Reichsgesetz, betreffend das Verfahren im Falle gerichtlicher Anklagen gegen Mitglieder der verfassunggebenden Reichsversammlung

vom 30. September 1848

Art. 1. Ein Abgeordneter zur verfassunggebenden Reichsversammlung darf vom Augenblick der auf ihn gefallenen Wahl an, - ein Stellvertreter von dem Augenblick an, wo das Mandat seines Vorgängers erlischt, - während der Dauer der Sitzungen ohne Zustimmung der Reichsversammlung weder verhaftet noch in strafrechtliche Untersuchung gezogen werden, mit alleiniger Ausnahme der Ergreifung auf frischer That.

Art. 2. In diesem letzteren Falle ist der Reichsversammlung von der getroffenen Maßregel sofort Kenntniß zu geben, und es steht ihr zu, die Aufhebung der Haft oder Untersuchung bis zum Schluß der Sitzungen zu verfügen.

Art. 3. Dieselbe Befugniß steht der Reichsversammlung in Betreff einer Verhaftung oder Untersuchung zu, welche über einen Abgeordneten zur Zeit seiner Wahl bereits verhängt gewesen ist.

Art. 4. Kein Abgeordneter darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmungen in der Reichsversammlung, oder wegen der bei Ausübung seines Berufes gethanen Äußerungen gerichtlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

Art. 5. Vorstehende Bestimmungen treten in Kraft mit dem Tage ihrer Verkündigung im Reichsgesetzblatte.


Quellen: Reichsgesetzblatt 1848 Nr.2
Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Band 1, Verlag Kohlhammer

© 4. Dezember 2000
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