Ordnung zur Durchführung der Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 18. März 1990
(Wahlordnung)

vom 20. Februar 1990

faktisch aufgehoben durch
Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889)

Für die Durchführung der Wahl zur Volkskammer am 18. März 1990 wird gemäß § 1 des Gesetzes vom 20: Februar 1990 über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 18. März 1990 (GBl. I Nr. 9 S. 60) folgende Wahlordnung beschlossen:

I.
Wahlteilnahme und Wählbarkeit

§ 1. (1) An der Wahl zur Volkskammer kann jede Bürgerin und jeder Bürger (nachfolgend als Bürger bezeichnet) der Deutschen Demokratischen Republik teilnehmen, die vor dem 19. März 1972 geboren und den Festlegungen des Wahlgesetzes entsprechend wahlberechtigt sind.

(2) Ausgeschlossen von der Wahl gemäß § 3, Absatz 2 des Wahlgesetzes sind Bürger nur dann, wenn darüber von den Gerichten, den staatlichen Notariaten bzw. den Abteilungen Gesundheitswesen der Räte der Kreise informiert worden ist, daß die geforderten Gründe vorliegen.

(3) In den Fällen, wo das Wahlrecht gemäß § 3, Absatz 3 des Wahlgesetzes ruht, haben die Leiter der jeweiligen Gesundheitseinrichtungen bzw. der Abteilungen Gesundheitswesen der Räte der Kreise den für die Aufstellung des Wählerverzeichnisses zuständigen Rat der Stadt, des Stadtbezirkes bzw. der Gemeinde zu informieren.

(4) Von den Wahlkommissionen sind die zuständigen Organe zur Abgabe der Informationen gemäß Absatz 2 und 3 aufzufordern. Bürger, über die Informationen gemäß Absatz 2 und 3 vorliegen, sind nicht in die Wählerverzeichnisse aufzunehmen bzw. zu streichen. Ist eine solche vorgesehen, ist dies dem betreffenden Bürger unverzüglich unter Angabe der Einspruchsmöglichkeit gemäß § 22 des Wählgesetzes mitzuteilen.

§ 2. Wählbar sind alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die vor dem 19. März 1972 geboren sind, von einer zugelassenen Partei oder anderen politischen Vereinigung gemäß § 11 des Wahlgesetzes nominiert wurden und deren Wahl keine gesetzlichen Hinderungsgründe, wie sie insbesondere in den §§ 4 Absatz 2, 8 Absatz 1 und 4, 9 des Wahlgesetzes aufgeführt sind, entgegenstehen.

II.
Leitung der Wahlen

§ 3. (1) Die Wahl zur Volkskammer wird gemäß § 16 des Wahlgesetzes durch demokratisch gebildete und öffentlich arbeitende Wahlkommissionen geleitet und organisiert.

(2) Die Wählkommissionen gewährleisten durch ihre gesamte Tätigkeit die strikte Einhaltung der wahlrechtlichen Bestimmungen. Dazu obliegen ihnen insbesondere:
- die Entgegennahme, Prüfung, Registrierung und Bekanntmachung der Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen, die sich zur Wahl stellen wollen und deren Wahlvorschläge;
- die Festlegung der Stimmbezirke und Wahllokale;
- die Kontrolle der Aufstellung der Wählerverzeichnisse;
- die Bildung und Schulung der Wahlvorstände;
- die Veranlassung der Herstellung der Stimmzettel;
- die Kontrolle der Einrichtung der Wahllokale;  die Kontrolle des Ablaufes der Wahlhandlung;
- die Feststellung, Übermittlung, Zusammenfassung, Archivierung und Bekanntgabe der Wahlergebnisse;
- die Organisation und Kontrolle des Transportes; der Sicherung und der Vernichtung der Wahlunterlagen.

(3) Die Mitglieder der Wahlkommissionen sind zur Erfüllung der Aufgaben von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt. Daraus dürfen ihnen keine beruflichen und finanziellen Nachteile entstehen. Die Vergütung erfolgt entsprechend der rechtlichen Festlegungen bei Freistellung für gesellschaftliche Tätigkeit.

