Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich.
("Ermächtigungsgesetz")

vom 24. März 1933.

geändert durch
Gesetz vom 30. Januar 1937 (RGBl. I S. 105)
Gesetz vom 30. Januar 1939 (RGBl I S. 95)
Führererlaß vom 10. Mai 1943 (RGBl. I S. 295)

aufgehoben durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 (ABl. S. 6)

Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird, nachdem festgestellt ist, daß die Erfordernisse verfassungsändernder Gesetzgebung erfüllt sind:

Artikel 1. Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. Dies gilt auch für die in den Artikeln 85 Abs. 2 und 87 der Reichsverfassung bezeichneten Gesetze.

Artikel 2. Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze können von der Reichsverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats als solche zum Gegenstand haben. Die Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt.

Durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 (RGBl. I. S. 75) wurde bestimmt:
"Art. 4. Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen."
Damit waren im Artikel 2 die Worte ", soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats als solche zum Gegenstand haben. Die Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt" faktisch gestrichen.

Artikel 3. Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze werden vom Reichskanzler ausgefertigt und im Reichsgesetzblatt verkündet. Sie treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft. Die Artikel 68 bis 77 der Reichsverfassung finden auf die von der Reichsregierung beschlossenen Gesetze keine Anwendung.

hinsichtlich des Artikels 3 Satz 3 konnte weder der Reichspräsident noch das Volk eine Volksabstimmung über die von der Reichsregierung erlassenen Gesetze anordnen bzw. beantragen.

Artikel 4. Verträge des Reiches mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen nicht der Zustimmung der an der Gesetzgebung beteiligten Körperschaften. Die Reichsregierung erläßt die zur Durchführung dieser Verträge erforderlichen Vorschriften.

auch die in Art. 45 Abs. 3 genannten Bündnisse konnte die Reichsregierung aufgrund des Artikels 4 abschließen, da diese völkerrechtlich nur aufgrund eines Vertrags zustande kommen konnten.

Artikel 5. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft; es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst wird.

Obwohl die Zusammensetzung der Reichsregierung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes sich erheblich (insbesondere in parteipolitischer Hinsicht) veränderte, wurde das Gesetz weiterhin als geltend betrachtet.

Durch Gesetz vom 30. Januar 1937 wurde das Gesetz "verfassungsmäßig" durch den Reichstag bis zum 1. April 1941 verlängert

Durch Gesetz vom 30. Januar 1939 wurde das Gesetz erneut "verfassungsmäßig" durch den Reichstag bis zum 10. Mai 1943 verlängert.

Durch Führererlaß vom 10. Mai 1943 wurde das Gesetz verfassungswidrig "bis auf weiteres" verlängert. Die nach dem 10. Mai 1943 von der Reichsregierung kraft dieses Gesetzes erlassenen Gesetze wurden nach 1945 trotz der Verfassungswidrigkeit als geltend anerkannt !

    Berlin, den 24. März 1933.

Der Reichspräsident
von Hindenburg

Der  Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister des Innern
Frick

Der Reichsminister des Auswärtigen
Freiherr von Neurath

Der Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk

Das vorstehende Gesetz ist nicht verfassungsmäßig zustande gekommen, und zwar insbesondere dadurch, dass die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Deutschlands verfassungswidrigerweise ohne Zustimmung des Reichstags bzw. des zuständigen Ausschusses verhaftet wurden, und so nicht zu der Sitzung des Reichstags am 21. März 1933 erscheinen konnten. Das Bundesverfassungsgericht hat in der  Entscheidung zum Reichskonkordat (evtl. auch in weiteren) die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes benannt, jedoch die Folgerung daraus gezogen, dass es als "revolutionäres Recht" faktisch in Deutschland in Geltung war und die aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Reichsgesetze auch nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes fortgeltendes Recht sind.

Die Aufhebungen von Gesetzen aus der Zeit von 1933 bis 1945 durch den Kontrollrat waren nicht sehr weitreichend. Dies hat zur Folge, dass auch heute noch Teile des geltenden Rechts (wenn es auch im Laufe der Zeit immer weniger werden) aus dieser Zeit stammen und von der damaligen Reichsregierung kraft des Ermächtigungsgesetzes erlassen wurden. Hier kann man nur bedauern, dass der Kontrollrat und die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR nicht den Mut gehabt haben, zu sagen, dass alles, was aufgrund dieses Gesetzes ergangen ist bzw. alles Recht, was nach dem 30. Januar 1933 erlassen wurde (natürlich bezüglich der Eigentumsverhältnisse unter gewissen Einschränkungen), von Anfang an null und nichtig gewesen ist. Damit hätte man das Recht dieser Zeit einfach weggewischt,  wäre auf den Stand der Gesetzgebung vom 30. Januar 1933 zurückgekehrt und hätte rechtlich diese zwölf Jahre Diktatur der schlimmsten Art wenigstens von Rechts wegen ausgelöscht.
 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1933 I S. 141; 1937 I S. 105; 1939 I S.95, 1943 I S. 295
Düring/Rudolf, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, Verlag C.H.Beck München, 1979
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944
Sartorius, Sammlung von Reichsgesetzen staats- und verwaltungsrechtlichen Inhalts, Beck 1935-37

Hinweis
© 2. Februar 2002 - 17. Mai 2004
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