Gesetz über die Wahlen zu den Volksvertretungen der Deutschen Demokratischen Republik
(Wahlgesetz)

vom 31. Juli 1963

geändert durch
Gesetz vom 13. September 1965 (GBl. I. S. 207),
Gesetz vom 2. Mai 1967 (GBl. I. S. 57),
Gesetz vom 17. Dezember 1969 (GBl. 1970 I S. 1).

neu bekanntgemacht am 17. Dezember 1969 (GBl. 1970 I S. 2)

Die Volksvertretungen sind die wichtigsten Organe der Staatsmacht der Deutschen Demokratischen Republik. Sie leiten bewußt und planmäßig den umfassenden Aufbau des Sozialismus. Sie verwirklichen ihre Aufgaben durch die breiteste Einbeziehung aller Schichten der Bevölkerung in die staatliche Tätigkeit und durch die Förderung der schöpferischen Initiative der Werktätigen bei der Ausarbeitung und Durchführung der Volkswirtschaftspläne.

Die Wahlen zu den Volksvertretungen sind Höhepunkte im gesellschaftlichen Leben unserer Republik. Die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen dient der Stärkung unseres Staates und der Festigung der politisch-moralischen Einheit der Bevölkerung.

Für die Wahlen zu den Volksvertretungen beschließt die Volkskammer folgendes Gesetz:

Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Wahlgrundsätze. (1) In der Deutschen Demokratischen Republik wählt die Bevölkerung ihre Machtorgane, die Volkskammer und die örtlichen Volksvertretungen, in allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen auf die Dauer von 4 Jahren.

(2) Durch die Wahl entsendet die Bevölkerung ihre besten Vertreter, die sich durch hervorragende Taten, ihre Initiative und ihre Verbundenheit mit dem werktätigen Volk auszeichnen, als Abgeordnete in die Volksvertretungen.

(3) Die demokratische Durchführung der Wahlen wird durch den Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik gewährleistet.

§ 2. (1) Wahlberechtigt für die Wahlen zur Volkskammer sind alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben.

(2) Wahlberechtigt für die Wahlen zu den Bezirks- und Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen ,sind alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer Hauptstadt Berlin, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und ihren Wohnsitz in dem betreffenden Bezirk, dem Kreis, der Stadt, dem Stadtbezirk oder der Gemeinde haben.

§ 3. In die Volkskammer und in die örtlichen Volksvertretungen sind alle wahlberechtigten Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer Hauptstadt Berlin, die am Wahltag das 21. Lebensjahr vollendet haben, wählbar.

Durch Gesetz vom 17. Dezember 1969 erhielt der § 3 folgende Fassung:
"§ 3. Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik kann in die Volkskammer gewählt werden, wenn er am Wahltage das 21. Lebensjahr vollendet hat. Er kann in die örtlichen Volksvertretungen gewählt werden, wenn er am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat."

§ 4. Nicht wahlberechtigt und nicht wählbar sind Personen,
a) die entmündigt sind oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft stehen;
b) denen rechtskräftig durch gerichtliche Entscheidung die staatsbürgerlichen Rechte entzogen sind.

§ 5. Das Wahlrecht ruht bei
a) Personen, die wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche in. einer Heil- oder Pflegeanstalt oder auf Grund gerichtlicher Entscheidung in einem Heim für soziale Betreuung untergebracht sind;
b) Straf- und Untersuchungsgefangenen und Personen, die vorläufig festgenommen sind.

§ 6. Festlegung des Wahltermins. Die Wahlen zur Volkskammer und zu den örtlichen Volksvertretungen werden vom Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik ausgeschrieben. Er legt den Wahltermin fest.

siehe hierzu u. a. den Beschluß des Staatsrates über die Durchführung der Wahlen zur Volkskammer und zu den Bezirkstagen der DDR vom 31. Juli 1963 (GBl. I. S. 107) und den Beschluß des Staatsrates über die Zusammensetzung der Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen vom 2. Juli 1965 (GBl. I. S. 152); den Beschluß des Staatsrates über die Durchführung der Wahlen zur Volkskammer und zu den Bezirkstagen der DDR im Jahre 1967 vom 2. Mai 1967 (GBl. I S. 58).

§ 7. (1) Für die Volkskammer werden 434 Abgeordnete gewählt.

(2) Die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, ist berechtigt, 66 Vertreter in die Volkskammer zu entsenden.