(4) Durch die Volkskammer wird am 20. Februar 1990 gemäß § 16 Absatz 2, des Wahlgesetzes das bei der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik bestehende Präsidium und die Wahlkommission der DDR gebildet. Die Wahlkommission der Deutschen Demokratischen, Republik konstituiert sich am 22: Februar 1990.

(5) Von der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik werden bis zum 22. Februar 1990 die Mitglieder der Wahlkommissionen der Wahlkreise berufen und danach die unverzügliche amtliche Bekanntmachung der Zusammensetzung dieser Wahlkommissionen veranlaßt.

(6) Die Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik legt im Zusammenwirken mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten auf der Grundlage des § 7 Absatz 4 des Wahlgesetzes die erforderlichen Modalitäten fest.

(7) Bei der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik und den Wahlkommissionen der Wahlkreise werden zur Unterstützung ihrer organisatorischen und technischen Arbeit Organisationsbüros (Wahlbüros) gebildet.

In den Stadt und Landkreisen können unter Leitung eines Mitgliedes der Wahlkommission Stützpunkte dieses Wahlbüros eingerichtet werden.

§ 4. (1) Am 22: Februar 1990 fordert die Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik durch öffentliche Bekanntmachung zur Einreichung von Wahlvorschlägen auf. Sie sichert, daß bis zum gleichen Zeitpunkt die Vordrucke für die Zustimmungserklärungen der Kandidaten und die Wählbarkeitsbescheinigungen den Parteien und anderen politischen Vereinigungen zur Verfügung stehen.

(2) Die gemäß § 10 Absatz 2 und 3 des Wahlgesetzes von den Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen geforderten Erklärungen und Unterlagen sind bis zum 26. Februar 1990 der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik zu übersenden.

(3) Durch die Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik erfolgt eine unverzügliche Prüfung der eingereichten Erklärungen und Unterlagen. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß ein Wahlausschluß gemäß § 8 Absatz 2 des Wahlgesetzes erforderlich sein könnte, ist eine sofortige Prüfung und Entscheidung durch das bei der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik bestehende Präsidium zu veranlassen.

Werden Parteien oder andere politische Vereinigungen von der Wahl ausgeschlossen, sind diese darüber schriftlich zu informieren.

§ 5. (1) Die Wahlvorschläge der Parteien, anderen politischen Vereinigungen bzw. Listenvereinigungen sind bis zum 28. Februar 1990 bei der zuständigen Wahlkommission des Wahlkreises einzureichen. Gleichzeitig sind von der jeweiligen Partei, anderen politischen Vereinigung oder Listenvereinigung gemäß § 12 des Wahlgesetzes eine Vertrauensperson sowie ein Stellvertreter zu benennen.

(2) Die Prüfung und Registrierung der Wahlvorschläge in den Wahlkreisen ist bis zum 3. März 1990 abzuschließen. Entscheidungen der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik über Beschwerden gegen Entscheidungen der Wahlkommissionen der Wahlkreise sind bis zum 6. März 1990 zu treffen.

§ 6. (1) Die Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik stellt am 9. März 1990 die an der Wahl teilnehmenden Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen sowie die Listenziffer entsprechend der alphabetischen Reihenfolge verbindlich fest. Die festgelegten Listenziffern sind für alle Wahlkreise einheitlich anzuwenden.

(2) Listenvereinigungen werden unter dem Namen der Listenvereinigung, der Bezeichnung und dem Kurzzeichen der daran beteiligten Parteien und anderen politischen Vereinigungen sowie einer Listenziffer registriert und bekanntgegeben.

(3) Parteien und andere politische Vereinigungen, die eine Listenvereinigung eingehen, können in keinem Wahlkreis einen eigenständigen Wahlvorschlag einreichen.

(4) Die verbindliche Festlegung gemäß § 14, Absatz 2 des Wahlgesetzes, welche Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen im jeweiligen Wahlkreis an der Wahl teilnehmen sowie die auf dem Stimmzettel aufzunehmenden drei ersten Kandidaten sind durch die Wahlkommissionen der Wahlkreise am 9. März 1990 amtlich zu veröffentlichen.

