung sowie die von der Reichskulturkammer oder den Einzelkammern gemäß § 25 erlassenen Anordnungen auf Erfordern durchzuführen. Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, der Reichskulturkammer und den Einzelkammern Rechts- und Verwaltungshilfe zu leisten.

§ 30. Beiträge zu den Kammern werden wie öffentliche Abgaben beigetrieben. Ordnungsstrafen der Kammern werden nach den für die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen geltenden Bestimmungen beigetrieben.

V. Schlußbestimmungen

§ 31. Die Vorschriften des Gesetzes über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 14. Juli 1933 (RGBl. I. S. 483) und der Verordnung über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 22. Juli 1933 (RGBl. I. S. 531) bleiben unberührt, soweit sie nicht mit den Bestimmungen dieser Verordnung in Widerspruch stehen.

§ 32. Die Vorschriften der §§ 1 Abs. 1, 32, 33a, 33b, 35b, 43, 49, 55 bis 63 und der Titel VI und VIa der Gewerbeordnung finden keine Anwendung, soweit sie mit den Bestimmungen des Reichskulturkammergesetzes, den Bestimmungen dieser Verordnung oder den gemäß § 25 erlassenen Anordnungen im Widerspruch stehen.

§ 33. Den Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung bestimmt der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda.

in Kraft getreten gemäß Verordnung vom 9. November 1933 (RGBl. I. S. 969) am 15. November 1933.

    Berlin, den 1. November 1933

Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda
Dr. Goebbels

Der Reichswirtschaftsminister
Dr. Schmitt

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1933 I S. 797
Dr. Dr. A. Dehlinger, Systematische Übersicht über 76 Jhg. RGBl. (1867-1942), Kohlhammer Stuttgart 1943
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© 20. Februar 2004
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