Reichsgesetz, zum Schutze der verfassunggebenden Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centralgewalt

vom 10. Oktober 1848

Art. 1. Ein gewaltsamer Angriff auf die Reichsversammlung, in der Absicht, dieselbe auseinander zu treiben, oder Mitglieder aus ihr zu entfernen, oder die Versammlung zur Fassung oder Unterlassung eines Beschlusses zu zwingen, ist Hochverrath, und wird mit Gefängniß und nach Verhältniß der Umstände mit Zuchthausstrafe bis zu zwanzig Jahren bestraft. Wer zu solchen Handlungen öffentlich auffordert, wird nach richterlichem Ermessen bestraft.

Art. 2. Die Theilnahme an einer Zusammenrottung, welche während der zu einer Sitzung anberaumten Zeit in der Nähe des Sitzungslokales stattfindet und sich nicht auf die dreimalige Aufforderung der zuständigen Behörde oder auf den Befehl des Vorsitzenden der Nationalversammlung auflöst, wird bei Anstiftern oder mit Waffen versehenen Theilnehmern mit Gefängniß bis zu einem Jahre, bei anderen Theilnehmern bis zu drei Monaten bestraft.

Die Aufforderung muß von allgemein wahrnehmbaren Zeichen (z. B. Aufpflanzung einer Fahne oder eines weißen Tuches, Trommelschlag oder dergl.) begleitet seyn.

Art. 3. Es ist während der ganzen Dauer der Reichsversammlung verboten, eine Volksversammlung unter freiem Himmel innerhalb einer Entfernung von fünf Meilen von dem Sitze der Versammlung zu halten. Die öffentliche Aufforderung zur Abhaltung einer solchen Versammlung, die Führung des Vorsitzes oder das öffentliche Auftreten als Redner in derselben wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

Art. 4. Ein gewaltsames Eindringen Nichtberechtigter in das Sitzungslokal der Reichsversammlung, oder thätliche Widersetzlichkeit gegen die mit Ausweisung dort befindlicher Personen Beauftragten, endlich eine im Sitzungslokale von Nichtmitgliedern der Versammlung ausgeübte Bedrohung oder Beleidigung der Versammlung, eines ihrer Mitglieder, Beamten oder Diener, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.

Thätlichkeiten im Sitzungslokale an einem Mitgliede, Beamten oder Diener der Versammlung verübt, werden außer der gesetzlichen Bestrafung der Handlung an sich, mit Gefängniß bis zu fünf Jahren belegt.

Art. 5. Öffentliche Beleidigungen der Reichsversammlung auch außerhalb des Sitzungslokales verübt, unterliegen einer Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren.

Art. 6. Eine an einem Mitgliede der Reichsversammlung in Beziehung auf seine Eigenschaft oder sein Verhalten als Abgeordneter verübte Thätlichkeit wird, außer der gesetzlichen Strafe der Handlung, mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.

Bei gefährlichen Bedrohungen oder öffentlichen Beleidigungen dieser Art tritt eine Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten ein. Wegen solcher öffentlichen Beleidigungen findet eine Verfolgung nur auf Antrag des Beleidigten statt.

Art. 7. Als eine öffentliche wird jede Beleidigung betrachtet, welche an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Versammlungen stattgefunden hat, oder in gedruckten oder ungedruckten Schriften, welche verkauft, vertheilt oder umhergetragen, oder zur Ansicht des Publikums angeschlagen oder ausgestellt worden, enthalten ist.

Art. 8. Die Bestimmungen des Art. 4 finden auch Anwendung auf Bedrohungen, Beleidigungen und Thätlichkeiten gegen Beamte der provisorischen Centralgewalt.

Art. 9. Vorstehendes Gesetz tritt in dem Gebiete der freien Stadt Frankfurt mit dem dritten Tage, im Kurfürstenthum Hessen, dem Großherzogthum Hessen, dem Herzogthum Nassau, der Landgrafschaft Hessen-Homburg, in dem Königl. Preußischen Kreise Wetzlar mit dem zehnten Tage, in allen übrigen Theilen Deutschlands mit dem zwanzigsten Tage nach dem Tage der Ausgabe des betreffenden Reichsgesetzblattes in Frankfurt in Kraft.
 


Quellen: Reichsgesetzblatt 1848 Nr. 3
E.R.Huber,   Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Band 1, Verlag Kohlhammer
© 4. Dezember 2000
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