§ 7. Die Festlegung der Stimmbezirke und der Wahllokale wird durch die Wahlkommissionen der Wahlkreise auf der Grundlage von Vorschlägen der Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden bis zum 24. Februar 1990 vorgenommen und unverzüglich in ortsüblicher Weise bekanntgegeben.

§ 8. (1) Die Wahlkommissionen der Wahlkreise bilden auf der Grundlage der von den Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen bis zum 1. März 1990 eingereichten Vorschläge die Wahlvorstände der Stimmbezirke bis zum 8. März 1990.

(2) Die Vorsitzenden und Stellvertreter der Vorsitzenden der Wahlvorstände sind bis zum 10. März 1990 über die wahlrechtlichen Bestimmungen, die für die Durchführung der Wahlhandlung und die Feststellung der Ergebnisse der Stimmabgaben festgelegt sind, durch Mitglieder der Wahlkommissionen zu unterweisen:

III.
Sicherung des Wahlrechtes

§ 9. Alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die vor dem 19. März 1972 geboren und wahlberechtigt sind, werden am Ort ihrer Hauptwohnung in das Wählerverzeichnis aufgenommen.

§ 10. (1) Die Räte der Bezirke und Kreise gewährleisten, daß die Wählerverzeichnisse rechnergestützt bis spätestens zum 4. März 1990 hergestellt und an die Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden übergeben werden.

Die Wählerverzeichnisse sind in zwei unterschiedlich gekennzeichneten Exemplaren auszufertigen.

(2) Gleichzeitig mit den Wählerverzeichnissen sind die schriftlichen Benachrichtigungen über die Eintragung in das Wählerverzeichnis (Wahlbenachrichtigungen) herzustellen und mit den Wählerverzeichnissen zu übergeben.

§ 11. Die Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden sichern mit allen an der Wahl beteiligten Parteien und anderen politischen Vereinigungen, daß jedem Wahlberechtigten bis zum 8: März 1990 die Wahlbenachrichtigung übermittelt wird.

§ 12. Stellen Bürger fest, daß die Wahlbenachrichtigung fehlerhafte Angaben enthält, können, sie sich an den zuständigen Rat wenden und die Berichtigung fordern.

§ 13. (1) Die Wählerverzeichnisse sind in der Zeit vom 5. bis 10. März 1990 öffentlich zur Einsichtnahme auszulegen.

Die Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden veranlassen bis zum 2. März 1990 darüber eine ortsübliche Mitteilung, aus der Ort und Zeit der Auslegung sowie die Möglichkeit des Einspruches gegen das Wählerverzeichnis gemäß § 22 des Wahlgesetzes hervorgehen.

(2) Über die von den Wählern beantragten Berichtigungen und Ergänzungen haben die zuständigen Räte bis spätestens 16. März 1990, 16.00 Uhr zu entscheiden.

§ 14. Berichtigungen. von Schreibfehlern bei Namen, Geburtsdaten bzw. Wohnanschriften sind auf Antrag des Bürgers im Wählerverzeichnis vorzunehmen, nachdem eine Abstimmung mit Meldestellen der Deutschen Volkspolizei bzw. Standesämtern vorgenommen wurde.

§ 15. Streichungen im Wählerverzeichnis sind nur zulässig, wenn
- eine Mitteilung eines örtlichen Rates über die Aufnahme des Bürgers in das dortige Wählerverzeichnis vorliegt,
- der Bürger verstorben ist,
- eine Mitteilung der zuständigen Meldestelle der Deutschen Volkspolizei vorliegt, daß der Bürger abgemeldet wurde,
- der Bürger entsprechend § 3 des Wahlgesetzes nicht wahlberechtigt ist bzw. sein Wahlrecht ruht.

§ 16. (1) Wahlscheine werden in der Zeit vom 5. bis 16. März 1990, 16.00 Uhr, von den Räten der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden auf Antrag des Bürgers, der am Wahltag verhindert ist, in seinem Stimmbezirk zu wählen, ausgestellt. Für die Antragstellung kann vom Bürger eine andere Person bevollmächtigt werden. Die Ausstellung des Wahlscheines ist im Wählerverzeichnis zu vermerken. In den Fällen, in denen ein Bürger gemäß § 24, Absatz 1 des Wahlgesetzes aus. einem von ihm nicht zu vertretendem Grund im Wahlverzeichnis nicht aufgenommen wurde bzw. wenn nach Schließung des Wählerverzeichnisses ein Grund eintritt, der den Wähler verhindert, am Wahltag in seinem Stimmbezirk zu wählen, ist auch nach Schließung des Wählerverzeichnisses bis spätestens 17. März 1990, 18:00 Uhr, die Ausstellung eines Wahlscheines möglich. Die Ausstellung von Wahlscheinen ist in diesen Fällen in einer Anlage zum Wählerverzeichnis zu vermerken.