(3) Die örtlichen Volksvertretungen beschließen auf der Grundlage der Beschlüsse des Staatsrates die genaue Zahl der Abgeordneten der neu zu wählenden Volksvertretungen.

(4) Bei jeder Wahl zur Volkskammer und zu den örtlichen Volksvertretungen sind mindestens ein Drittel der bisherigen Abgeordneten durch neue Kandidaten zu ersetzen.

siehe hierzu u. a. den Beschluß des Staatsrates über die Zusammensetzung der Bezirkstage vom 31. Juli 1963 (GBl. I. S. 107) und Beschluß des Staatsrates über die Zusammensetzung der Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen vom 2. Juli 1965 (GBl. II S. 152), den Beschluß des Staatsrates über die Zusammensetzung der Bezirkstage vom 2. Mai 1967 (GBl. I. S. 63), den Beschluß des Staatsrates über die Zusammensetzung der Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen vom 11. Dezember 1969 (GBl. 1970 I S. 6)

Durch Gesetz vom 17. Dezember 1969 wurde der § 6 Abs. 4 gestrichen.

§ 8. Wahl von Nachfolgekandidaten. (1) Für die Volkskammer und für die örtlichen Volksvertretungen werden Nachfolgekandidaten gewählt.

(2) Die Zahl der Nachfolgekandidaten für die Volkskammer beträgt 100.

(3) Die Zahl der Nachfolgekandidaten für die örtlichen Volksvertretungen betrügt ein Drittel der Zahl der Abgeordneten.

Durch Gesetz vom 13. September 1965 wurde der § 8 Abs. 3 gestrichen.

Durch Gesetz vom 2. Mai 1967 wurde der § 8 Abs. 2 gestrichen.

§ 9. Wahlkreise. (1) Die Wahl der Abgeordneten der Volkskammer und der örtlichen Volksvertretungen erfolgt in Wahlkreisen.

(2) Der Staatsrat bestimmt unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl die Wahlkreise und die Zahl der in den einzelnen Wahlkreisen zu wählenden Abgeordneten für die Wahlen zur Volkskammer.

(3) Die örtlichen Volksvertretungen bestimmen unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl die Wahlkreise und die Zahl der in den einzelnen Wahlkreisen zu wählenden Abgeordneten für die Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen.

siehe hierzu u. a. den Beschluß des Staatsrates über die Wahlkreise und die Zahl der in den einzelnen Wahlkreisen zu wählenden Abgeordneten für die Wahlen zur Volkskammer der DDR im Jahre 1963 vom 31. Juli 1963 (GBl. I. S. 108), den Beschluß des Staatsrates über die Wahlkreise und die Zahl der in den einzelnen Wahlkreisen zu wählenden Abgeordneten für die Wahlen zur Volkskammer der DDR im Jahre 1967 vom 2. Mai 1967 (GBl. I. S. 60).

Wahlkommissionen

§ 10. Zur Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zur Volkskammer und zu den örtlichen Volksvertretungen werden gebildet:
a) Die Wahlkommission der Deutschen Demokratischen Republik (Wahlkommission der Republik);
b) eine Wahlkommission in jedem Bezirk, jedem Kreis, jeder Stadt, jedem Stadtbezirk und jeder Gemeinde (Bezirks-, Kreis-, Stadt-, Stadtbezirks- und Gemeindewahlkommission);
c) eine Wahlkommission in jedem Wahlkreis (Wahlkreiskommission).

§ 11. Bildung der Wahlkommissionen. Die Wahlkommission der Republik wird vom Staatsrat spätestens 2 Monate vor dem Wahltag gebildet. Sie berichtet ihm über die Erfüllung ihrer Aufgaben.

siehe hierzu die Beschlüsse des Staatsrates der DDR über die Bildung der Wahlkommission der DDR vom 2. Juli 1965 (GBl. I S. 153), vom 2. Mai 1967 (GBl. I S. 58) und vom 16. Januar 1970 (GBl. I S. 11).

§ 12. Der Staatsrat legt die Grundsätze für die Bildung der Wahlkommissionen in den Bezirken, Kreisen, Städten, Stadtbezirken und Gemeinden sowie für die Bildung der Wahlkreiskommissionen fest.