(2) Als Wahlschein hat nur der von der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik herausgegebene Vordruck Gültigkeit. Der Wahlschein muß vollständig ausgefüllt, gesiegelt und unterzeichnet sein.

(3) Auf Wahlschein kann in jedem Stimmbezirk der Deutschen Demokratischen Republik die Stimme abgegeben werden.

§ 17. (1) Die Wählerverzeichnisse sind am 16. März 1990, 16.00 Uhr, unter Kontrolle von mindestens zwei Mitgliedern von zuständigen Wahlvorständen zu schließen.

(2) Durch die Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden sind die Wählerverzeichnisse unter Berücksichtigung aller Änderungen in dem dafür vorgesehenen Feld neu zu numerieren.

In die Zweitnumerierung der Wählerverzeichnisse zur Ermittlung der Anzahl der Wahlberechtigten sind Bürger, die unter den im § 15 genannten Voraussetzungen gestrichen worden sind und Bürger, die einen Wahlschein erhalten haben, nicht einzubeziehen.

(3) Über den Abschluß des Wählerverzeichnisses ist ein Protokoll auszufertigen, daß von einem Vertreter des Rates und mindestens zwei Wahlvorstandsmitgliedern zu unterzeichnen ist. Auf dieser Grundlage informiert der zuständige Rat die Wahlkommission des Wahlkreises über die Anzahl der wahlberechtigten Bürger.

§ 18. In deutschsorbischen Gebieten der Bezirke Cottbus und Dresden ist zu sichern, daß Wahlbenachrichtigungen, Wahlbekanntmachungen und die Kenntlichmachung der lokale auch in sorbischer Sprache erfolgen.

IV.
Wahlhandlung

§ 19. (1) Der Wahlvorstand tritt spätestens am 9. März 1990 zusammen und wählt aus seiner Mitte in geheimer Abstimmung den Vorsitzenden des Wahlvorstandes, seinen Stellvertreter und den Schriftführer.

Die Mitglieder des Wahlvorstandes sind verpflichtet, sich mit den wahlrechtlichen Bestimmungen vertraut zu machen und an Qualifizierungsveranstaltungen teilzunehmen.

(2) Der Wahlvorstand überzeugt sich spätestens am Tage vor der Wahl davon, daß das Wahllokal gut kenntlich gemacht sowie ordnungsgemäß eingerichtet ist. Bei der Einrichtung der Wahllokale ist insbesondere zu gewährleisten, daß
- Wahlkabinen aufgestellt wurden, die für den Wähler leicht zugänglich sind, eine unbeobachtete Vorbereitung der Stimmabgabe ermöglichen und in denen Schreibstifte und Schreibunterlagen vorhanden sind,
- eine ordnungsgemäße Wahlurne sowie weitere Wahlurnen zur Verwendung gemäß § 19 des Wahlgesetzes vorhanden sind,
- der Ablauf der Wahlhandlung durch den Wahlvorstand entsprechend den wahlrechtlichen Bestimmungen geleitet werden kann.

Festgestellte Mängel sind durch den zuständigen Rat bzw. den Wahlvorstand unverzüglich zu beseitigen. Zugleich berät der Wahlvorstand über die Verteilung der Aufgaben an seine Mitglieder bei der Durchführung der Wahlhandlung.

§ 20. (1) Der Wahlvorstand tritt am Wahltag spätestens eine Stunde vor Öffnung im Wahllokal zusammen. Er übernimmt vom jeweiligen örtlichen Rat das Wählerverzeichnis, die erforderliche Anzahl Stimmzettel, einen Vordruck der Niederschrift des Wahlvorstandes, ein Wahlgesetz, eine Wahlordnung, einen Dienststempel des Rates sowie weitere für seine Tätigkeit notwendige Materialien.

(2) Ist die Arbeitsfähigkeit des Vorstandes durch Ausfall von Mitgliedern des Wahlvorstandes bis zur Öffnung des Wahllokales nicht gegeben, sind die anwesenden Mitglieder des Wahlvorstandes berechtigt, wahlberechtigte Bürger des Stimmbezirkes zur Mitarbeit im Wahlvorstand heranzuziehen. Die Wahlkommission des Wahlkreises ist darüber in Kenntnis zu setzen.

§ 21. (1) Der Wahlvorstand gewährleistet, daß das Wahllokal pünktlich um 7.00 Uhr geöffnet wird. Auf Antrag kann durch die Wahlkommission des Wahlkreises in begründeten Ausnahmefällen eine frühere Öffnung von Wahllokalen, jedoch nicht vor 5.00 Uhr, genehmigt werden.

In Anwesenheit von Wählern verpflichtet der Vorsitzende des Wahlvorstandes seinen Stellvertreter und die Mitglieder durch Handschlag, ihre Aufgaben strikt entsprechend den wahlrechtlichen Bestimmungen zu erfüllen.

(2) Der Wahlvorstand und die anwesenden Wähler überzeugen davon daß die Wahlurnen leer sind.

Die Wahlurnen sind mit Klebestreifen zu versiegeln, die mit dem Dienststempel des Rates und dem Namenszug des Vorsitzenden des Wahlvorstandes zu versehen sind. Zugleich sind alle im Wahllokal vorhandenen Wahlurnen auf dem Klebestreifen mit einer laufenden Nummer zu kennzeichnen.

(3) Die Wahlurnen dürfen erst nach Abschluß der Wahlhandlung um 18.00 Uhr geöffnet werden.

(4) Vor Aushändigung des Stimmzettels ist anhand des Personalausweises oder eines g leichgestellten Personaldokumentes zu prüfen, ob der Wähler im Wählerverzeichnis des Stimmbezirkes eingetragen und wahlberechtigt ist.

§ 22. (1) Legen Bürger einen Wahlschein vor, ist zu prüfen, ob die Angaben auf dem Wahlschein mit denen im Personaldokumente übereinstimmen.

(2) Wahlberechtigte, die außerstande sind, selbständig den Stimmzettel zu kennzeichnen und in die Wahlurne einzuwerfen, können dabei gemäß § 30 Absatz 3 des Wahlgesetzes von einer Person                unterstützt werden.

Die Vertrauensperson darf gemeinsam mit dem Wähler die Wahlkabine aufsuchen. Sie ist zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet, die sie bei der Hilfeleistung erlangt hat.

(3) Die Wahlvorstände sichern, daß Wähler, die ihren Stimmzettel außerhalb der Wahllokale zur Stimmabgabe vorbereitet haben, erst dann zur Stimmabgabe zugelassen werden, wenn diese Stimmzettel durch Aufschrift als ungültig gekennzeichnet sowie durch zwei Mitglieder des Wahlvorstandes unterzeichnet wurden.

Der Grund für die Ungültigkeit ist anzugeben. Danach sind die Stimmzettel in die Wahlurne einzuwerfen.

(4) Bei jedem Wähler wird die Stimmabgabe bei Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne im Wählerverzeichnis vermerkt.

§ 23. (1) Bürger, die aus Alters oder Gesundheitsgründen nicht im Wahllokal ihres Stimmbezirkes wählen können, werden auf Verlangen durch zwei Mitglieder des Wahlvorstandes in ihrer Wohnung aufgesucht. Der Wahlvorstand ist berechtigt, wenn dies zur Aufrechterhaltung seiner Arbeitsfähigkeit notwendig ist, anstelle des zweiten Mitgliedes des Wahlvorstandes einen wahlberechtigten Bürger seines Stimmbezirkes einzubeziehen.

(2) Der Vorsitzende des Wahlvorstandes verpflichtet die betreffenden Mitglieder des Wahlvorstandes, in ihrer Tätigkeit die wahlrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und übergibt ihnen eine ordnungsgemäß versiegelte Wahlurne und die erforderlichen Stimmzettel.