§ 13. Aufgaben der Wahlkommissionen. Die Wahlkommission der Republik, die Bezirks-, Kreis-, Stadt-, Stadtbezirks- und Gemeindewahlkommissionen leiten das gesamte Wahlgeschehen auf ihrem Territorium. Sie überwachen die Einhaltung der wahlrechtlichen Bestimmungen, leiten die Tätigkeit der unterstellten Wahlorgane an, entscheiden über Beschwerden gegen die Handlungsweise unterstellter Wahlkommissionen und von staatlichen Organen im Zusammenhang mit der Wahl. Sie stellen das Wahlergebnis fest.

§ 14. Aufgaben der Wahlkreiskommissionen. Den Wahlkreiskommissionen obliegt insbesondere die Entgegennahme der Wahlvorschläge, die Entscheidung über die Zulassung der Kandidaten, ihre Vorstellung auf Wählerversammlungen und die Feststellung des Wahlergebnisses in ihrem Wahlkreis.

§ 15. Wahlvorstände. (1) Für jeden Wahlbezirk (Stimmbezirk) wird vom Rat der Stadt, des Stadtbezirkes bzw. der Gemeinde ein Wahlvorstand gebildet.

(2) Er leitet die Wahlhandlung und stellt das Ergebnis der Stimmabgabe fest.

§ 16. Wahlvorschläge. Die Wahlvorschläge für die Volkskammer, die Bezirkstage, die Kreistage, die Stadtverordnetenversammlungen, die Stadtbezirksversammlungen und die Gemeindevertretungen stellen die demokratischen Parteien und Massenorganisationen auf. Sie haben das Recht, ihre Vorschläge zu dem gemeinsamen Vorschlag der Nationalen Front des demokratischen Deutschland zu vereinigen.

Gültigkeit der Wahl

§ 17. Die neugewählten Volksvertretungen entscheiden über die Gültigkeit ihrer Wahl und prüfen das Recht der Mitgliedschaft.

§ 18. (1) Gegen die Gültigkeit der Wahl kann binnen 2 Wochen nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses vom Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland bzw. von den betreffenden Ausschüssen der Nationalen Front bei der jeweiligen Volksvertretung Einspruch eingelegt werden.

(2) Die Volksvertretung hat in ihrer nächsten Tagung über den Einspruch zu entscheiden.

(3) Wird die Wahl in einem Wahlkreis oder zu einer Volksvertretung für ungültig erklärt, so hat innerhalb von 3 Monaten in dem betreffenden Wahlkreis bzw. zu der betreffenden Volksvertretung eine Neuwahl stattzufinden.

§ 19. Abberufung von Abgeordneten. (1) Die Wähler haben das Recht, in von den zuständigen Ausschüssen der Nationalen Front des demokratischen Deutschland ordnungsgemäß einberufenen Wählerversammlungen die Abberufung von Abgeordneten der Volksvertretungen zu beantragen.

(2) Die zuständigen Volksvertretungen entscheiden in diesen Fällen über die weitere Mitgliedschaft.

Schlußbestimmungen

§ 20. Der Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik erläßt zur Durchführung der Wahlen weitere Bestimmungen.

siehe hierzu u. a. den Erlaß des Staatsrates der DDR über die Wahlen ur Volkskammer und zu den örtlichen Volksvertretungen der DDR (Wahlordnung) vom 31. Juli 1963 (GBl. I. S. 99), ersetzt durch die Wahlordnung vom 2. Juli 1965 (GBl. I S. 143); den Erlaß des Staatsrates der DDR über die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen für die Nachfolgekandidaten der Volkskammer und der Bezirkstage vom 16. Juli 1967 (GBl. I S. 106).

§ 21. (1) Dieses Gesetz tritt am 31. Juli 1963 in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:
a) Gesetz über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 16. November 1958, vom 24. September 1958 (GBl.  I S. 677);
b) Gesetz über die Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik, vom 3. April 1957 (GBl. I S. 221);
c) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wählen zu den örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik, vom 6. Juli 1961 (GBl. I S. 151).

Das vorstehende, von der Volkskammer am einunddreißigsten Juli neunzehnhundertdreiundsechzig beschlossene Gesetz wird hiermit verkündet.

    Berlin, den einunddreißigsten Juli neunzehnhundertdreiundsechzig

Der Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik
W. Ulbricht


Quellen: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1963 Teil I. S. 97
© 5. Dezember 2004 - 27. Dezember 2004

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