(3) Nach Schluß der Stimmabgabe sind die Wahlurne, die Wahlscheine und die Stimmzettel unverzüglich in das Wahllokal zurückzubringen. Die Stimmabgabe ist im Wählerverzeichnis zu vermerken. Die Wahlurne ist im Wahllokal bis zum Abschluß der Wahlhandlung unter Aufsicht des Wahlvorstandes zu verwahren.

§ 24. (1) Bürger, die sich in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens befinden, werden auf Verlangen durch Mitglieder des Wahlvorstandes des zuständigen Stimmbezirkes in diesen Einrichtungen aufgesucht. Der Leiter der betreffenden Einrichtung sichert die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen für eine den wahlrechtlichen Bestimmungen entsprechende Wahlhandlung.

(2) Einrichtungen des Strafvollzuges und der Untersuchungshaft werden auf schriftlichen Antrag von Wahlberechtigten von Mitgliedern des Wahlverstandes aufgesucht.

(3) Bürger in diesen Einrichtungen können ihr Wahlrecht ausüben, wenn sie im Wählerverzeichnis des zuständigen Stimmbezirkes eingetragen oder im Besitz eines Wahlscheines sind.

§ 25. (1) Angehörige von kasernierten Einheiten bewaffneter Organe können ihre Stimme im Wahllokal eines Stimmbezirkes der Stadt oder Gemeinde, in deren Bereich die Einheit stationiert ist, abgeben, wenn sie im Wählerverzeichnis dieses Stimmbezirkes eingetragen oder im Besitz eines Wahlscheines sind.

(2) Angehörigen kasernierter Einheiten ist, soweit es die Gewährleistung der Einsatzfähigkeit der bewaffneten Organe erlaubt, die Stimmabgabe im zuständigen Stimmbezirk entsprechend den wahlrechtlichen Bestimmungen zu ermöglichen.

§ 26. Der Wahlvorstand gewährleistet, daß am Wahltag im Wahllokal und in dem Gebäude, in dem sich das Wahllokal befindet sowie im Umkreis von etwa 100 Metern jegliche Art von Wahlpropaganda unterbunden wird. Im Wahllokal dürfen Wählerbefragungen und Interviews nicht durchgeführt werden.

V.
Ermittlung und Feststellung der Wahlergebnisse

§ 27. Der Wahlvorstand gewährleistet die ungehinderte Anwesenheit interessierter Personen an der öffentlichen Auszählung der Stimmen im Wahllokal. Die Arbeit des Wahlvorstandes zur ordnungsgemäßen und ungestörten Feststellung des Wahlergebnisses darf dadurch nicht behindert werden.

§ 28. (1) Der Wahlvorstand beginnt unverzüglich nach Abschluß der Wahlhandlung und Bekanntgabe der Anzahl der Wahlberechtigten im Wahllokal mit der öffentlichen Auszählung der Stimmen. Die nicht ausgegebenen Stimmzettelvordrucke sind vorher zu zählen und in einem versiegelten und mit deren Anzahl versehenen Umschlag aufzubewahren.

(2) Alle im Stimmbezirk verwandten Wahlurnen werden nach Prüfung ihrer Vollständigkeit und Unversehrtheit vom Vorsitzenden des Wahlvorstandes geöffnet. Die Stimmzettel aus allen Wahlurnen werden in einer Wahlurne vermengt.

(3) Die Stimmzettel werden aus der Wahlurne entnommen und gezählt. Zugleich wird die Anzahl der Abstimmungsvermerke im Wählerverzeichnis und die Anzahl der abgegebenen Wahlscheine gezählt. Ergibt sich auch nach wiederholter Zählung eine Differenz zwischen der Anzahl der Stimmzettel sowie der Anzahl der Abstimmungsvermerke und vorhandenen Wahlscheine, ist diese in der Niederschrift des Wahlvorstandes zu vermerken und soweit möglich zu begründen.

(4) Nach dem Zählen der Stimmzettel wird die Anzahl der gültigen und ungültigen Stimmen festgestellt. Über die Gültigkeit der Stimmen entscheidet der Wahlvorstand. Danach wird die Anzahl der für die Wahlvorschläge der einzelnen Listen abgegebenen gültigen Stimmen ermittelt.

(5) Die ermittelten Zahlen der gültigen und ungültigen sowie der für die einzelnen Listen abgegebenen gültigen Stimmen werden vom Schriftführer zusammengezählt. Zwei Mitglieder des Wahlvorstandes überprüfen die Zusammenzählung.

(6) Nach Ermittlung des Ergebnisses der Stimmenauszählung fertigt der Wahlvorstand die Wahlniederschrift aus. Diese ist vom Vorsitzenden des Wahlvorstandes, dem Schriftführer und mindestens drei weiteren Mitgliedern zu unterzeichnen.

Der Vorsitzende des Wahlvorstandes gibt nach Unterzeichnung der Wahlniederschrift das protokollierte Ergebnis mündlich im Wahllokal bekannt.

§ 29. (1) Zur Ermittlung des vorläufigen Ergebnisses der Stimmabgabe für die Wahl zur Volkskammer übermitteln die Wahlvorstände die in der Wahlniederschrift festgestellten Zahlenwerte an die Kreisstellen der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik.

(2) Die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik legt durch eine von der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik bestätigte Organisationsanweisung fest, wie unter Aufsicht von Mitgliedern der Wahlkommissionen der Wahlkreise die Zusammenfassung und Weitergabe der Zahlenwerte bis an das Wahlbüro der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik erfolgt.

(3) Vorläufige Ergebnisse der Wahl zur Volkskammer werden von den Wahlkommissionen für ihren Zuständigkeitsbereich festgestellt und bekanntgemacht.

§ 30. (1) Die von den Wählvorständen ausgefertigten Wahlniederschriften werden in einen versiegelten und mit der Bezeichnung des Stimmbezirkes und der Kennzeichnung des Inhaltes versehenen Umschlag unverzüglich an die Stützpunkte der Wahlkommissionen der Wahlkreise übersandt.

In den Stützpunkten wird überprüft, ob die Wahlniederschriften aus allen Stimmbezirken vollständig vorliegen.

(2) Die Art und Weise der unverzüglichen weiteren Übersendung der Wahlniederschriften an die Wahlkommissionen der Wahlkreise wird durch Weisung des Vorsitzenden der Wahlkommission des jeweiligen Wahlkreises festgelegt.

(3) Zusammen mit den Wahlniederschriften werden an die Stützpunkte der Wahlkommissionen der Wahlkreise in getrennten, versiegelten, mit der Bezeichnung des Stimmbezirkes und der Kennzeichnung des Inhaltes versehenen Umschlägen
- die gültigen und ungültigen Stimmzettel unter Angabe der Anzahl,
- die ungenutzten Stimmzettel,         
- die abgegebenen Wahlscheine unter Angabe der Anzahl,
- die Wählerverzeichnisse,
- weitere bei der Ermittlung des Wahlergebnisses entstandene Unterlagen (einschließlich der Wahlbenachrichtigungen)
übersandt und in von den Beauftragten der Wählkommissionen festgelegten, verschlossenen und versiegelten Räumen aufbewahrt.

§ 31. (1) Die Wahlkommissionen der Wahlkreise fassen nach Überprüfung der Wahlniederschriften die Ergebnisse der Wahl aus allen Stimmbezirken des Wahlkreises zusammen und stellen die Wahlbeteiligung, die Anzahl der gültigen und ungültigen Stimmen und die Anzahl der für die einzelnen Listen abgegebenen gültigen Stimmen fest.

(2) Das darüber von der Wahlkommission des Wahlkreises zu fertigende und durch den Vorsitzenden und mindestens die Hälfte der Mitglieder der Wahlkommission zu unterzeichnende Wahlprotokoll ist unverzüglich durch Kurier an die Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik zu übersenden.

§ 32. (1) Durch die Wahlkommission der Deutschen. Demokratischen Republik wird das endgültige Gesamtergebnis der Wahl zur Volkskammer `festgestellt und die Berechnung der Anzahl der für jede Liste in der gesamten Republik erreichten Mandate sowie die Berechnung der Mandate einer jeden Liste für die Wahlkreise vorgenommen.

(2) Die Berechnung der Mandate für die einzelnen Listen erfolgt so, daß die in der Deutschen Demokratischen Republik insgesamt von jeder Liste erreichten gültigen Stimmen mit der Gesamtzahl der Abgeordnetensitze der Volkskammer multipliziert und durch die Gesamtzahl der gültigen Stimmen für alle Listen dividiert werden. Der damit errechnete Wert ergibt die Anzahl der Mandate für die einzelnen Listen. Für die verbleibenden Teilungsreste erhalten die Listen mit den höchsten Zahlenwerten nach dem Komma jeweils eines der noch verbleibenden Mandate.

(3) Die Verteilung der Mandate jeder Liste auf die Wahlkreise erfolgt so, daß die in dem betreffenden Wählkreis von einer Liste erreichten gültigen Stimmen mit der Anzahl der von dieser Liste erreichten Abgeordnetensitze multipliziert und durch die von der betreffenden Liste in der Deutschen Demokratischen Republik insgesamt erreichten gültigen Stimmen dividiert werden. Der damit errechnete Wert ergibt die Anzahl der Mandate der betreffenden Liste im jeweiligen Wählkreis. Für die verbleibenden Teilungsreste erhalten die Wahlkreise mit den höchsten Zahlenwerten nach dem Komma ein Mandat der jeweiligen Liste.

(4) Die Mandate sind in der verbindlichen Reihenfolge der Kandidaten, wie sie gemäß § 11 des Wahlgesetzes in allen Wahlkreisen durch die Parteien, anderen politischen Vereinigungen bzw: Listenvereinigungen eingereicht wurden, zu besetzen.

§ 33. (1) Die Wahlkommission der Deutschen  Demokratischen Republik veranlaßt die öffentliche Bekanntmachung des vorläufigen und des endgültigen Ergebnisses der Wahl zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. Es werden veröffentlicht für 15 Wahlkreise und für die DDR insgesamt:
- die Gesamtzahl der Wahlberechtigten;
- die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen;
- die Anzahl der gültigen und ungültigen Stimmen;
- die Anzahl der für die einzelnen Listen abgegebenen gültigen Stimmen;
- die Anzahl der auf die Parteien, anderen politischen Vereinigungen und Listenvereinigungen entfallenden Mandate.

(2) Bei der Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses zur Wahl der Volkskammer werden außerdem die Namen der gewählten Abgeordneten, aufgeschlüsselt nach Wahlkreisen und mit Angabe der Parteizugehörigkeit, veröffentlicht.

VI.
Behandlung der Wahlunterlagen

§ 34. Die Wahlbüros der Wahlkommissionen gewährleisten in verschlossenen und versiegelten Räumen die sichere Aufbewahrung der übersandten Wahlunterlagen.

§ 35. Auf Weisung des Vorsitzenden der Wahlkommission des Wahlkreises und unter Aufsicht von Mitgliedern der Wahlkommission erfolgt im Zeitraum vom 17. Mai bis 6. Juni 1990 die Vernichtung der Stimmzettel, Wahlscheine, Wählerverzeichnisse und der weiteren Unterlagen. Über die Vernichtung ist ein Protokoll anzufertigen und bis 10. Juni 1990 der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik zuzuleiten.

§ 36. (1) Die Protokolle der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik und der Wahlkommissionen der Wahlkreise, die Niederschriften der Wahlvorstände und die Vernichtungsprotokolle sind nach Abschluß der Tätigkeit der Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik dem Sekretariat der Volkskammer zur Aufbewahrung zu übergeben.

(2) Die im Absatz 1 aufgeführten Unterlagen dürfen. lediglich von Untersuchungsausschüssen der Volkskammer und der Staatsanwaltschaft gesichtet werden.

(3) Die Vernichtung dieser Wahlunterlagen erfolgt auf Beschluß der Volkskammer der nachfolgenden Wahlperiode.

§ 37. Die Wahlordnung tritt am 20. Februar 1990 in Kraft.

Vorstehende Wahlordnung wurde von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik in ihrer 17. Tagung am 20. Februar 1990 beschlossen.

    Berlin, 20. Februar 1990

Der Präsident der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik
Dr. G. Maleuda


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1990 Teil I. S. 68
© 24. Februar 2005

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